L 5 RJ 200/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 14 RJ 452/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 200/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 18. Juli 2001 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am ... 1971 geborene Klägerin arbeitete von Juli 1987 bis Mai 1990 als Küchenhilfe. Nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit war sie vom 04. Oktober 1990 bis zum 20. Oktober 1990 aushilfsweise als Regalauffüllerin beschäftigt. Seither geht sie keiner Beschäftigung mehr nach.

Auf Grund der Folgen eines am 23. Oktober 1990 erlittenen Verkehrsunfalles mit Oberschenkel- und Kniegelenksfraktur links bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 29. Juli 1993 eine befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 01. Januar 1992 bis zum 31. Oktober 1993, die mit Bescheid vom 07. November 1995 und auf Grund gerichtlichen Vergleichs vom 27. November 1998 insgesamt bis zum 30. Juni 1998 weiter gewährt wurde.

Den erneuten Rentenantrag vom 25. Januar 1999 begründete die Klägerin mit den Folgen des Unfalls vom 23. Oktober 1990.

Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten neben den medizinischen Unterlagen aus den früheren Rentenverfahren und dem vorangegangenen Verfahren vor dem Sozialgericht Dresden (SG) in der Sache S 14 RJ 492/97 vor: - ein Arztbrief des Orthopäden Dr. S1 ... vom 22. Januar 1999, - ein Gutachten der Gutachterärztin Dipl.-Med. M1 ... vom 27. Mai 1999, in dem eine Geh- und Stehbehinderung nach schwerer Beinverletzung links, Zustand nach Entfernung der Patella, Instabilität des linken Kniegelenkes sowie belastungsabhängige Rückenschmerzen bei Gangstörung diagnostiziert und eingeschätzt wurde, die Klägerin könne eine körperlich leichte Arbeit vorwiegend im Sitzen, ohne häufiges Klettern und Steigen vollschichtig verrichten; die Wegefähigkeit sei unter der Nutzung der Orthese gegeben.

Mit Bescheid vom 08. Juli 1999 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unter Verweis auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 20. Juli 1999 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 1999 zurück. Die nach ihrem beruflichen Werdegang nach der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnende Klägerin könne mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen nach den sozialmedizinischen Feststellungen zwar nur noch zweistündig bis unter halbschichtig als Küchenhilfe tätig sein. Sie sei jedoch in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten mit wechselnder Arbeitshaltung, im Sitzen mit Unterbrechung, ohne häufiges Klettern oder Steigen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

Auf die am 21. September 1999 erhobenen Klage hat das SG Befundberichte der Allgemeinmedizinerin Dr. P1 ... vom 25. Januar 2000, der Neurologin und Psychiaterin Dr. T1 ... vom 09. März 2000 und der Orthopädin Dr. G1 ... vom 20. März 2000 eingeholt und den Orthopäden Prof. Dr. D1 ... mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Prof. Dr. D1 ... hat in seinem Gutachten vom 13. April 2000 folgende Diagnosen gestellt: - Posttraumatische Valgusgonarthrose mit Fehlen der Patella, - Lumbales vertebragnes lokales Schmerzsyndrom bei Hemilumbalisation von S 1 zu L 6, - Statische Beschwerden im linken Rückfuß bei Valgusdeformität des linken Beines. Insgesamt sei die Klägerin in der Lage, leichte körperliche Arbeiten bevorzugt im Sitzen zu realisieren. Das Treppensteigen sollte auf ein Mindestmaß begrenzt sein. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien nicht möglich ebenso wie Hocken und Knien.Hinsichtlich Heben und Tragen, Rumpffehlhaltungen und Einwirkung von Ganzkörpervibration sei die Belastbarkeit eingeschränkt. Die Standfestigkeit sei trotz des Tragens eines Apparates gemindert. Kälte- und Nässeeinflüsse sollten auf ein Mindestmaß reduziert sein. Unter Beachtung der Belastungsparameter sei die Klägerin in der Lage, sieben bis acht Stunden täglich zu arbeiten. Die Angabe der Klägerin, allenfalls 100 Meter mit deutlich verringerter Gehgeschwindigkeit sich fortbewegen zu können, sei angesichts eines nicht geschwollenen Kniegelenks bei einer Beweglichkeit von Beugung/Streckung 100/0/0 nicht nachvollziehbar. Ohne Zweifel habe sie Schmerzen, sie werde aber 500 Meter mit zumutbaren Beschwerden zurücklegen können, da keine Aktivierungszeichen der Arthrose zu belegen seien. Die Benutzung eines Handstockes oder eines Unterarm-Stützstockes würde sicherlich die Belastbarkeit des linken Beines noch steigern. Eine Gehstrecke von mehr als 500 Metern in einer Zeit von ca. 20 Minuten sei möglich. Die Klägerin hat ein Gutachten der behandelnden Orthopädin Dr. G1 ... vom 05. Dezember 2000 vorgelegt, in dem diese folgende Diagnosen gestellt hat: - Zustand nach Oberschenkelfraktur links mit Trümmerfraktur des linken Kniegelenks sowie massiven Weichteilverletzungen, - verbliebenes erhebliches Funktionsdefizit im linken Kniegelenk mit massiver Bandinstabilität und Valgusfehlstellung des linken Unterschenkels. Die Gefähigkeit der Klägerin sei erheblich eingeschränkt. Ohne Orthese sei sie ohne weitere Hilfsmittel praktisch gehunfähig. Mit Orthese scheine eine Gehstrecke objektiv von 0,5 Kilometer zurücklegbar. Dies dürfte auch nach entsprechender zwischenzeitlicher Ruhepause viermal täglich möglich sein. Allerdings setze dies voraus, dass eine zwischenzeitliche Ruhepause stattfinde und keine Belastung. Daraus ergebe sich, dass die Wegefähigkeit nicht erhalten bleibe, wenn die Klägerin arbeitstäglich ständig der Belastung ausgesetzt sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 18. Juli 2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Zwar könne die Klägerin den bisherigen Beruf einer Küchenhilfe nicht mehr verrichten. Mangels vorhandener bzw. nachgewiesener Berufsausbildungen und auf Grund der bisher überwiegend ausgeübten Tätigkeit als Küchengehilfin und der kurzzeitigen Beschäftigung als Auffüllerin sei die Klägerin in die Gruppe der ungelernten Arbeiter einzustufen und könne zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Wie aus den Gutachten von Prof. Dr. D1 ... und von Dipl.-Med. M1 ... folge, könne die Klägerin noch körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen vollschichtig verrichten. Bei der auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbaren Klägerin bedürfe es nicht der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit, da nicht ersichtlich sei, dass diese selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, wie etwa einfache Büro- oder Sortierarbeiten, nur noch mit vielfältigen und/oder erheblichen gesundheitlichen Einschränkunen ausführen könne. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme sei die Klägerin unter Benutzung der vorhandenen Orthese auch in der Lage, ohne erhebliche Gefährdung ihrer Gesundheit viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern bei einem Zeitaufwand von nicht mehr als 20 Minuten zurückzulegen. Dies folge aus den Gutachten von Dipl.-Med. M1 ..., Prof. Dr. D1 ... und der behandelnden Orthopädin Dr. G1 ... Selbst der Bevollmächtigte der Klägerin gehe von einer derzeit bestehenden Wegefähigkeit aus. Inwieweit diese dauerhaft erhalten bleibe, wenn die Klägerin eine leichte Arbeit vorwiegend im Sitzen ausüben würde, sei nicht entscheidend. Denn selbst wenn die derzeit objektiv bestehende Wegefähigkeit unter Berücksichtigung der Argumentation von Dr. G1 ... nicht erhalten bliebe, würde dies nicht zwingend einen Rentenanspruch der Klägerin zur Folge haben.

Mit ihrer am 15. August 2001 beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, das SG habe zu Unrecht ihre Wegefähigkeit bejaht. Ausweislich der von ihr eingeholten ärztlichen Stellungnahme der Orthopädin Dr. G1 ... vom 05. Dezember 2000 sei eine Wegefähigkeit derzeit nur auf Grund des weitgehend reizlosen Zustandes des unfallgeschädigten Knies festzustellen; aber daraus ergebe sich, dass die Wegefähigkeit nicht erhalten bleibe, wenn sie arbeitstäglich ständig der Belastung ausgesetzt sei. Es sei nicht vertretbar, ihr Erwerbsfähigkeit zuzusprechen oder vorrangige rehabilitative Maßnahmen anzuempfehlen, wenn auf Grund der medizinischen Befundlage deutlich werde, dass infolge einer arbeitsüblichen Belastung das verunfallte Knie in den vorherigen Reizzustand verfalle und an einer Fortbewegung ohne Hilfsmittel nicht zu denken sei. Auch aus dem Entlassungsbericht vom 09. Januar 2002 folge nichts anderes.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Dresden vom 18. Juli 2001 und unter Aufhebung des Bescheid vom 08. Juli 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 1999 zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01. Januar 1999 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid, insbesondere dessen Ausführungen zur Wegefähigkeit der Klägerin, für zutreffend. Der Rehabilitations-Entlassungsbericht vom 09. Januar 2002 bescheinige ein mindestens sechstündiges Leistungsvermögen für leichte, wechselnde Tätigkeiten und bestätige somit die bisherige Leistungseinschätzung.

Die Klägerin hat in der Zeit vom 22. Oktober 2001 bis zum 26. November 2001 an einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik B ... K ... teilgenommen. In dem ärztlichen Entlassungsbericht vom 09. Januar 2002 (Chefarzt Dr. S2 ..., Oberarzt Dipl.-Med. N1 ..., Stationsärztin B1 ...) werden folgende Diagnosen gestellt: - Zustand nach Verkehrsunfall (23.10.1990) mit geschlossener Oberschenkeltrümmerfraktur links und offener Kniegelenkstrümmerfraktur links mit Patellaektomie, - Postraumatische Valgusgonarthrose links mit statischen Beschwerden im linken Rückfuß, - Lumbales lokales vertebragenes Schmerzsyndrom bei Hemilumbalisation von SW 1 zu LW 6. Die Klägerin sei in der Lage, sechs und mehr Stunden täglich leichte, sitzende Tätigkeiten, zeitweise im Stehen und Gehen, in allen Schichtdienstformen durchzuführen. Arbeiten mit Heben und Tragen von mittelschweren und schweren Lasten sowie Arbeiten in Zwangshaltungen, häufiges Knien, Hocken, Bücken, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Erschütterungen und Vibrationen sowie Wege zur Arbeit von über 1000 Meter seien auszuschließen.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen und verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Denn die Klägerin hat keine Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da sie weder berufsunfähig i.S. des § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (alte Fassung - a.F.) noch erwerbsunfähig i.S. des § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. und auch nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert i.S. des § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung (neue Fassung - n.F.) ist. Die Anwendung der §§ 43, 44 SGB VI a.F. resultiert aus der Rentenantragstellung im Januar 1999 (§ 300 Abs. 2 SGB VI).

Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte,

deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die (Rest-) Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG, SozR 2200 1246 Nr. 107, 169). In der Regel ist dies die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 130, 164; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55, 61).

Nach diesen Grundsätzen hat das SG zutreffend als bisherigen Beruf der Klägerin den einer Küchenhilfe zugrunde gelegt. Diesen Beruf hat die Klägerin von Juli 1987 bis Mai 1990 vollwertig, bewußt und gewollt zur dauerhaften Einkommenserzielung ausgeübt. Die danach im Oktober 1990 ausgeübte Tätigkeit als Regalauffüllerin hat demgegenüber außer Betracht zu bleiben. Denn es hat sich dabei um eine Aushilfstätigkeit gehandelt, die zudem bereits vor dem Unfall vom 23. Oktober 1990 in eine geringfügige Beschäftigung umgewandelt worden war. Diese Tätigkeit war somit nicht auf Dauer angelegt.

Den Beruf einer Küchenhilfe kann die Klägerin nicht mehr vollwertig verrichten. Die mit dieser Tätigkeit verbundenen körperlich teilweise mittelschweren, gelegentlich auch schweren Arbeiten sind mit ihrem Gesundheitszustand seit dem Unfall vom 23. Oktober 1990 nicht mehr vereinbar. Hiervon geht auch die Beklagte aus.

Dass die Klägerin nicht mehr vollwertig als Küchenhilfe arbeiten kann, bedeutet jedoch noch nicht, dass sie berufsunfähig ist. Berufsunfähig ist ein Versicherter vielmehr erst dann, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar und für ihn sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat das BSG in seiner Rechtsprechung die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung gebildet worden, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61,55). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehr-Stufen-Schema erfolgt allerdings nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27, 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5, 61).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Klägerin allenfalls der dritten Gruppe im Mehr-Stufen-Schema des BSG mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zuzuordnen. Zwar hat die Klägerin im Verwaltungsverfahren angegeben, einen Teilfacharbeiterabschluss als Küchenhilfe erworben zu haben. Doch kann nach ihren eigenen Angaben dieses Zeugnis nicht nur nicht mehr erbracht werden. Vielmehr waren auch ihre diesbezüglichen Angaben widersprüchlich, sowohl was die Ausbildungsdauer als auch was auch den Ausbildungsgegenstand anbelangt: war bei der ersten Antragstellung im Jahr 1992 noch von einer Ausbildung zur Wirtschaftsgehilfin die Rede, so wurde im Jahr 1999 eine Ausbildung zur Küchenhilfe angegeben. Da die Klägerin ferner nach ihren eigenen Angaben nach dem Abschluss der Sonderschule lediglich einen Teilfacharbeiterabschluss erworben hat und im Weiteren als Küchenhilfe mit bloßen Hilfstätigkeiten beschäftigt war, kann sie allenfalls dem unteren Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter zugeordnet werden, d.h. den angelernten Arbeitern, deren bisheriger Beruf keine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, die ohne einschlägige Vorkenntnisse erst durch eine betriebliche Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten erworben werden können.

Angehörige des unteren Bereichs der Gruppe der angelernten Arbeiter können grundsätzlich sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, ohne dass ihnen eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden müßte, sofern sie noch in der Lage sind, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig auszuüben (vgl. BSG, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Die Klägerin ist seit Rentenantragstellung noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, ohne Treppensteigen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Hocken und Knien, ohne Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm, ohne Rumpffehlhaltungen, ohne Gefährdung durch Ganzkörpervibrationen, Kälte und Nässe vollschichtig zu verrichten. Dies ergibt sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere aus den Gutachten von Dipl.-Med. M1 ... vom 27. Mai1 1999 und Prof. Dr. D1 ... vom 13. April 2000. Danach leidet die Klägerin unter den Folgen eines am 23. Okotober 1990 erlittenen Verkehrsunfalls, bei dem es zu einer geschlossenen Oberschenkelfraktur links, einer offenen Kniegelenksfraktur links mit Verletzung der Seiten- und Kreuzbänder sowie einer Kniescheibentrümmerfraktur links gekommen war. Seither besteht eine Valgusfehlstellung des linken Beins bei posttraumatischer Deformität des lateralen Femurkondylus. Zusätzlich finden sich multiple freie Gelenkkörper und Verkalkungen im Kniegelenk links; der Gelenkspalt ist nahezu vollständig aufgebraucht. Zusätzlich fehlt die linke Kniescheibe. Infolge der schweren Beinverletzung ist die Beweglichkeit des linken Kniegelenks gemindert. Die Klägerin kann praktisch nur mit einer Orthese laufen. Die Valgusfehlstellung des linkes Beines ruft ferner statische Beschwerden im linken Rückfuß hervor. Auch das lumbale Schmerzsyndrom bei einer angeborenen Anomalie am lumbosakralen Übergang wird durch die asymmetrische Beinbelastung begünstigt. Allerdings ist die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule gut und es bestehen keine radikulären Zeichen. Aus diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ergeben sich Leistungseinschränkungen qualitativer Art, nicht jedoch quantitativer Art, mithin kein unter vollschichtiges Leistungsvermögen selbst für körperlich leichte Arbeiten. Dies wird letzlich auch von Klägerseite nicht in Abrede gestellt und von dem im Berufungsverfahren vorgelegten Rehabilitations-Entlassungsbericht vom 09. Januar 2002 bestätigt.

Bei der Klägerin liegt ferner, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor. Die qualitativen Einschränkungen ihres Leistungsvermögens schränken die Klägerin bei einer vorwiegend im Sitzen auszuübenden körperlich leichten Arbeit nicht wesentlich weiter ein. Hinsichtlich des zu vermeidenden Hebens und Tragens von Lasten über zehn Kilogramm und der zu vermeidenden Rumpffehlhaltung hat dies Prof. Dr. D1 ... in seinem Gutachten selbst hervorgehoben. Nichts anderes gilt für die anderen qualitativen Leistungseinschränkungen. Auch diese führen nicht zu einer weiteren Verengung möglicher Arbeitsfelder; auf die entsprechenden Feststellungen des SG wird nach Überprüfung Bezug genommen und verwiesen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Schließlich liegen bei der Klägerin auch keine Leistungseinschränkungen vor, auf Grund derer ihr trotz vollschichtigen Leistungsvermögens für eine körperlich leichte Arbeit der Arbeitsmarkt verschlossen wäre (vgl. zu diesen Fällen: BSG, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Insbesondere fehlt der Klägerin nicht die erforderliche Wegefähigkeit. Denn sie ist in der Lage, unter Benutzung der vorhandenen Orthese viermal täglich eine Gehstrecke von mehr als 500 Metern in nicht mehr als 20 Minuten zurückzulegen. Dies ergibt sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere aus den Gutachten von Dipl.-Med. M1 ... und Prof. Dr. D1 ... Prof. Dr. D1 ... hat dargelegt, dass die von der Klägerin angegebene minimale Belastbarkeit - Gehstrecken von allenfalls 100 Meter mit deutlich verringerter Gehgeschwindigkeit - bei einem nicht geschwollenen Kniegelenk und der noch vorhandenen Kniegelenksbeweglichkeit nicht nachvollzogen werden kann. Auch wenn Prof. Dr. D1 ... nicht in Abrede stellt, dass die Klägerin Schmerzen hat, ist sie nach seiner Einschätzung in der Lage, 500 Meter mit zumutbaren Beschwerden zurückzulegen, da keine Aktivierungszeichen der Arthrose zu belegen sind. Des Weiteren hat er darauf hingewiesen, dass sich die Belastbarkeit des linken Beines durch die Benutzung eines Handstockes oder eines Unterarmstützstockes noch steigern lässt. Demhingegen ist die Einschätzung der behandelnden Orthopädin Dr. G1 ... in dem vorgelegten Gutachten von 05. Dezember 2000 nicht nachvollziehbar. Zwar hält auch sie entgegen den subjektiven Angaben der Klägerin Gehstrecken von 500 Meter objektiv für zurücklegbar. Doch ist sie der Auffassung, dass die Wegefähigkeit nicht erhalten bleibe, wenn die Klägerin arbeitstäglich ständig der Belastung ausgesetzt sei. Dass aber bereits die Belastung durch eine leichte körperliche Arbeit überwiegend im Sitzen die Wegefähigkeit infrage stellen soll, ist nicht nachvollziehbar. Der im Berufungsverfahren vorgelegte Rehabilitations-Entlassungsbericht vom 09. Januar 2002 hat denn auch bestätigt, dass bei der Klägerin trotz eingeschränkter Geh- und Stehleistung eine ausreichende Wegefähigkeit vorliegt, wenn darin Wege zur Arbeit von mehr als 1000 Meter für nicht mehr zumutbar gehalten werden. Im Übrigen hat bereits in dem früheren Verfahren vor dem SG (Az.: S 14 RJ 492/97) der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. P2 ... in einem Gutachten vom 23. Juli 1998 Gehstrek-ken von 500 Meter für zumutbar gehalten; auf Grund dieses Gutachtens war es dann schließlich zu einem gerichtlichen Vergleich gekommen, nach dem Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nur noch bis zu dem Monat zu leisten war, in dem die Untersuchung durch Dr. P2 ... stattgefunden hatte (Juni 1998).

Auf Grund ihrer vollschichtigen Einsatzfähigkeit für eine körperlich leichte Arbeit überwiegend im Sitzen und ohne Vorliegen sonstiger Leistungseinschränkungen, auf Grund derer ihr der Arbeitsmarkt verschlossen wäre, ist die Klägerin nicht nur nicht berufsunfähig i.S. des § 43 Abs. 2 SGB VI a.F., vielmehr liegen bei ihr deswegen auch - und erst recht - die erheblich strengeren Voraussetzungen von Erwerbsunfähigkeit i.S. des § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. nicht vor. Da die Klägerin auch über den 31. Dezember 2000 hinaus vollschichtig, d.h. acht Stunden täglich, einsatzfähig für körperlich leichte Arbeiten ist, sind bei ihr auch die Voraussetzungen voller oder teilweiser Erwerbsminderung i.S. des § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI n.F. nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen. -
Rechtskraft
Aus
Saved