L 5 RJ 408/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 397/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 408/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 32/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente.

Der 1940 geborene Kläger ist bosnischer Staatsangehöriger. Er hat in seinem Heimatland von 1957 bis 1963 und von Januar 1975 bis April 1992 Versicherungszeiten zurückgelegt. Zwischen August 1964 und Dezember 1968 hat er in Österreich versicherungspflichtig gearbeitet. Einen Pensionsanspruch hat er dort seit 01.11.2000, in Bosnien seit 28.02.2001. In Deutschland war er von April 1969 bis November 1974 versicherungspflichtig beschäftigt. Laut seinen eigenen Angaben war er hier als Bauhilfsarbeiter tätig. Zusammen mit dem Rentenantrag vom 26.10.2000 wurde der Beklagten vom bosnischen Versicherungsträger das Formulargutachten JU 207 vom 28.02.2001 übersandt. Darin kam die Ärztekommission nach Auswertung mehrerer Krankenhausentlassungsberichte und Befunde verschiedener Fachärzte aus der Zeit ab 1999 zu dem Ergebnis, der Kläger sei zu keinerlei Arbeit mehr fähig. Sie diagnostizierten: Psychoorganisches Syndrom, Cerebralatrophie, Kopfschmerzen nach Gehirnerschütterung 1999, Discopathia cervicalis C5/C6, Cervicobrachial- und Lumbalsyndrom, Zustand nach Gallenblasenentfernung 1999. Mit Bescheid vom 20.09.2001 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung mit der Begründung ab, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien, ausgehend vom Eintritt des Versicherungsfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung, nicht erfüllt. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, 1993 den Arbeitsplatz wegen seiner bosnischen Staatsangehörigkeit und der Kriegsverhältnisse gegen seinen Willen verloren zu haben. Danach habe er psychische Störungen entwickelt, die zu seiner jetzigen Invalidität geführt hätten. Er legte einen Entlassungsbericht des Allgemeinkrankenhauses L. von Oktober 2001 vor, worin eine wiederholte depressive Störung und ein Suizidversuch diagnostiziert werden. Laut sozialmedizinischer Stellungnahme Dr.D. finden sich keine Anhaltspunkte für einen Versicherungsfall vor dem 28.02.2001. Dementsprechend wies die Beklagte den Widerspruch am 13.02.2002 mangels besonderer versicherungsrechtlicher Voraussetzungen zurück.

Dagegen hat der Kläger am 12.03.2002 Klage erhoben und geltend gemacht, im Fünf-Jahres-Zeitraum vor Februar 2001 schwer krank gewesen zu sein. Er hat hierzu psychiatrische Kurzberichte von Februar 2002 bis Mai 2002 vorgelegt. Auf die Aufforderung von Seiten des Gerichts, medizinische Unterlagen aus der Zeit vor April 1999, insbesondere vor Juni 1994, vorzulegen, hat der Kläger am 09.09.2002 geantwortet, er besitze keine Unterlagen. Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage am 24.02.2003 mangels Anhaltspunkten für einen Versicherungsfall vor dem 01.06.1994 abgewiesen.

Gegen das am 19.07.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.07.2003 Berufung eingelegt und auf den Rentenbezug wegen Invalidität in Bosnien-Herzegowina und Österreich hingewiesen. Er hat medizinische Unterlagen von Oktober 2001 und August 2002 vorgelegt. Erneut hat er darauf hingewiesen, seinen Arbeitsplatz wegen seiner Nationalitäts- und Religionszugehörigkeit verloren zu haben und in der Folge Invalide geworden zu sein. An der mündlichen Verhandlung könne er aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.02.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2002 zu verurteilen, ihm ab 01.11.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.02.2003 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.02.2003 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 20.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2002. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sein Rentenanspruch scheitert an den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gem. § 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 maßgebenden Fassung, die wegen der Rentenantragsstellung am 26.10.2000 gem. § 300 Abs.2 SGB VI Anwendung findet, setzt - ebenso wie der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gem. § 43 SGB VI in der aktuellen Fassung - voraus, dass neben der relevanten Erwerbsminderung und der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in Form der 3/5-Belegung vorliegen. Der Versicherte muss in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bzw. der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder für eine einer Pflichtbeitragszeit gleichgestellte Zeit haben (§ 44 Abs.1 Ziff.2 SGB VI a.F., § 43 Abs.1 Ziff.2 SGB VI). Der Kläger ist zweifellos erwerbsunfähig und außerstande, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies ergibt sich aus den von der Invalidenkommission übersandten medizinischen Befunden in Verbindung mit deren Auswertung durch den Prüfarzt der Beklagten. Diese unstreitige Erwerbsminderung ist jedoch zu einem Zeitpunkt eingetreten, als die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Bezug einer Rente nicht mehr vorlagen. Nach den vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass der Versicherungsfall nicht vor Oktober 2000 eingetreten ist. In diesem Monat wurde erstmals die Diagnose einer Hirnatrophie gestellt. Wenige Monate später, im Januar 2001 fand erstmals eine stationäre Behandlung wegen psychiatrischer Gesundheitsstörungen statt und wurde ein psychologischer Befund erhoben. Schließlich hat die Invalidenkommission unter Auswertung der Berichte hierüber ab 28.02.2001 Invalidität bejaht. Der österreichische Rentenversicherungsträger hat nach einem gerichtlichen Urteil vom 28. Oktober 2002 den Anspruch auf Invaliditätspension ab 01. November 2000 anerkannt. Für die Zeit vor Oktober 2000 fehlen Anhaltspunkte für eine schwere Leistungseinschränkung. Die medizinischen Unterlagen aus den Jahren 1999 und 2000 beschreiben lediglich behandlungsfähige Gesundheitsstörungen der Verdauungsorgane. In der Zeit davor hat der Kläger offensichtlich keine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Seinen Arbeitsplatz hat er 1993 auch nicht aus medizinischen Gründen, sondern im Zusammenhang mit den besonderen politischen Verhältnissen in seiner Heimat verloren. Im maßgebenden Fünf-Jahres-Zeitraum vor Oktober 2000 hat der Kläger keinerlei Pflichtbeiträge entrichtet. Er kann sich auch auf keinen Aufschubtatbestand im Sinne des § 43 Abs.3 SGB VI a.F.oder eine Anwartschaftserhaltungszeit im Sinn des § 241 Abs.2 SGB VI berufen. Im strittigen Zeitraum sind weder Anrechnungszeiten noch Rentenbezugszeiten oder Berücksichtigungszeiten gelegen. Freiwillige Beiträge dürfen gem. § 197 Abs.2 SGB VI i.V.m. § 198 SGB VI für die vor dem 01.01.2000 liegenden unbelegten Zeiten nicht mehr gezahlt werden.

Es erscheint glaubhaft, dass der Kläger, der bis 1992 einen nahezu lückenlosen Versicherungsverlauf vorweisen kann, zu Beginn der 90er Jahre seinen Arbeitsplatz wegen seiner Nationalitäts- und Religionszugehörigkeit gegen seinen Willen verloren und so auch seine Rentenanwartschaft eingebüßt hat. Dabei handelt es sich jedoch um ein Risiko, für das nicht die deutsche Rentenversicherung einzustehen hat. Der Kläger kann daher lediglich auf den Altersrentenanspruch mit 65 Jahren verwiesen werden.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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