L 6 RJ 374/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 14 RJ 292/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 374/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit im Anschluß an eine bis 31.07.2001 befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise - ab einem Zeitpunkt nach dem 31.08.2001 - eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger, der 1952 geboren und Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro ist, ist in der Bundesrepublik Deutschland vom 30.04.1973 bis 30.06.1994 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen; daran hat sich Arbeitsunfähigkeit mit einer entsprechenden Pflichtbeitragsleistung bis 31.12.1994 angeschlossen. Ab 01.02.1995 bis 31.07.1996 hat der Kläger als selbständiger Gastwirt freiwillige Beiträge gezahlt.

Nach Auskunft seines letzten Arbeitgebers, der Firma R. Spezialfabrik für Anhängerkupplungen GmbH & Co. (Fa. R.), ist der Kläger vom 04.11.1985 bis 30.06.1994 als Bediener von Fräs-, Bohr- und Drehmaschinen beschäftigt gewesen. Es habe sich hierbei um angelernte Arbeiten gehandelt, für die eine Anlernzeit von sechs Monaten erforderlich gewesen sei. Dem Kläger habe es an Grundkenntnissen in der Metallverarbeitung gefehlt. Er sei nach Lohngruppe 7 des Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer der bayerischen Metallindustrie (Metall-Tarifvertrag) entlohnt worden. Die Lohnhöhe sei durch ungünstige Arbeitsbedingungen (Akkord-, Schmutz- und Spätschichtarbeit) mitbestimmt worden.

Vor allem wegen einer schweren koronaren Dreigefäßerkrankung mit hochgradiger Stenose des Ramus intermedius leistete die Beklagte dem Kläger vom 01.05.1997 bis 30.04.1999 befristet Rente wegen Berufsunfähigkeit und sodann - nach Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit - ab 01.05.1999 bis 31.07.2001 befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Mit Bescheid vom 24.09.2001 und Widerspruchsbescheid vom 07.02. 2002 lehnte die Beklagte den am 03.05.2001 gestellten Antrag des Klägers auf Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab, weil der Versicherte wieder vollschichtig leistungsfähig sei und wegen der zuletzt ausgeübten angelernten Berufstätigkeit auf Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht aller- einfachster Art verweisbar sei, wobei es der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs nicht bedürfe.

Mit der am 04.03.2002 zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Rentenanspruch weiter. Zur Begründung legte er ärztliche Unterlagen vor.

Das SG zog die Verwaltungsakten der Beklagten bei und erholte Befundberichte sowie medizinische Unterlagen von den behandelnden Ärzten des Klägers (Gemeinschaftspraxis Fachärzte für Innere Medizin - Kardiologkie Dres. F. und A. , Befundbericht vom 04.04.2002; Gemeinschaftspraxis Praktische Ärztin Dr. B. und Ärztin Dr. O. , Befundbericht vom 12.04.2002).

Sodann holte das SG ein medizinisches Sachverständigengutachten ein von dem Internisten - Kardiologen Dr. T. (Gutachten vom - Eingang beim SG - 18.02.2003); diesem lag bei der Begutachtung des Klägers auch ein "Vorläufiger Arztbrief" des Klinikums der Universität M. , Medizinische Klinik und Poliklinik I - G. vom 17.12.2002 vor.

Dr. T. stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Koronare 3-Gefäßerkrankung mit Zustand nach inferiorem Infarkt und Zustand nach PTCA und Stentimplantation in die LAD bei proximal 95-prozentiger und medial 80-prozentiger Stenose am 16.12.2002; weiterhin 50- und 60-prozentige Stenosierung der Circumflexarterie und Verschluß der rechten Koronararterie.
2. Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit diabetischer Polyneuropathie, Retinopathie und Nephropathie.
3. Arterielle Hypertonie mit hypertensiver Herzerkrankung.
4. Hyperlipoproteinämie.
5. Hyperurikämie.
6. Rezidivierende Gastritiden.
7. Fettleber.

Der Kläger könne unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbes. ohne zusätzliche Pausen) leichte Arbeiten ohne überwiegendes Stehen vollschichtig verrichten; hierbei seien Tätigkeiten in Wechselschicht oder Nachtschicht ebenso wenig zumutbar wie Tätigkeiten unter starken emotionalen Be- lastungsfaktoren, Tätigkeiten unter starkem Zeitdruck (wie Tätigkeiten an Maschinen oder am Fließband), Heben oder Tragen schwerer Lasten sowie häufiges Bücken. Beschränkungen des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Gutachten auf weiteren medizinischen Fachgebieten seien nicht erforderlich, weil beim Kläger über die internistisch-kardiologischen Erkrankungen hinaus keine wesentlichen weiteren Gesundheitsstörungen vorlägen.

Nachdem die vom SG erbetene Stellungnahme des Klägers zum Gutachten Dr. T. nicht erfolgte, wies das SG die Klage mit Urteil vom 15.05.2003 ab. Der Kläger habe nach dem 31.07.2001 keinen Anspruch auf Rente, weil er seitdem nicht mehr wenigstens berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs.2 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden alten Fassung (a.F.) sei. Er könne nämlich nach dem Ergebnis der Begutachtung durch Dr. T. ohne rechtserhebliche qualitative Einschränkungen noch vollschichtig arbeiten. Dass ihm seine zuletzt in Deutschland ausgeübte Berufstätigkeit als Maschinenarbeiter nicht mehr zugemutet werden könne, sei ohne rechtliche Auswirkung, da er nach dem festgestellten Berufsbild als ungelernter Arbeiter zu beurteilen und somit auf alle Berufstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei. Erst recht sei der Kläger nicht erwerbsunfähig im Sinne der noch strengeren Vorschrift des bis 31.12.2000 geltenden § 44 Abs.2 SGB VI. Auch aus dem ab 01.01.2001 geltenden Recht könne der Kläger keinen Rentenanspruch herleiten.

Am 08.07.2003 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm am 05.07.2003 zugestellte Urteil beim SG München ein. Zur Begründung trug er vor, er genieße Berufsschutz aufgrund seiner zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit als Maschinenarbeiter; weil er diese nicht mehr ausüben könne, und weil die vom SG benannten Verweisungsberufe "Verwieger, Montierer oder Verpacker leichter Gegenstände" auf dem Arbeitsmarkt kaum angeboten würden, stünde ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI a.F. zu. Dar- über hinaus erfülle er aber auch aus medizinischen Gründen über den 31.07.2001 hinaus die Voraussetzung für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Er verweise auf die mit der Klageschrift vorgelegten medizinischen Unterlagen. Einen Antrag nach § 109 SGG behalte er sich vor.

Der Senat zog die Klageakten des SG München sowie die Verwaltungsakten der Beklagten bei, gab den Beteiligten die Lohngruppendefinitionen des Metalltarifvertrags zur Kenntnis und wies den Kläger mit Schreiben vom 11.08.2003 darauf hin, dass der Kläger nach seiner tariflichen Einstufung als angelernter Arbeiter des oberen Bereichs anzusehen sei, als solcher auf die Berufstätigkeit eines einfachen Pförtners verwiesen werden könne und daß ein Antrag nach § 109 SGG bis spätestens 15.09.2003 zu stellen sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 SGG einverstanden erklärt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 15.05.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.08.2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise - ab einem Zeitpunkt nach dem 31.08.2001 - eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15.05.2003 zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG München vom 15.05.2003 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte nach dem 31.07.2001 keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat. Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 124 Abs.2 SGG.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit im unmittelbaren Anschluß an die bis 31.07.2001 befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (also ab 01.08.2001) ist gemäß § 302b Abs.1 Satz 2 SGB VI an den §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden alten Fassung (a.F.) zu messen; für den Anspruch des Klägers sind aber auch die §§ 43, 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden neuen Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, dass wenigstens ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.08.2001 erneut (nach einer mindestens einmonatigen Unterbrechung) gegeben sei (vgl. Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI K. § 302b Rdnr.11 bis 14).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs.1 SGB VI a.F., weil er seit dem 01.08.2001 bis jetzt nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs.2 SGB VI a.F. sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor.

Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits eingeschränkt. Er kann aber unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbes. ohne zusätzliche Pausen) leichte Arbeiten ohne überwiegendes Stehen vollschichtig zu verrichten; hierbei sind Tätigkeiten in Wechselschicht oder Nachtschicht ebenso wenig zumutbar wie Tätigkeiten unter starken emotionalen Belastungsfaktoren, Tätigkeiten unter starkem Zeitdruck (wie Tätigkeiten an Maschinen oder am Fließband), Heben oder Tragen schwerer Lasten sowie häufiges Bücken. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen nicht vor, da der Kläger die durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr.10).

Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers ergibt sich vor allem aus dem vom SG eingeholten überzeugenden Gutachten Internisten - Kardiologen Dr. T. , dem sich der Senat anschließt.

Beim Kläger liegen folgende wesentlichen Gesundheitsstörungen vor:
1. Koronare 3-Gefäßerkrankung mit Zustand nach inferiorem Infarkt und Zustand nach PTCA und Stentimplantation in die LAD bei proximal 95-prozentiger und medial 80-prozentiger Stenose am 16.12.2002; weiterhin 50- und 60-prozentige Stenosierung der Circumflexarterie und Verschluss der rechten Koronararterie.
2. Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit diabeti- scher Polyneuropathie, Retinopathie und Nephropathie.
3. Arterielle Hypertonie mit hypertensiver Herzerkrankung.
4. Hyperlipoproteinämie.
5. Hyperurikämie.
6. Rezidivierende Gastritiden.
7. Fettleber.

Die koronare 3-Gefäßerkrankung mit Zustand nach inferiorem Infarkt und Zustand nach Dilatation zweier LAD-Stenosen hat auf das berufliche Leistungsvermögen des Klägers Auswirkung. Die koronare 3-Gefäßerkrankung hat bei langjährigem Verlauf lediglich zu einem kleinen inferioren Infarkt geführt, es besteht weiterhin eine gute Funktion des linken Ventrikels, was aus prognostischer Sicht sehr bedeutend ist. Es konnte im Dezember 2002 eine erfolgreiche Dilatation zweier LAD-Stenosen durchgeführt werden, so dass jetzt eine gute Perfusion der verbleibenden Myokardanteile gewährleistet scheint. Dennoch können dem Kläger auch weiterhin keine schweren oder mittelschweren Tätigkeiten zugemutet werden, er kann jedoch leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Es müssen Tätigkeiten unter Wechselschicht- und Nachtschichtbedingungen sowie unter starken emotionalen Belastungsfaktoren wie auch unter starkem Zeitdruck (wie z.B. am Fließband oder an Maschinen) vermieden werden. Auch das Heben und Tragen schwerer Lasten muss aufgrund der Gefährdung des Klägers durch die koronare Herzerkrankung vermieden werden. Die Arbeitspausen sollten denen entsprechen, die auf dem Arbeitsmarkt üblich sind. Die überschießende Blutdruckregulation sollte zu einer erneuten Kontrolluntersuchung und ggf. Optimierung der Blutdruckeinstellung Anlass geben.

Auch der Diabetes mellitus hat für das berufliche Leistungs- vermögen des Klägers Bedeutung. Der Diabetes mellitus ist zum einen ein Risikofaktor für die Entstehung bzw. Progression der koronaren Herzerkrankung, die beim Kläger ohnehin vorliegt. Darüber hinaus besteht eine weitere Gefahr der Schädigung anderer Organe, wie bei dem Kläger ebenfalls bereits nachweisbar, im Sinne von diabetischer Polyneuropathie, diabetischer Nephropathie und diabetischer Retinopathie. Es muss somit sicher eine Intensivierung der Blutzuckereinstellung erfolgen, zuträglich wären auch regelmäßige körperliche Betätigung und eine drastische Gewichtsabnahme. Aufgrund des Diabetes können dem Kläger noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig zugemutet werden; zusätzliche (unübliche) Pausen müssen nicht eingeräumt werden, da keine eigene Blutzuckerkontrolle durchgeführt wird, und derzeit auch keine Insulintherapie notwendig ist. Es müssen Arbeiten unter Wechselschicht- und Nachtschichtbedingungen, Arbeiten unter Zeitdruck und Arbeiten überwiegend im Stehen (wegen der Polyneuropathie) vermieden werden.

Die arterielle Hypertonie wirkt sich ebenfalls auf das beruf- liche Leistungsvermögen des Klägers aus. Die arterielle Hypertonie bedeutet ebenso wie der Diabetes mellitus einen Risikofaktor für die Entstehung und Progression der koronaren Herzerkrankung. Sie ist sicher noch nicht ausreichend eingestellt, da die Ruheblutdruckmessung und die Belastungshypertonie darauf hindeuten, dass hier eine Optimierung möglich ist. Aufgrund der arteriellen Hypertonie dürfen dem Kläger nach erfolgter Optimierung der Blutdruckeinstellung noch leichte bis maximal mittelschwere Tätigkeiten zugemutet werden, bis zur Optimierung der Blutdruckeinstellung lediglich leichte körperlicher Tätigkeiten. Es müssen das Heben und Tragen schwerer Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten unter Wechsel- und Nachtschichtbedingungen, unter starken emotionalen Belastungsfaktoren und unter Zeitdruck (wie z.B. am Fließband und an Maschinen) vermieden werden. Die Arbeiten können jedoch vollschichtig zugemutet werden mit den auf dem Arbeitsmarkt üblichen Unterbrechungen.

Für das berufliche Leistungsvermögen des Klägers bedeutungslos sind die Diagnosen einer Hyperlipoproteinämie, einer Hyperurikämie, der rezidivierende Gastritis sowie der Fettleber.

Nach dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr.21 ff. mit weiteren Nachweisen), eine nicht versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ist ohne Bedeutung. Maßgeblicher Hauptberuf ist vorliegend somit der eines Bedieners von Fräs-, Bohr- und Drehmaschinen, wie ihn der Kläger vom 04.11. 1985 bis 30.06.1994 bei der Fa. R. ausgeübt hat. Ihm ist der Kläger schon deshalb gesundheitlich nicht mehr gewachsen, weil er nicht mehr an Maschinen arbeiten darf.

Obwohl der Kläger seinen maßgeblichen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist er aber dennoch nicht berufsunfähig. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 § 1246 Nr.138).

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht auschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F. am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.27 und 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 Nr.5).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar des oberen Bereichs (Ausbildungs- bzw. Anlernzeit von mehr als einem bis zu 2 Jahren, vgl. BSG-Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr.45), zuzuordnen. Dies ergibt sich einerseits aus der tariflichen Einstufung des Klägers in die Lohngruppe 7 des Metalltarifvertrags und andererseits aus der Tatsache, dass es dem Kläger an Grundkenntnissen in der Metallverarbeitung gefehlt hat und dass er eine angelernte Arbeiten verrichtet hat, für die eine Anlernzeit von sechs Monaten erforderlich gewesen ist, weiterhin aus der Tatsache, dass die tarifliche Einstufung durch ungünstige Arbeitsbedingungen (Akkord-, Schmutz- und Spätschichtarbeit) mitbestimmt worden ist. Lohngruppe 7 ist zwar eine echte (die niedrigste) Facharbeiterlohngruppe. Die Eingruppierung durch den Arbeitgeber in diese macht den Kläger jedoch nicht zum Facharbeiter, weil die Eingruppierung nicht wesentlich auf der Qualität der geleisteten Arbeit, sondern auch auf ungünstigen Arbeitsbedingungen wie Akkord-, Schmutz- und Spätschichtarbeit, somit auf qualitätsfremden Faktoren beruht hat. Der Kläger hat vielmehr unter Berücksichtigung seiner Anlernzeit von sechs Monaten inhaltlich Arbeiten verrichtet, die zwischen Lohngruppe 5 (Anlernzeit von etwa acht Wochen) und Lohngruppe 7 (Facharbeiterausbildung) liegen, somit der Lohngruppe 6 zuzuordnen sind ("Qualifiziert angelernte Arbeitnehmer sind solche Arbeitnehmer, die Spezial- arbeiten von besonderer Qualität und Schwierigkeit verrichten").

Als angelerntem Arbeiter des oberen Bereichs ist dem Kläger die Verweisung auf den Beruf eines einfachen Pförtners zumut- bar (vgl. hierzu BSG-Urteil vom 05.04.2001 - B 13 RJ 61/00 R m.w.N.); hierauf ist der Kläger vom Senat hingewiesen worden. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfen "obere Angelernte" nicht schlechthin auf das allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden. Soweit ungelernte Tätigkeiten in Betracht gezogen werden, müssen sich diese durch Qualitätsmerkmale auszeichnen. Bei der Pförtnertätigkeit ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass sich diese schon im Hinblick auf die ihr innewohnende Kontrollfunktion typischerweise aus dem Kreis einfachster ungelernter Tätigkeiten heraushebt. Dass der Kläger körperlich imstande ist, die Pförtnertätigkeit auszuüben, ergibt sich ohne weiteres aus seinem beruflichen Leistungsvermögen. Er ist auch psychisch den ohnehin geringen Belastungen des Publikumsverkehrs gewachsen; dies ergibt sich aus seiner bis vor relativ kurzer Zeit ausgeübten Berufstätigkeit als Gastwirt. Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz als Pförtner auf dem dafür maßgeblichen Gesamtgebiet der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Ren- tenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt § 43 Abs.2 Satz 4 SGB VI a.F., dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und dass hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Der Kläger, der ab 01.08.2001 keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß der bis 31.12.2001 in Kraft befindlichen Vorschrift des § 44 Abs.1 SGB VI, weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser Bestimmung nicht erfüllt. Nach § 44 Abs.2 Satz 2 Nr.2 SGB VI a.F. sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die - wie der Kläger - (irgend)eine Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach den §§ 43, 240 SGB VI n.F. hat der Kläger (frühestens ab 01.09.2001) keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da hiernach - wie bisher - ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn ein Versicherter - wie der Kläger - einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen (sogar noch) vollschichtig ausüben kann.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG München vom 15.05.2003 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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