L 6 RJ 314/02

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 16 RJ 1277/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 314/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am ...1945 geborene Kläger besuchte von 1956 bis 1965 die Schule, aus der er nachweislich nach dem Ende der 8. Klasse, nach eigenen Angaben, für die er aber keine Unterlagen mehr vorweisen kann, nach dem Ende der 9. Klasse, ausschied. Eine anschließend im September 1965 aufgenommene Fotografenlehre brach er im Laufe des Jahres 1966, wohl im Juni, ab, wofür der Kläger ein Ekzem an den Händen als Grund angibt. Später arbeitete er von 1968 bis 1970 als Polsterer und Tapezierer, 1970 beim Kohlehandel, wechselte als Gerüstbauer und Lagerist zur Werft in S ..., war ab 1973 als Heizer beim W ... tätig, ab 1979 für ca. 1 Jahr beim H ... als Kraftfahrer und von 1980 bis 1985 beim VEB F ... " ..." L ...als Spinnmaschinenführer.

In dieser Zeit absolvierte er in der Abendschule eine berufsbegleitende Ausbildung zum Textilfacharbeiter in der Spezialisierungsrichtung Veredlung, die er mit dem Erwerb des Facharbeiterzeugnisses vom 14.07.1983 abschloss. Auf Grund eines innerbetrieblichen Wechsels wurde er von 1985 bis 1989 als Färber beschäftigt, wobei er in einer Berufsanamnese angab, als Schichtleiter in der Färberei eingesetzt gewesen zu sein.

Nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit um 1990 nahm er am 19.08.1991 eine Beschäftigung bei der S ... AG, Betrieb W ..., auf. Nach einer Anlernzeit in den alten Ländern von ca. einem halben Jahr arbeitete er dann bis zum 31.03.1995 als Ausrüster (Bediener von Färbemaschinen). In der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht hat er angegeben, er habe in dieser Tätigkeit Stoffe an der Maschine gefärbt, diese über einen Schaltschrank computergestützt gesteuert, den Durchlauf der Stoffe kontrolliert, Farben manuell gemischt und kleinere Reparaturarbeiten selbst ausgeführt; in den anderen Fällen sei ein Mechaniker gekommen.

Bereits in der Zeit ab 1985 und erneut seit 1993 neigte der Kläger zu exzessivem Trinken mit Kontrollverlust.

Vom 03.01.1995 bis zum 27.01.1995 war der Kläger arbeitsunfähig geschrieben, wobei als Grund eine Septum-Operation angegeben war. Vom 16.03.1995 bis zum 22.03.1996 war er erneut arbeitsunfähig wegen Hypertonie, Hepatitis, eines Leberschadens, Alkoholabusus und der Teilnahme an einer Entziehungsmaßnahme, ab dem 01.04.1995 bezog er deswegen Krankengeld. Im Anschluss daran war er bis Juni 1996 arbeitslos, von September 1996 bis Februar 1997 erneut arbeitsunfähig, seitdem ist der Kläger beschäftigungslos und bei der Bundesanstalt für Arbeit arbeitslos gemeldet.

Der Kläger beantragte am 16.05.1995 bei der Beklagten Leistungen der Rehabilitation.

Der Beklagten lag ein Befundbericht des Dipl.-Med. W ... vom 11.05.1995 vor (arterielle Hypertension, Hepatose, Steatosis hepatis, beginnende Zirrhose nach Punktion, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, besonders eine Brust- und Lendenwirbelsäulen- Neuropathie, Hyperlipämie, sowie vervielfachter Alkoholkonsum).

Außerdem zog sie einen Sozialbericht des Suchtberatungszentrums des A ...-W ... e. V. vom 16.05.1995 bei, wo der Kläger als Gamma-Alkoholiker mit einem täglichen Konsum von 100 bis 200 g Reinalkohol beurteilt wird.

Vom 22.05.1995 bis zum 02.06.1995 durchlief der Kläger eine Entgiftungsbehandlung in der Inneren Klinik des Krankenhauses B ...

Bei einer am 27.06.1995 durchgeführten Begutachtung diagnostizierte der Gutachterarzt des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung eine chronische Alkoholkrankheit, alkoholtoxische Hepatopathie und Hypertonie; es bestehe voraussichtlich auf absehbare Zeit Arbeitsunfähigkeit; seit der Entlassung aus dem Krankenhaus sei der Kläger, der zuvor täglich bis 12 Flaschen Bier und eine halbe bis ganze Flasche Schnaps getrunken habe, glaubhaft abstinent.

Gleichwohl musste der Kläger sich im August sowie im November und Dezember 1995 zwei weiteren Entgiftungsbehandlungen im Krankenhaus B ... unterziehen.

Dem schloss sich vom 04.12.1995 bis zum 22.03.1996 als medizinische Maßnahme zur Rehabilitation eine Langzeit-Entwöhnungsbehandlung im D ...-Krankenhaus " ..." E ... an. Die dortigen Ärzte stellten in ihrem Abschlussbericht einen Gamma-Alkoholismus, eine Persönlichkeit mit unreifen und schizoiden Zügen, eine Fettleber, Hypertonie I bei Verdacht auf glomeruläre Schädigung, ein endogenes Ekzem und Asthma bronchiale fest; Der Kläger könne die zuletzt ausgeübte oder andere Tätigkeiten noch vollschichtig verrichten und sei bei Entlassung sofort arbeitsfähig. Allerdings sei er wegen fehlender Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit bzw. eine Gegenhaltung vorzeitig entlassen worden.

Im Verlaufe dieser Maßnahme unterzog sich der Kläger vom 27.02.1996 bis zum 01.03.1996 in der gleichen Einrichtung einer stationären Abklärung hypertoner Blutdruckwerte bei Hypertonie I bei Verdacht auf glomeruläre Schädigung. Der Blutdruck konnte medikamentösauf Werte zwischen 145/85 und 170/60 mmHg eingestellt werden, wobei die Ärzte über Complianceprobleme berichteten.

Vom 23.03.1996 bis zum 12.04.1996 wurde dem Kläger erneut Arbeitsunfähigkeit wegen Hypertonie bescheinigt, ab dem 26.03.1996 bezog er Krankengeld. Im April 1996 kam es zu einem Rückfall der Alkholkrankheit, weshalb sich vom 23.08.1996 bis zum 02.09.1996 eine Zeit der weiteren Arbeitsunfähigkeit wegen Alkoholabhängigkeit anschloss.

Vom 16.08.1996 bis zum 02.09.1996 nahm der Kläger im D ...krankenhaus B ... an seiner vierten Entgiftungsbehandlung teil; hier wurden eine Alkoholabhängigkeit bei einem täglichen Konsum von 6 bis 8 Flaschen Bier und zusätzlichen Schnäpsen, eine alkoholische Steatosis hepatis, Übergewicht und Hyperurikämie diagnostiziert.

Nach einem erneuten Rückfall erfolgte eine weitere Entgiftung im Krankenhaus H ... Vom 19.09.1996 bis zum 10.02.1997 war der Kläger wegen Alkoholentzugs, akuter Tachykardie und Hypertonie arbeitsunfähig geschrieben. Ab dem 31.10.1996 bezog er deswegen bis zu seiner Aussteuerung am 10.02.1997 wieder Krankengeld.

Darüber hinaus stellte er sich ausweislich eines Befundberichts des Facharztes für Chirurgie Dr. med. W ... vom 15.01.1997 am 01.10.1996 wegen einer Lumbalgie bei Spondylose und Osteochondrose der Lendenwirbelsäule und der unteren Brustwirbelsäule und Chondropathie des linken Knies seinem Arzt vor.

Bei einer am 13.12.1996 durchgeführten Ergometrie war der Kläger bis 2 min bei 75 Watt belastbar. Anzeichen einer Kardiomyopathie konnten beim Abbruch (bei einer Herzfrequenz von 155/min und einem Blutdruck von 190/120 mmHg) nicht festgestellt werden.

Am 19.12.1996 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Als Grund gab er an, seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 18.09.1996 wegen Bluthochdrucks, Alkoholismus und Herz-Kreislauf-Versagen zu keinerlei Arbeiten mehr im Stande zu sein.

Bei einer Begutachtung am 07.01.1997 stellte der Gutachterarzt des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, Dr. med. S ..., weiterhin eine chronische Alkoholkrankheit mit alkoholtoxischer Leberzirrhose und eine alkoholtoxische Kardiomyopathie fest. Der Kläger sei voraussichtlich auf Dauer arbeitsunfähig und zu keinerlei Tätigkeiten mehr geeignet. Ohne 3 Flaschen Bier und etwas Schnaps am Morgen gehe nichts mehr.

Bei einer Vorstellung am 14.01.1997 beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie bestätigte dieser einen Delta-Alkoholismus mit Dekompensationszeichen, ein epileptisches Syndrom sowie eine Polyneuropathie.

Vom 22.01.1997 bis zum 11.03.1997 fand eine weitere Entwöhnungsbehandlung im A ... Fachklinikum W ..., W ..., statt. Diagnostiziert wurden hier eine Alkoholabhängigkeit vom Gamma-Typ in der chronischen Phase mit epileptischen Reaktionen im Entzug, ein anfängliches hirnorganische Psychosyndrom, eine Selbstwertproblematik und Ausweichverhalten auf dem Boden einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung mit überwiegend schizoid-hysterischen Strukturanteilen, eine alkoholische Polyneuropathie, eine alkoholische Hepatopathie, Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie. Die Entlassung erfolgte bei körperlich und psychisch stabilem Zustand und subjektivem Wohlbefinden als arbeitsfähig ab dem 12.03.1997. Anschließend war der Kläger bis 1999 abstinent.

Die bis zum 10.02.1997 durch das Fachklinikum W ... bescheinigte Arbeitsunfähigkeit wegen Alkoholabhängigkeit wurde vom 11.02.1997 bis zum 11.03.1997 verlängert.

Die Beklagte holte einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. W ... vom 17.04.1997 ein. Dieser berichtete, bei den Diagnosen Alkoholabhängigkeit vom Gamma-Typ mit epileptiformen Reaktionen im Entzug, hirnorganisches Psychosyndrom, alkoholtoxische Neuropathie, alkoholtoxische Hepatopathie, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II, Verdacht auf glomeruläre Nephropathie, endogenes Ekzem und Asthma bronchiale bestehe derzeit Arbeitsunfähigkeit. Der Kläger sei seit März 1997 trocken, aber trotzdem nicht leistungsfähig.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Rente durch Bescheid vom 22.05.1997 ab. Die Erwerbsfähigkeit sei durch eine Alkoholabhängigkeit mit mehrfachen alkoholtoxischen Organschädigungen beeinträchtigt, wobei der Kläger nach langfristiger stationärer Behandlung als arbeitsfähig entlassen worden sei. Er könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig Arbeiten ausüben.

Hiergegen legte der Kläger am 24.06.1997 Widerspruch ein, den er nicht begründete.

Anlässlich einer Begutachtung durch den Gutachterarzt des Arbeitsamtsärztlichen Dienstes Dr. med. J1 ... vom 15.07.1997 berichtete dieser, der Kläger befinde sich in gutem Allgemeinzustand, sei muskelkräftig und habe keine Beschwerden bis auf zeitweises Einschlafen von Händen und Füßen und Taubheitsgefühlen an den Füßen. Nach den Entwöhnungsbehandlungen 1995/96 und im März 1997 sei der Kläger nun abstinent. Es liege noch ein chronisches Ekzem vor, unter Salbenbehandlung sei die Haut aber erscheinungsfrei. Der Kläger könne damit noch vollschichtig leichte und mittelschwere Arbeiten verrichten, zeitweise auch schwere Arbeiten im Freien und in geschlossenen Räumen; er könne in Schichten arbeiten. Tätigkeiten seien im - auch ständigen - Gehen, Stehen und Sitzen möglich. Auszuschließen seien Arbeiten mit hautbelastenden Stoffen, mit Absturzgefahr und Umgang mit alkoholischen Erzeugnissen. Sehvermögen, Gehör sowie die Wegefähigkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln seien normal.

Durch Widerspruchsbescheid vom 23.10.1997, der an den Kläger per Einschreiben am 24.10.1997 abgesandt wurde, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Er sei noch vollschichtig als Textilarbeiter und in sonstigen leichten bis mittelschweren Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar mit Ausnahme von Arbeiten an laufenden Maschinen, unter Zeitdruck oder Publikumsverkehr, an Einzelarbeitsplätzen, mit Klettern und Steigen oder Absturzgefahr.

Hiergegen hat der Kläger am 25.11.1997 mit Schreiben vom 19.11.1997 Klage zum Sozialgericht Chemnitz erhoben. Er sei nicht leistungsfähig und nach 2 1/2 bis 3 Stunden Tätigkeit derart erschöpft, dass er entweder unkontrolliert einschlafe oder einfach umkippe. Trotz des Willens zur Abstinenz sei er nicht belastbar. Die Beklagte habe die medizinischen Befunde unzureichend gewürdigt. Er habe keine Ausdauer und sei schon nach dem Einkauf völlig geschafft. Der Arbeitsamtsarzt Dr. med. J1 ... habe ihn nicht gründlich untersucht. Die Gutachterärztin Dr. med. S ... habe nicht mitbekommen, dass er unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln gestanden habe. Es sei unmöglich, dass er noch im Januar 1997 als nicht einsetzbar eingeschätzt worden, aber binnen vier Monaten ohne medizinische Behandlung gesundet sei. Er sei auch nicht vollständig trocken, sondern jeweils nur für maximal eine Woche, dann trinke er unter Kontrolle Dritter ein bis zwei Flaschen Bier wegen der Schmerzen in der Wirbelsäule und im Kopf. Ohne Alkohol könne er sich nicht konzentrieren und habe optische Wahrnehmungsprobleme. Mit Alkohol ohne Aufsicht verfalle er in Rauschtrinken. Eine kontrollierte Alkoholzufuhr sei aber in keiner Arbeit möglich. Seit Anfang 1999 sei Gicht hinzugetreten. Er habe einen Nierenschaden. Die Wegefähigkeit sei aufgehoben. Bei Berücksichtigung der ohne Alkohol noch zumutbaren Schmerzen betrage die maximale Wegstrecke 50 m, was der Einkaufsentfernung entspreche. Der Arbeitsmarkt sei ihm verschlossen, weil keinem Arbeitgeber zugemutet werden könne, einen alkoholisierten Arbeitnehmer zu beschäftigen.

Vom 13.01.1998 bis zum 25.03.1998 war der Kläger wegen eines Lumbago arbeitsunfähig geschrieben und bezog ab dem 24.02.1998 Krankengeld.

Bei einer internistischen Untersuchung vom 25.01.1998 stellte der Facharzt für Innere Medizin Dr. med. K1 ... eine chronisch obstruktive Bronchitis bei allergischer Reaktionslage und langjähriger Pollinosis, Zustand nach chronischem Alkoholismus im Stadium der Sucht mit chronischen Leberveränderungen sowie eine Spondylose der Wirbelsäule fest.

Der Facharzt für Innere Medizin Dr. med. K1 ... fand am 09.02.1998 einen leichten, vorwiegend frequenzinduzierten Belastungshypertonus vor; bei unzureichender Belastbarkeit (bis 1 min bei 120 Watt, Abbruch wegen RR 246/89 mmHg) ergäbe sich ein Hinweis auf eine myokardiale, jedoch kein Hinweis auf eine respiratorische Insuffizienz.

Bei einer elektroenzephalografischen Untersuchung vom 12.02.1998 erhob der Nervenarzt K2 ... einen Normalbefund, nur unter Provokation bestehe eine erhöhte cerebrale Anfallsbereitschaft, wie schon bei einer früheren Untersuchung vom 07.11.1997.

Am 10.03.1998 wurde der Kläger erneut durch den Gutachterarzt des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Dr. med. S ... untersucht, der ein Lumbalsyndrom und eine chronische Alkoholkrankheit feststellte. Die Arbeitsunfähigkeit ende am 25.03.1998. Es sei eine deutliche Besserung des Zustandes gegenüber Januar 1997 eingetreten. Seitdem sei der Kläger glaubhaft trocken. Blutdruck und Puls seien normal. Seitens des Herz-Kreislauf-Systems bestehe Beschwerdefreiheit. Der Kläger sei ab dem 26.03.1998 vollschichtig einsatzfähig für leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen unter Vermeidung häufigen Bückens.

Das Sozialgericht hat eine Auskunft des letzten Arbeitgebers des Klägers, der S ... AG eingeholt. Diese hat mitgeteilt, der Kläger habe vom 19.08.1991 bis zum 31.03.1995 als Ausrüster (Bediener von Färbemaschinen) leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verrichtet. Die fachlichen Anforderungen hätten im komplexen Erfassen von Bedienabläufen an mindestens drei Färbemaschinen bestanden. In der Regel handele es sich nicht um eine Facharbeitertätigkeit. Es genüge eine dreimonatige Einarbeitung mit einem erfahrenen Facharbeiter. Der Kläger sei sukzessive von Lohngruppe 5 zur Lohngruppe 7, die einem Facharbeiterlohn entspreche, aufgestiegen. Die Leistungen hätten dem Entgelt entsprochen. Der Kläger habe als vollwertige Arbeitskraft gegolten. Er sei wegen nachlassender Arbeitskraft bei Alkoholproblemen entlassen worden.

Außerdem hat das Sozialgericht Befundberichte eingeholt:

- beim Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohren-Krankheiten Dr. med. J2 ... vom 16.04.1998 (chronische allergische Rhinopathie, symmetrische Schallempfindungsstörung, Gräser-, Getreide- und Frühblüherpollenallergie; Mitte Juli 1996 Taubheitsgefühl links, evtl. ein Hörsturz),

- beim Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. W ... vom 20.04.1998 (Alkoholabhängigkeit vom Gamma-Typ, im März 1997 epileptische Reaktionen im Entzug, anfängliches hirnorganisches Psychosyndrom, alkoholische Polyneuropathie, alkoholische Hepatopathie, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, endogenes Ekzem, Asthma bronchiale, degenerative vertebragene Veränderungen; Arbeitsunfähigkeit zuletzt vom 13.01.1998 bis zum 25.03.1998; obwohl der Kläger trocken sei, hätten sich die Befunde verschlechtert bzw. seien fortgeschritten, neu hinzugetreten sei ein vertebragenes Schmerzsyndrom),

- bei der Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dipl.-Med. E ... vom 21.04.1998 (Neurodermitis atopica, Verdacht auf alkoholische Neuropathie der Unterschenkel, Zustand nach Ulkus cruris sinister im Januar 1998 nach Bagatellverletzung, seit 16.03.1998 abgeheilt, Hautzustand unter UV-Behandlung und psychische Verfassung seit März 1997 deutlich stabilisiert und gebessert),

- beim Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychosomatik Nervenarzt K2 ... vom 29.04.1998 (Zustand nach chronischem Alkoholabusus, jetzt glaubhaft trocken, Diabetes mellitus, wahrscheinlich diabetische und alkoholische Polyneuropathie; keine Besserung eher deutlicher Abbau, Schwäche, polyneuropathische Beschwerden, Depression und soziale Phobien, verstärkt Depressionen),

1998 erwarb der Kläger seinen zwischenzeitlich gesperrten Führerschein zurück. 1999 kam es zu einem erneuten Rückfall.

Das Sozialgericht ließ den Kläger am 06.09.1999 durch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. H1 ... begutachten. Die Sachverständige hat auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen diagnostiziert:

- Gamma-Alkoholismus mit biologischen, psychosozialen und sozialen Folgen,

- Epileptische Reaktionen im Alkholentzug 1996,

- Akzentuierte Persönlichkeit (unreif mit schizoiden Zügen),

- Lendenwirbelsäulensyndrom,

und auf fachfremden Gebieten folgende Diagnosen mitgeteilt:

- Bluthochdruck Stadium I WHO,

- Steatosis hepatis,

- Hyperlipidämie,

- Endogenes Ekzem,

- chronische Retinopathie, geringe Schallempfindungsstörung beidseits,

- Chondropathie linkes Knie,

- klinisch latenter Diabetes mellitus.

Bei der Untersuchung habe der Kläger, der auch angegeben habe, er sei nie nüchtern, mehrfach getrunken. Es bestünden psychische und psychopathologische Auffälligkeiten von geringem sozialmedizinischen Krankheitswert und ohne quantitative Einschränkungen. Bei Verdacht auf eine Polyneuropathie seien noch unauffällige Werte in der Elektroneurographie erhoben worden. Wegen der Wirbelsäulenbeschwerden seien keine schweren Arbeiten möglich. Er könne noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselvoller Körperhaltung im Freien und in geschlossenen Räumen ohne zusätzliche Pausen 8 Stunden täglich verrichten. Ausgeschlossen seien Arbeiten an offenen rotierenden Maschinen, am Fließband, auf Leitern und Gerüsten sowie fortgesetztes schweres Heben und Tragen von Lasten, desgleichen der berufsbedingte Kontakt mit Alkohol und das Führen von Kraftfahrzeugen. Tätigkeiten, die ein hohes Maß an sozialer Kompetenz verlangen, seien wegen fehlenden Verantwortungsbewusstseins nicht zumutbar; desgleichen Arbeiten mit fortgesetztem Publikumsverkehr. Unter Therapie sei Zustand zu bessern. Die Wegefähigkeit sei gegeben. Das Führen eines Kfz sei erst nach einer Abstinenz von über 2 Jahre möglich.

Vom 10.07.2000 bis zum 12.07.2000 wurde der Kläger im Auftrag des Sozialgerichts durch Dr. med. R ... auf internistischem Fachgebiet stationär begutachtet, wobei auf gastroenterologischem Gebiet Prof. Dr. med. L ... ein Zusatzgutachten beitrug.

Der Sachverständige hat auf internistischem Gebiet folgende Erkrankungen diagnostiziert:

- Bluthochdruck im Stadium II bis III WHO,

- Zuckerkrankheit Typ I,

- Harnsäureerhöhung,

- nutritiv-toxischer Leberparenchymschaden,

- geringe gemischte obstruktiv-restriktive Lungenerkrankung.

Von Bedeutung seien der Bluthochdruck und der Diabetes mellitus. Der Bluthochdruck sei mit Beta-Blockern unzureichend behandelt, wäre aber hypertensiv therapierbar. Der Diabetes sei bislang ohne erkennbare Spätschäden. Das Ausmaß der Leberschädigung sei gering. Anzeichen für eine komplette Zirrhose fehlten. Ein ständiger Alkoholkonsum sei nicht nachweisbar. Die Hyperurikämie und die Lungenerkrankung seien klinisch nicht relevant. Die Schmerzen und das Brennen in Füßen und Beinen seien nicht nachvollziehbar. Eine Polyneuropathie und eine Myopathie seien nicht nachgewiesen. Eine periphere arterielle Verschlusskrankheit mit Claudicatio intermittens- Symptomatik habe ausgeschlossen werden können. In der Ergometrie sei der Kläger bis 125 Watt belastbar gewesen. Der Abbruch sei wegen Erschöpfung und einem Blutdruck von 191/97 mmHg erfolgt, ohne dass EKG-Veränderungen oder Angina pectoris-Symptomatik aufgetreten seien. Es bestünden keine gravierenden Sensibilitätsstörungen der Beine, wobei aber die Sensibilitätsprüfung wegen mangelnder Compliance nicht verwertbar sei. An den Beinarterien liege ein Normalbefund vor.

Der Kläger sei geeignet für leichte bis mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen, oder Sitzen, im Freien oder in geschlossenen Räumen. Die allgemein üblichen Pausen seien ausreichend. Tätigkeiten, in denen es durch den Alkoholmissbrauch zu Gefahren für ihn oder Kollegen kommen könne, sollten ihm nicht zugewiesen werden. Die Wegefähigkeit sei gegeben. Bei Abstinenz sei auch die Benutzung eines PKW möglich.

Vom 26.07.2000 bis zum 10.08.2000 hielt sich der Kläger zur Behandlung einer depressiven Episode bei Alkohol-Abhängigkeit vom Gamma-Typ und zur Entgiftung stationär in der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie des KKH G ... auf.

Anlässlich einer Begutachtung durch die Arbeitsamtsärztin, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Betriebsmedizin und Sozialmedizin Dr. med. P ..., am 29.09.2000 bescheinigte diese dem Kläger Leistungsunfähigkeit für mehr als sechs Monate bis zum Abschluss der Langzeitentwöhnung; der Kläger sei nicht abstinent.

Durch Urteil vom 08.11.2000, das dem Bevollmächtigten des Klägers am 11.01.2001 zugestellt wurde, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger genieße keinen Berufsschutz, da ausweislich der Arbeitgeberauskunft der S ... AG eine Einarbeitung für die ausgeübte Tätigkeit genügt habe. Er könne ohne Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. In der Einschätzung des Leistungsvermögens schloss sich das Sozialgericht der Einschätzung der Sachverständigen an.

Hiergegen richtet sich die am 15.01.2001 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangene Berufung vom 11.01.2001. Der Kläger macht geltend, er leide an einer Leberschädigung; ein Polyneuropathisyndrom sei evtl. schon manifest. Seine Alkoholabhängigkeit verschließe ihm den Arbeitsmarkt, im Urteilszeitpunkt sei er nicht trocken gewesen. Aus der Zumutbarkeit des Entzugs könne nicht auf die Fähigkeit, nüchtern zu arbeiten, geschlossen werden. Zudem genieße er Berufsschutz als Textilfacharbeiter.

In einem Sozialbericht vom 20.03.2001 teilte das Suchtberatungszentrum des A ...-W ... e. V. mit, der Kläger konsumiere derzeit ca. drei Flaschen Bier täglich. Er sei Spiegeltrinker und auf dem Arbeitsmarkt nur einzugliedern, wenn er sich einer Langzeittherapie unterzieht.

Die Beklagte bewilligte daraufhin dem Kläger am 04.04.2001 eine medizinische Maßname der Rehabilitation.

Noch vor deren Beginn befand sich der Kläger vom 25.09.2001 bis zum 02.10.2001 im Diakoniekrankenhaus Chemnitzer Land Hartmannsdorf zur stationären Abklärung abdomineller Schmerzen bei einer Raumforderung am Pankreas, von wo er mit den Diagnosen chronischer Alkoholismus, zur Zeit abstinent, Diabetes mellitus, kompensiert, am ehesten in Folge einer chronischen Pankreatitis, alkoholtoxischer Leberschaden und Anämie an das Klinikum Chemnitz weiter überweisen wurde. In der dortigen Klinik für Innere Medizin II wurde im Rahmen der stationären Untersuchungen vom 10.10.2001 bis zum 02.11.1001 ein Tumor als unwahrscheinlich erachtet, es liege ein akuter Schub einer chronischen Pankreatitis vor, pankreopriver Diabetes mellitus, Verdacht auf alkoholtoxischen Leberschaden, Eisenmangelanämie bei Verdacht auf toxische Knochenmarksschädigung und eine akute Bulbitis.

Seit dem 23.07.2001 hat der Kläger nach anamnestischen Angaben keinen Alkohol mehr konsumiert.

Im Hinblick auf die anstehende Rehabilitationsmaßnahme hat der Berichterstatter des seinerzeit zuständigen 5. Senats am 16.10.2001 das Ruhen des Verfahrens beschlossen.

Vom 30.04.2002 bis zum 20.08.2002 unterzog sich der Kläger einer Entwöhnungstherapie als medizinische Maßnahme der Rehabilitation im A ... Fachklinikum W ..., W ... Im Rehabilitaionsentlassungsbericht diagnostizierten der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychotherapeutische Medizin Dr. med. H2 ... und der Facharzt für Innere Medizin und Arzt für Psychotherapie Dr. med. W ...:

- Gamma-Alkoholismus nach Jellinek, chronische Phase,

- Bindungsproblematik und Tendenz zur manipulativen Beziehungsgestaltung auf dem Boden einer frühen Störung mit schizoid-hysterischen Zügen,

- Steatosis hepatis mit Zeichen des beginnenden zirrhotischen Umbaus,

- chronische Pankreopathie,

- essentielle Hypertonie,

- Innenohrschwerhörigkeit mit Tinnitus beidseits,

- lumbale Insuffizienz mit Pseudoradikulärsyndrom,

- Heuschnupfen,

- chronische Bronchitis,

- endogenes Ekzem.

Die testpsychologischen Untersuchungen hätten keine Anzeichen einer aktuellen hirnorganisch bedingten kognitiven Funktionsbeeinträchtigung erkennen lassen. Das Intelligenzniveau habe im mittleren Bereich gelegen. Merk- und Konzentrationsfähigkeit seien normgerecht gewesen. Das Elektroenzephalogramm sei unauffällig gewesen. Eine Polyneuropathie stärkeren Ausmaßes sei nach dem Elektroneurogramm als Ursache der geringen Hypästhesie im rechten Vorfuß weniger wahrscheinlich. Eine Therapieindikation wegen des Tinnitus bestehe nicht. Bei der elektrokardiografischen Untersuchung habe sich bis 150 Watt keine pathologische Belastungsreaktion gezeigt. Die Blutdruckwerte hätten medikamentös zufriedenstellend eingestellt werden können. Die lumbalen Insuffizienzerscheinungen mit Pseudoradikulärsyndrom in den Hüftgelenken seien unter Wirbelsäulengymnastik zurückgegangen. Wirbelsäule und Extremitäten hätten sich bei der Abschlussuntersuchung frei beweglich gezeigt. Der Kläger habe die Anforderungen in der Ergotherapie und bei bis zu mittelschweren Arbeiten im Außenbereich bei Interesse problemlos erfüllt, bei persönlichem Interesse auch Zwangshaltungen in Kauf genommen, ohne über Beschwerden zu klagen, und sogar solche Tätigkeiten gesucht.

Ein Einsatz als Färber sei vollschichtig möglich. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten im - auch ständigem - Stehen, Gehen oder Sitzen, auch in Schichten, jedoch unter Ausschluss des Umgangs mit Lebensmittelgiften (Alkohol und Lebergifte) und starker allergener Belastung verrichten. Die Psyche sei unauffällig. Derzeit bestehe noch Fahruntauglichkeit.

Auf Antrag der Beklagten hin ist mit Beschluss vom 18.12.2002 das Verfahren fortgesetzt worden.

Der Senat hat noch folgende berufskundliche Unterlagen in das Verfahren eingeführt:

- Auszug aus dem Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer zwischen dem Verband der Nord- Ostdeutschen Textilindustrie e. V. und der Gewerkschaft Textil-Bekleidung mit dem Lohngruppenverzeichnis und Eingruppierungsbeispielen in der ab dem 01.04.1993 geltenden Fassung,

- Auszug aus der Datenbank für Ausbildungs- und Tätigkeitsbeschreibungen der Bundesanstalt für Arbeit BERUFEnet zum Beruf des Textilmaschinenführers - Veredlung -,

- Auszug aus dem von der Bundesanstalt für Arbeit herausgegebenen Sammelwerk "Beruf und Bildung" Heft 304, "DDR-Ausbildungsberufe" Band 4, Berufsordnung 330, Seite 99 f., zu den Berufen Textilfacharbeiter und Facharbeiter für Textiltechnik, jeweils in der Spezialisierungsrichtung Textilveredlung,

- Auszug aus einem Gutachten der berufskundlichen Sachverständigen Dipl.-Verwaltungswirtin H3 ... vom 31.05.1996 und vom 13.04.2000 mit ergänzender Stellungnahme vom 16.06.2000 zu den Tätigkeiten eines Mitarbeiters in einer Registratur und eines Mitarbeiters der Poststelle einer Verwaltung oder eines größeren Betriebes.

Der Kläger hat zu dem Rehabilitationsentlassungsbericht keine Stellungnahme abgegeben; er macht jedoch geltend, es gebe keine Tätigkeit in der Textilindustrie im angelernten Bereich, die bei den Einschränkungen Schwerhörigkeit und Vermeidung von Reizstoffen ausübbar sind, wozu als Beweis die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt wird.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08.11.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, ab dem 01.01.1997 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht den Kläger in der früher ausgeübten Tätigkeit als Textilarbeiter für nicht mehr einsetzbar an. Gleichwohl hält sie die Berufung nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen für unbegründet.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakten aus beiden Rechtszügen und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten RVNr ... Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagte sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Es liegen weder die Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach §§ 43, 44 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a. F.) noch die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung (n. F.) vor.

1. Zu beurteilen sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab dem 01.01.1997. Der bereits am 16.05.1995 gestellte Antrag auf Leistungen der Rehabilitation ist insoweit nicht maßgeblich. Durch den in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellten Klageantrag ist der Streitgegenstand, über den das Sozialgericht entschieden hat und der mit der Berufung zur Überprüfung gestellt wurde, auf Leistungen ab Januar 1997 beschränkt worden.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, weil er nicht berufsunfähig ist. Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die (Rest-)Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen Verdienst er in einer Tätigkeit erzielen kann, auf die er nach seinem Gesundheitszustand und nach seinem bisherigen Beruf zumutbar verwiesen werden kann. Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, kommt es auf den bisherigen Beruf an, den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit oder Beschäftigung, die er vollwertig und nachhaltig verrichtet hat. Für Leistungsfälle ab dem 01.01.2001 wird der Versicherungsfall der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in § 240 Abs. 2 SGB VI teilweise abweichend definiert. Berufsunfähig sind danach Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist; Berufsunfähig ist ohne Rücksicht auf die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann.

Als Beruf in diesem Sinne ist beim Kläger die Tätigkeit als Bediener von Färbemaschinen zu Grunde zu legen. Unstreitig kann er diese Tätigkeit nicht mehr ausüben.

Der Kläger ist trotzdem nicht berufsunfähig im Sinne des Gesetzes. Denn er kann noch zumutbar auf andere Tätigkeiten verwiesen werden, bei welchen er mehr als die Hälfte des Verdienstes einer gesunden Vergleichsperson mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten erzielen kann, weil er sie noch vollschichtig verrichten kann.

Wann die Verweisung auf eine andere Tätigkeit zumutbar ist, richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung gebildet worden, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, des angelernten Arbeiters bzw. Facharbeiters in einem sonstigen Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a. F. genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird. Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 16.04.1959, Az. 5 RKn 28/58, Urteil vom 25.7.2001, B 8 KN 14/00 R).

3. Zur Prüfung der in Frage kommenden Verweisungstätigkeiten ist der Kläger der dritten Gruppe des Mehrstufenschemas - der Gruppe mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters bzw. des Arbeiters in einem Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren - zuzuordnen. Der Senat geht dabei zu Gunsten des Klägers davon aus, dass seine Tätigkeit der eines Facharbeiters nach dem Berufsbildungsrecht der DDR bzw. dem der Bundesrepublik entsprach und dass er sich, auch ohne gleich nach der Schule eine Lehre durchlaufen zu haben, durch seine langjährige praktische Berufsausübung und die berufsbegleitende Ausbildung zum Textilfacharbeiter in der Spezialisierungsrichtung Veredlung die Kenntnisse und Fertigkeiten angeeignet hat, welche ihn befähigten, sich unter Arbeitern mit einem durch eine gewöhnliche Lehrausbildung erworbenen Berufsabschluss vollwertig zu behaupten. Der Kläger ist dabei als gelernter Textilfacharbeiter in der Spezialisierungsrichtung Veredlung einem Textilmaschinenführer - Veredlung - gleichzustellen.

Diese Einordnung als Facharbeiter im Sinne des Berufsbildungsrechts vermittelt dem Kläger nicht automatisch auch rentenrechtlich Berufsschutz auf der Ebene der Facharbeiterberufe im Sinne des Mehrstufenschemas. Der diese Gruppe prägende Leitberuf des Facharbeiters erfasst nicht alle Facharbeiterberufe, sondern nur solche, deren Qualifikationsniveau durch eine mehr als zweijährige Regelausbildungsdauer nach dem Berufsbildungsrecht bestimmt wird. Die übrigen Facharbeiterberufe mit einer bis zu zweijährigen Regelausbildungsdauer gehören rentenrechtlich zu den sonstigen Ausbildungsberufen und sind in die Ebene mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters einzuordnen. Bei Versicherten, die ihre Berufsausbildung in der DDR durchlaufen haben, ist dabei zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen zu prüfen, ob die auf Grundlage ihres DDR-Ausbildungsberufs ausgeübte Tätigkeit in ihrer Wertigkeit einem Beruf nach dem Berufsbildungsrecht der Bundesrepublik entspricht.

Der Ausbildungsberuf Textilfacharbeiter, Spezialisierungsrichtung Textilveredlung, setzte nach dem Berufsbildungsrecht der DDR im regelmäßigen Ausbildungsgang für Absolventen der allgemeinbildenden Schulen eine Ausbildungsdauer von 2 1/2 Jahren voraus (vgl. Bundesanstalt für Arbeit [Hrsg.], DDR-Ausbildungsberufe 4, Heft 304, Berufsgruppe 330, Seite 99). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich um eine Ausbildung für Abgänger der 8. Klasse handelte. Die gegenüber der - nach dem Ausbildungsinhalt umfassenderen - Ausbildung zum Facharbeiter für Textiltechnik, Spezialisierungsrichtung Textilveredlung, (a. a. O. Seite 98 f.) um ein halbes Jahr längere Ausbildungsdauer erklärt sich daraus, dass den Lehrlingen im üblichen Ausbildungsgang in erheblichem Umfang noch allgemeinbildende Inhalte und der Ausbildungsstoff nur in geringerer Intensität vermittelt wurden. Der Ausbildungsberuf des Textilmaschinenführers - Veredlung - setzt gemäß § 2 Satz 1 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Textilveredlungsindustrie (TextilVeredlAusbV) in der hier nach dem Datum des Ausscheidens aus dem Beruf maßgeblichen Fassung vom 19.08.1976 (BGBl. I S. 2352) eine zweijährige Ausbildung voraus. Nur für das Absolvieren der zweiten Stufe der Stufenausbildung, die zum Abschluss als Textilmechaniker führt, sind gemäß § 2 Satz 2 TextilVeredlAusbV insgesamt drei Ausbildungsjahre erforderlich. Da es eine vergleichbare Stufenausbildung in der DDR nicht gab und die in der zweiten Stufe der Stufenausbildung zum Textilmechaniker schwerpunktmäßig vermittelten maschinenkundlichen Kenntnisse und Fertigkeiten auch Bestandteil der Ausbildung zum Facharbeiter für Textiltechnik waren, eröffnete der Abschluss der zuletzt genannten Ausbildung auch den Zugang zur Tätigkeit des Textilmechanikers. Dies gilt indessen nicht auch in gleicher Weise für den Abschluss als Textilfacharbeiter. Denn die besonderen technischen Kenntnisse wurden in dieser Ausbildung in geringerem Umfang vermittelt als angehenden Facharbeitern für Textiltechnik (a. a. O. S. 99).

Entscheidend für die Gleichstellung mit gelernten Textilmaschinenführern ist die tatsächlich verrichtete Tätigkeit des Klägers. Diese erstreckte sich nach der vom Sozialgericht eingeholten Arbeitgeberauskunft und der in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Tätigkeitsbeschreibung auf die Bedienung und Überwachung von Färbemaschinen. Dies entspricht dem Kernbereich des in § 3 TextilVeredlAusbV geregelten Ausbildungsberufsbildes und der aus der Datenbank der Bundesanstalt für Arbeit für Ausbildungs- und Tätigkeitsbeschreibungen BERUFEnet ins Verfahren eingeführten Tätigkeitsbeschreibung für das Berufsbild des Textilmaschinenführers. Die für einen Textilmechaniker bzw. Textilveredler prägenden Instandhaltungs- und Reparaturtätigkeiten gehörten nicht schwerpunktmäßig zum Tätigkeitsbild des Klägers. Hierfür stand, wie der Kläger eingeräumt hat, ein Mechaniker bereit.

Bestätigt wird die Einordnung der Tätigkeit in das Ausbildungsberufsbild des Textilmaschinenführers und damit in die Gruppe der (Fach-)Arbeiter in einem sonstigen Ausbildungsberuf mit bis zu zwei Jahren Regelausbildungsdauer durch die anfängliche Eingruppierung des Klägers in die Lohngruppe 5, aus der er sukzessive bis zur Lohngruppe 7 aufgestiegen war. Für Textilveredler oder Textilmechaniker als Absolventen der zweiten Stufe der Stufenausbildungen im Textilgewerbe mit mehr als zwei Jahren Regelausbildungsdauer wäre nämlich gemäß der Anlage 1 zu § 2 Nr. 1 des Lohntarifvertrags für gewerbliche Arbeitnehmer zwischen dem Verband der Nord-Ostdeutschen Textilindustrie e. V. und der Gewerkschaft Textil-Bekleidung vom 05.06.1993 wie schon im vorangegangenen Tarifvertrag vom 15.02.1991 die Tarifgruppe 8 einschlägig gewesen, diese hatte der Kläger indessen nicht erreicht.

Angehörige der dritten Gruppe des Mehrstufenschemas können grundsätzlich pauschal auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, wenn sie noch in der Lage sind, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig auszuüben (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19.12.1996, Az. GS 2/95). Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist bei ihnen angesichts der Vielzahl der auf dem Arbeitsmarkt vorhandenen angelernten und ungelernten Tätigkeiten körperlich leichter Art ("Hilfsarbeiten") entbehrlich. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt für den oberen Bereich dieser Gruppe. Dabei handelt es sich um Versicherte, deren bisheriger Beruf mindestens berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, die ohne einschlägige Vorkenntnisse erst durch eine betriebliche Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten erworben werden können, insbesondere aber um Versicherte mit einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von bis zu zwei Jahren. Diese Versicherten können nicht schlechthin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Vielmehr ist in diesen Fällen eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Soweit dabei ungelernte Tätigkeiten in Betracht gezogen werden, dürfen diese nicht von nur ganz geringem qualitativem Wert sein, sondern müssen sich durch Qualitätsmerkmale, wie z. B. das Erfordernis einer nicht ganz geringfügigen Einweisung oder Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28.05.1963, Az. 12/4 RJ 30/60; Urteil vom 29.04.1994, Az. 13 RJ 35/93).

4. Der Kläger kann somit sozial zumutbar auf eine Tätigkeit als Mitarbeiter in einer Poststelle oder einer Registratur verwiesen werden. Hierbei handelt es sich nach den beigezogenen Gutachten der berufskundlichen Sachverständigen S ... H3 ... vom 31.05.1996 und vom 13.04./16.06.2000 um Tätigkeiten, die sich aus dem Kreis völlig unqualifizierter Arbeiten durch Qualitätsmerkmale, wie das Erfordernis einer Einarbeitung, herausheben.

Auf die hilfsweise unter Beweis gestellte Behauptung, es gebe keine zumutbare Verweisungstätigkeit auf der Ebene der Anlernberufe, kommt es deshalb nicht an. Angesichts der Verweisbarkeit auf die benannten Tätigkeiten für Ungelernte ist die Frage nach geeigneten Verweisungsberufen auf der Anlernebene nicht entscheidungserheblich.

5. Die genannten Verweisungstätigkeiten sind dem Kläger auch gesundheitlich zumutbar.

Der Kläger kann die nach den beigezogenen berufskundlichen Gutachten in den benannten Verweisungstätigkeiten geforderten körperlich leichten Arbeiten in wechselnder Körperhaltung noch vollschichtig verrichten.

Dies ist die übereinstimmende Auffassung der mit der Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers beauftragten Gutachter, insbesondere der den Kläger bereits Anfang 1997 und nochmals Mitte 2002 behandelnden Kurärzte des A ... Fachklinikums W ..., des Internisten Dr. med. R ..., der Neurologin und Psychiaterin H1 ... sowie der Gutachter Dr. med. S ... und Dr. med. J1 ...

Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass Dr. med. S ... am 07.01.1997 die aktuelle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Klägers voraussichtlich auf Dauer bestätigte, weil ohne Alkohol am Morgen "nichts mehr gehe". Zu diesem Zeitpunkt ging die seit dem 19.09.1996 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit auf einen Rückfall zurück, der sich nach der bis zum 02.09.1996 dauernden Entzugsbehandlung ereignete. Auf Grund der bereits zwei Wochen nach der Begutachtung eingeleiteten Entwöhnungsbehandlung konnte ab dem 12.03.1997 eine dauernde Abstinenz erreicht werden. Angesichts dieses positiven Ergebnisses ist nicht etwa - wie der Kläger meint - der Abschlussbericht der behandelnden Ärzte im Fachklinikum W ... als falsch anzusehen. Vielmehr ist die von Dr. med. S ... getroffene ungünstige Prognose durch die rechtzeitige Behandlung, welche der Gutachterarzt im Rahmen seiner Beurteilung nicht vorweg nehmen durfte, entkräftet worden. Zwischen dem Rückfall und der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit war auch nicht die für die rentenrechtliche Beurteilung unter Umständen maßgebliche Dauer der Leistungsminderung von mehr als 26 Wochen verstrichen. Dr. med. S ... selbst hat bei der nächsten Begutachtung im folgenden Jahr die nachhaltige Besserung bestätigen können.

Ungeachtet des erneuten Rückfalls im Jahr 1999 konnte auch die Sachverständige Dr. med. H1 ... am 06.09.1999 keine Beeinträchtigungen feststellen, die einer vollschichtigen Beschäftigung unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entgegenstehen würden. Ein Kontrollverlust war nach den im Gutachten mitgeteilten Ergebnissen der Untersuchung nicht zu verzeichnen. Allerdings hat die Sachverständige dem Kläger bescheinigt, wegen fehlenden Verantwortungsbewusstseins keine Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die soziale Kompetenz oder fortgesetztem Publikumsverkehr ausüben zu können. Solche gesteigerten Anforderungen stellen die zum Zwecke der Verweisung benannten Bürohilfstätigkeiten indessen nicht. Im Übrigen handelt es sich bei diesen "Befunden" nicht um Ausprägungen einer psychischen Störung von Krankheitswert, für deren Auswirkungen im Erwerbsleben die gesetzliche Rentenversicherung eintritt. Zwar nimmt die Sachverständige mit ihrer Diagnose einer akzentuierten Persönlichkeit (unreif mit schizoiden Zügen) auf Nr. F60.1 der Internationalen Klassifikation von Krankheiten (schizoide Persönlichkeitsstörung) Bezug. Diese Einordnung präjudiziert jedoch nicht die Rechtsfrage, ob es sich dabei um eine "Krankheit oder Behinderung" im Sinne der §§ 43, 44, 240 SGB VI handelt. Die Zuordnung zu einer Persönlichkeitsstörung im Sinne der Klassifikation von Krankheiten sagt nichts über die Ausprägung aus, in dem eine bestimmte Auffälligkeit des Charakters oder der Verhaltensweise sich vom Durchschnitt der Allgemeinbevölkerung abhebt. Insoweit sind die Grenzen fließend und die Einordnung als krankhaft das Ergebnis einer wesentlich vom sozialen Umfeld bestimmten Zuschreibung. Im vorliegenden Falle ist es so, dass die dem Kläger auf dem Boden der beschriebenen akzentuierten Persönlichkeit bescheinigte Unfähigkeit zu sozialer Kompetenz und hohem Verantwortungsbewusstsein allein ihn nicht an den Verrichtungen hindert, die zum Tätigkeitsbild der Verweisungsberufe gehören, oder dass sie die Steuerung des zur Erfüllung der ihm arbeitsvertraglich obliegenden Pflichten erforderlichen Verhaltens ausschließen würden. Sie wirken sich vielmehr so aus, dass sie das Trinkverhalten des Klägers und das Ausmaß, in dem er bereits und willens ist, entweder seine sozialen Beziehungen seiner Sucht unterzuordnen oder umgekehrt, mit beeinflussen. Die Verweisbarkeit des Klägers wird also durch Persönlichkeitsstörung nicht weitergehend eingeschränkt als durch die Alkoholkrankheit und die damit einhergehenden Begleiterscheinungen selbst. In weiterem Umfang kann daher auch die beschriebene Persönlichkeitsstörung nicht als eigenständige Krankheit oder Behinderung mit Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit in dem von der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Schutzbereich angesehen werden und einer Verweisung entgegen stehen. Es spielt also in diesem Fall keine Rolle, dass ein potentieller Arbeitgeber den Kläger in Kenntnis dessen ungünstiger Persönlichkeitsstruktur möglicherweise nicht einstellen würde. Dass der Kläger sein Verhalten durchaus autonom steuern kann, hat er über Jahre hinweg wiederholt unter Beweis gestellt, namentlich durch die Änderung seines Trinkverhaltens in der Rehabilitation und im Vorfeld des stationären Krankenhausaufenthaltes Mitte 2001, und schließlich durch die Ergebnisse der Ergotherapie und der Beschäftigung im Außenbereich im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme im Fachklinikum W ... im Frühjahr und Sommer 2002.

Aus diesen Gründen steht auch die Überlegung des Suchtberatungszentrums des A ...-W ... e. V., der Kläger könne wegen des damaligen Spiegeltrinkens nur nach einer Langzeittherapie in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden, einer rentenrechtlichen Verweisung nicht entgegen. Die nach dem Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" als Rehabilitationsmaßnahme eingeleitete Entwöhnungsbehandlung war hier erfolgreich, um die Aufhebung des Leistungsvermögens zu verhindern.

Da ein fortgesetzter Publikumsverkehr in Poststellen und Registraturabteilungen nicht anfällt, bedarf es auch keiner weitergehenden Erörterungen, inwieweit die Erwartung des Publikums, nicht mit einem Alkoholiker kommunizieren zu müssen, zu den arbeitsmarktüblichen Anforderungen gehört, denen eine Verweisungstätigkeit genügen muss. Nach dem Gutachten der Sachverständigen Diplom-Verwaltungswirtin H3 ... vom 13.04.2000 ist in der Tätigkeit nur eine eingeschränkte Kommunikation erforderlich, die Beschäftigung beschränkt sich in der Regel auf den Bereich der internen Kommunikation, die Verteilung der Post erfolgt in der Regel nach einem vorgegebenen Plan.

Aus dem gleichen Grund ist auch in der leichten Schwerhörigkeit des Klägers kein Hindernis zu sehen, das einer Beschäftigung in einer Poststelle entgegen stehen würde. Im Übrigen hat sich der Senat durch die Befragung des Klägers zu seiner früher verrichteten Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung davon überzeugen können, dass er durchaus in der Lage war, sich mit dem Gericht und seinem Prozessbevollmächtigten zu verständigen, ohne dass eine Einschränkung des Hörvermögens dies merklich erschwert hätte.

Nach dem aus den eingeholten ärztlichen Unterlagen ersichtlichen Krankheitsverlauf lässt sich auch nicht feststellen, dass die Fähigkeit des Klägers zur vollschichtigen Verrichtung von Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts über einen zusammenhängenden Zeitraum von mehr als 26 Wochen hinweg um durchschnittlich mehr als zwei volle Schichten in der Woche oder mehr als acht volle Schichten je Monat aufgehoben gewesen wäre. Damit ergibt sich eine dauerhafte gesundheitliche Störung, die den Versicherungsfall auslösen könnte, auch nicht aus der Summe akuter Krankheitszustände bei schubweisem oder schwankendem Verlauf.

Beim Kläger liegen auch sonst keine besonderen Einschränkungen vor, die einer Beschäftigung zu betriebsüblichen Bedingungen entgegen stehen würden. Insbesondere bedarf er keiner besonderen, weder im Gesetz vorgesehenen noch von der üblichen sog. Verteilzeit abgedeckten (etwa 10 % der Arbeitszeit, vgl. Moesch, in: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger [Hrsg.], Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, 6. Aufl. 2003, Kap. 3.3.1, Seite 52 f.) Pausen. Er ist zudem in der Lage, in angemessener Zeit eine Arbeitsstelle zu erreichen.

6. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, weil er nicht erwerbsunfähig ist. Auf Grund der vollschichtigen Einsatzfähigkeit für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten und mangels Vorliegens von Leistungseinschränkungen, die es ihm trotz vollschichtiger Einsatzfähigkeit unmöglich machen würden, eine geeignete Erwerbstätigkeit aufzunehmen, liegt diese - gegenüber der Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. erheblich strengere - Voraussetzung erst recht nicht vor. Da der Kläger auch über den 31.12.2000 hinaus mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, sind bei ihm auch die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderung im Sinne der seit dem 01.01.2001 geltenden Vorschriften über Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB VI n. F. nicht erfüllt. Wegen der Verweisbarkeit auf sozial zumutbare Tätigkeiten, die der Kläger noch vollschichtig verrichten kann, fehlt es schließlich auch an den Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI n. F.

Die Berufung ist somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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