L 6 RJ 334/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 984/97.A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 334/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Januar 2001 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.

Der 1938 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina. Er hat ab 17.10.1968 bis 31.12.1982 mit Unterbrechungen Pflichtbeiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt; anschließend ist er bis 20.11.1987 im Wesentlichen arbeitslos, in geringem Umgang auch arbeitsunfähig krank gewesen.

Den Antrag des Klägers vom 09.03.1994 auf Zahlung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.10.1996 ab, weil der Versicherte weder erwerbs- noch berufsunfähig sei. Der Bescheid, der an den in seiner Heimat lebenden Kläger gerichtet war, enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass der Widerspruch innerhalb eines Monats einzulegen sei.

Unter dem 29.01.1997 erließ die Beklagte sodann einen Bescheid nach § 149 Abs.5 SGB VI, mit dem sie die deutschen Versicherungszeiten des Klägers feststellte. Auch dieser Bescheid ging an den im Ausland lebenden Kläger mit der Rechtsmittelbelehrung, dass der Widerspruch innerhalb eines Monats einzulegen sei.

Mit Schreiben vom 03.03.1997, bei der Beklagten am 12.03.1997 eingegangen, erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 29.01.1997 Widerspruch und führte dabei sinngemäß (auch) aus, dass er erwerbsunfähig sei und deshalb Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung begehre.

Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid "vom 29.01.1997" mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.1997 wegen Versäumung der Monatsfrist als unzulässig zurück.

Mit der am 18.08.1997 zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage begehrte der Kläger sinngemäß Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 24.01.2001 ab, weil der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit im Sinn der §§ 43, 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden neuen Fassung (n.F.) sei.

Das Urteil wurde dem Kläger am 26.02.2001 in seiner Heimat zugestellt.

Am 21.05.2001 ging das an die Beklagte gerichtete Berufungsschreiben des Klägers, das am 19.05.2001 in Deutschland zur Post gegeben worden war, bei der Beklagten ein, die es mit Schreiben vom 30.05.2001 an das Bayer. Landessozialgericht weiterleitete, wo es am 05.06.2001 ankam.

Ein Schreiben des Senats, mit dem der Kläger gebeten wurde, die Gründe mitzuteilen, warum er die Berufungsschrift entgegen dem Inhalt der Rechtsmittelbelehrung an die Beklagte gerichtet hatte, ist vom Kläger nicht beantwortet worden. Nunmehr wies der Senat den Kläger darauf hin, dass in Ermangelung von Wiedereinsetzungsgründen die Berufung als unzulässig verworfen werden müsse.

Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß,

ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 21.01.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund seines Antrags vom 09.03. 1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Sie weist darauf hin, das Berufungsschreiben sei in Ermangelung näherer Angaben zunächst nicht richtig einzuordnen gewesen; so seien weder die Versicherungsnummer noch das urteilerlassende Sozialgericht noch das Geburtsdatum des Klägers angegeben gewesen. Daher sei es in der nur vier Arbeitstage enthaltenden Woche ab Montag, dem 21.05.2001, in der der Donnerstag ein Feiertag gewesen sei, nicht möglich gewesen, die Sendung rechtzeitig weiterzuleiten, zumal wegen des Feiertags für den darauffolgenden Freitag von einer reduzierten Personalbesetzung ausgegangen werden müsse.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten - Rentenakten der Beklagten; Klageakten des SG Az. S 7 RJ 984/97 A; erledigte Berufungsakte des Bayer. Landessozialgerichts Az. L 16 Ar 853/90 - und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts im vorliegenden Berufungsverfahren sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 24.01.2001 ist wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässig; sie war daher zu verwerfen.

Gemäß den §§ 151 Abs.1, 153 Abs.1, 87 Abs.1 Satz 2 SGG ist die Berufung, wenn das Urteil - wie vorliegend - nicht im Geltungsbereich des SGG zugestellt wird, innerhalb von drei Monaten nach dessen Zustellung beim Landessozialgericht einzulegen; nach § 151 Abs.2 Satz 1 SGG wird die Berufungsfrist auch dann gewahrt, wenn die Berufung innerhalb dieser Frist beim Sozialgericht eingeht. Diese Dreimonatsfrist hat der Kläger versäumt. Das Urteil ist ihm nämlich mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung am 26.02.2001 zugestellt worden; damit hat die Dreimonatsfrist (erst) am Montag, dem 28.05.2001 geendet, weil der 26.05. 2001 ein Sonnabend gewesen ist, vgl. § 64 SGG. Die Berufungsschrift ist aber erst am 05.06.2001 beim Bayer. Landessozial- gericht eingegangen.

Der Eingang der Berufungsschrift noch innerhalb der Rechtsmittelfrist am 21.05.2001 bei der Beklagten wahrt die Berufungsfrist nicht (vgl. Meyer-Ladewig, § 151 SGG Rdnr.2a m.w.N.).

Nach § 67 Abs.1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist - wie hier die Berufungsfrist - einzuhalten. Diese Möglichkeit scheidet vorliegend aus, weil den Kläger ein Verschulden trifft. Er hat nämlich für die unrichtige Adressierung der Berufungsschrift an die Beklagte keine Entschuldigungsgründe vorgebracht; es sind auch keine ersichtlich. Das Verschulden des Klägers hätte auch nicht durch ein von der Beklagten zu erwartendes pflichtgemäßes Handeln ausgeschaltet werden können (vgl. hierzu Meyer-Ladewig, § 67 SGG Rdnr.4 m.w.N. und insbes. BSG-Beschluss vom 10.12.1974 - GS 2/73 = SozR 1500 § 67 Nr.1). Der Beklagten wäre es nämlich auch bei ordnungsgemäßem Verhalten (dass sie sich tatsächlich zu lange Zeit gelassen hat, ist beim vorliegenden Sachverhalt ohne Auswirkung) nicht möglich gewesen, in der kurzen vom Eingang der Berufungsschrift am Montag, dem 21.05.2001 bis zum Ablauf der Berufungsfrist am Montag, dem 28.05.2001 zur Verfügung stehenden Zeit von vier Arbeitstagen (der 24.5.2001, Donnerstag, ist ein Feiertag gewesen) die Berufungsschrift an das Bayer. Landessozialgericht weiterzuleiten. Zwar gibt es keine Regeln dafür, welcher Zeitraum vor dem Ablauf der Rechtsmittelfrist noch als ausreichend angesehen werden kann, um die rechtzeitige Weiterleitung an das zuständige Gericht erwarten zu können; dies hängt vielmehr weitgehend von den Verhältnissen des Einzelfalls ab (vgl. hierzu den o.g. BSG-Beschluss vom 10.12.1974, insbes. S.11 a.a.O.). Ein Zeitraum von nur vier Tagen erscheint jedoch im Rahmen einer Massenverwaltung auch ohne Berücksichtigung der Verhältnisse des konkreten Einzelfalls für die ordungsgemäße Weiterleitung als zu kurz (vgl. hierzu den o.g. BSG-Beschluss vom 10.12.1974, S.10/11 a.a.O., wo ein Zeitraum von zwei Tagen als auf jeden Fall zu kurz angesehen wird; vgl. andererseits das BSG-Urteil vom 22.09.1971 - 10 RV 210/71, unveröffentlicht, recherchiert aus Juris, in dem ein Zeitraum von 17 Tagen als zu lang erachtet wird). Im vorliegenden Fall kommt überdies hinzu, dass die Berufungsschrift das erstinstanzliche Gericht nicht benennt, ein unrichtiges Urteilsdatum (08.02.2001 statt 24.01.2001) angibt und weder die Versicherungsnummer des Klägers noch sein Geburtsdatum enthalten ist, so dass zuerst von der Beklagten Ermittlungen angestellt werden mussten, worum es sich genau handelte. Die Berufungsschrift einfach "auf Verdacht" an das Bayer. Landessozialgericht zu senden, hat sich deshalb verboten, weil auch ein anderes in Betracht hätte kommen können, z.B. wenn der Kläger während des Klageverfahrens von einem außerbayerischen deutschen Wohnsitz in seine Heimat verzogen wäre. Eine besondere Eilbedürftigkeit war aus der Berufungsschrift nicht erkennbar, weil seit dem als Urteilsdatum angegebenen 08.02.2001 erst gut drei Monate vergangen waren, so dass bei der üblichen Zeit zwischen Verkündung des Urteils und seiner Absetzung nicht damit zu rechnen war, dass das Ende der Frist nahe bevorstand. Auch ist im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass dem Feiertag (Donnerstag) ein sog. Brückentag (Freitag) folgte, an dem üb- licherweise - nicht nur bei der Beklagten, sondern ganz allgemein - eine personelle Unterbesetzung vorliegt, die keinesfalls als Organisationsverschulden betrachtet werden kann, da es sich um ein sozialadäquates Verhalten handelt und nicht verlangt werden kann, dass dieses im Interesse schuldhaft fehlgeleiteter Schriftstücke unterlassen wird.

Da der Kläger somit die Berufungsfrist versäumt hat und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich ist, war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 24.01.2001 als unzulässig zu verwerfen, § 158 Satz 1 SGG.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved