L 16 RJ 139/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 1651/98 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 139/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 2/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 28. März 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1951 geborene Klägerin zu 1) und die 1983 geborene Klägerin zu 2) sind die Witwe bzw. die Waise des Versicherten B. L. , geboren 1942, gestorben am 18.07.1994. Der Versicherte war ebenso wie seine Angehörigen bosnischer Staatsangehöriger und hatte seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt des Todes in Bosnien. Die Witwe stellte am 26.08. 1994 beim bosnischen Versicherungsträger Antrag auf Hinterbliebenenrente, der bei der Beklagten am 10.07.1996 eingegangen ist. In diesem Formblattantrag fehlten die Angaben zum Zahlungsweg, insbesondere wurde kein Konto des Zahlungsempfängers angegeben.

Der bosnische Versicherungsträger teilte mit, dass seit 18.07. 1994 Rentenanspruch bestehe und legte eine Aufstellung der bosnischen Versicherungszeiten vor.

Mit Schreiben vom 14.12.1997 wurde die Klägerin von der Beklagten auf ihre Mitwirkungspflichten hingewiesen und die Übersendung der mit Schreiben vom 18.07.1996, 30.09.1996, 14.03.1997 und 05.09.1997 angeforderten Unterlagen angemahnt. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass bei fehlender Mitwirkung der Leistungsantrag abgelehnt werden könne.

Mit Bescheid vom 26.01.1998 wurde die Gewährung von Hinterbliebenenrente abgelehnt, da die Mitwirkungspflichten nicht erfüllt seien.

Mit Schreiben vom 14.02.1998 und Schriftsatz vom 12.02.1998 bestellte sich der Klägerbevollmächtigte und fragte nach dem Bearbeitungsstand der Angelegenheit. Es wurde daraufhin mitgeteilt, dass seit Juli 1996 Fragebögen an die Klägerin mehrfach übersandt wurden, ohne dass eine Antwort eingegangen sei. Die Fragebögen, die die Beklagte dem Schreiben vom 18.02.1998 beigelegt hatte, gingen daraufhin bei ihr am 13.03.1998 ein.

Mit den Bescheiden vom 30.03.1998 wurde der Klägerin zu 1) große Witwenrente bzw. der Klägerin zu 2) Halbwaisenrente, jeweils beginnend am 18.07.1994 gewährt. Die Halbwaisenrente war bis 30.04.2001 befristet. Es errechnete sich eine Nachzahlung bei der Witwenrente in Höhe von 5.313,05 DM, bei der Halbwaisenrente von 844,17 DM. Die Bescheide wurden der Bevollmächtigten zugestellt.

Wegen der Nichtzahlung eines Zuschlags zur Waisenrente wurde Widerspruch eingelegt, außerhalb des Widerspruchsverfahrens wurde die Verzinsung der angefallenen Nachzahlung verlangt. Der Widerspruchsbescheid vom 06.07.1998, mit dem die Zahlung eines Zuschlags zur Waisenrente zurückgewiesen wurde, enthielt den Zusatz, dass über die geltend gemachte Verzinsung ein gesonderter Bescheid erlassen werde.

Mit streitigem Bescheid vom 27.07.1998 lehnte die Beklagte den Antrag auf Verzinsung der Rentennachzahlung ab, mit der Begründung, die Verzinsung beginne erst nach Eingang eines vollständigen Leistungsantrags; dieser habe erst am 13.03.1998 vorgelegen, da erst zu diesem Zeitpunkt die Bankverbindung, die Lebensbescheinigung sowie die Erklärung über Kindererziehungszeiten und Einkommen der Witwe eingegangen sei. Eine Verzinsung stehe somit erst ab 01.10.1998 zu, der Bescheid sei aber bereits im April 1998 erteilt worden.

Mit Schreiben vom 27.08.1998, eingegangen am 31.08.1998, legte die Klägerbevollmächtigte Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung zur Verzinsung ein mit dem Antrag, entweder ab 01.02. 1995, zumindest aber ab 01.01.1997 die Nachzahlungen zu verzinsen. Das Angebot der Beklagten über eine Verzinsung ab 01.02.1997 wurde von der Bevollmächtigten nicht angenommen. Die Beklagte wies mit dem streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid vom 25.11.1998 den Widerspruch zurück.

Mit der Klage vom 01.12.1998, am gleichen Tag beim Sozialgericht eingegangen, beantragte die Bevollmächtigte die Verzinsung der Nachzahlungsbeträge ab 01.02.1995. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der beim jugoslawischen Versicherungsträger am 26.08.1994 gestellte Rentenantrag vollständig gewesen sei. Die Beklagte hätte über den Anspruch entscheiden können; auf die nachträgliche Mitteilung der Bankverbindung komme es nicht an. Im Übrigen sei die Antragstellung beim jugoslawischen Rentenversicherungsträger eine Antragstellung beim zuständigen Träger im Sinne von § 16 Abs.1 Satz 1 SGB I, da der jugoslawische Träger nach Art.33 Abs.1 Satz 1 des deutsch-jugoslawischen Versicherungsabkommens (DJUSVA) als zuständiger Versicherungsträger gelte.

Die Beklagte vertrat hingegen die Auffassung, Voraussetzung für die Verzinsung sei der Eingang eines vollständigen Leistungsantrages. Dem Antrag der Klägerinnen hätten die Formblätter "Lebensbescheinigung des Berechtigten", "Mitteilung der Bankverbindung", "Angaben zu den Kindererziehungszeiten", "dem Einkommen" und "Erklärung zum HEZG" nicht beigelegen. Gerade im Hinblick auf die damalige Bürgerkriegssituation im Heimatland der Klägerinnen sei die Vorlage der Erklärung zur Bankverbindung und der Lebensbescheinigung auch im Interesse der Berechtigten unabdingbar gewesen.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28.03.2000 ab mit der Begründung, eine Verzinsung sei nicht gerechtfertigt, da ein vollständiger Leistungsantrag erst nach Mitteilung der Bankverbindung, also am 13.03.1998 vorgelegen habe. Im Tenor des Gerichtsbescheides wurde die Berufung nicht zugelassen, die Rechtsmittelbelehrung lautete:"Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden." Er wurde der Bevollmächtigten am 17.04.2000 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 03.05.2000 legte die Klägerbevollmächtigte Berufung gegen den Gerichtsbescheid ein. In der Begründung wur- de ausgeführt, die Beklagte habe in einem Schreiben vom 22.01. 2001 nochmals festgestellt, dass eine Verzinsung der Waisenrente nicht in Betracht komme. Im Schriftwechsel mit der Beklagten sei anerkannt worden, dass es sich beim Schreiben vom 22.01. 2001 um einen Bescheid handele, der Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens geworden sei. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens sei deshalb nicht erforderlich.

Auf die gerichtliche Aufforderung zur Vorlage einer Vollmacht wies die Klägerbevollmächtige darauf hin, dass die Vollmacht für die Klägerin zu 1) bereits im SG-Verfahren vorgelegt wurde und die Klägerin zu 1) als gesetzliche Vertreterin auch für ihre Tochter auftrete. Es wurde beantragt, die am 03.05.2001 eingelegte Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten. Auf Hinweis des Senats wurde die Berufung zurückgenommen und die Nichtzulassungsbeschwerde beim Sozialgericht Landshut erhoben.

Mit Beschluss vom 22.02.2002 hat das Sozialgericht die Berufung zugelassen.

Die Klägerinnen beantragen, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 28.03.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.1998 sowie den Bescheid vom 22.01.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Nachzahlungen der im Bescheid vom 30.03.1998 errechneten Renten ab 01.02.1995 zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut S 5 RJ 1651/98 A, S 5 RJ 992/98 A sowie des Landessozialgerichts L 16 RJ 251/2000 und L 16 RJ 139/02 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Sozialgericht hat die Berufung auf die Beschwerde der Klägerbevollmächtigten gemäß § 144 Abs.2 Ziff.1 SGG zugelassen; gemäß § 144 Abs.3 SGG ist das Landessozialgericht an diese Zulassung gebunden.

Die Entscheidung der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 27.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11. 1998 sowie im Bescheid vom 22.01.2001 ist nicht zu beanstanden. Den Klägerinnen steht eine Verzinsung der Rentennachzahlung nicht zu. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war die Klägerin zu 2) gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, die Klägerin zu 1). Im Klageverfahren wurde von der Bevollmächtigten eine Vollmacht der Klägerin zu 1) vorgelegt. Für die am 01.05.2001 volljährig gewordene Klägerin kann ab diesem Zeitpunkt die Bevollmächtigung durch ihre Mutter nach § 73 Abs.2 SGG unterstellt werden.

In der Sache kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Beklagte und das Sozialgericht haben zu Recht die Auffassung vertreten, dass im Falle der Klägerinnen kein vollständiger Leistungsantrag vorlag, und auch die Antragstellung beim bosnischen Versicherungsträger keine Antragstellung beim zuständigen Versicherungsträger im Sinne von § 44 SGB I darstellt.

Nach § 44 Abs.1 Satz 1 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Eintritt ihrer Fälligkeit zu verzinsen.

Der Beginn der Verzinsung ist in § 44 Abs.2 SGB I geregelt. Dieser lautet: "Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Versicherungsträger, bei Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

Bereits das Fehlen der Angabe eines Kontos, auf das die Rente von der Beklagten ausgezahlt werden sollte, genügt nach Auffassung des Senats, um festzustellen, dass der Leistungsantrag, wie er beim bosnischen Versicherungsträger 1994 gestellt wurde, als unvollständig zu qualifizieren ist. Darüber hinaus hat die Beklagte zu Recht die Vorlage einer Lebensbescheinigung sowie die Auskünfte zum Einkommen und zu den Kindererziehungszeiten von der Klägerin zu 1) begehrt. Alle diese Tatsachen, die von der Beklagten nicht ohne Rücksprache und ohne die Angaben der Klägerinnen ermittelt werden konnten, waren erforderlich, um den Anspruch der Klägerinnen feststellen zu können.

Das Sozialgericht hat zu Recht auf die bereits von der Beklagten zitierten Entscheidungen des BSG (Urteil vom 18.12.1986 Az.: 4 A RJ 83/95, SozR 1200 § 44 Nr.16 bzw. vom 28.02.1990 Az.: 2 RU 41/89 = SozR 3-1200 § 44 Nr.1) verwiesen, wonach ein Leistungsantrag vollständig ist, wenn der zuständige Versicherungsträger durch ihn in die Lage versetzt wird, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe festzustellen und die begehrte Leistung zu bewilligen. Dabei lässt sich die Mitwirkungspflicht des Antragstellers nur zusammen mit der die Leistungsträger treffenden Pflicht zur Amtsermittlung verstehen und eingrenzen. Dabei überschreitet es nach Auffassung des Senats nicht das Maß dessen, was billigerweise vom Antragsteller verlangt werden kann, wenn dieser aufgefordert wird, die Bankverbindung sowie seine Einkünfte bekannt zu geben und eine Lebensbescheinigung vorzulegen. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass ohne Angabe einer Bankverbindung zur Zeit des Bürgerkriegs eine Auszahlung der Rente nach Bosnien nicht möglich gewesen wäre. Bereits deshalb war der von den Klägerinnen gestellte Rentenantrag unvollständig. Im Übrigen entspricht es dem Sinn und Zweck der Verzinsung, dass hier auch die Auszahlungsmöglichkeit der Leistung umfasst wird, denn die Verzinsung soll ja gerade die Einkommensminderung ausgleichen, die der Berechtigte dadurch erfährt, dass er über die Geldleistungen nicht verfügen kann.

Neben der Angabe einer Bankverbindung waren auch grundsätzlich für die Überprüfung des Rentenanspruchs die Lebensbescheinigung und die anderen von der Beklagten geforderten Angaben erforderlich. Diese Angaben wurden von der Beklagten in der von ihr gestalteten Formblattfrage ausdrücklich verlangt; die Klägerin hat in ihrem Antrag die vorgesehenen möglichen Antworten nicht angekreuzt, so dass unabhängig von den später durch die Beklagten veranlassten Rückfragen bereits der von der Klägerin ausgefüllte Formblattantrag unvollständig war.

Der Senat hat im Übrigen aufgrund der vorgelegten Unterlagen und im Hinblick auf die erfolgte Ablehnung der Leistung wegen fehlender Mitwirkung keine Zweifel daran, dass die Beklagte die erforderlichen Unterlagen nach Eingang des Formblattantrags nochmals angefordert hat.

Da bereits die gegenüber dem bosnischen Versicherungsträger gemachten Angaben unvollständig waren, kommt es für die Entscheidung des Senats maßgeblich nicht auf die Frage an, ob der bosnische Versicherungsträger ein zuständiger Versicherungsträger im Sinne von § 16 SGB I ist. Dazu ist allerdings der Hinweis erlaubt, dass der erkennende Senat bereits im Beschluss vom 02.06.2000 entschieden hat, dass zuständiger Träger nur der deutsche Versicherungsträger sein kann (Beschluss vom 02.06. 2000 Az.: L 16 B 143/00 RJ PKH).

Darüber hinaus hat auch bereits der 5. Senat des BayLSG in seinem Beschluss vom 21.01.2002 für die Berechnung der Sechsmonatsfrist auf den Eingang des Leistungsantrags beim zuständigen deutschen Leistungsträger abgestellt (Beschluss vom 21.01.2002, Az: L 5 RJ 661/01 NZB). Dazu hat der 5. Senat ausgeführt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 44 SGB I nicht durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit (DJUSVA) vom 12.10.1968 (BGBL II 1969, 1438) berührt werden. Das Abkommen, das nach dem Notenwechsel der beteiligten Regierungen vom 31.07./05.10.1992 vorläufig auch im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Bosnien-Herzegowina weiter anzuwenden sei, beschränke sich nur auf die Fristwahrung für den Leistungsbeginn (Art.33 Abs.1 DJUSVA) und solle eine Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit und des Wohnsitzes als Ausnahme vom Territorialprinzip ausschließen (vgl. Art.4.1 DJUSVA). Für die Berechnung der Sechsmonatsfrist bei Leistungen, die nach über- oder zwischenstaatlichem Recht gewährt werden, komme es hingegen auf den Eingang des Leistungsantrags beim zuständigen deutschen Leistungsträger an. Insbesondere könne die Verbindungsstelle des Vertragstaates nicht als zuständiger Leistungsträger im Sinne des § 16 Abs.2 Satz 1 SGB I angesehen werden, der für den Beginn der Verzinsung maßgeblich sein könne (BSGE 66, 234). Auch das Bundessozialgericht (Urteil vom 28.02.1990 a.a.O.) hat unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmotive entschieden, dass § 44 Abs.2 1. Halbsatz SGB I für Leistungen, die nach zwischenstaatlichen Rechtsvorschriften berechnet werden, klar stelle, dass es für die Berechnung der Sechsmonatsfrist auf den Eingang des Leistungsantrags beim zuständigen deutschen Leistungsträger ankomme.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, da das Bundessozialgericht die Frage des zuständigen Leistungsträgers bereits entschieden hat, so dass eine grundsätzliche Bedeutung der Streitsache zu verneinen ist.
Rechtskraft
Aus
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