L 3 AL 135/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 10 AL 342/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 135/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 18. Mai 2001 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind dem Kläger auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 01.02.2000 im Hinblick auf die Bewilligung und Zahlung von Altersrente streitig.

Der am ...1940 geborene, verheiratete Kläger bezog auf Grund entsprechender Anträge von der Beklagten nach Ausschöpfung seines Anspruches auf Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 07.11.1998 Anschluss-Alhi. Vor dem hier maßgeblichen Zeitraum wurde ihm diese Leistung nach gesetzlicher Anpassung zum 01.01.2000 zuletzt in Höhe von 453,53 DM (entspricht 1.943,70 DM monatlich) gezahlt.

Durch Anzeige von Erstattungsansprüchen seitens der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erhielt die Beklagte im November 1999 davon Kenntnis, dass dem Kläger mit Bescheid vom 19.11.1999 (vorgezogene) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit mit Aufnahme der laufenden Rentenzahlungen zum 01.02.2000 gewährt wurde. Daraufhin hob sie mit Bescheid vom 26.01.2000 die Bewilligung der Alhi mit Wirkung ab dem 01.02.2000 unter Hinweis auf die Gewährung von Altersrente ab diesem Zeitpunkt gemäß § 142 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) und § 330 Abs. 3 SGB III auf.

Hiergegen legte der Kläger am 08.02.2000 Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, ihm werde durch die Aufhebung der Alhi-Gewährung ein monatlicher Verlust von bis zu 170,00 DM zugemutet und darüber hinaus seine jährliche Rentenerhöhung geschmälert. Durch Widerspruchsbescheid vom 31.03.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung sei rechtmäßig, da in den seit der letztmaligen Bewilligung der Alhi maßgeblichen Verhältnissen mit der Rentengewährung eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Durch den Bezug der Rentenleistung erziele der Kläger Einkommen, welches zum Wegfall des Alhi-Anspruchs führe. Nach den gesetzlichen Vorschriften sei die Arbeitsverwaltung gehalten, Arbeitslose, welche in absehbarer Zeit die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch wegen Alters erfüllten, zur Beantragung einer derartigen Rente aufzufordern. Im Falle des Klägers sei eine derartige Aufforderung gar nicht mehr veranlasst worden, da die Prüfung der Unterlagen ergeben habe, dass er selbst bereits einen Rentenantrag gestellt habe und ihm diese Rente auch bewilligt worden sei.

Zur Begründung der am 14.04.2000 gegen diese Entscheidungen zum Sozialgericht Dresden erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er sei mit Vollendung des 60. Lebensjahres zum 01.02.2000 in Altersrente geschickt worden, obwohl er dies nicht gewollt habe. Noch vor Erhalt des Aufhebungsbescheides habe er beim Arbeitsamt Pirna deswegen vorgesprochen und sein Unverständnis (mit dieser Verfahrensweise) zum Ausdruck gebracht. Er selbst habe keine schriftliche Zusage für einen Rentenbeginn mit 60 Jahren gegeben. Seine finanzielle Einbuße betrage durchschnittlich bis 160,00 DM monatlich. Auf diese Weise werde ihm die Möglichkeit genommen, noch einmal in Arbeit vermittelt zu werden. Wegen des damit verbundenen Unterbleibens weiterer Rentenbeitragsleistungen für die nächsten fünf Jahre würden seine Rentenansprüche entsprechend geschmälert. Da er nicht gewusst habe, wie seine finanzielle Absicherung ab 01.02.2000 erfolgen könne, habe er auf Anraten der BfA und des Arbeitsamtes vorsorglich den Rentenantrag gestellt. Es sei ihm dabei die Auskunft gegeben worden, dass er als Alhi-Empfänger mit Vollendung des 60. Lebensjahres in Altersrente gehen müsse. Im Übrigen solle er erst den Aufhebungsbescheid für den Bezug von Alhi abwarten und dann in Widerspruch gehen.

Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung vom 03.07.2000 unter Hinweis auf die Gründe der Widerspruchsentscheidung die Abweisung der Klage beantragt.

In einem ausführlichen Hinweisschreiben vom 14.08.2000 hat das Sozialgericht den Kläger auf die für seinen Anspruch maßgeblichen Bestimmungen des SGB III (§§ 198 Abs. 1 Satz 2, 142 Abs. 1) sowie auf die Wirkungen der tatsächlich erfolgten Rentenbeantragung und -gewährung hingewiesen und mit weiterem Schreiben vom 22.08.2000 die Beteiligten dazu angehört, dass eine Entscheidung des Rechtsstreites durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.05.2001 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die angefochtene Aufhebungsentscheidung der Beklagten sei rechtmäßig. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen dafür seien gemäß § 48 SGB X erfüllt. Die in dieser Vorschrift geforderte wesentliche Änderung der maßgeblichen Verhältnisse sei hier in Form der Bewilligung der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eingetreten. Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 6 SGB III ruhe der Anspruch auf Alhi während der Zeit, in welcher dem Arbeitslosen ein Anspruch auf eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt sei. Dies sei hier ab dem Zeitpunkt der laufenden Zahlung der Altersrente ab dem 01.02.2000 eingetreten. Diese Rentenbewilligung sei nach geltender Rechtslage zu berücksichtigen, auch wenn der Kläger nach seinen Angaben "ohne sein Einverständnis in die Altersrente geschickt worden" sei. Auch der Umstand, dass der Betrag der Altersrente unter dem - auf den Monat umgerechneten - bewilligten Satz der Alhi liege, führe zu keiner anderen Bewertung, zumal der Kläger aus eigenem Antrieb und ohne (ausdrückliche) Aufforderung der Beklagten (gemäß § 202 SGB III) die Rente beantragt habe.

Gegen die ihm am 29.05.2001 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 11.06.2001 zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegte Berufung, zu deren Begründung der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt hat. Nach Zuleitung der Berufungserwiderung der Beklagten hat der Kläger mit Schreiben vom 24.11.2001 vorgetragen, bereits vor dem Oktober 1999 sei ihm bei allen Vorsprachen im Arbeitsamt grundsätzlich mitgeteilt worden, dass er mit 60 Jahren in Altersrente gehen müsse und keine Leistungen vom Arbeitsamt mehr erhalte. Daraufhin habe er in Absprache mit der BfA vorsorglich im Oktober 1999 den Rentenantrag gestellt, nachdem ihm dies mit dem Hinweis empfohlen worden sei, dass er einen solchen Antrag jederzeit rückgängig machen könne. Er habe jedoch den Rentenantrag dann nie rückgängig machen können, da das Arbeitsamt seine Entscheidung (über die Aufhebung der Alhi-Bewilligung) nicht rückgängig gemacht, vielmehr auf der gesetzlichen Regelung beharrt habe.

Nachdem der Kläger auf Nachfrage des Senats zu einem Schreiben vom 15.03.2002 klargestellt hat, dass er in seinem Berufungsverfahren eine gerichtliche Entscheidung begehre, hat der Senat von den Beteiligten das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung eingeholt. Diese wurde vom Kläger mit Schreiben vom 16.08.2003 und von der Beklagten mit Schreiben vom 26.08.2003 erklärt.

Der Kläger stellt sinngemäß den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 28. Mai 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich in ihren Stellungnahmen vom 20.08.2001 und 09.01.2002 der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts unter Hinweis auf die Begründung ihrer Bescheide angeschlossen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der zum Verfahren beigezogenen Leistungsunterlagen der Beklagten sowie die Verfahrensakten aus beiden Rechtszügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie mangels gesetzlicher Ausschlussgründe gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist in der Sache jedoch nicht begründet. Der mit der Berufung angegriffene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden (SG) ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlagen für die streitige Aufhebung der Bewilligung der Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 01.02.2000 sind §§ 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) i. V. m. §§ 198 Abs. 1 Satz 2, 142 Abs. 2 Nr. 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Diese Rechtsbestimmungen hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend benannt und zur Anwendung gebracht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit zunächst auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die vom Kläger im Berufungsverfahren gegen die Entscheidung des Sozialgerichts vorgetragenen Bedenken vermögen eine abweichende Beurteilung der Rechtslage nicht zu stützen. Der Zweck der durch § 198 Satz 2 Abs. 1 Nr. 6 SGB III statuierten Ruhensregelung ist, eine Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen zu verhindern. Nach der ausdrücklichen gesetzgeberischen Absicht soll das Ruhen des Leistungsanspruches gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 4 SGB III unabhängig von der Höhe der zuerkannten Rente vollständig eintreten (vgl. hierzu BSGE 60, 180 [182]; BSG vom 20.09.2001 - B 11 AL 35/01 R -). Zuerkannt im Sinne von § 198 SGB III ist eine Altersrente jedenfalls ab dem Zeitpunkt, zu dem die laufende Rentenzahlung aufgenommen wird. Dies ist hier jedenfalls der 01.02.2000 gewesen. Mit dem ab diesem Zeitpunkt eingetretenen Ruhen des Alhi-Anspruchs hat sich damit in den für diesen Anspruch des Klägers wesentlichen tatsächlichen Verhältnissen eine rechtlich zu beachtende Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X, § 330 Abs. 2 SGB III ergeben.

Der sich aus der unstreitig bestandskräftig gewordenen Rentenbewilligung ergebenden Rechtsfolge des Ruhens des Alhi-Anspruchs gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III kann der Kläger auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, er sei auf Grund entsprechender Auskünfte bzw. Hinweise des Rentenversicherungsträgers und der Beklagten dazu veranlasst worden, die Altersrente bereits ab der Vollendung des 60. Lebensjahres zu beantragen. Auch wenn die Richtigkeit dieses Vorbringens zu Gunsten des Klägers unterstellt wird, ist es für den Eintritt des Ruhens nach § 198 SGB III unerheblich, denn diese Rechtsfolge knüpft allein an die Tatsache der (bescheidmäßigen) verbindlichen Zuerkennung und Zahlung der Rente an (vgl. hierzu BSG vom 20.09.2001 - B 11 AL 35/01 R - mit ausführlicher Begründung). Selbst wenn der Kläger von der Beklagten unter Verstoß gegen die rechtlichen Anforderungen gemäß § 202 Abs. 1 Satz 1 SGB III ausdrücklich zur Stellung eines Rentenantrages aufgefordert worden wäre, hätte dies nicht die Nichtigkeit der Zuerkennung der Rente und, daraus folgend, ein Ausbleiben des Ruhens des Anspruchs auf Alhi bedeutet. Nach der gesetzlichen Systematik kommt vielmehr der vorhandenen, bindenden Rentenzuerkennung Tatbestandswirkung hinsichtlich der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi zu, sie ist also von der Beklagten als Tatsache im Sinne von § 48 SGB X zu beachten. Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben im Berufungsverfahren die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen für den rechtmäßigen Bezug der Altersrente nicht beseitigt, insbesondere den bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gestellten Rentenantrag nicht zurückgenommen bzw. auf die weitere Zahlung der Rente nicht wirksam verzichtet. Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass im Hinblick auf die Tatbestandswirkung einer bindenden Rentenzuerkennung die Möglichkeit einer Zurücknahme des Rentenantrages nur bis zum Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist bestand (vgl. dazu etwa BSG SozR 3-2500 § 50 Nr. 3). Von dieser Möglichkeit hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht und nach seinen eigenen Ausführungen auch in der Folgezeit keinen - gegenüber der BfA wirksamen - Verzicht auf künftige Rentenleistungen ausgesprochen. Deshalb kann der Senat dahingestellt lassen, ob der Alhi-Anspruch des Klägers im Hinblick auf § 202 Abs. 1 Satz 3 SGB III selbst bei einem solchen Verzicht weiterhin ruhen würde oder nicht (vgl. dazu BSG a.a.O.). Ein Anspruch des Klägers auf weitere Zahlung der Alhi über den 01.02.2000 hinaus kann auch nicht auf das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches gestützt werden. Selbst wenn auf Grund der Angaben des Klägers von einer fehlerhaften Beratung seitens der Beklagten vor der bindenden Bewilligung der Altersrente ausgegangen werden sollte, bietet der Herstellungsanspruch keine Möglichkeit, die durch die Rentenbewilligung ausgelösten Rechtsfolgen durch ein rechtmäßiges Handeln der Beklagten ungeschehen zu machen. Das gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III eingetretene Ruhen des Alhi-Anspruchs stellt vielmehr die grundsätzlich gesetzlich gewollte Rechtswirkung der Zuerkennung der Altersrente dar und kann nicht mit Hilfe des Herstellungsanspruchs beseitigt werden. Soweit der Kläger meinen sollte, ihm sei durch eine fehlerhafte Beratung seitens der Beklagten und/oder der BfA im Hinblick auf die niedrige Altersrente ein Vermögensschaden entstanden, wäre ein auf Ausgleich dieses Schadens gerichteter Anspruch als Schadenersatzanspruch vor den dafür zuständigen Zivilgerichten geltend zu machen. Einen derartigen Anspruch hat er weder im Klage- noch im Berufungsverfahren geltend gemacht.

Nach alldem ist der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden tatsächlich und rechtlich nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichtete Berufung musste deshalb mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge als unbegründet zurückgewiesen werden.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor. -
Rechtskraft
Aus
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