L 15 KR 420/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 40/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 KR 420/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2001 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für eine stationäre Krankenhausbehandlung.

Der 1947 geborene Kläger ist alkoholkrank. In der Zeit vom 5. Januar bis zum 16. Februar 1998 wurde er stationär in der K-B-Nklinik B, im Folgenden Krankenhaus genannt, behandelt. Am 14. Januar 1998 teilte die beklagte Krankenkasse des Klägers durch Bescheid diesem gegenüber und durch formlose Nachricht gegenüber dem Krankenhaus mit, die Kosten würden nur noch bis zum 16. Januar 1998 übernommen, weil danach eine stationäre Behandlung nicht mehr notwendig sei. Am 29. Januar 1998 legte der Kläger gegen den vorgenannten Bescheid Widerspruch ein. Die Beklagte holte eine ärztliche Stellungnahme des Krankenhauses vom 27. Januar 1998 sowie einen Entlassungsbericht des Krankenhauses vom 30. November 1998 und schließlich ein sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung B e.V. (MDK) vom 22. Dezember 1998 ein, in welchem die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung nur bis zum 16. Januar 1998 bestätigt wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 1999 wies daraufhin die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, nach dem 16. Januar 1998 hätten ambulante Behandlungsmaßnahmen ausgereicht, weil eine hinreichende Stabilisierung des Klägers eingetreten sei.

Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Berlin Auskünfte des Krankenhauses vom 27. September und vom 7. November 2000 sowie ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten nach Aktenlage des MDK vom 27. März 2001 eingeholt, welcher wiederum die stationäre Behandlungsbedürftigkeit des Klägers nur bis zum 16. Januar 1998 bestätigte. Durch Urteil vom 17. August 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Voraussetzungen für eine stationäre Behandlung nach § 39 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) hätten nach dem 16. Januar 1998 nicht mehr vorgelegen. Vernünftige Hinweise auf die Notwendigkeit, zur Behandlung des Klägers die Mittel und Einrichtungen eines Krankenhauses einzusetzen, seien nicht vorhanden. Dies stehe auf Grund der Einschätzung des MDK zur Überzeugung des Gerichts fest.

Mit seiner gegen dieses Urteil des Sozialgerichts Berlin zum Landessozialgerichts Berlin erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, eine Kostenübernahme der Beklagten für den stationären Krankenhausaufenthalt für die Zeit vom 17. Januar bis zum 16. Februar 1998 zu erreichen. Er meint, die stationäre Behandlung sei notwendig gewesen, weil er ansonsten seinen Alkoholabsturz nicht überlebt hätte.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die stationäre Behandlung auch in der Zeit vom 17. Januar bis zum 16. Februar 1998 zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Absatz 1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit des Klägers entscheiden, weil er in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Allerdings hätte das Sozialgericht keine Sachentscheidung über die Notwendigkeit der stationären Behandlung in der Zeit vom 17. Januar bis zum 16. Februar 1998 treffen dürfen, denn die Klage ist bereits unzulässig. Dem Kläger fehlt die nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG erforderliche Klagebefugnis, weil er nicht geltend machen kann, durch die Ablehnung der Kostenübernahme in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein. Denn der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert.

Die Bescheide sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Danach beziehen sich beide Bescheide ausschließlich auf eine Kostenübernahme im Verhältnis zwischen dem Krankenhausträger auf der einen Seite und der Beklagten auf der anderen Seite. Schon nach seinem Wortlaut, aber auch von seinem Sinn und Zweck her hat der Bescheid vom 14. Januar 1998 ausschließlich die Funktion, dem Kläger deutlich zu machen, dass die Beklagte für die Zeit nach dem 16. Januar 1998 keine Kosten mehr an den Leistungserbringer, d.h. das Krankenhaus oder seinen Träger, zahlen werde. Hingegen enthält der Bescheid vom 14. Januar 1998 keine Regelung darüber, ob die Beklagte etwa bereit gewesen wäre, Kosten, die dem Kläger für die Inanspruchnahme einer privatrechtlich selbstbeschafften Krankenhausbehandlung entstanden wären, zu übernehmen. Diese Frage stellte sich zum damaligen Zeitpunkt auch nicht, weil der Kläger keinen Behandlungsvertrag mit dem Krankenhaus geschlossen hatte und bei der Beklagten auch nicht den Antrag auf Übernahme zukünftiger, auf Grund eines privatrechtlichen Behandlungsvertrages entstehender Kosten gestellt hatte. Nicht anders hat die Beklagte auch in ihrem Widerspruchsbescheid entschieden. Der Widerspruchsbescheid erging fast zwei Jahre nach Abschluss der Krankenhausbehandlung, was der Beklagten auch bekannt war. Schon vor diesem Hintergrund stellte sich nicht mehr die Frage einer etwaigen Kostenübernahme privater Behandlungskosten, sondern allenfalls die Erstattung bereits angefallener privater Behandlungskosten. Zu dieser Frage äußert sich der Widerspruchsbescheid jedoch nicht. Weder hat die Widerspruchsbehörde die Frage aufgegriffen, ob dem Kläger etwa private Behandlungskosten entstanden waren oder drohten, noch ist zu deren Erstattung im Widerspruchsbescheid irgendetwas gesagt worden. Ebenso wie der Ausgangsbescheid beschäftigt sich auch der Widerspruchsbescheid ausschließlich mit der Frage, ob die Beklagte Kosten gegenüber dem Krankenhaus zu übernehmen hat.

Insoweit ist der Kläger jedoch nicht beschwert. Die Frage, ob das Krankenhaus für die Zeit nach dem 16. Januar 1998 weitere Kosten von der Beklagten in dem zwischen dem Krankenhaus und der Beklagten bestehenden, durch öffentlich-rechtliche Verträge geregelten Rechtsverhältnis erhalten wird, betrifft den Kläger weder finanziell noch rechtlich. In Ermangelung einer solchen eigenen Betroffenheit kann der Kläger diese Fragen im anhängigen Prozess nicht klären lassen. Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse über den Leistungsanspruch sind in der Sache nur in zwei Konstellationen denkbar: Entweder klagt der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als Sachleistung, oder er hat sich die Behandlung zunächst privat auf eigene Rechnung beschafft und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2001, B 1 KR 6/01 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 25). Hingegen besteht keine rechtliche Handhabe, die Leistungspflicht der Krankenkasse losgelöst von einer tatsächlichen Kostenbelastung allein im Interesse des Leistungserbringers - hier also des Krankenhauses - abstrakt klären zu lassen und diesem damit einen eigenen Prozess zu ersparen (BSG a.a.O.). Zwar hat das Bundessozialgericht in früheren Entscheidungen (zuletzt wohl Urteil vom 9. Juni 1998, B 1 KR 18/96 R, SozR 3-2500 § 39 Nr. 5) dem Versicherten das Recht zugebilligt, zur Vermeidung einer eigenen Inanspruchnahme die Feststellung der Leistungspflicht der Krankenkasse gegenüber dem Leistungserbringer zu betreiben. Das Bundessozialgericht hat jedoch inzwischen diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (Urteil vom 9. Oktober 2001, B 1 KR 6/01 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 25), der Senat schließt sich nach eigener Prüfung dem an.

Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide auch nicht im Wege einer Umdeutung beschwert. Die angefochtenen Bescheide können nicht in eine Regelung des Inhalts umgedeutet werden, dass sie entgegen ihrer ursprünglichen Zielrichtung auch über die Erstattung etwa dem Kläger entstandener oder ihm noch drohender privater Behandlungskosten durch Inanspruchnahme einer privatrechtlich geregelten Krankenhausbehandlung entscheiden wollten. Nach § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X) kann ein fehlerhafter Verweisungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Hierzu ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, ob § 43 SGB X auch im Gerichtsverfahren Anwendung findet oder ob das Gericht aus prozessrechtlichen Gründen jedenfalls gehalten ist, in Anwendung der Rechtsgedanken des § 43 SGB X zu prüfen, ob ein angefochtener Verwaltungsakt unter Heranziehung einer anderen Rechtsgrundlage gehalten werden kann (hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 9. September 1998, B 13 RJ 41/97 R, SGB 1998, 578). Jedenfalls die prozessrechtliche Sichtweise würde dazu führen, dass eine Umdeutung durch ein Gericht nicht vorzunehmen wäre. Wie bereits ausgeführt, ist die Klage des Klägers gegen die angefochtenen Bescheide in ihren ursprünglichen Gestalt unzulässig. Die Umdeutung hätte dann prozessual zur Folge, dass ein Bescheid, der in seiner ursprünglichen Gestalt durch ein Gericht nicht zu überprüfen gewesen wäre, in seiner umgedeuteten Form gleichwohl einer materiell-rechtlichen Prüfung in der Sache unterzogen werden müsse. Dies widerspräche jedenfalls dem Zweck, eine in der Sache bereits überprüfte Regelung eines Verwaltungsaktes, die sich dabei als rechtswidrig herausgestellt hatte, im Wege einer Umdeutung gleichwohl aufrecht zu erhalten.

Diese Fragen können vorliegend jedoch offen bleiben, denn selbst wenn die Umdeutungsregelungen nach § 43 SGB X unmittelbar oder sinngemäß auf den vorliegenden Fall Anwendung fänden, wäre eine Umdeutung der angefochtenen Bescheide in eine Regelung über die Erstattung etwaiger privater Behandlungskosten nicht möglich. So sind der umzudeutende Verwaltungsakt und seine durch Umdeutung gefundene neue Gestalt nicht auf dasselbe Ziel gerichtet. Der ursprüngliche Verwaltungsakt ist allein auf die Kostenübernahme der Kosten des Krankenhauses durch die Beklagte gerichtet gewesen und betrifft damit allein das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Krankenhaus. Eine Entscheidung hinsichtlich der Kostenerstattung im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten würde ein anderes Rechtsverhältnis berühren und schon aus diesem Grunde nicht auf dasselbe Ziel gerichtet sein können. Darüber hinaus waren auch die Voraussetzungen für den Erlass einer Entscheidung über die Kostenerstattung bezüglich privater Behandlungskosten nicht erfüllt. Denn der Kläger hatte bei der Beklagten zu keinem Zeitpunkt den Antrag gestellt, etwa entstandene Behandlungskosten privatrechtlicher Natur von der Krankenkasse erstattet zu verlangen. Ohne einen solchen Antrag hätte die Krankenkasse auch keine Sachentscheidung über die Erstattung privatrechtlich veranlasster Behandlungskosten treffen dürfen, weil es an einer notwendigen Verfahrensvoraussetzung gefehlt hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, sie entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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