L 12 AL 153/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 3 (32) AL 180/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 153/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.05.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht von der Beklagten eine sinnvolle Planung seiner beruflichen Wiedereingliederung sowie "im gesetzlich vorgeschriebenen Reha-Verfahren die gesetzlich verankerten Leistungen".

Der Kläger ist 1954 geboren und von Beruf Datenverarbeitungskaufmann und Netzwerkspezialist. Von 1986 bis zum 30.06.1993 war er bei der H Versicherung beschäftigt. Seither ist er arbeitslos bei zeitweiser Nebentätigkeit als Dozent in seinem Fachgebiet in der Erwachsenenbildung. Er bezog zunächst Arbeitslosengeld, danach vom 02.11.95 bis 03.11.96 Unterhaltsgeld und anschließend wieder Arbeitslosengeld bis 07.05.1996.

Nach dem Ende seines Arbeitslosengeldanspruchs stand der Kläger der Arbeitsvermittlung der Beklagten ohne weiteren Leistungsbezug zur Verfügung. Aufgrund einer Straftat befand sich der Kläger ab 24.01.1998 in Untersuchungshaft. Das Landgericht (LG) C verurteilte den Kläger mit Urteil vom 15.08.1998 zu einer Haftstrafe und bestimmte eine Unterbringung im Maßregelvollzug gemäß § 63 Strafgesetzbuch (StGB). Der Kläger war zunächst stationär untergebracht im Zentrum für Psychiatrie in C. Mit Ablauf des 15.06.1999 wurde die restliche Freiheitsstrafe auf Bewährung ausgesetzt und der Kläger aus der stationären Unterbringung entlassen (Aussetzung der weiteren Vollstreckung).

Der Kläger wandte sich schriftlich an die Beklagte mit der Bitte um Beratung, welche Behörde nun für seine berufliche Eingliederung zuständig sei. Ein Antrag auf Arbeitslosenhilfe aufgrund einer Arbeitslosmeldung vom 26.05.1999 wurde wegen fehlender Anwartschaftszeit abgelehnt. Diese Ablehnung ist Gegenstand eines weiteren Klageverfahrens, das noch beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf anhängig ist.

Der Kläger bat um Aufstellung und Durchführung eines Reha- und Wiedereingliederungsplans gemäß den Vorschriften des nordrhein-westfälischen Maßregelvollzugsgesetzes. In weiteren Schreiben vom 11.01.2000 und 21.02.2000 bat er die Beklagte um Prüfung seiner rechtlichen Situation. Seiner Ansicht nach sei nach wie vor die Strafvollzugsbehörde die zuständige Behörde für seine Eingliederung. Nur eine gezielt auf ihn zugeschnittene berufliche Wiedereingliederungsmaßnahme gewähre ihm gegenüber den Mitbewerbern Chancen auf dem freien Arbeitsmarkt. Der Kläger begehrte von der Beklagten die Darlegung, aufgrund welcher gesetzlichen Bestimmungen das Arbeitsamt für ihn zuständig sei. Mit Schreiben vom 31.03.2000 führte die Beklagte unter Bezugnahme auf die schriftliche Anfrage des Klägers vom 11.01.2000 aus, dass sie keine Rechtsberatung zu möglichen Ansprüchen gegen die Justizbehörde leisten könne. Die Beklagte bemühe sich aber, auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für den Kläger einen Weg zur dauerhaften Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu finden.

Mit Schreiben vom 25.04.2000 beanstandete der Kläger die Versäumung von Vollzugsplanungen. Es sei für ihn ein gesetzlich vorgeschriebener Wiedereingliederungsplan zu entwickeln. Diesen Anspruch mache er seit Mai 1999 auch gegenüber der Beklagten geltend. Was in einem Wiedereingliederungsplan festgelegt werde, sei für alle Beteiligten rechtsverbindlich und dokumentiere für ihn als Betroffenen einen Rechtsanspruch. Er erhalte durch die Beklagte seit Mai 1999 keinerlei Resozialisierungshilfe. Er erlebe die Betreuung durch das Arbeitsamt als völlig ungeplant und gelegentlich unzuverlässig. Er bat um Erlass eines widerspruchsfähigen schriftlichen Bescheides zu seinem Antrag vom 21.02.2000.

Die Beklagte wertete dieses Schreiben als Widerspruch gegen den "Bescheid" vom 31.03.2000 (fälschlicherweise bezeichnet mit der Datumsangabe vom 11.01.2000) und erließ unter dem Datum vom 16.06.2000 einen ablehnenden Widerspruchsbescheid. Sie wies in der Begründung des Widerspruchsbescheides darauf hin, dass der Kläger vom 02. bis 15.11.1999 eine durch das Arbeitsamt geförderte Bildungserprobungsmaßnahme besucht habe. Seitdem seien mehrere Beratungsgespräche zur Förderung der beruflichen Weiterbildung des Klägers geführt worden. Gegenüber der Beklagten bestehe kein Anspruch des Klägers auf Überprüfung seiner Rechtsansprüche gegen die Justizverwaltung unter Anwendung der Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes. Die Vollzugsbehörde sei nach § 148 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz verpflichtet, durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Bundesanstalt für Arbeit die ihr obliegenden Aufgaben wie Berufsberatung, Arbeitsberatung und Arbeitsvermittlung durchführen könne.

Ein solcher Anspruch könne sich nur gegen die Vollzugsbehörde richten. Die Beklagte sei ihrer Pflicht zur allgemeinen Beratung nach den §§ 24 ff. SGB III bereits nachgekommen. Die Beklagte legte im Einzelnen die dem Kläger unterbreiteten Bildungsangebote dar.

Der Kläger hat am 07.07.2000 vor dem SG Düsseldorf Klage erhoben. Er rügt eine unzweckmäßige und planlose Behandlung durch die Beklagte. Seit Beginn seiner Bewährungszeit im Juni 1999 habe keine sinnvolle berufliche Wiedereingliederungsplanung stattgefunden. Die Beklagte behindere dadurch die soziale Integration eines Straftäters und die berufliche Wiedereingliederung zur selbstverantwortlichen Lebensführung.

Am 27.11.2000 hat zur Klärung des konkreten Begehrens des Klägers vor dem SG ein Erörterungstermin stattgefunden. In der Folge hat die Beklagte am 05.03.2001 ein Beratungsgespräch durchgeführt, in dem berufliche Eingliederungsmöglichkeiten erörtert wurden. Teilnehmer des Gesprächs waren auch ein Vertreter des psychologischen Dienstes und der Bewährungshelfer des Klägers. Der Kläger hat den Wunsch der Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme geäußert. Er hat sich für keinen der ihm konkret unterbreiteten Maßnahmevorschläge entscheiden können. Die Beklagte hat drei Monate nach der letzten Vorsprache des Klägers am 19.09.2001 ihre Vermittlungsbemühungen eingestellt. Vor dem SG hat am 31.10.2002 ein weiterer Erörterungstermin stattgefunden.

Aufgrund der Erklärungen des Klägers in diesem Termin ist das SG davon ausgegangen, der Kläger habe sinngemäß beantragt,

die Feststellung, dass das Arbeitsamt seinen früheren Antrag auf eine berufliche Wiedereingliederung im Rahmen des Maßregelvollzugs nicht ordnungsgemäß bearbeitet habe.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf mehrere mit dem Kläger geführte Beratungsgespräche und die Vielzahl der vorgeschlagenen beruflichen Bildungsmaßnahmen hingewiesen. Letztlich scheitere die berufliche Eingliederung des Klägers daran, dass er sich nicht zur Durchführung einer Bildungsmaßnahme habe entschließen können.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.05.2003 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung folgendes ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, denn der Kläger verfolge gegenüber der Beklagten keinen konkreten Leistungsanspruch. Er sei im Erörterungstermin vom 31.10.2002 mehrfach dazu befragt worden. Deshalb sei das Klagebegehren als reine Feststellungsklage auszulegen. Der Kläger begehre die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns der Beklagten. Eine solche Klage sei nicht zulässig im Sinne von § 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Es fehle an einem berechtigten Interesse an einer entsprechenden Feststellung. Es bestehe kein Bedürfnis zur Klarstellung der Rechtslage. Die Beklagte bestreite den Anspruch des Klägers auf berufliche Wiedereingliederung nicht. Es komme nicht darauf an, auf welcher Rechtsgrundlage ein entsprechender Anspruch besteht. Der Kläger könne seine Rechte auf Beratung und auf konkrete sonstige Leistungen der Beklagten im Wege einer Leistungsklage geltend machen. Das setze aber voraus, dass er entsprechende Ansprüche verfolge, was zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsstreits nach den Erklärungen des Klägers im Erörterungstermin nicht der Fall sei. Im Übrigen sei die Beklagte ihrer Beratungspflicht durch die Unterbreitung von konkreten Eingliederungsvorschlägen (Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen) nachgekommen. Es liege in der Person des Klägers begründet, dass keine Teilnahme an einer Maßnahme zustande komme.

Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 07.05.2003 zugestellt worden. Am 06.06.2003 hat er dagegen Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er darauf, wegen der Feststellungen des SG nunmehr vor dem LG C Feststellungsklage erhoben zu haben, so dass das vorliegenden Verfahren auszusetzen sei. Außerdem sei ein Verfahren beim Bundesdatenschutzbeauftragten wegen der möglicherweise rechtsverletzenden Verwendung von Daten durch die Beklagte eingeleitet.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 02.05.2003 zu ändern und aufgrund der gegebenen Haftsituation aufgrund des Urteils des Landgerichts C von August 1998 ihm im gesetzlich vorgeschriebenen Reha-Verfahren die gesetzlich verankerten Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Streitsache entscheiden, ohne das Verfahren auszusetzen, denn Aussetzungsgründe im Sinne des § 114 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Zu Recht hat das SG auf den Feststellungsantrag des Klägers hin die Klage als unzulässig angesehen. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage den Gründen des Gerichtsbescheides an. Von einer weiteren Darstellung seiner Entscheidungsgründe zu diesem Punkt sieht der Senat gem § 153 Abs 2 SGG ab.

Auch soweit der Kläger nunmehr mit seinem Antrag "im gesetzlich vorgeschriebenen Reha-Verfahren die gesetzlich verankerten Leistungen" begehrt, kann er keinen Erfolg haben. Zweifelhaft ist bereits, ob dieser Antrag ausreichend bestimmt ist, um als Verpflichtungsantrag zulässig zu sein. Denn die Beklagte könnte einer entsprechenden Verpflichtung wegen ihrer Unbestimmtheit nicht nachkommen. Letztlich kann das aber offen bleiben, denn der Antrag ist bereits deshalb unzulässig, weil die Beklagte über die Bewilligung von Reha-Leistungen durch Verwaltungsakt entscheidet und ein solcher Verwaltungsakt bisher nicht ergangen ist. Es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis dafür, die Gewährung von Reha-Leistungen unmittelbar im Klage- oder Berufungsverfahren zu begehren. Nach § 54 Abs 5 SGG kann nämlich nur dann sofort mit einer Klage die Verurteilung zu einer Leistung begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nrn 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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