L 1 KR 30/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 16 KR 3/01
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 30/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 15. Mai 2001 wird zurückgewiesen. II. Die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung von Behandlungen im Rehabilitationszentrum Dr. K ... in L .../ Ukraine.

Der im September 1971 geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger leidet an einer infantilen spastischen Cerebralparese. Bei ihm besteht eine ausgeprägte Tetraspastik mit nahezu kontinuierlichen dystonen und spastischen Bewegungsmustern. Bereits im Zeitraum vom 27. Oktober bis 10. November 1998, 10. Mai bis 24. Mai 1999 und 26. Oktober bis 09. November 1999 unterzog er sich in L ... im dortigen Rehabilitationszentrum von Dr. K. durchgeführten Behandlungen zur intensiven neurophysiologischen Rehabilitation (Manualtherapie). Der Rechtsstreit zwischen den Beteiligten über die Erstattung der dafür beim Kläger angefallenen Kosten wurde mit gerichtlichem Vergleich vom 15. März 2001 vor dem Sächsischen Landessozialgericht (Az.: L 1 KR 33/00) dahingehend beendet, dass sich die Beklagte verpflichtet, über die hier streitigen Ansprüche auf Kostenerstattung neu zu entscheiden und dem Kläger einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erteilen, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen über die Behandlungsmethode nach "Kozijavkin" positiv entschieden hat.

Am 16. Mai 2000 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Kostenübernahme für eine vierte und fünfte Auslandsbehandlung bei Dr. K. im Rehabilitationszentrum L ... für den Zeitraum 13. Juni 2000 (Anreisetag) bis 11. Juli 2000 (Abreisetag). Die Kosten hierfür sollten 12.160,00 DM betragen.

Unter dem 26. Mai 2000 erließ die Beklagte einen ablehnenden Bescheid. Dem Antrag auf Kostenübernahme der vierten und fünften Behandlungsperiode könnte sie nicht entsprechen. Wie dem Kläger aus dem bisherigen Schriftverkehr bekannt sei, handele es sich um eine nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung zähle. Kosten einer Behandlung, zu deren sich der Versicherte ins Ausland begebe, könnten entsprechend der gesetzlichen Regelungen nur übernommen werden, wenn eine dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur im Ausland möglich sei. Dieser Sachverhalt liege nach ihrer Kenntnis nicht vor.

Dagegen legte der Kläger am 13. Juni 2000 Widerspruch ein. In Deutschland existiere offenbar doch eine Klinik, die etwas Ähnliches wie in der Ukraine praktiziere. Es handele sich dabei um das ITZ Haus F ... GmbH. Die Altersgrenze solle allerdings bei 18 Jahren liegen und auch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen solle problematisch sein. Man habe auch ein Angebot zur Atlastherapie von der Neurologischen Klinik am Städtischen Klinikum D ... erhalten. Daraus könne man ersehen, dass sie nicht ausschließlich auf Dr. K. orientiert seien. Sie könnten jedoch nicht mehr jahrelang recherchieren und probieren. Die Zeit, in der sie für eine bessere Lebensqualität ihres Sohnes noch aktiv werden könnten, laufe ihnen davon. Bis heute sei ihnen noch keine gleichwertig intensive und wirksame Methode bekannt geworden.

In der Zeit vom 14. Juni bis 11. Juli 2000 fand der vierte Behandlungszyklus in der Klinik in T .../Ukraine des Institutes für Medizinische Rehabilitation - Rehabilitationszentrum - L ... des Chefarztes Dr. K. statt. In einem Bericht des Institutes für Medizinische Rehabilitation vom 11. Juli 2000 wird unter anderem ausgeführt, nach dem dritten Behandlungszyklus in der Klinik in T ... habe sich der Zustand des Klägers verbessert. Er sei lockerer geworden. Er könne selbständig in einen Vierfüßlerstand kommen. Er komme sicher allein aus der Rückenlage in den Langsitz. Er sei viel beweglicher geworden, fange seit einem Jahr an, etwas zu robben. Im o. g. Behandlungszeitraum habe man bei ihm neben Erhebung eines klinischen und neurologischen Status folgende Untersuchungen durchgeführt: EKG, biomechanische Testanalyse. Er habe während dieser Zeit täglich eine neurophysiologische Therapie nach Prof. Dr. K., Reflexotherapie, spezielle Ganzkörpermassage, Akupressur, Krankengymnastik, Gelenktherapie und Apitherapie erhalten. Nach dem Behandlungszeitraum von 4 Wochen habe sich der allgemeine Zustand verbessert. Der pathologische Muskeltonus sei verringert. Er sei lockerer und ruhiger geworden. Der Kläger sitze gerader im Rollstuhl. Er beginne aufzustehen am Rollstuhl und freizustehen nach 1-2 Sek. ausbalancieren. Beim Sitzen am Tisch bringe er die linke Hand bis über die Mitte. Er könne besser mit Ball auf dem Tisch spielen. Im abschließenden Beratungsgespräch habe man den Eltern empfohlen: Krankengymnastische Übungen weiterzuführen, weiterhin Massage, Schwimmen, Reiten, Fahrradfahren, Beobachtung und Wiedervorstellung des Klägers nach 12 Monaten.

Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 01. Dezember 2000). Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung würden grundsätzlich nur gewährt, wenn und solange sich Versicherte im Ausland aufhielten (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V). Abweichend von dieser Vorschrift könne die Krankenkasse erforderliche Behandlungen ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur im Ausland möglich sei (§ 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Diese Vorschrift sei als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Voraussetzung für eine Kostenübernahme medizinisch notwendiger Auslandsbehandlung im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung sei danach: Eine dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung sei nur außerhalb des Geltungsbereiches des Sozialgesetzbuches (SGB) möglich, wobei es hier auf einen Vergleich der Behandlungsmöglichkeiten, aber nicht der Behandlungsmethoden ankomme. Eine Behandlung im Inland sei zwar an sich, aber nicht rechtzeitig möglich. Dies wäre zum Beispiel zutreffend, wenn wegen mangelnder Kapazitäten und dadurch bedingter Wartezeiten die frühzeitigere Auslandsbehandlung aus medizinischen Gründen unbedingt erforderlich wäre.

Zur Behandlung der infantilen Cerebralparese stünden zahlreiche, dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungen, wie zum Beispiel Maßnahmen der physikalischen Therapie in Form von u. a. verschiedensten Massage- und Bewegungstherapien, Krankengymnastik, manuelle Therapien zur Behandlung von Gelenkblockierungen sowie Elektrotherapien zur Verfügung, die zeitnah individuell am Wohnort oder auch als komplexe Behandlungsmethoden in Rehabilitationseinrichtungen in Anspruch genommen werden könnten. Die Notwendigkeit, auf eine Behandlung im Ausland auszuweichen wegen mangelnder Behandlungsmöglichkeit oder nicht zeitnaher Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung, könne somit nicht bestätigt werden. Die von Dr. K. entwickelte und praktizierte Therapie zur Behandlung der Cerebralparese sei zudem eine Behandlungsmethode, die nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Die Behandlungsmethode sei bislang nicht ausreichend erforscht und es hätten daher auch noch keine zuverlässigen und wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen zur Wirksamkeit und den Risiken der Methode vorgelegt werden können. Hierzu werde u. a. auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Juni 1999 (Az.: B 1 KR 3/98 R und B 1 KR 4/98 R) verwiesen. Auch ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V wäre, nachdem die Behandlung in Anspruch genommen und privat finanziert worden sei, abzulehnen, da die Leistung, die Kostenübernahme der Behandlung im Rehabilitationszentrum L ..., nicht zu Unrecht abgelehnt worden sei.

Gegen den dem Kläger am 05. Dezember 2000 zugestellten Widerspruchsbescheid hat sich die am 03. Januar 2001 beim Sozialgericht Dresden (SG) erhobene Klage gerichtet.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid am 15. Mai 2001 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Dezember 2000 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten, da er keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die im Rehabilitationszentrum L .../Ukraine durchgeführte Behandlung vom 13. Juni 2000 bis 11. Juli 2000 habe. Die von Dr. K. angewandte Behandlung sei bisher nicht ausreichend erforscht und eine abschließende Bewertung ihrer Wirksamkeit und ihrer Risiken deshalb nicht möglich (BSG, Urteil vom 16. Juni 1999, Az.: B 1 KR 3/98 R). Zwar würden deutliche Behandlungserfolge in Einzelfällen bestätigt, jedoch sei die Erfolgsrate der umstrittenen Therapie mangels vergleichender Effektivitätsstudien nicht objektivierbar. Die Behandlungsmethode sei eng an die Person von Dr. K. gebunden und eine Einweisung ausländischer Ärzte bisher nicht erfolgt. Damit fehle eine unabdingbare Voraussetzung für die Erlangung der wissenschaftlichen Anerkennung, nämlich die Möglichkeit, die Behandlung an anderer Stelle und durch andere Ärzte zu wiederholen und ihre Ergebnisse überprüfbar zu machen. Da es sich somit nicht um eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung handele, könne im Übrigen dahingestellt bleiben, ob eine erfolgversprechende Behandlung des Klägers auch im Inland möglich gewesen wäre.

Gegen den dem Kläger am 17. Mai 2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 15. Juni 2001 beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt unter Vorlage eines Arztschreibens Dr. T1 .../Assistenzarzt B1 ..., Neurologische Klinik des Städtischen Klinikums D ..., vom 19. Dezember 2000 vor, er habe als schwer spastisch Gelähmter neben vielen anderen Patienten am eigenen Körper erfahren, dass das angebotene und exakt durchgeführte komplexe Behandlungspaket positive physische und psychische Ergebnisse gebracht habe. Dies beginne bei verbesserter Körperhaltung, gehe über Verringerung des spastischen Muskeltonus und neuen Bewegungsmöglichkeiten der Gelenke in den Extremitäten bis zu erhöhter Motivation zu aktiver körperlicher Betätigung. Während dieser Therapie sei er erstmalig in seinem Leben selbständig aus dem Rollstuhl aufgestanden. Das sei im Alter von 28 Jahren für einen Tetraspastiker eine bemerkenswerte Leistung. Das Ergebnis motiviere auch die Eltern im Alter von 60 Jahren, weiterhin Kraft und Energie für die Verbesserung der Lebensqualität ihres Sohnes einzusetzen. Aber dafür benötige er auch finanzielle Unterstützung, die er sich von der Krankenkasse erhoffe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 15. Mai 2001 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Dezember 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für die Behandlung im Institut für medizinische Rehabilitation, Rehabilitationszentrum L .../Ukraine, bei Dr. K ... im Zeitraum vom 13. Juni 2000 bis zum 11. Juli 2000 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die von Dr. K. angewandte Behandlung entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Die Behandlungsmethode sei bislang nicht ausreichend erforscht, es könnten daher auch noch keine zuverlässigen und wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen zur Wirksamkeit und den Risiken vorgelegt werden. Ferner sei für sie auch nicht erkennbar, dass zur Behandlungsmethode Dr. K. in absehbarer Zeit eine positive Entscheidung seitens des für die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zuständigen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ergehen werde. Zum streitgegenständlichen Sachverhalt lägen inzwischen weitere Anträge auf Kostenübernahme vor. Da eine zeitnahe, für den Kläger positive Entscheidung nicht zu erwarten sei, sehe sie einen mehrfachen Abschluss von Vergleichen derzeit als nicht sinnvoll an.

Den Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs dahingehend, dass die Beklagte sich verpflichtet, über die streitigen Ansprüche auf Kostenerstattung neu zu entscheiden und dem Kläger einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen über die Behandlungsmethoden nach Dr. K. positiv entschieden hat, hat die Beklagte abgelehnt.

Der Senat hat ein in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes mit dem Aktenzeichen 3 K 182/96 von Prof. Dr. Dr. von V1 ..., Direktor des Sozialpädriatischen Zentrums und Fachklinik für Sozialpädiatrie und Entwicklungsrehabilitation des Bezirkes O ... im Kinderzentrum M ..., unter dem 28. Oktober 1999 erstattetes Gutachten beigezogen. Ferner hat der Senat den von Dr. K. verfassten Kurzaufsatz "Das System der Intensiven Neurophysiologischen Rehabilitation (SINR) bei ICP-Kozijavkin-Methode (Monatsschrift Kinderheilkunde, Supplement 2, Band 147, Heft 8, S 231/SV 419) beigezogen und Informationsmaterial über das Therapiekonzept Dr. K. vom Internationalen Förderverein für medizinische Rehabilitation nach Kozijavkin e. V. (IFRK) in Rotenburg eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der Gerichtsakte des Sächsischen Landessozialgericht mit dem Aktenzeichen L 1 KR 33/00 sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Dezember 2000 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Erstattung der Kosten für die Behandlung im Rehabilitationszentrum L .../Ukraine (Behandlung Dr. K.) im Zeitraum vom 13. Juni 2000 bis 11. Juli 2000.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 27 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zu den von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen zählen auch Leistungen der medizinischen Rehabilitation, und zwar auch in Gestalt ambulanter und stationärer Kurmaßnahmen.

Der Kläger, der im streitbefangenen Zeitraum bei der Beklagten versichert war und noch ist, gehört zu dem Personenkreis, der Anspruch auf Krankenbehandlung in dem dargelegten Umfang hat. Zwar ruht der Anspruch auf Leistungen, solange sich der Versicherte im Ausland aufhält (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Allerdings kann nach der Ausnahmeregelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist. Diese Voraussetzungen sind indessen nicht erfüllt.

Die Gewährung einer Behandlung im Ausland setzt voraus, dass eine ausreichende und rechtzeitige Behandlung im Inland nicht möglich ist, d. h. auch wenn eine bestimmte Krankheit zwar generell im Inland behandelt werden kann, die Behandlung aber wegen des beim Antragsteller bestehenden speziellen Krankheitsbildes im Inland keinen Erfolg verspricht (vgl. BSG, Urteil vom 23. November 1995, Az.: 1 RK 5/95 = SozR 3-2500 § 18 Nr. 1 = NJW 1997, 2473 (2474)). Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 16. Juni 1999, Az.: B 1 KR 4/98 R = SozR 3-2500 § 18 Nr. 4 = BSGE 84, 90) knüpft § 18 Abs. 1 SGB V die Kostenübernahme an zwei Bedingungen, die kumulativ erfüllt sein müssen: "Die im Ausland angebotene Behandlung muss dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse genügen, und im Inland darf keine diesem Standard entsprechende Behandlung der bei einem Versicherten bestehenden Erkrankung möglich sein. Warum die Behandlung in Deutschland nicht durchgeführt werden kann und ob dafür qualitative oder quantitative Aspekte maßgeblich sind, ist unerheblich. Abgesehen von den Fällen, in denen ein im Ausland für eine bestimmte Erkrankung entwickeltes Therapieverfahren oder ein neues medizinisch-technisches Gerät noch nicht verfügbar oder in denen die gebotene Therapie wegen der erforderlichen klimatischen Bedingungen ortsgebunden ist, greift die Regelung auch ein, wenn die Behandlung im Inland zwar an sich möglich ist, aber wegen fehlender Kapazitäten oder aus anderen Gründen nicht rechtzeitig erfolgen kann." Eine Behandlung entspricht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse, wenn ihre Wirksamkeit im Falle der zu behandelnden Krankheit und im Hinblick auf das im Einzelfall verfolgte Behandlungsziel durch Studien, die den in Fachkreisen gestellten wissenschaftlichen Anforderungen genügen, erwiesen ist (BSGE 76, 194, 199). Es kann auch genügen, dass die Behandlung, auch unter Einschätzung der damit verbundenen Risiken, in der ärztlichen Praxis eine breite Anerkennung gefunden hat und dementsprechend angewendet wird (vgl. zum Ganzen BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4; ständige Rechtsprechung).

Gemessen hieran besteht der behauptete Leistungsanspruch im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten abgeschlossenen Behandlungsmaßnahmen nicht.

Die Methode des Dr. K., Bewegungsstörungen bei cerebralparetischen Personen, insbesondere Kindern, zu behandeln, entspricht nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Sie besteht darin, in der von ihm geleiteten Einrichtung und unter seiner persönlichen Teilnahme mit zahlreichem ärztlichem und nichtärztlichem Personal aufgrund einer auch neurophysiologischen und psychologischen Diagnostik durch den Einsatz von Akupressur, Akupunktur, Wärmebehandlung mit Bienenwachs, Stiche lebender Bienen, Phytotherapie, Reflexotherapie, Manualtherapie, Chirotherapie, Heilpädagogik, Krankengymnastik, Ergotherapie, Massage, Schwimmen, psychologischer Beratung und teilweise noch weiterer Mittel, wie der Elektrostimulation in etwa zweiwöchigen intensiven Behandlungszyklen eine Verbesserung der Bewegungsmöglichkeiten cerebral- paretischer Kinder herbeizuführen. Den Kern der Therapie stellt das Aufspüren und Lösen von Blockaden der Wirbelgelenke dar, welches von Dr. K. selbst geleistet wird. Dabei handelt es sich zum Teil um Vorgehensweisen, die bei der Behandlung anderer Leiden wissenschaftlich anerkannt sind, zum Beispiel die manualtherapeutische, auch chiropraktische Behandlung, die vereinzelt auch in Deutschland von zugelassenen Leistungserbringern zur Behandlung von cerebralparetischen Kindern eingesetzt werden; teilweise handelt es sich um Außenseitermethoden bis hin zu ungebräuchlichen und fragwürdigen Vorgehensweisen wie der Therapie durch Bienenstiche (Sächsisches LSG, Urteil vom 11. April 2000, Az.: L 1 KR 1/98).

Die medizinische Wissenschaft und Praxis sieht, wie die im Verfahren beigezogenen Äußerungen zeigen, Überprüfungsbedarf sowohl hinsichtlich der Wirksamkeit der einzelnen therapeutischen Ansätze als auch des Ausmaßes und der Dauerhaftigkeit der erreichten Erfolge einschließlich der Differenzierung nach unterschiedlichen Krankheitsbildern. Offen in der Beurteilung bleibt überdies die Wirtschaftlichkeit des Behandlungskonzeptes. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die von Dr. K. durchgeführte Behandlung oder auch nur wesentliche Teile daraus nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Weder besteht derzeit die erforderliche wissenschaftliche Anerkennung noch findet sie auch nur annähernd in Wissenschaft oder Praxis Anerkennung. Abgestellt auf den medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Behandlung vom 14. Juni 2000 bis 11. Juli 2000 (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2001, Az.: B 1 KR 28/00 B) ergibt sich auch aufgrund des vom Senat beigezogenen Kurzaufsatzes Dr. K., veröffentlicht in der Monatsschrift für Kinderheilkunde Supplement 2, Band 147, Heft 8, S. 231 und des Gutachtens Prof. Dr. von V1 ... vom 28. Oktober 1999 keine andere Sichtweise. Unter Bezugnahme auf den von Dr. K. veröffentlichten Aufsatz in der Monatszeitschrift für Kinderheilkunde Supplement 2 hat Prof. Dr. von V1 ... unter anderem ausgeführt, nach dem bisherigen Kenntnisstand handele es sich bei dieser Präsentation um Behandlungsergebnisse, die bei dem größten Krankengut überhaupt erarbeitet worden seien, in der Zeit von 1986 bis 1999. Es hätten 10.521 Patienten im Alter von 6 Monaten bis 72 Jahren zur Verfügung gestanden. Allein aus dieser Altersbeschreibung werde deutlich, dass gerade auch bei älteren Patienten mit infantiler Cerebralparese zum Teil eine lebenslange Begleitung und auch Behandlung notwendig sei. Die Ergebnisse seien im Einzelnen in dieser Publikation dargestellt. Bemerkenswert hierbei sei, dass im Rahmen einer Fragenbogenerhebung die Kopfkontrolle in 79 % erreicht worden sei und vor allem auch Hand- und Greiffunktionen sich zu 87 % verbessert hätten, das Stehen in 40 % habe erlernt werden können und Lauffunktionen mit 18 % einzelne Patienten hätten erlangen können. Unstreitig sei, dass es sich hierbei nicht um prospektive Forschungsdaten handele. Dennoch müsse man auch solche durch Fragebogen erhobenen Daten insofern bewerten, als sie ein Hinweis dafür sein können, dass Behandlungsmethoden tatsächlich zumindest für einen großen Teil eines Krankengutes sehr effektiv sein könnten. Vergleiche man diese Daten mit Daten zu den Behandlungsmethoden von Bobath und Vojta, so sei festzustellen, dass für alle drei Behandlungsmethoden und Behandlungsansätze zu fordern wäre, dass prospektive Studien durchgeführt werden müssten. Gelinge es nicht, prospektive Daten zu erheben, werde man langfristig zu keiner der bereits etablierten Behandlungsmethoden gesicherte Auskünfte erhalten. Betrachte man nun alle Behandlungskonzepte, so auch das Behandlungskonzept der Arbeitsgruppe Kozijavkin, so müsse man zur Kenntnis nehmen, dass neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Ressourcen im zentralen Nervensystem darauf hindeuteten, dass gerade bei Kindern mit infantiler Cerebralparese alles versucht werden müsse, auf der einen Seite zentrale Regulationsmechanismen durch Erlernen neuer Programme günstig zu beeinflussen, und andererseits über die Peripherie und den Einsatz sensorischer Reize jene Systeme zusätzlich zu beeinflussen, als sich hierdurch Reifungsvorgänge, die gerade im kindlichen Gehirn in den ersten Lebensjahren vor allem in ganz erheblichem Maße vorhanden sein müssten, induziert würden. Die von der Arbeitsgruppe Kozijavkin angewandte Behandlungsmethode werde zunehmend bei Kindern und Jugendlichen, aber auch jungen Erwachsenen und Erwachsenen mit dem Krankheitsbild der infantilen Cerebralparese angewandt. Die Wissenschaftler könnten zu dem Behandlungskonzept als solchem bezüglich dessen Effektivität auch keine sicheren Aussagen treffen. Diese sicheren Aussagen könnten sie aber auch noch nicht treffen zu bereits von den gesetzlichen Krankenversicherungen anerkannten Behandlungsmethoden wie zum Beispiel der Physiotherapie nach Bobath bzw. der Physiotherapie nach Vojta. Auch könnten sie, sofern der Konsens zu einer profunden Wahrheitsfindung bestehen sollte, noch keine endgültigen Auskünfte über die Wirksamkeit manualtherapeutischer Intervention bei Kindern mit infantiler Cerebralparese treffen. Die von der Arbeitsgruppe Kozijavkin anlässlich der 51. Jahrestagung der Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin vorgelegten Behandlungsdaten, die auf Fragebogenergebnissen beruhten, ließen vermuten, dass das als Intensivbehandlungskonzept zu beschreibende methodische Vorgehen der Arbeitsgruppe Kozijavkin bei einem noch nicht klar zu definierenden prozentualen Anteil von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit infantiler Cerebralparese positive Auswirkungen hinterlasse. Insbesondere scheine es so zu sein, dass das Zusammenwirken verschiedenster Behandlungssegmente einen günstigen Einfluss auf insbesondere schwerstbetroffene Patientinnen und Patienten mit infantiler Cerebralparese bei Einsatz dieses Behandlungskonzeptes der Arbeitsgruppe Kozijavkin haben könne. Eigene Erfahrungen bei einer großen Zahl von klinisch betreuten Patientinnen und Patienten mit infantiler Cerebralparese, die Handlungsblöcke bei der Arbeitsgruppe um Kozijavkin absolviert werden, verdeutlichten, dass tatsächlich so genannte Behandlungserfolge verzeichnet werden könnten. Es könne allerdings nicht die Frage beantwortet werden, ob bei Einsatz verschiedenster Behandlungssegmente, wie sie von der Arbeitsgruppe um Kozijavkin angeboten würden, ähnliche Behandlungserfolge auch in Deutschland erreicht werden könnten. Ganz im Gegenteil müsse man allerdings feststellen, dass konzentriert an einem Behandlungsort in der Summation die verschiedensten Behandlungssegmente in Deutschland den nach Hilfe und Behandlung suchenden Patienten derzeit nicht angeboten werden könnten.

Mangels Vorliegen von sicheren Aussagen der Wissenschaftler zur Effektivität des Behandlungskonzeptes Prof. Dr. K. und einer reinen Vermutung des Hinterlassens von positiven Auswirkungen des Behandlungskonzeptes Dr. K. bei einem noch nicht klar zu definierendem prozentualen Anteil von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit infantiler Cerebralparese kann nach Auffassung des Senats nicht davon gesprochen werden, dass die bei Prof. Dr. K. vom Kläger Mitte 2000 durchgeführte Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Ein andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den vom IFRK übersandten Unterlagen in deutscher Sprache (Interview von Prof. Dr. K. in der Ärztezeitung Februar 1994; Aufsätze: Dr. K., Entwicklungs-Rehabilitation - Zur Rehabilitation der Cerebralparese durch manuelle Wirbelsäulentherapie, Sozialpädiatrie in der Pädiatrie für Praxis und Klinik 15, Nr. 7, 402-406 (1993); Dr. K., Entwicklungs-Rehabilitation - Deblockade der Wirbelsäule als Prinzip bei der Behandlung der infantilen Cerebralparese, Sozialpädiatrie und Kinderärztliche Praxis 18, Nr. 7, S. 377-381 (1996); Dr. K., Beobachtungen bei der Intensivtherapie in Lviv, Sozialpädiatrie, Kinder- und Jugendheilkunde, Heft 7-8/1997, S. 275; Dr. Del Bello/Dr. K., Therapie bei Patienten mit infantiler Cerebralparese nach dem System der intensiven neurophysiologischen Rehabilitation (SINR), Krankengymnastik - Zeitschrift für Physiotherapeuten, Nr. 6/2000, S. 1005-1013; dgl., Das System der Intensiven Neurophysiologischen Rehabilitation (SINR), Sonderdruck aus päd - Praktische Pädiatrie - Nr. 3, Juni 2000, Dr. K., Das System für Intensive Neurophysiologische Rehabilitation - Die Kozijavkin-Methode, Broschüre, April 1999). In dem Aufsatz "Therapie bei Patienten mit infantiler Cerebralparese nach dem System der intensiven neurophysiologischen Rehabilitation (SINR)" werden die gleichen Ergebnisse der Fragebogenerhebung mitgeteilt, wie bereits in dem Aufsatz "Das System der Intensiven Neurophysiologischen Rehabilitation (SINR) bei ICP-Kozijavkin-Methode". Aus den beigezogenen Gutachten Prof. Dr. von V1 ... ergibt sich, dass die von Dr. K. angewandte Behandlung bisher nicht ausreichend erforscht und eine abschließende Bewertung ihrer Wirksamkeit und ihrer Risiken deshalb nicht möglich ist. Insgesamt besteht weder derzeit die erforderliche wissenschaftliche Anerkennung noch findet sie auch nur annähernd in Wissenschaft oder Praxis Anerkennung. Die Behandlung wird allein durch die Arbeitsgruppe Dr. K. angewandt. § 18 SGB V bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, deren Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit in der medizinischen Wissenschaft außer Streit steht. Eine Kostenerstattung scheidet aus, wenn - wie hier - die im Ausland angewandte Methode in den einschlägigen Fachkreisen (noch) nicht allgemein anerkannt ist oder wenn gegen sie anzunehmende Einwände erhoben werden.

Mithin sieht sich der Senat außerstande, eine Leistungspflicht der Beklagten im vorliegenden Falle zu bejahen. Angesichts dessen scheidet eine Kostenübernahme aus, ohne dass geprüft werden muss, ob eine erfolgversprechende Behandlung auch im Inland möglich gewesen wäre. Die Beklagte durfte daher die Leistung nicht erbringen, ihr Ermessen ist insoweit auf Null reduziert.

Ein Erstattungsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht nach § 13 Abs. 3 SGB V. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Aus den vorliegenden Akten sind weder Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Beklagte eine unaufschiebare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs. 3 1. Alternative SGB V), noch ist dies von dem Kläger vorgetragen worden. Im Übrigen wird der Anspruch auf Sachleistung nicht deswegen in einen Kostenerstattungsanspruch umgewandelt, wenn die Krankenkasse aus rechtlichen Gründen im Ausland keine Sachleistung gewähren kann (Kassler Kommentar - Höfler, § 13 SGB V Rn. 8 m. w. N.). Ebenso wenig liegt die Fallgestaltung einer zu Unrecht abgelehnten Leistung vor (vgl. § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V). Wie dargelegt, hat die Beklagte dem Antrag des Klägers zu Recht nicht entsprochen.Nach alledem hatte die Berufung keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. -
Rechtskraft
Aus
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