L 2 RA 234/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RA 458/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 RA 234/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. September 2002 wir zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVtI) für die Zeit vom 23. Mai 1966 bis 30. Juni 1990 und die Berücksichtigung der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte.

Der im ...1936 geborene Kläger ist Dipl.-Chemiker (Urkunde der Technischen Hochschule für Chemie L.-M. vom 07. November 1960) und führt den akademischen Grad eines Doktors der Naturwissenschaften (Urkunde der Technischen Hochschule für Chemie "K. S." L.-M. vom 17. Mai 1966). Er war vom 21. November 1960 bis 22. Mai 1966 als wissenschaftlicher Assistent an der Technischen Hochschule für Chemie L.-M. und vom 23. Mai 1966 bis wenigstens 30. Juni 1990 als Themen- und Gruppenleiter beziehungsweise wissenschaftlicher Mitarbeiter für Automatisierung und Rechnereinsatz beim VEB Petrolchemisches Kombinat (PCK) S. beschäftigt.

Zum 01. Oktober 1971 trat der Kläger der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei, wobei er Beiträge nur für das Einkommen bis 1 200,00 Mark monatlich beziehungsweise 14 400,00 Mark jährlich zahlte.

Im November 1999 beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die Zugehörigkeit zur AVtI festzustellen. Er fügte die Entgeltbescheinigung der Petrolchemie und Kraftstoffe PCK AG S. vom 02. November 1992 bei.

Mit Bescheid vom 25. Juni 2001 stellte die Beklagte die Zeit vom 21. November 1960 bis 22. Mai 1966 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen (AVI) unter Berücksichtigung der Arbeitsentgelte fest. Im Übrigen lehnte sie den Antrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2001 zurück: Die Qualifikation als Dipl.-Chemiker entspreche nicht dem Titel eines Ingenieurs oder Technikers im Sinne der AVtI. Die tatsächliche Ausübung einer ingenieurtechnischen Tätigkeit sei unbeachtlich. Die ausgeübte Beschäftigung könne lediglich zu den so genannten Ermessensfällen gerechnet werden. Eine bis zum 30. Juni 1990 nicht getroffene Ermessensentscheidung könne jetzt allerdings nicht mehr nachgeholt werden.

Dagegen hat der Kläger am 11. Oktober 2001 beim Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben und vorgetragen:

Während seiner gesamten Beschäftigungszeit beim VEB PCK S. sei er als technischer Ingenieur tätig gewesen. Zu Zeiten der DDR seien auch Dipl.-Chemiker Begünstigte der AVtI gewesen. Die Rechtsprechung des BSG vom 12. Juni 2001 (B 4 RA 107/00 R) benachteilige ihn. Sein absolviertes Hochschulstudium sei in beträchtlichem Umfang ein technisches Ingenieurstudium gewesen. Das "Pech", ein Ingenieurstudium an einer Hochschule mit einem "falschen" Titel abgeschlossen zu haben, dürfe nicht zu seinen Ungunsten ausgelegt werden.

Mit Urteil vom 12. September 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid und ergänzend auf die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des BSG vom 10. April 2002 (B 4 RA 32/01 R und B 4 RA 18/01 R) Dipl.-Chemiker betreffend verwiesen. Der berufliche Abschluss als Dipl.-Chemiker und Doktor der Naturwissenschaften berechtige nicht zum Führen des Titels eines Ingenieurs oder Technikers.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 23. September 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 09. Oktober 2002 eingelegte Berufung des Klägers.

Nach seiner Ansicht seien Zeiten der Zugehörigkeit zur AVtI immer dann anzuerkennen, wenn nach Abschluss einer technischen oder naturwissenschaftlichen Hoch- beziehungsweise Fachschulausbildung eine der Ausbildung entsprechende ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt worden sei. Die Zusatzversorgungssysteme in der DDR seien in den 50-er Jahren für bestimmte Wirtschaftsbereiche beziehungsweise Berufsgruppen eingeführt worden, um die starke Fluktuation unter der Intelligenz einzudämmen und durch materiellen Anreiz eine Stammbelegschaft abzusichern. Nach dem Mauerbau im August 1961 sei diese Fluktuation abrupt eingeschränkt gewesen; die Schwerpunktbetriebe hätten daher nur noch eine stark restriktive Erteilung einer Versorgungszusage praktiziert. Diese stark restriktive Praxis habe das BSG zunächst zum Anlass genommen, die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nicht notwendig von einer Versorgungszusage abhängig zu machen. Demgegenüber völlig unverständlich sei das am 12. Juni 2001 ergangene Urteil, wonach maßgeblich auf den Titel eines Ingenieurs abzustellen sei. Dies verletze den Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) und diskriminiere die Ausbildung und Qualifikation der naturwissenschaftlichen Akademiker (Chemiker, Physiker oder Mathematiker).

In der DDR habe es nie eine "zusätzliche Altersversorgung für Ingenieure und Techniker" gegeben. Der Versuch, den Begriff "technische Intelligenz" auf diese Berufsgruppen zu begrenzen, entspreche nicht der Absicht des Gesetzgebers der DDR, was belegt werde durch die Fünfte Durchführungsbestimmung zur Verordnung zur Entwicklung einer fortschrittlichen demokratischen Kultur des deutschen Volkes und zur weiteren Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Intelligenz - Zuschläge für ununterbrochene Beschäftigungsdauer - vom 24. Januar 1956 (GBl. DDR I 1956, 163) - Zuschläge-DB -, die Erste Durchführungs-bestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 26. September 1950 (GBl. DDR 1950, 1043) - 1. DB zur AVtI-VO -, die Dritte Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Verbesserung der Entlohnung der Arbeiter und Angestellten in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR 1951, 488) - 3. DB zur Entlohnungs-VO -, die Erste Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Prämienzahlung für das ingenieurtechnische Personal einschließlich der Meister und für das kaufmännische Personal in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben - Industriezweige Kohle, Energie, Metallurgie, Chemie, Steine und Erden sowie Bauindustrie und VHZ Schrott - vom 01. November 1951 (GBl. DDR 1951, 1043) - 1. DB zur Prämienzahlung-VO -, die Verordnung über die Erhöhung der Gehälter für Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker in der Deutschen Demokratischen Republik vom 28. Juni 1952 (GBl. DDR 1952, 510) - Gehaltserhöhung- VO 1952 -, die Verordnung über die Neuregelung des Abschlusses von Einzelverträgen mit Angehörigen der Intelligenz in der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. Juli 1953 (GBl. DDR 1953, 897) - Einzelverträge-VO 1953 -, die Verordnung über die Verleihung des Ehrentitels "Verdienter Techniker des Volkes" (GBl. DDR I 1959, 200) und die Anordnung über die Einführung der Rahmenrichtlinie für die neue Gliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens vom 10. Dezember 1974 (GBl. DDR I 1975, 1) - Anordnung vom 10. Dezember 1974. Die betriebliche Praxis habe keinen Unterschied zwischen Dipl.-Ingenieuren einerseits und Dipl.-Chemikern u. a. andererseits gemacht. Alle seien einheitlich nach dem gleichen Gehaltssystem (I-Gruppen) entlohnt worden. Nunmehr entstehe die groteske Situation, dass Personen trotz gleicher Aufgaben unterschiedlich behandelt würden. Dipl.-Chemiker, Dipl.-Mathematiker u. a. seien vielfach als Leiter von Ingenieuren eingesetzt gewesen. Der Ingenieurverband der DDR, die Kammer der Technik (KdT), habe Ingenieure und Naturwissenschaftler aufgenommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. September 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 25. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2001 zu verpflichten, die Zeit vom 23. Mai 1966 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI sowie die während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist auf die zwischenzeitlich gefestigte Rechtsprechung des BSG.

Den Beteiligten ist mit Verfügung vom 05. Dezember 2003 mitgeteilt worden, dass eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht kommt; ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 19. Dezember 2003 gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ( ...), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung - insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beteiligten bereits ausführlich ihre Argumente vorgebracht haben - nicht für erforderlich hält, hat er nach deren Anhörung von der durch § 153 Abs. 4 SGG eröffneten Möglichkeit Gebraucht gemacht, durch Beschluss zu entscheiden.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Bescheid vom 25. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2001 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Zeit vom 23. Mai 1966 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI und das während dieser Zeit erzielte Arbeitsentgelt feststellt, denn der Kläger ist während des streitigen Zeitraums nicht berechtigt gewesen, den Titel eines Ingenieurs oder Technikers zu führen.

Nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) hat der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger den für die Feststellung der Leistung zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistung aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehören auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet, sowie die Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben. Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG).

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gelten als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder eine Tätigkeit ausgeübt worden ist.

Die Beklagte - als zuständiger Versorgungsträger für die AVtI (§ 8 Abs. 4 Nr. 1 in Verbindung mit Anlage 1 Nr. 1 AAÜG) - hat nach dieser Vorschrift eine Zugehörigkeit des Klägers zur AVtI für die streitige Zeit nicht festzustellen, denn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG liegen nicht vor.

§ 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG knüpft bei der Frage, ob eine Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem vorliegt, am Recht der DDR an, so dass es insoweit auf die maßgebenden Vorschriften des Beitrittsgebietes ankommt.

Es handelt sich hierbei grundsätzlich um die Gesamtheit der Vorschriften, die hinsichtlich des jeweiligen Versorgungssystems nach Anlage 1 und 2 AAÜG bestehen. Bezogen auf die AVtI sind dies die im streitigen Zeitraum gültige Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR 1950, 8440) - AVtI-VO - und die Zweite Durchführungs-bestimmung zur AVtI-VO vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR 1951, 487) - 2. DB zur AVtI-VO.

Allerdings sind nicht alle Regelungen der AVtI zu Bundesrecht geworden. Dies gilt u. a. zunächst für die Vorschriften über die Zuteilung von Versorgungszusagen (§ 1 Abs. 3 2. DB zur AVtI-VO). Insgesamt sind solche Regelungen kein Bundesrecht, die eine bewertende oder eine Ermessensentscheidung eines Betriebes, Direktors, einer staatlichen Stelle der DDR etc. vorsahen. Zu Bundesrecht sind nur diejenigen Vorschriften geworden, die als zwingende Bestimmungen gebundenen Verwaltungshandelns verstanden werden können (vgl. BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R).

Nach § 1 AVtI-VO wurde für die Angehörigen der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben über den Rahmen der Sozialpflichtversicherung hinaus eine Versorgungsversicherung eingeführt. Nach § 5 AVtI-VO waren die erforderlichen Durchführungsbestimmungen vom Ministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Ministerium für Industrie und dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen zu erlassen. Davon wurde u. a. mit der 2. DB zur AVtI-VO Gebrauch gemacht, die zum 01. Mai 1951 in Kraft trat (§ 10 Abs. 1 2. DB zur AVtI-VO) und mit der zugleich die 1. DB zur AVtI-VO außer Kraft gesetzt wurde (§ 10 Abs. 2 2. DB zur AVtI-VO).

Generell war dieses System eingerichtet für 1. Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und 2. die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (vgl. BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R).

Im Einzelnen betraf die 2. DB zur AVtI-VO drei Personengruppen:

Nach § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 2. DB zur AVtI-VO galten als Angehörige der technischen Intelligenz Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete, wie Ingenieure und Techniker des Bergbaus, der Metallurgie, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, der Feinmechanik und Optik, der Chemie, des Bauwesens und Statiker. Zu diesem Kreis gehörten ferner Werkdirektoren und Lehrer technischer Fächer an den Fach- und Hochschulen.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 2. DB zur AVtI-VO konnten außerdem auf Antrag des Werkdirektors durch das zuständige Fachministerium beziehungsweise die zuständige Hauptverwaltung auch andere Personen, die verwaltungstechnische Funktionen bekleideten, wie stellvertretende Direktoren, Produktionsleiter, Abteilungsleiter, Meister, Steiger, Poliere im Bauwesen, Laboratoriumsleiter, Bauleiter, Leiter von produktionstechnischen Abteilungen und andere Spezialisten, die nicht den Titel eines Ingenieurs oder Technikers hatten, aber durch ihre Arbeit bedeutenden Einfluss auf den Produktionsprozess ausübten, eingereiht werden.

Nach § 1 Abs. 3 2. DB zur AVtI-VO gehörten zum Kreis der Versorgungsberechtigten ferner, wer aufgrund eines Einzelvertrages Anspruch auf eine Altersversorgung hatte.

Bei den beiden letztgenannten Vorschriften handelt es sich nicht um abstrakt-generelle Regelungen. Das BSG hat dies bereits im Urteil vom 12. Juni 2001 - B 4 RA 107/00 R - bezogen auf § 1 Abs. 1 Satz 3 2. DB zur AVtI-VO (so genannte Ermessensfälle) entschieden. Eine Einbeziehung des dort genannten Personenkreises war nicht obligatorisch, sondern bedurfte einer individuellen Einzelentscheidung, die im Ermessen der jeweils dafür zuständigen Stellen stand, wie aus der Formulierung "können" hervorgeht. Nichts anderes gilt für die Regelung des § 1 Abs. 3 2. DB zur AVtI-VO (so genannte Einzelvertragsfälle). Diese Vorschrift wäre überflüssig gewesen, wenn sie Personen betroffen hätte, die ohnehin nach den abstrakt-generellen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 2. DB zur AVtI-VO schon einbezogen wären. Allerdings gab es durchaus insoweit Überschneidungen. Dies lag darin begründet, dass der Einzelvertrag arbeitsrechtlicher Natur war. § 1 Abs. 3 2. DB zur AVtI-VO stellte insoweit die Schnittstelle zum Arbeitsrecht her, als damit die versorgungsrechtliche Relevanz einer arbeitsrechtlichen Vereinbarung angeordnet wurde.

Die vom Kläger genannte 3. DB zur Entlohnungs-VO kann nicht isoliert von der zugrunde liegenden Verordnung über die Verbesserung der Entlohnung der Arbeiter und Angestellten in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR 1950, 839) - Entlohnungs-VO - gesehen werden. Nach § 1 Entlohnungs-VO wurden die tariflichen Löhne der in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben beschäftigten Arbeiter mit Wirkung vom 01. September 1950 entsprechend der anliegenden Tabelle erhöht. Die Gehälter der technischen und kaufmännischen Angestellten der volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wurden nach § 3 Abs. 1 Entlohnungs-VO überprüft und erhöht, wobei die Rahmenbedingungen in den nachfolgenden Absätzen 2 bis 4 festgelegt wurden. Nach § 4 Entlohnungs-VO konnten schließlich für leitende Angestellte und Fachkräfte besonderer Qualifikation Einzelverträge abgeschlossen werden, wobei es sich um eine außertarifliche Entlohnung handelte, für die ein entsprechender Fond bereitgestellt wurde.

Der Einzelvertrag war nach § 2 Abs. 1 3. DB zur Entlohnungs-VO - als arbeitsrechtliche Regelung - zwischen dem verantwortlichen Leiter des Betriebes und dem Vertragspartner abzuschließen. Die in den Einzelverträgen (außertariflich) festgelegten Gehälter waren in den Finanzplänen der einzelnen Betriebe und sonstigen Einrichtungen bereitzustellen (§ 3 3. DB zur Entlohnungs-VO). Die Arbeitsverträge mit den Angehörigen der Intelligenz, die in den unter § 1 3. DB zur Entlohnungs-VO bezeichneten Einrichtungen bereits beschäftigt waren, waren bis zum 30. Juni 1951 durch Einzelverträge zu ersetzen (§ 4 Abs. 1 3. DB zur Entlohnungs-VO). Solche (arbeitsvertraglichen) Einzelverträge waren nach § 1 3. DB zur Entlohnungs-VO mit solchen Angehörigen der technischen Intelligenz abzuschließen, die in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben verantwortlich tätig waren und hervorragenden Einfluss auf die Produktion nahmen. Dazu gehörten Ingenieure, Konstrukteure, Techniker, Chemiker, Werkleiter, Leiter großer Werkabteilungen, hervorragende Wirtschaftler, Leiter von Laboratorien, Leiter von Arbeitsvorbereitungsabteilungen in größeren Betrieben, Bauingenieure, Bautechniker, Statiker und Bauleiter von großen Baustellen. Dies galt nach § 1 Abs. 3 3. DB zur Entlohnungs-VO auch für Angehörige der Intelligenz, die auf wissenschaftlichem Gebiet arbeiteten, soweit sie in solchen Einrichtungen, die zur Erfüllung des Volkswirtschaftsplanes beitrugen, ständig hervorragend tätig waren. Soweit in § 1 Abs. 1 3. DB zur Entlohnungs-VO bestimmte Berufsgruppen der technischen Intelligenz aufgeführt waren, bedeutete dies noch nicht eine Verpflichtung des Betriebes zum Abschluss eines Einzelvertrages. Hinzukommen musste vielmehr noch eine verantwortliche Tätigkeit und ein hervorragender Einfluss auf die Produktion. Es wäre nämlich nicht nachvollziehbar, dass dieses Erfordernis für Angehörige der wissenschaftlichen Intelligenz gegolten hätte, nicht jedoch für Angehörige der technischen Intelligenz. Soweit daher in § 1 Abs. 1 3. DB zur Entlohnungs-VO einzelne Berufsgruppen aufgeführt waren, stellt dies nichts anderes als eine konkretisierende Beschreibung der technischen Intelligenz dar und bedeutet nicht, dass mit jedem aus der dort genannten Berufsgruppe ein Einzelvertrag abgeschlossen werden musste.

Neben der außertariflichen Entlohnung kamen die in § 1 3. DB zur Entlohnungs-VO genannten leitenden Angestellten und Fachkräfte besonderer Qualifikation (§ 4 Entlohnungs-VO) außerdem in den Genuss einer zusätzlichen Altersversorgung, denn § 5 3. DB zur Entlohnungs-VO bestimmte, dass in alle Einzelverträge, die gemäß dieser Durchführungsbestimmung abzuschließen waren, die zusätzliche Altersversorgung entsprechend der Verordnung vom 17. August 1950 über die zusätzliche Alterversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben einzubeziehen war. § 5 3. DB zur Entlohnungs-VO ordnete somit lediglich die arbeitsrechtliche Pflicht des Betriebes zum Abschluss einer solchen Vereinbarung an, während § 1 Abs. 3 2. DB zur AVtI-VO deren versorgungsrechtliche Verbindlichkeit anerkannte (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R). Allerdings begründete der Einzelvertrag lediglich für den Personenkreis den konstitutiven Anspruch auf eine zusätzliche Altersversorgung, der nicht schon ohnehin abstrakt-generell nach § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 2. DB zur AVtI-VO in die AVtI einbezogen war. Begünstigt durch den Einzelvertrag waren daher in versorgungsrechtlicher Hinsicht nicht die Ingenieure, sondern u. a. Chemiker (mit verantwortlicher Tätigkeit und hervorragendem Einfluss auf die Produktion).

Entgegen der Ansicht des Klägers spricht die 3. DB zur Entlohnungs-VO auch dafür, dass Dipl.-Chemiker nicht wie Ingenieure und Techniker abstrakt-generell in die AVtI einbezogen waren. Die 3. DB zur Entlohnungs-VO und die 2. DB zur AVtI-VO stammen nicht nur vom selben Tag (24. Mai 1951), sondern auch vom selben Regelungsgeber (nämlich der "Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Ulbricht, Stellvertreter des Ministerpräsidenten"). Wäre tatsächlich beabsichtigt gewesen, Chemiker den Ingenieuren und Technikern auch im Rahmen der 2. DB zur AVtI-VO gleichzustellen, hätte es nahegelegen, beiden Durchführungsbestimmungen denselben oder zumindest einen ähnlichen Wortlaut zu geben. Dies ist jedoch nicht geschehen. Im Gegenteil: Während nach § 1 1. DB zur AVtI-VO als Angehörige der technischen Intelligenz im Sinne des § 1 der Verordnung neben Ingenieuren und Technikern auch noch Chemiker galten, die konstruktiv und schöpferisch in einem Produktionsbetrieb verantwortlich tätig waren und hervorragenden Einfluss auf die Herstellungsvorgänge nahmen, sowie konstruktiv und schöpferisch tätige Baumeister und Architekten, wurden de Chemiker mit der 2. DB zur AVtI-VO sogar (ausdrücklich) vom abstrakt-generellen Anwendungsbereich herausgenommen.

Das BSG hat im Urteil vom 10. April 2002 (B 4 RA 18/01 R) dazu u. a. ausgeführt: § 1 Abs. 1 Satz 1 2. DB zur AVtI-VO benennt nicht die Berufsgruppe der Dipl.-Chemiker. Insoweit war im Mai 1951 eine Änderung gegenüber der 1. DB zur AVtI-VO eingetreten. Für die Sparte "Chemie" wurden in der 2. DB zur AVtI-VO ausdrücklich nur noch "Techniker der Chemie" benannt. Die Nichterwähnung der Chemiker in § 1 Abs. 1 Satz 1 2. DB zur AVtI-VO ist auch kein bis zum 30. Juni 1990, also fast 50 Jahre, unbemerkt gebliebenes Redaktionsversehen, denn dafür gibt es keine objektivierbaren Anhaltspunkte in von der DDR verlautbarten Texten oder in deren Staatspraxis. Das Vorbringen der Klägerin in jenem Verfahren, wie auch das hiesige Vorbringen des Klägers, spricht zudem dagegen. Bedurfte es mit dem Mauerbau 1961 keines finanziellen Anreizes mehr, eine Abwanderung der Intelligenz zu verhindern, passt die nach der Textfassung restriktive Handhabung der AVtI, insbesondere bezogen auf Dipl.-Chemiker, durchaus in die gesellschaftspolitische Situation.

Der Kläger wird dadurch keinesfalls zum Opfer des Mauerbaus. Dies würde mindestens voraussetzen, dass er wegen der seiner Ansicht nach vorenthaltenen zusätzlichen Altersversorgung die Absicht gehabt hätte, die DDR zu verlassen. Dies wird noch nicht einmal von ihm selbst vorgetragen.

Auch die Einzelverträge-VO 1953, mit deren Verkündung am 30. Juli 1953 gleichzeitig alle entgegenstehenden Bestimmungen außer Kraft traten (§ 12 Abs. 1 und 2 Einzelverträge-VO 1953; wegen deren weiteren Fortgeltung vgl. auch die Verordnung zur Änderung von Bestimmungen über den Abschluss von Einzelverträgen mit Angehörigen der Intelligenz in der Deutschen Demokratischen Republik vom 15. März 1963 - GBl. DDR II 1963, 229), belegt nicht den Vortrag des Klägers, die AVtI sei nicht auf Ingenieure und Techniker begrenzt gewesen. Nach § 2 Abs. 1 Einzelverträge-VO 1953 waren Einzelverträge (lediglich) mit hochqualifizierten Wissenschaftlern, Ingenieuren, Technikern, Chemikern und Spezialisten, die ein Sondergehalt aufgrund des § 8 oder des § 9 der Verordnung vom 28. Juni 1952 über die Erhöhung der Gehälter für Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker in der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. DDR 1952, 510) erhielten. Darüber hinaus "konnten" Einzelverträge u. a. abgeschlossen werden mit Angehörigen der technischen Intelligenz, die konstruktiv und schöpferisch tätig waren, die große technische und wissenschaftliche Aufgaben für den schnelleren und planmäßigeren Aufbau der Industrie und Wirtschaft durchführten und ständig hervorragenden Einfluss auf die technisch-wissenschaftliche Weiterentwicklung nahmen, sowie mit hervorragenden Wirtschaftlern, Wissenschaftlern, Angehörigen der pädagogisch tätigen Intelligenz und anderen Angehörigen der Intelligenz, die in ihrem Bereich jeweils eine hervorragende Einflussnahme ausübten. Daran wird deutlich, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe allein zum Abschluss eines Einzelvertrages und damit zur individuellen Einbeziehung in die AVtI nicht genügte; vielmehr mussten zusätzliche Kriterien hinzutreten.

Dies schließt aus, dem Titel eines Ingenieurs und Technikers lediglich eine untergeordnete Bedeutung zuzumessen, zumal § 1 Abs. 1 Satz 3 2. DB zur AVtI-VO darauf ausdrücklich abstellt.

Fehlt es an dem entsprechenden Titel und erfolgte zu Zeiten der DDR auch keine Einbeziehung in die AVtI (im Wege einer Ermessensentscheidung oder durch Einzelvertrag), so ist nach der Rechtsprechung des BSG belanglos, ob andere Personen Aufgaben u. a. eines Ingenieurs oder Technikers wahrnahmen, ihnen arbeits- und gehaltstechnisch gleichgestellt waren oder ob diese bedeutenden Einfluss auf den Produktionsprozess hatten.

Die Nichtberücksichtigung von Chemikern, Physikern und Mathematikern stellt entgegen der Ansicht des Klägers auch keine Diskriminierung dieser Berufsgruppen dar. Der Senat hat nicht die Leistungen dieser Berufsgruppen zu beurteilen, sondern allein darüber zu befinden, ob sie unter Geltung von DDR-Recht einen Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung aus der AVtI hatten. Dies ist bezogen auf den hier zu entscheidenden Fall eines Dipl.-Chemikers nicht der Fall.

Der Kläger selbst behauptet nicht, zur Führung des Titels eines Ingenieurs oder Technikers befugt gewesen zu sein. Dass sein Hochschulstudium in beträchtlichem Umfang ein technisches Ingenieurstudium war, mag zutreffen. Gleichwohl hat es nicht dazu geführt, dass der Kläger den nach der AVtI allein maßgebenden Titel eines Ingenieurs oder Technikers erworben hat. Dies mag der Kläger rückschauend betrachtet als "Pech" ansehen. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Senats, vom Kläger im Nachhinein als ungünstig erkannte berufliche Entscheidungen zu bewerten, sondern er hat auf einen vorgefundenen individuellen Sachverhalt das Gesetz anzuwenden.

Die sonstigen vom Kläger genannten Vorschriften sind für die vorliegende Entscheidung gänzlich ohne rechtlichen Belang. Sie definieren ausgehend von einem bestimmten Zweck (Prämienzahlung, Zuschläge für ununterbrochene Beschäftigungsdauer, Verleihung eines Ehrentitels, Definition von Beschäftigungsgruppenkataloge für eine Fünfjahresplanung) eine bestimmte Personengruppe (ingenieurtechnisches Personal im weiteren Sinne). Dazu mag der Kläger zwar nach der 1. DB zur Prämienzahlung-VO, der Zuschläge-DB, der Verordnung über die Verleihung des Ehrentitels "Verdienter Techniker des Volkes" und nach der Anordnung vom 10. Dezember 1974 rechnen. In keiner dieser Vorschriften wird jedoch angeordnet, dass die dort genannten Personen zugleich der AVtI im Sinne der AVtI-VO zugehörig sind. Fehlt jedoch eine solche Bestimmung, so ergeben sich für die dort genannten Personen keine weiteren als die dort genannten Rechtsfolgen.

Der Kläger wird auch nicht in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG berührt. Eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme am 30. Juni 1990 gegebenen (abstrakt-generellen) Regelungen der DDR, auch soweit sie in sich willkürlich sind, durch die vollziehende oder die rechtsprechende Gewalt ist nicht zulässig. Der Einigungsvertrag (EV) hat grundsätzlich nur die Übernahme zum 03. Oktober 1990 bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften von "Einbezogenen" in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten (Anlage II zum EV Sachgebiet H, Abschnitt III, Nr. 9 Buchstabe a und a. a. O. Sachgebiet F, Abschnitt III, Nr. 8 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz - RAG -, wonach mit Wirkung vom 30. Juni 1990 die bestehenden Zusatzversorgungssysteme geschlossen wurden und keine Neueinbeziehungen mehr erfolgten). Eine Erweiterung des einbezogenen Personenkreises durch die vollziehende Gewalt oder die Rechtsprechung wäre im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG, wonach die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind, verfassungswidrig (BSG, Urteile vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R - und vom 09. April 2002 - B 4 RA 3/02 R).

Die Berufung des Klägers hat somit keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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