L 1 B 107/02 KR-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 265/02 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 B 107/02 KR-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 19.07.2002 wird zurückgewiesen. II. Die Beschwerdeführerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin (Bf.) wendet sich gegen die dem Beschwerdegegner (Bg.) vom Sozialgericht wegen der Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen gewährten vorläufigen Rechtsschutz.

Der Bg ... war im Zeitraum bis 31.12.1998 Inhaber eines Steinmetzbetriebes. Ab 01.01.1999 erfolgte die Geschäftsübernahme durch T ... M ... Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung stellte das Finanzamt mit Bescheid vom 30.04.1997 fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer T ... M ... in den Jahren 1993 bis 1996 einen Firmen-Pkw zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt habe. Bei dem geldwerten Vorteil handele es sich um Arbeitslohn nach § 19 Einkommensteuergesetz (EStG). Für den Arbeitnehmer sei zudem eine Unfallversicherung nach § 40b Abs. 3 EStG versteuert worden. Die jährlichen Beiträge hätten über 120,00 DM betragen, so dass die Pauschalversteuerung nicht anerkannt werden könne.

Nach der gemäß § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) durchgeführten Betriebsprüfung vom 13.08.2001 machte die Bf. in Auswertung des Haftungsbescheides des Finanzamtes mit Bescheid vom 14.08.2001 zunächst eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01.01.1993 bis 31.12.1996 gegenüber T ... M ... geltend. Nach Aufklärung des Betriebsübergangs zum 31.12.1998 nahm die Bf. den Bescheid gegenüber T ... M ... zurück und erließ unter dem 20.12.2001 gegenüber dem Bg. einen Nachforderungsbescheid für den Zeitraum vom 01.01.1993 bis 31.12.1998 in Höhe von 8.562,32 DM einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 2.793,00 DM. Aufgrund der Feststellungen des Finanzamtes im Prüfbescheid in Bezug auf die Pkw-Nutzung und die Unfallversicherung seien Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzuberechnen. Für Beiträge, die der Arbeitgeber nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt habe, seien gemäß § 24 Abs. 1 SGB IV für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Zuschlag in Höhe von 1 v.H. zu zahlen. Für Beiträge aufgrund einer Betriebsprüfung gelte dies nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB IV nicht, soweit der Arbeitgeber unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. Eine Kenntnis habe bestanden, weil der Lohnsteuerhaftungsbescheid stets beitragsrechtlich auszuwerten sei. Für den Zeitraum ab dessen Zugang (02.05.1997) seien bis Juni 2001 Säumniszuschläge festzusetzen gewesen.

Mit dem Widerspruch vom 14.01.2002 erhob der Bg. den Einwand der Verjährung. Sein Begehren auf eine Aussetzung der Vollziehung lehnte die Bf. mit Schreiben vom 05.02.2002 ab.

Am 22.04.2002 beantragte der Bg. beim Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Bf. vom 20.12.2001 anzuordnen. Die Ansprüche der Bf. seien gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährt. Auch die im Hinweisschreiben vom 16.04.2002 vertretene Auffassung, die Beiträge seien erst mit dem Prüfbescheid des Finanzamtes fällig geworden, finde in den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 22, 23 SGB IV keine Grundlage. Darüber hinaus habe auch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bereits am 19.03.1997 eine Betriebsprüfung durchgeführt, die ausweislich des vorgelegten Bescheides vom 16.05.1997 keine Beanstandungen ergeben habe. Der von der Bf. erstmals im Schriftsatz vom 25.04.2002 erhobene Vorwurf eines bedingten Vorsatzes sei nicht gerechtfertigt. Der Bg. habe sich zur Erledigung der steuerrechtlichen Angelegenheiten bis 30.04.1997 der Steuerbevollmächtigten P ... und ab 01.05.1997 der R ... Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft mbH bedient. Aufgrund dieser Vertragsverhältnisse habe er davon ausgehen dürfen, dass Notwendiges von dort veranlasst würde. Der Bg. habe sich in der unübersichtlichen Materie der Hilfe von Fachpersonal bedient und diesem die Bearbeitung überlassen. Von einem bedingten Vorsatz in seiner Person könne bei alledem nicht ausgegangen werden. Ein Verschulden der Steuerbevollmächtigten müsse er sich nicht zurechnen lassen.

Mit Beschluss vom 19.07.2002 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10.01.2002 gegen den Bescheid der Bf. vom 20.12.2001 angeordnet. In Würdigung des Urteils des BSG vom 30.03.2000 (Az.: B 12 KR 14/98 R = BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 7) bestünden an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ernstliche Zweifel. Der Bescheid selbst enthalte keine Feststellungen zu einem Vorsatz des Bg. Die Bf. habe sich erst im gerichtlichen Verfahren auf die lange Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV berufen. Ein Vorsatz des Bg. sei weder mit dem Zugang des Lohnsteuerhaftungsbescheides noch mit dem Hinweis der Bf. auf eine unterbliebene Aufklärung durch das Steuerbüro zu belegen. Konkrete Tatsachen, aus denen sich ein Vorsatz ergebe, habe die Bf. nicht ermittelt. Bei der ungeklärten Sachlage sei dem Antrag des Bg. stattzugeben gewesen.

Gegen den am 24.07.2002 zugestellten Beschluss richtet sich die am 21.08.2002 eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung hat die Bf. auf ihren bisherigen Vortrag verwiesen. Soweit der an den Bg. gerichtete Bescheid vom 20.12.2001 keine Ausführungen zu § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV enthalte, sei dies unschädlich. Diese Darlegungen seien bereits in dem lediglich aus formellen Gründen aufgehobenen Bescheid vom 14.08.2001 vorgenommen worden. Auch sei bereits bei der Schlussbesprechung der Steuerberater auf die aus dem Lohnsteuerhaftungsbescheid resultierende Nachforderung hingewiesen worden. Die Bf. halte an ihrer Auffassung fest, dass der Steuerbevollmächtigte aufgrund der im Lohnsteuerhaftungsbescheid festgestellten Tatbestände auf eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hätte schließen müssen. Zumindest hätte der Steuerberater den Bg. auf eine in Betracht kommende Sozialversicherungspflicht und einer Nachfragepflicht hinweisen müssen. Das Versäumnis des Steuerberaters müsse sich der Bf. zurechnen lassen. Diese hätten in seinem Auftrag gehandelt.

Die Bf. beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 19.07.2002 abzuändern und den Antrag des Bg. auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen.

Der Bg. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Hinweis der Bf. auf die Ausführungen zur Verjährung im Bescheid vom 14.08.2001 sei unbehelflich. Der Bescheid sei an einen anderen Adressaten gerichtet gewesen. Mit den Darlegungen der Bf. zu etwaigen Pflichten und Versäumnissen der Steuerbevollmächtigten sei der für die Person des Bg. festzustellende Vorsatz nicht zu begründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Bf. Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat dem Bg. mit Beschluss vom 19.07.2002 zu Recht vorläufigen Rechtsschutz wegen der von der Bf. mit Bescheid vom 20.12.2001 geltend gemachten Nachforderung von Beiträgen gewährt.

Über das vom Bg. geltend gemachte Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz ist nach Maßgabe der durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17.08.2001 (BGBl. I S. 2144) zum 02.01.2002 in Kraft getretenen Regelungen der §§ 86a, 86b SGG zu entscheiden. Gemäß § 86a Abs. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung allerdings bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Vollziehung kann von der erlassenden Verwaltungsstelle ganz oder teilweise ausgesetzt werden. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabe- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 86a Abs. 3 Satz 2 SGG). In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG).

Mit dem Sozialgericht ist davon auszugehen, dass an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Bf. vom 20.12.2001 ernsthafte Zweifel bestehen.

Hinsichtlich der Bewertung der von der Bf. als Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV herangezogenen Prämien für die Unfallversicherung wie auch in Bezug auf den geldwerten Vermögensvorteil der Pkw-Benutzung bestehen indes keine Bedenken. Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. § 17 SGB IV sieht dazu vor, dass zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzugs durch Rechtsverordnung bestimmt werden kann, einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen und Gehälter gewährt werden, ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, wobei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen ist. Aufgrund dieser Ermächtigung ist die Arbeitsentgelt-Verordnung (ArEV) erlassen worden, deren Regelungen die Bf. ebenso herangezogen hat.

Die geldwerten Vorteile in Bezug auf die private Benutzung eines Firmen-Pkws durch den Arbeitnehmer als auch die Prämien für die zu seinen Gunsten abgeschlossene Unfallversicherung gehören zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt. Nach § 1 ArEV sind einmalige Einnahmen, laufenden Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 ArEV nichts anderes ergibt. Der in einer privaten Nutzung betrieblicher Fahrzeuge liegende geldwerte Vorteil für einen Arbeitnehmer ist gemäß §§ 19, 8 Abs. 2 EStG steuerpflichtiger Arbeitslohn (BFH, Beschluss vom 14.05.1999, VI B 258/98, DStR 1999, 1309, 1310). Dieser geldwerte Vorteil fällt auch nicht unter diejenigen Zuwendungen, die gemäß § 2 ArEV nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Auch bei den Prämien eines Arbeitgebers für eine Unfallversicherung des Arbeitnehmers handelt es sich um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt. Eine Beitragsfreiheit nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArEV ist nicht zu ersehen, weil, wie das Finanzamt in dem Lohnsteuerhaftungsbescheid festgestellt hat, die Voraussetzungen für eine Pauschalversteuerung nach § 40b Abs. 3 EStG nicht gegeben waren.

Auch das Vorbringen des Bg. zur durchgeführten Betriebsprüfung durch die BfA vom 19.03.1997, in dessen Ergebnis mit Schreiben vom 15.05.1997 keine Beanstandungen erhoben wurden, ist nicht geeignet, den von der Bf. erhobenen Anspruch in Frage zu stellen. Das Schreiben der BfA vom 15.05.1997 vermag einen Vertrauensschutz des Bg. nicht zu begründen. Betriebsprüfungen haben eine Kontrollfunktion; sie bezwecken indessen nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm etwa "Entlastung" zu erteilen. Diese Schlussfolgerung verbietet sich schon deshalb, weil die Betriebsprüfung nicht umfassend oder erschöpfend zu sein braucht und sich auf bestimmte Einzelfälle oder auf Stichproben beschränken kann. Dementsprechend hat es das BSG auch bisher abgelehnt, ein Vertrauen des Beitragsschuldners in die Nichtbeanstandung einer unterbliebenen Beitragsentrichtung bei Betriebsprüfungen zu schützen (BSGE 47, 195, 198). Darüber hinaus ist zu betonen, dass hier auch die tatsächlichen Verhältnisse einer Vertrauensgrundlage des Bg. entgegenstünden. Zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung der BfA am 19.03.1997 konnte eine sozialversicherungsrechtliche Auswertung der steuerrechtlichen Feststellungen schon deshalb nicht erfolgen, weil die Lohnsteuer-Außenprüfung durch das Finanzamt erst einige Tage später am 22.04.1997 stattfand und der Haftungsbescheid erst am 30.04.1997 erlassen worden war.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geltend gemachten Beitragsforderungen bestehen indes, weil auch bei summarischer Prüfung die Voraussetzungen für einen Ausschluss der kurzen Verjährungsfrist wegen vorsätzlich vorenthaltener Beiträge nicht als bewiesen angesehen werden können. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. In Anwendung der kurzen Verjährungsfrist wären die mit Bescheid vom 20.12.2001 geltend gemachten Beiträge für die Jahre 1993 bis 1996 verjährt.

Allein die fehlende Begründung zur Anwendung von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV im Bescheid der Bf. vom 20.12.2001 rechtfertigt indes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht. Gemäß § 41 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird. Nach § 41 Abs. 2 SGB X in der Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes ist zudem mit Wirkung ab 01.01.2001 geregelt worden, dass die Nachholung der Handlungen nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 SGB X nicht mehr wie bisher nur bis zum Abschluss des Vorverfahrens, also des hier noch ausstehenden Widerspruchsbescheides, möglich ist, sondern auch noch im anschließenden Gerichtsverfahren bis hin zur letzten Tatsacheninstanz. Darüber hinaus ist eine Ergänzung oder Änderung der von der Behörde gegebenen Begründung auch noch im Prozess möglich (vgl. zum sog. Nachschieben von Gründen: von Wulffen/Wiesner, SGB X, § 41 Rdnr. 5 m.w.Nachw.).

Die Voraussetzungen für den Eintritt der 30jährigen Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV können auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes indes nicht als erwiesen bewertet werden.

Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. War der Arbeitgeber bei Fälligkeit der Beiträge gutgläubig und ist er es bis zum Ablauf der dann geltenden vierjährigen Verjährungsfrist geblieben, gilt die kurze Verjährungsfrist. Eine anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit begründet hingegen keinen Vertrauensschutz, wenn nach Fälligkeit, aber noch vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist Vorsatz hinzutritt. Für Vorsatz, wie ihn § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV voraussetzt, sind Bewusstsein und Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Hierfür ist ausreichend, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Zum Vorsatz muss das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestandes festgestellt werden. Die Feststellungslast hierfür trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstige lange Verjährungsfrist beruft (BSG, Urteil vom 30.03.2000, B 12 KR 14/98 R = BSG SozR 3-2400 § 25 Nr. 7).

Allgemein geltende Aussagen zum Vorliegen des subjektiven Tatbestandes lassen sich nicht treffen. Vorsatz wird jedoch regelmäßig vorliegen, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt überhaupt keine Beiträge entrichtet werden. Vorsatz liegt auch noch nahe, wenn "verbreitete Nebenleistungen" zum Arbeitsentgelt gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder ohne weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht.

Die Bf. hat zur Begründung eines Vorsatzes des Bg. vorgetragen, das Finanzamt habe für den zu beurteilenden Zeitraum noch innerhalb der kurzen Verjährungsfrist den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 30.04.1997 erlassen. Wegen der engen Anknüpfung des Beitragsrechts der Sozialversicherung an das Steuerrecht sei bei Beitragsansprüchen auf der Grundlage eines Lohnsteuerhaftungsbescheides der Finanzverwaltung von einem bedingten Vorsatz dann auszugehen, wenn der Beitragsschuldner eine Beitragsentrichtung aufgrund des Lohnsteuerhaftungsbescheides nicht vorgenommen habe oder es unterlassen habe, sich bei der zuständigen Einzugsstelle zu vergewissern, dass eine Beitragspflicht nicht vorliege. Aus der Kenntnis des Lohnsteuerhaftungsbescheides vom 30.04.1997 resultiere die billigende Inkaufnahme der Nichtabführung der Beiträge. Diese Erwägungen der Bf. allein tragen, wie das Sozialgericht unter Heranziehung der Grundsätze des Urteils des BSG vom 30.03.2000 (a.a.O.) zu Recht hervorgehoben hat, die Annahme eines Vorsatzes des Bg. nicht. Diese Entscheidung des BSG betraf ein sozialgerichtliches Urteil, in dem der Eintritt der 30jährigen Verjährungsfrist maßgeblich mit dem Zugang eines Lohnsteuerhaftungsbescheides begründet worden war. Das Sozialgericht hatte im dortigen Verfahren darauf abgestellt, mit dem Lohnsteuerhaftungsbescheid erhalte ein Arbeitgeber positive Kenntnis davon, dass die noch nicht gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährten Sozialversicherungsbeiträge noch zu zahlen seien. Steuerpflichten, die auf der Grundlage des Lohnsteuerhaftungsbescheides festgesetzt würden, lösten auch Beitragspflichten in der Sozialversicherung aus. Dies sei jedem Arbeitgeber bekannt, der versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftige. Das Sozialgericht war deshalb auch bei der Klägerin des dortigen Verfahrens von der 30jährigen Verjährungsfrist ausgegangen. Die Ausführungen der Bf. zu einem Vorsatz des Bg. stimmen ihrem Inhalt nach mit der Begründung in dem sozialgerichtlichen Urteil überein. Diese Darlegungen hat das BSG (a.a.O.) indes nicht als ausreichend angesehen, sondern den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Sozialgericht zurückverwiesen, weil das angefochtene Urteil keine ausreichenden Feststellungen zum Vorsatz enthalte. Auch hat sich das BSG zu dem Hinweis veranlasst gesehen, dass Fahrlässigkeit, auch in der Erscheinungsform der bewussten Fahrlässigkeit, nicht genügt. Es hat hervorgehoben, zum Vorsatz müsse das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestandes festgestellt werden, d.h. anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell ermittelt werden. Erforderlich sei, konkrete Tatsachen festzustellen, die nach der Lohnsteuer-Außenprüfung den Vorsatz des Vorenthaltens von Beiträgen ergeben. Darüber hinaus wurde in der Entscheidung des BSG deutlich hervorgehoben, dass das Sozialgericht unzulässigerweise aus allgemeinen rechtlichen Erwägungen auf Vorsatz geschlossen habe, ohne zu prüfen, ob seine rechtlichen Erwägungen nach der ArEV zutreffend und auch von dem Arbeitgeber angestellt worden seien. Es stelle ein unzulässiges Vorgehen dar, aus rechtlichen Erwägungen Tatsachen (den Vorsatz) abzuleiten und damit vom Sollen auf das Sein zu schließen. Schließlich bestehe auch bei Prämien zur Gruppenunfallversicherung keine vollständige Übereinstimmung von Steuer- und Beitragspflicht.

Nach dem bisherigen Sachstand liegen ebenso wie in dem vom BSG entschiedenen Fall keine Ermittlungen hinsichtlich des Vorsatzes vor. Der Bg. behauptet vielmehr, von einer Beitragspflicht keine Kenntnis gehabt zu haben. Eine persönliche Befragung des Bg. hat bislang nicht stattgefunden. Soweit er geltend gemacht hat, auch durch andere Personen auf eine Beitragspflicht nicht hingewiesen worden zu sein, fehlen ebenfalls entsprechende Anfragen an die Steuerberater. Ob seine Behauptung zutreffend ist, bleibt zu klären.

Das eigene Vorbringen des Bg. gibt indes Veranlassung, die Anwendung von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV unter einem anderen Aspekt zu prüfen, den auch die Bf. der Sache nach aufgegriffen hat. Der Bg. hat vorgetragen, er habe bis 30.04.1997 die Steuerberaterin P ... mit der Bearbeitung der Lohnangelegenheiten beauftragt gehabt, der auch die Berechnung der Sozialabgaben oblägen hätte. Seit 01.05.1997 habe er sich der Dienste der R ... Steuerberatungs- und Wirtschaftprüfungsgesellschaft mbH bedient. Entgegen der Auffassung des Bg. ist eine Zurechnung nicht vornherein ausgeschlossen. Eine solche macht die Bf. denn auch mit den Ausführungen sinngemäß geltend, der Steuerberater habe aufgrund seiner Fachkenntnisse auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der durch den Lohnsteuerhaftungsbescheid festgestellten Tatbestände schließen müssen. Entgegen der Auffassung des Bg. ist eine Verantwortlichkeit einer vom Arbeitgeber bevollmächtigten Person nicht ausgeschlossen. Dies zeigt schon ein Blick auf die strafrechtlichen Vorschriften.

Die Voraussetzungen für die 30jährige Verjährungsfrist entsprechen denen der Strafvorschriften des § 266a Strafgesetzbuch (StGB). Danach wird mit Freiheitsstrafe mit bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer als Arbeitgeber Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung oder zur Bundesanstalt für Arbeit der Einzugsstelle vorenthält. Zwar kommt es insoweit maßgeblich auf den Vorsatz der Arbeitgebers an. § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB hat indes Regelungen zum Gegenstand, die Personen betreffen, die stellvertretend für einen anderen handeln. Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem dazu Befugten ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebes obliegen, und handelt er auf Grund dieses Auftrags, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebs vorliegen (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB). Für die hier in Frage stehende Zurechnung eines Verschuldens des Steuerberaters auf den Arbeitgeber ist § 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) näher in Betracht zu ziehen. Danach hat ein Schuldner ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters oder der Personen, deren er sich zur Erfüllung von Verbindlichkeiten bedient, in gleichem Umfange zu vertreten wie eigenes Verschulden. Diese Norm gilt auch für gesetzliche Schuldverhältnisse und auch im öffentlichen Recht (BSG, Urteil vom 09.09.1986, 7 RAr 77/84 = SozSich 1987, 190).

Konkrete Tatsachen, die eine Bösgläubigkeit der Steuerbevollmächtigten begründen, liegen indes auch insoweit nicht vor. In diese Richtung hat die Bf. bislang nicht ermittelt. Dabei erscheint es angezeigt zu klären, welchen Personen der Lohnsteuerhaftungsbescheid überhaupt zugegangen ist. Nach dem Vortrag des Bg. war die Steuerbevollmächtigte P ... bis 30.04.1997 bevollmächtigt. Dies erscheint nach dem bisherigen Sachstand insofern plausibel, als die sich in den Akten befindliche Ablichtung des Haftungsbescheides vom 30.04.1997 ihren Namen und Adresse aufweist. Dies schließt es indes nicht aus, dass auch den neuen Bevollmächtigten der Bescheid vom Finanzamt zugesandt wurde, was sowohl durch Nachfragen beim Finanzamt, aber auch bei der Steuerberatungsgesellschaft geklärt werden kann. Möglich ist auch, daß der Haftungsbescheid den neuen Bevollmächtigen vom Bg. persönlich (ggf. zu welchem Zweck ?) übergeben wurde. Mit Blick darauf, dass die neuen Bevollmächtigten zum Zeitpunkt des Erlasses des Lohnsteuerhaftungsbescheides beauftragt gewesen sein sollen, bliebe auch der Frage nachzugehen, inwieweit auf eine etwaige Bösgläubigkeit der zuvor beauftragten Steuerberaterin P ... nach Beendigung ihrer Bevollmächtigung noch abgestellt werden kann. Auch soweit der Bg. vorgetragen hat, die Steuerbevollmächtigten auch mit der Abwicklung der Sozialversicherungsabgaben beauftragt zu haben, erscheint eine Abklärung von Inhalt und Umfang der jeweiligen Auftragsverhältnisse gleichwohl angezeigt. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf gehört bei einem mit steuer- und wirtschaftsberatenden Aufgaben betrauten Steuer- und Wirtschaftsprüfer die Beratung im Sozialversicherungsrecht nicht zum Bereich der Hilfeleistung in Steuersachen, so dass er auch nicht verpflichtet sei, den Mandanten darauf hinzuweisen, dass seine persönliche Inanspruchnahme wegen der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen drohe (GI 1999, 119-124). Dies lässt vorliegend indes aufgrund der Vorlage von Vertragsvereinbarungen zwischen dem Bg. und den Steuerbevollmächtigten wie auch durch eine Nachprüfung, wer in der Vergangenheit die Beitragsnachweise etc. erarbeitet und unterzeichnet hat, nachprüfen.

Auch mit Blick auf den Umstand, dass in Bezug auf die streitigen Arbeitsentgelte für die Jahre 1997 und 1998 keine Nachforderungen geltend gemacht wurden, drängen sich weitere mögliche Ermittlungen, die über eine Kenntnis des Bg. oder der Bevollmächtigten Aufschluss geben können, auf. Der Betrieb wurde erst zum 31.12.1998 an den Nachfolger übergeben. Nachdem die Unfallversicherung und die private Benutzung des Firmenfahrzeuges bereits ab 1993 bestanden haben, liegt nicht fern, dass dies auch bis Ende 1998 so geblieben ist. Sofern in 1997 und 1998 hierauf Beiträge entrichtet worden sein sollten, erschiene es Sache des Bg. überzeugend darzulegen, worauf die Erkenntnis der Beitragspflicht, wenn nicht auf einer Auswertung des Lohnsteuerhaftungsbescheids des Finanzamtes, beruht.

Vorsorglich bleibt darauf hinzuweisen, dass der Bf. neben der Nachholung der erforderlichen Ermittlungen zu einem Vorsatz des Bf. auch obliegt, einer Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers Rechnung zu tragen. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Dritter zu dem Verfahren als Beteiligter hinzuzuziehen, wenn der Ausgang des Verfahrens für ihn rechtsgestaltende Wirkung hat; ist er der Behörde bekannt, hat ihn diese von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen. Eine rechtsgestaltende Wirkung im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X hat das Bundessozialgericht (BSG) bei einem Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht eines Beschäftigen gegenüber dem Arbeitgeber angenommen (BSG USK 83109). Diese rechtsgestaltende Wirkung bestehe nicht nur, wenn der Arbeitgeber, der für den versicherungspflichtig Beschäftigten Beiträge zu entrichten habe, den von den Beschäftigen zu tragenden Beitragsanteil noch auf ihn abwälzen könne. Auch wenn diese Möglichkeit bereits verloren sei, greife die Feststellung der Versicherungspflicht des Beschäftigten insofern gestaltend in seine Rechtssphäre ein, als von ihr in der Rentenversicherung in der Regel erst nach Entrichtung der Beiträge Leistungsansprüche des Versicherten abhingen. In den Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X seien auch solche Verwaltungsverfahren einzubeziehen, in denen der Verwaltungsakt die Rechtsstellung des Dritten dergestalt berühre, dass dieser in einem anschließenden Gerichtsverfahren nach § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen sei. Insoweit ist auf die Entscheidung des BSG vom 24.09.1981 (USK 81168) hinzuweisen, nach der bei einem Rechtsstreit über die Höhe von Sozialversicherungsbeiträgen, wobei auch die Beiträge zur Rentenversicherung betroffen sind wegen deren Auswirkungen auf die spätere Rente, der betroffene Arbeitnehmer notwendig beizuladen ist.

Weil der bisherige Sachstand keine Feststellungen zu der Frage eines vorsätzlichen Vorenthaltens der Beiträge zulässt und damit ernstliche Zweifel an dem Bestehen der Beitragsforderung vorliegen, konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung.

Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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