L 8 RA 1/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 RA 259/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RA 1/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.11.1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit über September 1995 hinaus.

Die am 00.00.1955 geborene Klägerin ist gelernte Verkäuferin. Nach Abschluss ihrer Lehre (01.08.1970 bis 30.06.1972 in einem Schuhhaus) war sie bei verschiedenen Arbeitgebern bis zum 31.12.1988 in ihrem erlernten Beruf beschäftigt. Zuletzt war die Klägerin vom 01.06.1989 bis 23.01.1992 bei der L AG, E, als Verkäuferin in der Damenoberbekleidung versicherungspflichtig beschäftigt. Ausweislich der im Klageverfahren eingeholten Arbeitgeberauskunft vom 27.01.1997 wurde sie dort nach Tarifgruppe I/7 des Einzelhandel- Tarifvertrages NRW bezahlt. Seit Februar 1991 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Ein im Dezember 1991 unternommener Arbeitsversuch scheiterte. Das Arbeitsverhältnis wurde Anfang 1992 beendet. Während des Klageverfahrens besuchte die Klägerin von April 1994 bis September 1995 im Wege einer vor ihr selbst getragenen Umschulung bzw. Fortbildung eine Kosmetikschule, die sie als Diplom-Fachkosmetikerin abschloss. Von Januar bis März 1996 absolvierte sie erfolgreich eine Weiterbildung zur Fußpflegerin. Ab Februar 1998 übte die Klägerin eine geringfügige Beschäftigung als Kosmetikerin aus. Bis Herbst 2000 war die Klägerin nach ihren Angaben in diesem Umfang in einem Kosmetikgeschäft beschäftigt.

Im April 1992 stellte die Klägerin erstmals einen Rentenantrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit.

Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten von dem Internisten Dr. C ein. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 15.07.1992:

1. Fibromyalgie-Syndrom,
2. vegetative Labilität mit Somatisierungstendenz sowie
3. Reizzustand des Magens bei der Einnahme einer rheumatologischen Basis-Therapie (Resochin).

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass keinerlei Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule bestehe, kein Nervenwurzelreizsyndrom vorliege und auch keine Hinweise für eine rheumatische Gelenkerkrankung beständen, hielt er die Klägerin als Verkäuferin für vollschichtig einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie leichte Frauenarbeiten in wechselnder Körperhaltung, d.h. im Gehen, Stehen und Sitzen, unter Witterungsschutz vollschichtig verrichten.

Daraufhin wurde der Rentenantrag mit Bescheid vom 12.08.1992 abgelehnt.

Im Rahmen des anschließend angestrengten Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte ein rheumatologisches Gutachten von Prof. Dr. C1 ein. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 08.01.1993

eine Kollagenose,

deren Typisierung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich sei. Da bei dem jetzigen Erkrankungsstadium noch von einer gewissen Floridität ausgegangen werden müsse, sei diese weiterhin behandlungsbedürftig. Es bestehe daher bis auf weiteres Arbeitsunfähigkeit. Eine erneute Beurteilung sei in ca. einem halben Jahr nach konsequenter Behandlung zu empfehlen.

Daraufhin gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 14.09.1993 unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom 21.02.1991 (bis dahin bestand ein Anspruch auf Übergangs-, Verletzten- bzw. Versorgungskrankengeld) eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis zum 31.05.1994.

Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde nach einem Hinweis der Beklagten im Dezember 1993 zurückgenommen. Anlässlich eines am 28.12.1993 gestellten Antrags auf Weitergewährung der Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente über den 31.05.1994 hinaus holte die Beklagte zunächst einen Befundbericht von dem behandelnden Orthopäden und Chirotherapeuten Dr. I vom 06.06.1994 ein, nach dessen Angaben sich die Leiden in den letzten zwei Jahren verschlechtert haben. In einer beigefügten Bescheinigung vom 07.06.1994 führte Dr. I unter Befürwortung eines Antrags auf Gewährung einer BU-Rente aus, dass die Klägerin aus seiner Sicht in ihrer bisherigen Tätigkeit als Verkäuferin im Einzelhandel nicht mehr einsetzbar sei.

Anschließend holte die Beklagte ein weiteres Gutachten von dem Internisten Dr. C ein. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 01.08.1994

1. Mischkollagenose sowie
2. vegetative Labilität mit funktionellen Magenbeschwerden

fest. Seiner Ansicht nach sei die Klägerin bei entsprechender Motivierung durchaus seit Februar 1992 in der Lage, den Beruf der Verkäuferin auszuüben, sofern sie hierbei leichte körperliche Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen leiste. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien leichte Frauenarbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen vollschichtig verrichtbar. Er habe den Eindruck gewonnen, dass die abweichende sozialmedizinische Beurteilung des Prof. Dr. C1 offenbar mehr auf Diagnosen als auf objektiven Funktionseinbußen beruhe.

Mit Bescheid vom 07.10.1994 verlängerte die Beklagte anschließend die Rentengewährung über den 31.05.1994 hinaus bis Ende März 1995.

Am 08.12.1994 (Eingang 05.01.1995) beantragte die Klägerin die Weiterzahlung der Rente über den Wegfallmonat hinaus.

Mit Bescheid vom 19.04.1995 gewährte die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit unter Hinweis auf die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes über den 31.03.1995 hinaus bis zum 30.09.1995.

Mit Bescheid vom 24.04.1995 wurde der Klägerin befristete Witwenrente anlässlich des Todes ihres am 00.00.1987 verstorbenen Ehemannes gemäß § 46 Abs.2 SGB VI bis zum 30.09.1995 auf Zeit zuerkannt.

Die Beklagte zog anschließend den Entlassungsbericht über die vom 12.07. bis 09.08.1995 in der orthopädischen Klinik, Rheumazentrum C, durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme bei. Ausweislich des Entlassungsberichtes wurden dort

1. eine muskuläre Dysbalance sowie
2. ein Fibromyalgiesyndrom bei Mischkollagenose

diagnostiziert. Die Klägerin wurde für fähig gehalten, leichte bis mittlere körperliche Tätigkeiten, abwechselnd sitzend, stehend und gehend, ohne schweres Heben und einseitige Körperhaltungen vollschichtig zu verrichten. Der erlernte Beruf der Textilverkäuferin sei ihr weiterhin zuzumuten. Es solle dabei aber darauf geachtet werden, dass die Klägerin nicht regelmäßig über 10 kg hebe und Überkopfarbeiten vermeide. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit halte man derzeit aufgrund der doch fehlenden Funktionseinschränkungen sowie fehlender akuter Reizzustände der Gelenke und der Muskulatur nicht für gegeben.

Auf dieser medizinischen Grundlage lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag mit Bescheid vom 27.09.1995 mit der Begründung ab, dass die Klägerin wieder in ihrem bisherigen Berufsbereich vollschichtig einsetzbar sei. Darüber hinaus bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes.

Auf den Widerspruch holte die Beklagte einen weiteren Befundbericht von dem Orthopäden Dr. I vom 07.01.1996 und einen Befundbericht von dem Internisten und Rheumatologen Privat-Dozent Dr. M, Chefarzt des St. F-Hospital N-M GmbH, Rheinisches Rheuma Zentrum, vom 20.03.1996 ein, in dem mit dem Hinweis darauf, dass die letzte Untersuchung länger zurückliege, keine Stellung zur gegenwärtigen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin genommen wurde. In den letzten zwei Jahren sei der Verlauf eher wechselnd gewesen. Über einen längeren Zeitraum gesehen sei keine Verschlechterung, sondern tendenziell eher eine Besserung eingetreten.

Ferner veranlasste die Beklagte eine orthopädisch-rheumatologische Begutachtung durch den Orthopäden, Rheumatologen und Sozialmediziner Dr. L. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 14.06.1996

ein therapiefähiges Fibromyalgie-Syndrom.

Er kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin seit Antragstellung durchaus in der Lage sei, als Verkäuferin vollschichtig zu arbeiten. Denkbar seien leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen. Zu vermeiden seien Arbeiten in Zwangshaltungen sowie Arbeiten, die mit dem Heben und Tragen schwerer Gegenstände verbunden seien. Alle leichten Frauentätigkeiten im Gehen, Stehen und Sitzen seien vollschichtig möglich.

Mit Schreiben vom 15.07.1996 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, die für Oktober 1995 (nach Wegfall der EU- Rente zum 30.09.1995) zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen zurückzufordern.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.11.1996 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Mit ihrer am 29.11.1996 beim Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie habe entgegen der im Streitverfahren eingeholten Arbeitgeberauskunft der L AG unter ungünstigen Bedingungen (häufiges Bücken, Heben und Tragen) arbeiten müssen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.09.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.11.199 zu ver- urteilen, ihr über September 1995 hinaus weiterhin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, auf Dauer weiter, hilfsweise auf Zeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Klägerin aufgrund ihrer zuletzt ausgeübten Beschäftigung als Verkäuferin in der Damenoberbekleidung nicht nur auf Verkäufertätigkeiten, sondern auch zumutbar auf Bürohilfstätigkeiten, die dem gehobenen allgemeinen Arbeitsfeld zuzurechnen seien (Mitarbeit in einer Registratur oder Poststelle, einfache Arbeiten in der Rechnungsprüfung usw.), verweisbar sei.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das Sozialgericht zunächst eine Arbeitgeberauskunft von der L AG vom 27.01.1997 sowie Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin (dem Augenarzt Dr. E vom 18.02.1997, dem Dermatologen, Allergologen und Phlebologen Dr. C2 vom 07.03.1997) sowie folgenden Ärzten eingeholt:

Der Allgemeinmediziner Dr. X hat in seinem Befundbericht vom 19.02.1997 ausgeführt, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei durch die seit mehreren Jahren bestehende Arbeitslosigkeit und anhaltenden Schmerzen im Bereich der weichteilrheumatischen Symptomatik nennenswert eingeschränkt. Im Behandlungszeitraum (Dezember 1995 bis Januar 1997) habe sich der Gesundheitszustand insofern geändert, als sich nach einer Amalganentfernung die Migräne und Schlafstörungen gebessert hätten sowie depressive Verstimmungen nicht mehr beständen. Die rheumatische Komponente sei allerdings noch nicht verändert.

Der Internist Herr I2, der die Klägerin von Januar 1993 bis Januar 1997 behandelt hat, hat in seinem Befundbericht vom 25.02.1997 ausgeführt, die Akuterkrankungen seien ausgeheilt, die Schilddrüsenfunktion ausgeglichen. Die herdförmige Leberveränderung bestehe unverändert, habe jedoch zur Zeit keinen Krankheitswert. Die Behandlung der Kollagenose erfolge durch den Orthopäden, so dass insoweit keine Aussage gemacht werden könne.

Der Orthopäde Dr. I hat die Erwerbsfähigkeit der Klägerin in seinem Bericht vom 17.02.1997 für erheblich eingeschränkt gehalten. Es sei trotz Ausschöpfung der therapeutischen Möglichkeiten keine anhaltende Besserung der Beschwerden eingetreten.

Anschließend ist der Internist und Rheumatologe Dr. W mit der Erstellung eines internistisch-rheumatologischen Sachverständigengutachtens beauftragt worden. Dr. W hat in seinem Gutachten vom 15.10.1997

1. z.Zt. inaktive undifferenzierte Kollagenose (ANA positiv) mit geringer Raynaud-Symptomatik und geringen Arthralgien, z.Zt. kein Hinweis für viscerale Beteiligung,
2. deutliches (sekundäres) Fibromyalgie-Syndrom,
3. initiale Fingerpolyarthrose,
4. deutliche Großzehengrundgelenksarthrose, Hallux rigidus, rechts mehr als links, 5. geringe Spondylosis deformans ohne Funktionseinschränkung der Wirbelsäule sowie
6. Struma Grad I mit peripherer Euthyreose.

festgestellt. Die Klägerin könne seit September 1995 leichte Arbeiten (z.B. überwiegend Tragen bis zu 5 kg, zeitweilig bis ca. 10 kg) im Gehen, Stehen und Sitzen sowie auch wechselweise im Gehen, Stehen oder Sitzen und auch überwiegend im Sitzen vollschichtig und regelmäßig verrichten. Die Arbeiten sollten möglichst in geschlossenen Räumen unter Witterungsschutz verrichte werden. Zu vermeiden seien Tätigkeiten unter Zeitdruck (Akkord- und Fließbandarbeiten), mit Wechselschicht, häufigem Bücken und Knien, Zwangshaltungen, Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die Gebrauchsfähigkeit der Hände, Arbeiten auf Gerüsten, Leitern, unter besonderen Witterungsbedingungen, unter Kälte- und Hitzeeinwirkung sowie unter Einwirkung von Staub, Gas, Dampf und Rauch. Auch in der Damenoberbekleidung sei die Klägerin vollschichtig einsetzbar. Ebenso könne sie Tätigkeiten als Bürohilfe bzw. Fachkosmetikerin vollschichtig verrichten. Es bestehe keine Einschränkung beim Zurücklegen des Weges zu und von der Arbeitsstätte.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ist anschließend der Neurologe, Psychiater und Sozialmediziner Dr. L1 mit der Erstellung weiteren neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens beauftragt worden. Dr. L1 hat in seinem Gutachten vom 14.04.1998

1. chronisches depressives Verstimmungssyndrom im Gefolge langan- dauernder und bislang therapieresistenter Beschwerden seitens einer Fibromyalgie und polyarthrotischer Störungen mit nicht unerheblichen sozialen Beeinträchtigungen (handicaps) bei glaubhaft plausiblem Leidensdruck,
2. cervicale Migräne im Rahmen eines cervicocephalen HWS-Syndroms,
3. Raynaud-Syndrom mit typischen vasomotorischen Erscheinungen,
4. chronischer Tinnitus bds,
5. multiple vegetative Dysregulationen mit allgemein starker Er- schöpfbarkeit und psychophysisch bedingtem eingeschränktem inner- und außerhäusigem Funktions-Niveau bei herabgesetzten Kompensations- und Coping-Mechanismen auf dem Hintergrund einer asthenisch-sensitiven Persönlichkeit sowie
6. chronisches Schmerzsyndrom generalisierten Charakters an den Bewegungsorganen

diagnostiziert.

Die Klägerin könne nur noch leichte Arbeiten, überwiegend im Sitzen und in geschlossenen Räumen, verrichten. Nicht zumutbar seien Zeitdruck und Wechselschicht, häufiges Bücken, Knien, Zwangshaltungen, Witterungs-, Kälte- und Hitzeeinwirkungen, die Exposition von Gas, Staub und Rauch. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei intermittierend funktionsgestört wegen der beidseitigen Polyarthrose der Finger. Wahrscheinlich werde die Klägerin in Abhängigkeit von den jeweils auftretenden Schmerzintensitäten, vegetativen Störungen und allgemeinem psychovegetativen Belastbarkeitsniveau zusätzlicher Pausen bedürfen, deren Länge und Frequenz nicht sicher antizipiert werden könne. In geistiger Hinsicht sei ihr Anstrengungs- und Ausdauervermögen eingeschränkt. Ebenfalls dürfte sie in ihrer Konzentration und arbeitssituativen Umstellungsfähigkeit gemindert verfügbar sein. Auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne die Klägerin bestenfalls stundenweise, z.B. zwei bis drei Stunden pro Tag, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgehen, letzteres jedoch nur für den günstigen Gesundheitsfall, dass ihre chronischen Schmerzen einschließlich anderer Gesundheitsstörungen eine geringe Beschwerdeintensität hätten.

Die Beklagte hat sich durch die beratende Nervenärztin Dr. T kritisch zu den Ausführungen des Dr. L1 geäußert. Die von Dr. L1 vorgenommene Leistungsbeurteilung sei nicht schlüssig.

Anschließend hat das Sozialgericht ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. C3 eingeholt, der in seinem Gutachten vom 10.08.1998

1. Kollagenose mit wiederkehrenden Skelettbeschwerden,
2. Migräne,
3. Psychische Belastungsreaktionen sowie
4. Zeitweilige Ohrgeräusche

festgestellt hat. In Übereinstimmung mit den Darlegungen des Dr. L1 sei von einer glaubhaften psychischen Belastung bzw. einem glaubhaften Leidensdruck bei einer bestehenden Schmerzkrankheit auszugehen. Damit sei aber lediglich eine psychische Belastungsreaktion anzunehmen, die unter Berücksichtigung der Grundkrankheit in die Normalität menschlichen Erlebens falle. Im Übrigen hätte Dr. L1, wenn er nervenärztlicherseits einen nennenswerten Krankheitszustand für begründbar halte, in erster Linie auch auf die daraus resultierenden Behandlungsindikationen verweisen müssen, was nicht geschehen sei.

Erst wenn eine psychische oder psychosomatische Symptomatik trotz gezielter Behandlung fortbestehe, gewinne sie eine sozialmedizinische Bedeutung. Darüber hinaus bestehe entgegen der Auffassung des Dr. L1 auch kein chronischer Tinnitus. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen wie auch wechselweise, in geschlossenen Räumen vollschichtig und regelmäßig zu verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten unter größerem Zeitdruck, z.B. am Fließband, Tätigkeiten mit Wechselschicht, mit häufigen Zwangshaltungen, in Höhen, mit Einfluss durch spezielle Witterungsbedingungen, Einwirkungen von Staub, Gas, Dampf und Rauch. In Bezug auf Reaktionsfähigkeit, Nervenkraft, Übersicht, Konzentrationsvermögen sowie die Fähigkeit zu verantwortlichem und zuverlässigem Handeln, ergäben sich keine Einschränkungen. Auch als Verkäuferin in der Damenoberbekleidung oder als Fachkosmetikerin sei die Klägerin vollschichtig einsatzfähig.

Die Klägerin hat anschließend eine ärztliche Bescheinigung des HNO- Arztes Herrn S vom 05.11.1998 vorgelegt, in der von einem seit 1994 bestehenden chronischen Tinnitus berichtet wird.

Mit Urteil vom 12.11.1998 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin unter Zugrundelegung der Sachverständigengutachten von Dres. W und C3 über September 1995 hinaus weder erwerbs- noch berufsunfähig sei. Denn sie könne jedenfalls ab diesem Zeitpunkt zumindest als Bürohilfskraft in einem Betrieb bzw. einer Behörde (BAT IX) oder als Pförtnerin z.B. einer Behörde (nach BAT IX) arbeiten. Darüber hinaus sei sie als Fachkosmetikerin vollschichtig einsetzbar. Der Einschätzung des Dr. L1 sei nicht zu folgen. Dieser habe primär die Angaben der Klägerin zugrunde gelegt, ohne Befunde zu objektivieren. Gegen das am 03.12.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, den 04.01.1999, Berufung eingelegt.

Sie stützt sich auf das Gutachten des Dr. L1 und trägt ergänzend vor, die Weiterbildung zur Kosmetikerin bzw. Fußpflegerin lediglich in täglich geringfügigem Umfang (2,5 Stunden) absolviert zu haben.

Sie sei auch zur Zeit lediglich geringfügig (maximal 10 bis 12 Stunden wöchentlich) als Fachkosmetikerin beschäftigt. Sie hat beantragt, Dr. L1 und Dr. C3 um Abgabe einer ergänzenden Stellungnahme zu bitten. Dr. C3 habe sich nicht nach dem Befinden der Klägerin erkundigt und ihr gegenüber erklärt, sie sei für ihn keine psychosomatische, sondern eine Rheumapatientin.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.11.1998 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.09.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.11.1996 zu verurteilen, ihr über September 1995 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise, ein weiteres rheumatologisches Gutachten einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat zunächst ein Sachverständigengutachten von dem Neurologen und Psychiater Dr. L2 eingeholt. Dr. L2 hat in seinem Gutachten vom 26.01.2000 folgende Diagnosen erhoben:

1. Verdacht auf organisch kognitive Störung (testpsychologische Befunde),
2. Verdacht auf organisch asthenische Störung bei rheumatolo- gischerseits gestellter Diagnose einer Kollagenose (bisher ohne Nachweis einer cerebralen Beteiligung),
3. Somatisierungsstörung
4. Psychologische Faktoren und Verhaltensfaktoren einschließlich organisch begründeter chronischer Schmerz bei
5. rheumatologisch gestellter Diagnose einer Fibromyalgie und
6. Kopfschmerzsyndrom sowie
7. Tinnitus aurium.

Die eigenen Untersuchungsbefunde ergäben im klinisch-neurologischen Befund keine die Berufs- oder Erwerbsfähigkeit aufhebenden Befunde. Es ergebe sich vornehmlich eine relative Belastungsinsuffizienz in der klinisch neurologischen Überprüfung der Kraft, erkennbar an einem schnellen Nachlassen der Kraft bei Anspannung gegen den Widerstand. Im psychischen Befund falle eine Betonung in der Schilderung früher (in Gutachten gegenüber Behandlern) wenig bzw. weniger deutlich beschriebener Beschwerden auf, wobei sich z.T. in den anamnestischen Angaben, insbesondere bzgl. der Kopfschmerzanamnese, erhebliche Differenzen zu früheren Schilderungen ergäben. Die Klägerin sei langfristig nur noch zu regelmäßigen leichten körperlichen Tätigkeiten, überwiegend im Sitzen aber auch wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen (z.B. 60 % Sitzen und je 20 % Gehen und Stehen), in geschlossenen, temperierten Räumen in der Lage. Das Heben und Tragen von Lasten bis 5 kg erscheine regelmäßig, bis 10 kg gelegentlich möglich. Zu empfehlen sei aus seiner Sicht eine überwiegend sitzende Tätigkeit mit der Möglichkeit des kurzfristigen Aufstehens und Umhergehens. Nicht möglich seien Arbeiten unter Zeitdruck, an laufenden Maschinen, mit häufigem Publikumsverkehr, regelhafte Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, regelhafte Arbeit in Wechsel- und Nachtschicht, Zwangs- und überwiegend einseitige Körperhaltungen, die regelmäßige vermehrte Gebrauchsfähigkeit der Hände. In geistiger Hinsicht könnten Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Reaktionsvermögen, die Übersicht, Aufmerksamkeit, das Verantwortungsbewusstsein, die Zuverlässigkeit, Umstellungsfähigkeit, Merkfähigkeit und Gedächtnisleistungen sowie Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die interpersonelle Kommunikationsfähigkeit nicht durchgängig und regelmäßig ausgeführt werden. Unter den aus seiner Sicht zumutbaren weitergehenden Therapiemöglichkeiten sei prognostisch innerhalb von sechs bis zwölf Monaten eine Steigerung der Leistungsfähigkeit auf eine regelmäßige arbeitstäglich halbschichtige bis untervollschichtige oder in gleichem Wochenzeitrahmen anders verteilte Arbeitszeit möglich. Eine vollschichtige Arbeits- und Leistungsfähigkeit sei aus seiner Sicht nicht anzunehmen, da angesichts des gesteigerten Schmerzerlebens von einer vermehrten psychischen Beeinträchtigung und damit insgesamt von einem verminderten arbeitstäglichen Durchhaltevermögen mit der Notwendigkeit verlängerter Erholungspausen ausgegangen werden müsse. Im Übrigen seien längere krankheitsbedingte Ausfallzeiten zu erwarten. Eine rentenneurotische Überlagerung sei nicht auszuschließen. Es bestehe begründete Aussicht, dass die Leistungseinbuße, die durch die kognitive Störung und das gesteigerte Schmerzerleben bedingt sei, innerhalb eines Zeitraums von sechs bis zwölf Monaten zumindest erheblich gebessert sein könne. Da es sich um ein chronisches Schmerzsyndrom handele, bestehe aus seiner Sicht aber keine Aussicht auf eine völlige Beseitigung der Schmerzsymptomatik und damit verbundener Beeinträchtigungen.

Die Beklagte hat sich kritisch zu den Ausführungen des Dr. L2 geäußert. Es könne bei Fehlen gravierender Funktionsstörungen weder dessen diagnostischen Schlussfolgerungen noch der sozialmedizinischen Beurteilung gefolgt werden.

Die Klägerin hat daraufhin vorgetragen, Therapiemöglichkeiten bei der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E1 wahrzunehmen (Bl. 313 GA).

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 31.05.2000 (Bl. 319 GA) hat sie insoweit ergänzend angegeben, Frau E1 etwa alle drei bis fünf Monate aufzusuchen. Weiter hat sie die Einzelheiten ihrer in geringfügigem Anmaß ausgeübten Tätigkeit als Kosmetikerin geschildert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 31.05.2000 verwiesen.

In ihrem seitens des Senats angeforderten Befundbericht vom 27.06.2000 hat die Neurologin und Psychiaterin Frau E1 berichtet, dass die Klägerin sie im März 1992 konsultiert habe. Sie habe sich dann erneut am 19.02.1998 und zuletzt am 06.05.2000 (5 Konsultationen) bei ihr vorgestellt. Aufgrund von 5 Konsultationen seit 1998 sei es ihr nicht möglich, die Frage, ob die Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne, zu beantworten.

Frau Dr. C4, Kopfschmerz-Ambulanz der Uni-Klinik N, hat unter dem 04.10.2000 die Auffassung vertreten, dass aus neurologischer Sicht trotz der Kopfschmerzerkrankung eine körperlich leichte Tätigkeit vollschichtig ausübbar sei, da die Klägerin außerhalb der Kopfschmerzattacken voll arbeitsfähig sei. Inwiefern die Arbeitsfähigkeit durch die Kollagenose beeinträchtigt sei, könne aus neurologischer Sicht nicht beurteilt werden.

Anschließend ist Prof. Dr. L3, Rheinische G-Universität, mit der Erstellung eines neurologischen Sachverständigengutachtens beauftragt worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 28.04.2001

1. Migräne ohne Aura,
2. Chronischer Spannungskopfschmerz,
3. Analgetika-induzierter Dauerkopfschmerz,
4. Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung sowie
5. ANA-positive undifferenzierte Kollagenose mit Arthralgien (auswärtige Diagnose)

beschrieben. Auf rein neurologischem Fachgebiet werde die Leistungsfähigkeit der Klägerin im Erwerbsleben gegenüber einem gesunden Gleichaltrigen nicht beeinträchtigt. Bei persistierendem Abusus von Analgetika sei möglicherweise von einer Einschränkung der Reaktionsfähigkeit und Aufmerksamkeit auszugehen, so dass keine Arbeiten an laufenden Maschinen, auf Gerüsten oder Leitern durchgeführt werden dürften. Für den erlernten Beruf einer Verkäuferin im Bereich der Damenoberbekleidung beständen auf neurologischem Gebiet keine zusätzlichen Einschränkungen. Bzgl. der aufgrund einer Kollagenose, eines Fibromyalgiesyndroms und einer Somatisierungsstörung möglicherweise eingeschränkten Leistungsfähigkeit im Vergleich zu einem gesunden Gleichaltrigen verwies der Sachverständige auf das internistisch-rheumatologische Vorgutachten sowie auf das neurologisch- psychiatrische Vorgutachten von Dr. L2. Im Hinblick auf die langjährige Arbeitslosigkeit seien aus seiner Sicht Umstellungsschwierigkeiten bei Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit vorstellbar, die sich durch erneute AU-Zeiten manifestieren könnten. Eine genaue Beurteilung dieser Frage bleibe jedoch einem psychiatrischen Gutachten vorbehalten. Zur abschließenden Beurteilung empfehle er eine fachpsychiatrische Begutachtung, insbesondere mit der Frage, ob eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert werden könne und ob eine endogene oder reaktive depressive Symptomatik vorliege.

Auf Antrag der Klägerin ist anschließend die Internistin und Psychotherapeutin Dr. I1 nach § 109 SGG mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt worden. Diese hat in ihrem internistisch-psychosomatischen Gutachten vom 18.11.2001 folgende Diagnosen erhoben:

1. eine schwere Verlaufsform einer Fibromyalgie mit Chronifzierung
2. Mischkollagenose
3. Beidseitige entzündliche Sakroileitis sowie Sternocostalchon- dritis,
4. Restless Leg-Syndrom, Rhinits vasomotorica
5. Urticaria,
6. (für Fibromyalgie typisch) Chronisches Erschöpfungssyndrom mit starker Einschränkung der geistigen, körperlichen und see- lischen Belastbarkeit, hartnäckige und schwere chronische Schlafstörungen, Temperaturstörungen mit Hitze- und Kältein- toleranz, gehäufte Infekte, im vorliegenden Fall rheumatische Schübe an den Augen und Gelenken, Folgen eines chronifizierten Eisenmangels, Reizblase,
7. Krampfneigung einzelner Muskelpartien, schwer bewertetes diffuses Schmerzsyndrom mit behinderndem Charakter.

Seit Juni 1991 bis heute sei die Klägerin durchgehend nicht auf dem freien Arbeitsmarkt auch nur unterhalbschichtig einsetzbar. Der Gesundheitszustand habe sich seit ca. 1,5 Jahren gravierend verschlechtert. Regelmäßige Fußwege in vorhersehbarer Weise könne sie nicht zurücklegen, die Wegstrecke betrage maximal 2 x 400 m an guten Tagen.

Nachdem die Klägerin eine Bescheinigung der Heilpraktikerin Frau T1 vom 05.08.2002 vorgelegt hatte, die bei der Klägerin in unregelmäßigen Abständen Akupunkt-Massage durchführt, hat der Senat von dieser einen Befundbericht eingeholt. In ihrem Befundbericht vom 24.09.2002 berichtet diese, die Klägerin sei bei ihr seit März 2001 in Behandlung. Bei der Klägerin seien alle klassischen Beschwerden der Fibromyalgie vorhanden. Zusätzlich leide sie unter einem Raynaud-Syndrom. Da es bei der Klägerin keine zeitliche Zuordnung der Beschwerden gebe, d.h. nur morgens oder abends oder z.B. tagsüber oder nachts, und das Beschwerdebild breit gefächert sei, sei die Klägerin ihres Erachtens nicht mehr arbeitsfähig.

Anschließend hat der Senat Dr. F mit einem weiteren neurologisch-psychiatrischen Gutachten beauftragt. Dr. F hat in seinem Gutachten vom 21.01.2002 unter Berücksichtigung einer testpsychologischen Zusatzbegutachtung durch den Dipl.-Psych. I3

1. Somatisierungsstörung,
2. Migräne mit Aura
3. Spannungskopfschmerzen

diagnostiziert. Darüber hinaus fänden sich Hinweise für ein Morbus Raynaud. Keinerlei Hinweise beständen jedoch für das Vorliegen einer Fibromyalgie oder einer Restless-Leg-Syndroms. Bei der Untersuchung hätten sich verschiedentliche Hinweise auf Aggravationen, insbesondere bei der testpsychologischen Untersuchung, gefunden. Die Somatisierungsstörung könne durch eine intensive psychotherapeutische Behandlung ggf. unter der zusätzlichen Medikation eines Antidepressivums ganz erheblich gebessert, wenn nicht sogar behoben werden. Es sei auch anzunehmen, dass die Beschwerden nach endgültiger Ablehnung der Rente geringer würden. Die Klägerin sei seit 1991 noch in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten vollschichtig und regelmäßig auszuüben. Zu vermeiden seien Arbeiten im Freien bei kalter Witterung. Eine Einschränkung des geistigen Leistungsvermögens bestehe nicht. Bei entsprechender wirtschaftlicher Notwendigkeit seien keine überdurchschnittlichen Krankheitszeiten zu erwarten. Die Klägerin könne innerhalb von 20 Minuten viermal täglich eine Gehstrecke von mehr als 500 m zurücklegen. Diese Wegstrecken könnten auch etwa 2 km betragen. Die nur gering ausgeprägte Leistungseinbuße sei nicht dauernder Natur. Es bestehe die begründete Aussicht, dass diese in einer zumutbaren Zeit mit therapeutischer Hilfe überwunden werden könne. Dem Gutachten von Dr. I1 könne er in keiner Weise folgen. Eine hinreichende Objektivierung der Befunde und sozialmedizinische Zuordnung erfolge darin nicht. Die tabellarische Erhebung von Befunden, der subjektiven Beschwerden und deren Einordnung, die tabellarische Erfassung des Leistungsvermögens sowie die Übersicht "rentenrelevanter Funktionen" sei sehr problematisch. Das bloße Ankreuzen von verschiedenen Symptomen als "stark" oder "völlig" sei nicht hinreichend und nachvollziehbar.

Die Klägerin hat sich kritisch zu den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F geäußert. Dieser habe sich streng im neurologischen Bereich bewegt, statt sich mit den im wesentlichen zu Recht im rheumatologischen Bereich angesiedelten Ausführungen von Dr. I1 auseinander zu setzen. Dr. I1 solle Gelegenheit gegeben werden, sich zu den Ausführungen des Dr. F zu äußern. Darüber hinaus hat die Klägerin beantragt, ein weiteres rheumatologisches Gutachten einzuholen.

Der Senat hat der Klägerin anschließend mitgeteilt, dass z.Zt. keine Veranlassung bestenhe, von Amts wegen ein weiteres rheumatologisches Gutachten einzuholen, und Dr. I1 um Abgabe einer ergänzenden Stellungnahme gebeten. Dr. I1 hat unter dem 09.06.2003 keine Veranlassung gesehen, von ihrer Auffassung abzuweichen. Dr. F stelle die Klägerin und sie (die Gutachterin) in verleumderischer Weise als Lügnerinnen dar. Er unterschlage wichtige Informationen, die ein differenziertes Bild des Krankheitsfalls zeichnen würden. In der Tat sei es bei der Klägerin dank der Behandlung zu einer Besserung gekommen. In der Tat könne bei Besserung auch die Anzahl der Druckempfindlichkeit der tender points absinken und eine Restless-Legs-Symptomatik könne sich sehr bessern, sogar verschwinden. Sollte das Gericht einer erneuten Begutachtung zustimmen, sei ein Rheumatologe zu bevorzugen.

Daraufhin hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. F eingeholt. Dieser hat unter dem 16.09.2003 ausgeführt, dass die sozialmedizinische Beurteilung auch bei Annahme eines Fibromyalgiesyndroms (statt einer Somatisierungsstörung) nicht anders ausfallen würde. Maßgeblich sei nicht die Diagnose, sondern objektivierbare Funktionseinschränkungen. Es könne zwar sein, dass die Klägerin sich zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. I1 im November 2001 in einem subjektiv bemitleidenswerten Allgemeinzustand befunden habe, durchgängig sei dies jedoch ganz sicherlich nicht so, da ein solcher Gesundheitszustand weder in den vorangegangenen Gutachten beschrieben worden sei und auch Dr. I1 nach eigenen Angaben durch ihren Therapieansatz eine Besserung habe erreichen können. Er könne nach nunmehr 9 Monaten nicht sagen, ob er im Rahmen der Begutachtung explizit nach einem Restless-Leg-Syndrom gefragt habe. Jedenfalls habe die Klägerin aktiv nichts darüber berichtet, so dass diese Gesundheitsstörung, sofern sie vorliege, für die Klägerin offenbar keine Bedeutung habe. Eine Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit ergebe sich daraus ohnehin nicht. Den Vorwurf, verantwortungslos und ärztlich unethisch gehandelt und untersucht zu haben, weise er entschieden zurück. Es sei falsch, dass eine gestörte Persönlichkeit eine Bedingung für eine Somatisierungsstörung sei. Es handele sich bei Somatisierungsstörungen nicht um eine Form der Persönlichkeitsstörung, sondern um eine spezielle Form affektiver Störungen. Er sehe daher keine Veranlassung, von seiner Einschätzung abzuweichen. Da eine rheumatische Erkrankung nicht vorliege, sei eine solche Begutachtung nicht sinnvoll. Sinnvoller erscheine ihm eher, dass eventuell eine zusätzliche psychiatrische Begutachtung durchgeführt werde, da ja in erster Linie die psychiatrischen Anteile seines Gutachtens in Zweifel gezogen würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Rentenakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 27.09.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.11.1996 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, weil diese Bescheide nicht rechtswidrig sind. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit über September 1995 hinaus nicht zu.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.), weil die Klägerin auch Leistungen für die Zeit vor dem 01.01.2001 begehrt und den Weitergewährungsantrag bereits vor diesem Zeitpunkt gestellt hat (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI). Die Klägerin ist nicht einmal berufsunfähig. Gemäß dem hier anwendbaren § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F. besteht Berufsunfähigkeit nur dann, wenn die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Das setzt voraus, dass die Klägerin weder ihren bisher versicherungspflichtig ausgeübten Beruf - ihren Hauptberuf - noch eine ihr sozial zumutbare andere Tätigkeit ausüben kann.

Bisheriger Beruf im Sinne des Rentenrechts ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (BSG SozR 2200 § 1646 Nrn. 130, 164). Die Qualität der bisherigen Tätigkeit der Klägerin bestimmt sich nach den Anforderungen der von ihr zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit einer Verkäuferin im Bereich der Damenoberbekleidung. Die Klägerin hat eine zweijährige Ausbildung zur Verkäuferin durchlaufen und eine entsprechende Tätigkeit vor der Antragstellung ausgeübt. Sie ist damit als eine Angelernte (oberer Bereich) im Sinne des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas (vgl. BSG Urteil vom 09.04.2003 - B 5 RJ 38/02) einzustufen; dem zufolge ist - wie vom Sozialgericht angenommen - eine Verweisung der Klägerin auf die Tätigkeiten einer Pförtnerin und Bürohilfskraft sozial zumutbar. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher insoweit auf den Inhalt der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Die Klägerin ist auch nach dem Ergebnis der im Berufungsrechtszug durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme gesundheitlich in der Lage, die genannten Verweisungstätigkeiten vollschichtig und regelmäßig zu verrichten.

Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme besteht bei der Klägerin vorrangig eine Somatisierungsstörung, die allerdings nur eine gering ausgeprägte Leistungseinbuße im Erwerbsleben zur Folge hat. Die Somatisierungsstörung hat zwar Krankheitswert, sie ist aber bei weitem in ihrem Ausmaß nicht so erheblich und schwergradig wie sie von der Klägerin dargestellt wird. Die dem Gutachten Dr. F folgende psychiatrische Erklärung des Krankheitsbildes konkurriert allerdings mit rheumatologisch begründeten und in den Vorgutachten genannten Gesundheitsstörungen (Kollagenose bzw. Fibromyalgiesyndrom, bzw. Fibromyalgiesyndrom bei Mischkollagernose). Die Verschiedenartigkeit der körperlichen Beschwerden, die Beeinträchtigung der sozialen Funktionen, depressive Krankheitsanteile an der einen fluktuierenden Verlauf zeigenden Erkrankung, ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten bezüglich einer psychiatrischen Erklärung ihres Krankheitsbildes sowie begünstigende neurotisierende Bedingungen in der Biographie der Klägerin sprechen gegen eine somatische Erklärung des Krankheitsbildes und für die Richtigkeit der von dem Sachverständigen Dr. F getroffenen gutachterlichen Beurteilung. Aber selbst wenn dem rheumatologischen Erklärungsansatz gefolgt würde, so wäre mit den Diagnosen Kollagenose und Fibromyalgiesyndrom allein eine weitergehende Leistungseinschränkung nicht verbunden. Für die Leistungsbeurteilung ist nämlich die objektive Funktionsstörung und nicht die Diagnose maßgebend. Wesentliche objetkivierbare Funktionseinschränkungen sind aber in den internistisch-rheumatologisch und orthopädisch-rheumatologisch ausgerichteten Vorgutachten nicht festgestellt worden: Prof. Dr. C1 ging in seinem Gutachten vom 08.01.1993, offenbar im Anschluss an die während des Heilverfahrens in der Klinik T im Jahre 1992 erhobenen auffälligen Laborwerte, zwar von einer gewissen Floridität der rheumatischen Erkrankung aus, ohne jedoch, worauf Dr. C in seinem Gutachten vom 01.08.1994 hingewiesen hat, entsprechende Funktionsstörungen festzustellen. Ebensowenig zeigten sich funktionelle Einschränkungen bzw. lokale Reizzustände bei dem vom 12.07. bis 09.08.1995 durchgeführten Heilverfahren in dem Rheumazentrum C. Die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms bei Mischkollagenose hinderten die Ärzte des Rheumazentrums nicht, eine verbliebene Erwerbsfähigkeit der Klägerin für leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen und auch die Fortsetzung des bisherigen Berufes einer Textilverkäuferin als zumutbar anzunehmen. Ebensowenig sahen die nachfolgend in diesem Verfahren gehörten orthopädisch-rheumatologischen bzw. internistisch-rheumatologischen Sachverständigen Dr. L und Dr. W keine gesundheitlich bedingte Hinderung, dass die Klägerin weiterhin in der Damenoberbekleidung vollschichtig einsetzbar sei. Dr. W nahm wegen einer zur Zeit inaktiven undifferenzierten Kollagnose mit einer deutlichen sekundären, als chronisches Schmerzsyndrom verselbstständigten Fibromyalgie-Syndrom eine Begrenzung des körperlichen Leistungsvermögens auf leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen mit überwiegendem Tragen von Lasten bis zu 5 kg, zeitweilig bis ca. 10 kg unter Vermeidung von Akkord- und Fließbandarbeiten, Wechselschicht, häufigen bückenden, knienden und sonstigen Zwangshaltungen, besonderen Anforderungen an die Gebrauchsfähigkeit der Hände sowie Arbeiten auf Gerüsten und Leitern und unter Einwirkung von Staub, Gas, Dampf und Rauch an.

Der Klagevortrag, zu einer vollschichtigen und regelmäßigen Arbeitsverrichtung nicht mehr in der Lage zu sein, wird außer von den behandelnden Orthopäden Dr. I und der Heilpraktikerin T1 allein von den auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. L1, Dr. L2 und Dr. I1 gestützt. Diese Beurteilungen halten jedoch einer kritischen Überprüfung nicht stand.

Dr. L1 hat in seinem Gutachten - wie von der Beklagten zu Recht kritisiert worden ist - keine nachvollziehbaren Befunde für ein erhebliches chronisches depressives Verstimmungssyndrom angeführt. Der daraufhin gehörte neurologisch-psychiatrische Sachverständige Dr. C3 hat zwar eine glaubhafte psychische Belastung bei einer bestehenden Schmerzkrankheit konstatiert, diese jedoch als in die Normalität des menschlichen Erlebens fallend eingestuft. Dadurch wird - wie der Sachverständige weiter festgestellt hat - die Klägerin an einer vollschichtigen Erwerbsfähigkeit nicht gehindert.

Auch die Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr. L2 ist unter Berücksichtigung der von ihm erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige hat selbst hervorgehoben, dass die sich laufend verändernde Beschwerdeschilderung dafür spricht, dass nur wenige Symptome von andauerndem Krankheitswert vorhanden sind. Auch eine Aggravation hat Dr. L2 nicht ausgeschlossen. Aus welchem Grund gleichwohl für einen befristeten Zeitraum nur eine halb- bis untervollschichtige berufliche Einsatzfähigkeit der Klägerin bestehen soll, erschließt sich dem Senat nicht.

Schließlich vermag auch die Leistungsbeurteilung der Sachverständigen Dr. I1 nicht zu überzeugen. Objektivierbare Befunde, die die Angaben der Klägerin im Rahmen der Begutachtung bestätigten, fehlen in ihrem Gutachten weitestgehend. Ihre gutachterlichen Äußerungen lassen insgesamt eine kritische Distanz zu dem von der Klägerin geschilderten Ausmaß der Beschwerden vermissen. Eine kritische Beurteilung ist insoweit aber geboten, weil sich bei den gutachterlichen Untersuchungen wiederholt - insbesondere bei der testpsychologischen Untersuchung im Rahmen der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. F - Hinweise auf bewusste Aggravation ergeben haben. Auch wenn diese Beschwerden nicht simulative Qualität haben (so Dr. F), liegt es nahe, dass eine eng mit den Beschwerden korrelierende gutachterliche Beurteilung der Leistungsfähigkeit die wirklich bestehende Belastbarkeit unterbewerten muss. Zweifel an der Neutralität Dr. I1 ergeben sich zudem aus ihren Ausführungen, wenn sie von "die Klägerin entlastenden Daten" spricht oder meint, Dr. F bezeichne sie und die Klägerin als Lügnerin. Damit hat sich die Sachverständige aber deutlich auf die Seite der Klägerin begeben.

Unter Zugrundelegung der Leistungsbeurteilungen der Sachverständigen Dres. L, L3, C3, F und W ist die Klägerin noch in der Lage, zumindest leichte körperliche Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen sowie auch wechselweise im Gehen, Stehen oder Sitzen und auch überwiegend im Sitzen (so Dr. W), möglichst in geschlossenen Räumen unter Witterungsschutz (so Dr. W) unter Vermeidung von Arbeiten im Freien bei kalter Witterung (so Dr. F), ohne Arbeiten an laufenden Maschinen und auf Gerüsten oder Leitern (so L3) vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden sind nach der Beurteilung des Internisten und Rheumatologen Dr. W ferner Tätigkeiten unter Zeitdruck (Akkord- und Fließbandarbeiten) mit Wechselschicht, häufigem Bücken oder Knien, Zwangshaltungen, Tätigkeiten mit besonderer Anforderungen an die Gebrauchsfähigkeit der Hände, unter Kälte- und Hitzeeinwirkungen sowie unter Einwirkungen von Staub, Gas, Dampf oder Rauch, ferner, so Dr. C3, Arbeiten in Höhen. Der Senat teilt die Beurteilung des Sozialgerichts, dass die Klägerin bei diesem verbliebenen Leistungsvermögen beispielsweise noch Tätigkeiten als Pförtnerin und Bürohilfskraft, z.B. in einer Behörde nach der Tarifgruppe BAT IX, ohne nennenswerte Einschränkungen verrichten kann. Für das Vorliegen von Berufsunfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Erreichbarkeit eines Arbeitsplatzes (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1247) ergibt sich unter Zugrundelegung der Ergebnisse der vorgenannten Gutachten kein Anhaltspunkt.

Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, auf den Hilfsantrag der Klägerin eine weitere rheumatologische Begutachtung zu veranlassen. Der Sachverhalt ist auf Grund der vorliegenden internistisch- bzw. orthopädisch-rheumatologischen Gutachten auch in rheumatologischer Hinsicht - insbesondere hinsichtlich der aus der Erkrankung resultierenden Erwerbsminderung - hinreichend geklärt. Anhaltspunkte dafür, dass sich die rheumatologisch erheblichen Befunde seit den Begutachtungen durch Dres. L und W verschlechtert haben, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden.

Ob die Klägerin angesichts der Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine behinderungsgerechte Dauerbeschäftigung finden oder vermittelt bekommen kann, ist für die Entscheidung über den Rentenanspruch unerheblich. Das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erlangen, fällt innerhalb des gegliederten Systems der deutschen Sozialversicherung nicht in die Leistungszuständigkeit des Rentenversicherungsträgers, sondern in die der Arbeitslosenversicherung.

Ist die Klägerin nicht berufsunfähig, so ist sie erst recht nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI a.F., denn der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit setzt eine noch größere Leistungseinbuße voraus als der der Berufsunfähigkeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Anlass zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestand nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved