L 3 B 120/01 AL-PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AL 1144/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 120/01 AL-PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 09. November 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

In der Hauptsache wendet sich der Kläger und Beschwerdeführer gegen die abschlägige Überprüfung einer Sperrzeitfeststellung.

Der am ...1957 geborene Kläger ist seit dem 27.04.1998 geschieden. Aus der Ehe sind 3 Kinder hervorgegangen (geboren 1983, 1987 und 1988). Bis November 1995 lebte der Kläger bei seiner früheren Familie. Anfang Dezember 1995 trennte er sich von seiner 1. Ehefrau und zog - nach eigenen Angaben - im Februar 1996 zu seiner damaligen Freundin nach D ... bei D ... Noch bis zum 07.06.1996 hatte er als Heizungsmonteur jedoch ein Beschäftigungsverhältnis in A ..., welches er am 03.06.1996 kündigte.

Am 10.06.1996 nahm er eine neue Beschäftigung als Monteur bei einer Heizungsfirma mit Sitz in L ... auf, welche er jedoch bereits am 01.07.1996 zum 05.07.1996 wieder kündigte. Zur Begründung der Aufgabe der Beschäftigung gab er folgende Erklärung ab: "Nach meiner Trennung von meiner Ehefrau bin ich im 2/96 zu meiner Freundin nach L ... gezogen. Als diese Beziehung in die Brüche ging, habe ich das Arbeitsverhältnis beendet und bin nach A ... zu meiner Mutter gezogen." In A ... meldete sich der Kläger am 14.07.1996 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg).

Mit Bescheid vom 09.09.1996 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen, vom 06.07.1996 bis zum 04.10.1996, fest, da der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst habe.

Bezüglich des festgesetzten Zeitraumes erfolgte am 17.09.1996 eine Korrektur, wonach die Sperrzeit bereits mit Ablauf des 25.09.1996 ende. Mit Bescheid vom 17.09.1996 wurde sodann dem Kläger ab dem 28.09.1996 Alg bewilligt. Eine Anfechtung dieser Bescheide erfolgte zunächst nicht.

Nach seiner Rückkehr nach A ... hatte der Kläger nach eigenen damaligen Angaben wöchentlich ca. 3 Std. und 14-tägig an den Wochenenden ca. 10 Std. Umgang mit seinen Kindern. Für den Zeitraum vom 27.07. bis zum 18.08.1998 genehmigte die Beklagte auf den Antrag des Klägers seinen auswärtigen Aufenthalt.

Ab ca. Ende September 1996 hielt sich der Kläger zunächst in S ..., wo er eine neue Partnerin kennengelernt hatte, und sodann in D .../ ...straße auf. Ab dem 01.12.1996 hatte er dort erneut ein festes Beschäftigungsverhältnis.

Mit Schreiben vom 26.06.1999 beantragte der Kläger - durch seinen Prozessbevollmächtigten - gemäß § 44 Abs. 1 SGB X eine Überprüfung des Sperrzeitbescheides, da die Annahme einer besonderen Härte geboten gewesen wäre. Das in L ... aufgenommene Arbeitsverhältnis habe sich noch in der Probezeit befunden und sei arbeitgeberseitig ohne Angabe von Gründen kündbar gewesen, da das Kündigungsschutzgesetz noch nicht anwendbar gewesen sei. Zudem sei auch nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger mittellos gewesen sei und Unterhalt an seine inzwischen geschiedene Ehefrau sowie 3 Kinder zu zahlen gehabt habe.

Die Beklagte lehnte eine Rücknahme des Sperrzeitbescheides durch Bescheid vom 20.06.2000 ab. Den am 27.06.2000 hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie durch Bescheid vom 26.09.2000 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat sich der Kläger am 23.10.2000 an das Sozialgericht Dresden (SG) gewandt.

Der Sperrzeitbescheid sei rechtswidrig, weil das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht beachtet worden sei. Zu berücksichtigen sei hier das Grundrecht aus Artikel 6 Grundgesetz (GG). Der Kläger habe festgestellt, dass die räumliche Entfernung zu seinen Kindern der Aufrechterhaltung der Vater-Kind-Beziehung schade. Durch die Rückkehr nach A ..., verbunden mit Bemühungen, dort wieder einen Arbeitsplatz zu finden, hätte der Kläger seine Beziehung zu seinen 3 Kindern aufrechterhalten und verbessern wollen. Angesichts dieses Umstandes sei zumindest von einer besonderen Härte auszugehen.

Zugleich hat der Kläger am 25.08.2001 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung von Rechtsanwalt D .../D ... gestellt.

Durch Beschluss vom 09. November 2001 hat das SG diesen Antrag abgelehnt, da keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 119 Abs. 1 Satz 1 AFG sei nicht anzunehmen, zumal nicht ersichtlich sei, weshalb sich der Kläger nicht bereits vor der Kündigung um einen Anschlussarbeitsplatz bemüht habe. Gerade dies hätten seine Unterhaltspflichten geboten. Die Voraussetzungen für eine besondere Härte lägen nicht vor, zumal der Kläger durch die Aufgabe seines Arbeitsplatzes seine Leistungsfähigkeit selbst vereitelt habe.

Dagegen hat der Kläger am 11.12.2001 Beschwerde eingelegt. Dieser hat das SG nicht abgeholfen, da der Kläger keine zumutbaren Anstrengungen unternommen habe, um die drohende Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Kläger erneut auf das aus Artikel 6 Abs. 2 GG folgende Elternrecht hingewiesen. Erst nach dem Wegzug aus A ... habe er gemerkt, wie ihm die Kinder fehlten und dass ein regelmäßiger Umgang mit diesen sowohl für ihn als auch die Kinder wichtig sei. In der Rechtsprechung sei die Betreuung von Kindern als Grund für die Aufgabe eines Arbeitsplatzes als wichtiger Grund anerkannt. Ein vernünftiger Umgang des Klägers mit seinen Kindern sei aufgrund des Verhaltens der Kindesmutter nur bei einer Anwesenheit vor Ort möglich gewesen. Zumindest eine besondere Härte sei aufgrund des Elternrechts gemäß Artikel 6 Abs. 2 GG begründet.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge einschließlich der PKH-Akte des SG Dresden sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Die frist- und formgerecht beim LSG eingelegte Beschwerde ist zulässig, § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 127 Abs. 2 und Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO). Sie ist jedoch nicht begründet, denn das SG hat den Antrag auf PKH zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO setzt die Bewilligung von PKH neben der Bedürftigkeit des Antragstellers (Ast.) u. a. auch voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese gesetzliche Voraussetzung für die Gewährung von PKH liegt nach den im bisherigen Klageverfahren getroffenen Feststellungen unter Einschluss des Inhalts der beigezogenen Leistungsakten der Beklagten sowie auch bei Beachtung des Vorbringens zur Beschwerdebegründung nicht vor. Die Umschreibung der hierfür gesetzlich geforderten Erfolgsaussicht als "hinreichend" bedeutet nach allgemeiner Auffassung, dass dabei das Gericht sich mit einer vorläufigen, nicht abschließenden Prüfung der Erfolgsaussichten begnügen darf und muss (vgl. BVerfG, NJW 1997, S. 2745; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 114 Rn. 80). Danach muss der Erfolg eines Rechtsmittels also nicht gewiss sein, er muss aber auf der Grundlage der im PKH-Bewilligungsverfahren durchzuführenden summarischen Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Hiernach ist ein Anspruch auf PKH zu verneinen, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, insbesondere nach dem bisherigen Sachverhalt die Erfolgschance des Rechtsmittels aber nur eine entfernte ist (vgl. BSG vom 17.02.1998, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19; ebenso Beschluss des Senats vom 30.04.1998 - Az.: L 3 AL 47/98 -). Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich aus den Verfahrensunterlagen unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten keine konkreten Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidungen ergeben.

Dem Kläger ist zwar grundsätzlich zuzugeben, dass das durch Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz (GG) geschützte Elternrecht umfassende Verantwortung für die Lebens- und Entwicklungsbedingungen des Kindes bedeutet (Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl., Rn. 26 zu Artikel 6). Träger dieses Grundrechts sind die Eltern je für sich, so dass auch der Kläger dieses Grundrecht für sich beanspruchen kann. Dennoch besteht hier aufgrund der gesamten tatsächlichen Umstände weder für die Bejahung eines wichtigen Grundes i. S. v. § 119 Abs. 1 Satz 1 AFG noch für besondere Härte gemäß § 119 Abs. 2 Satz 1 AFG hinreichende Wahrscheinlichkeit.

Das Bundessozialgericht (BSG) konkretisiert den unbestimmten Rechtsbegriff "wichtiger Grund" in ständiger Rechtsprechung anhand des Zweckes der Sperrzeitregelung. Dieser besteht darin, die Solidargemeinschaft vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte schützen, die den Eintritt des Versichertenrisikos "Arbeitslosigkeit" selbst herbeigeführt und zu vertreten haben oder an der Eingliederung in das Erwerbsleben nicht in zumutbarer Weise mitwirken (BSG SozR 3-4100 § 119 Nrn. 14, 15 und 16 m. w. N.). In der Begründung des Bundestags-Ausschusses für Arbeit, auf den die Fassung des Gesetzes zurückgeht, heißt es: "Eine Sperrzeit soll dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann." BT-Drs. V/4110 S. 21). Dabei muss der wichtige Grund nicht nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den konkreten Zeitpunkt der Lösung decken (vgl. u. a. BSG SozR 4100 § 119 Nrn. 28, 29, 33, 34).

Das Vorbringen des Klägers, er habe zur Wahrnehmung seines sonst nicht entsprechend realisierbaren Erziehungsrechts das Beschäftigungsverhältnis gelöst, erscheint insbesondere unter Berücksichtigung seiner aktenkundigen früheren Angaben jedoch wenig glaubhaft: Erst am 03.06.1996 hatte der Kläger zuvor sein Arbeitsverhältnis in A ... zum 06.07.1996 gelöst, um in L ... eine Beschäftigung aufzunehmen. Damit hatte er erst einen Monat zuvor eine größere Entfernung zwischen sich und seinen Kindern herbeigeführt. Zudem begründete der Kläger unmittelbar nach der Arbeitslosmeldung seine Eigenkündigung: In dieser Begründung führte er allein die Trennung von seiner neuen Lebensgefährtin an. Die Kinder - als Grund für den Rückzug nach A ... - erwähnte der Kläger nicht einmal. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine Trennung von der Partnerin weniger privat wäre als der nunmehr erklärte Wunsch nach einem Umgang mit den Kindern. Selbst wenn man annimmt, dass der Kläger nach seiner Rückkehr nach A ... zu seiner Mutter tatsächlich wieder einen deutlich häufigeren Umgang mit seinen Kindern hatte, so hinderte ihn dieser Umstand nicht, bereits Ende September 1996 - also ca. 2 1/2 Monate später - einen Aufenthaltsort zu wählen, der noch erheblich weiter von A ... entfernt liegt, als dies bei D ... der Fall war. Eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bis zum Erhalt eines Anschlussarbeitsplatzes ist daher aus den Gesamtumständen nicht ersichtlich.

Darüber hinaus ist ein wichtiger Grund nach Sachlage auch deshalb zu verneinen, weil der Kläger der ihm auferlegten Obliegenheit, den Eintritt des Versicherungsfalles möglichst zu vermeiden, nicht in einer sachlich gebotenen und ihm zumutbaren Weise nachgekommen ist. Diese Obliegenheit beinhaltet, dass der Arbeitslose hinsichtlich rechtzeitiger Bemühungen um einen Anschlussarbeitsplatz alle zumutbaren Anstrenungen unternommen haben muss, um die voraussichtliche Arbeitslosigkeit zu verhindern. Auf die Frage, ob diese Bemühungen erfolgreich gewesen wären, kommt es dabei nicht an (BSG SozR 3-4100 § 119 Nrn. 14 und 15). Erforderlich hierzu sind die Abgabe eines Vermittlungsauftrages sowie eigene Bemühungen um einen Anschlussarbeitsplatz (BSG a. a. O.). Gerade in Anbetracht der kurzen Kündigungsfristen hätte der Kläger unmittelbar dann, als subjektiv sein Kündigungsentschluss feststand, dem Arbeitsamt A ... einen Vermittlungsauftrag zukommen lassen können. Die Arbeitslosmeldung in A ... erfolgte hier jedoch erst am 17.07.1996, - also mehr als 10 Tage nach dem Ende der Beschäftigung.

Die Dauer der Sperrzeit richtet sich nach den §§ 119, 119a AFG. Sie umfasst daher regelmäßig 12 Wochen (§ 119a Nr. 1 i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 AFG) und 6 Wochen, wenn eine Sperrzeit von 12 Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 119a Nr. 1 AFG i. V. m. § 119 Abs. 2 Satz 1 AFG). Ob eine Sperrzeit von 12 Wochen eine besondere Härte bedeuten würde, ist dem Wortlaut des § 119 Abs. 2 AFG zufolge nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen zu beurteilen, nicht dagegen nach anderen Umständen. Umstände persönlicher oder wirtschaftlicher Art bleiben hiernach außer Betracht, es sei denn, dass sie zu den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen gehören, bzw. sich auf diese Tatsachen zwangsläufig auswirken. Dies bedeutet hier zunächst, dass die mit der Sperrzeit einhergehenden finanziellen Einschnitte zu Lasten des Klägers keine Berücksichtigung finden können, zumal dies alle von einer Sperrzeit betroffenen Personen betrifft. Auch die von dem Kläger nunmehr herausgestellte Wahrnehmung seines Erziehungsrechts gemäß Artikel 6 Abs. 2 GG konnte keine entscheidende Berücksichtigung finden, denn nach den gesamten Umständen, stellte diese keine für den Eintritt der Sperrzeit maßgebende Tatsache dar.

Da somit nach summarischer Prüfung der Klage beim SG Dresden keine hinreichende Aussicht auf Erfolg zuerkannt werden kann, konnte seiner Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH nicht stattgegeben werden.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Er ergeht kostenfrei (§ 183 SGG).
Rechtskraft
Aus
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