L 11 KA 67/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 KA 13/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 67/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 16/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.02.2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrenes. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Genehmigung der Ausführung und Abrechnung von Leistungen der Kernspintomographie nach der Vereinbarung von Qualifikationsvoraussetzungen gemäß § 135 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Durchführung von Untersuchungen in der Kernspintomographie (Kernspin-Vb).

Der Kläger ist seit 1996 Facharzt für radiologische Diagnostik (Anerkennung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt vom 28.03.1996). Seinem am 18.05.2000 gestellten Antrag auf Genehmigung der Ausführung und Abrechnung von Leistungen der Kernspintomographie legte er eine Bescheinigung des über die Befugnis zur Weiterbildung für das Gebiet der diagnostischen Radiologie (Befugnis der Ärztekammer Nordrhein vom 18.03.1998) verfügenden Arztes für radiologische Diagnostik Dr. L vom 15.05.2000 bei, aus der sich ergab, dass er seit dem 01.07.1997 in der Praxis für Radiologie L (Dres. T, L u.a.) in der kernspintomographischen Diagnostik ausgebildet worden war. Die Bescheinigung wies weiter aus, welche Untersuchungen in der Praxis stattfanden und welche Techniken dabei angewandt wurden. Zudem bescheinigte Dr. L dem Kläger, ca. 1.500 kernspintomographische Untersuchungen unter Anleitung selbstständig durchgeführt und befundet zu haben, die Hirn und Rückenmark, Skelett und Gelenke, Abdomen und Becken sowie die Thoraxorgane betrafen. Der Kläger sei zur selbstständigen Anwendung der von ihm erlernten Untersuchungstechniken und zur ärztlichen Durchführung der Untersuchung der genannten Organe befähigt.

In der Folgezeit fanden am 12.07.2000 und 14.03.2001 Kolloquien vor der Kernspintomographie-Kommission der Beklagten statt, die der Kläger jeweils nicht bestand. Am 27.06.2001 legte der Kläger vor der Ärztekammer Nordrhein erfolgreich die Prüfung zum Facharzt für diagnostische Radiologie ab, wobei 13 der in der mündlichen Prüfung behandelten 14 Fragenkomplexe den Bereich der Kernspintomographie betrafen. Die Beklagte bestand gleichwohl auf der Durchführung eines weiteren Kolloquiums. Da der Kläger sich hierzu nicht bereit fand, lehnte sie seinen Genehmigungsantrag ab (Bescheid vom 31.07.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2002). Zur Begründung berief sie sich auf § 8 Abs. 2 Kernspin-Vb in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.03.2001 (Dt. Ärzteblatt 2001, A-716). Die durch das zweimalige Nichtbestehen des Kolloquiums begründeten Zweifel an der fachlichen Qualifikation des Klägers seien durch die Vorlage der Urkunde über die Anerkennung als Facharzt für diagnostische Radiologie nicht ausgeräumt worden.

Mit der Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat der Kläger vorgetragen, seine fachliche Qualifikation gelte gemäß § 4 Abs. 2 Kernspin-Vb als nachgewiesen. Die Vorschrift beinhalte eine Fiktion, die für die Durchführung eines Kolloquiums nach § 8 Abs. 2 Kernspin-Vb keinen Raum lasse. Jedenfalls könnten "begründete Zweifel" im Sinne dieser Regelung nicht aus Umständen hergeleitet werden, die zeitlich vor dem Erwerb der Facharztbezeichnung lägen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 31.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung von kernspintomographischen Untersuchungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, § 4 Abs. 2 Kernspin-Vb stelle lediglich eine widerlegbare Vermutung auf, sodass Raum für die Durchführung eines Kolloquiums bleibe, wenn - wie hier - begründete Zweifel an der Qualifikation des Klägers bestünden. Im Übrigen fehle es am Nachweis der in § 4 Abs. 1 Nr. 1b bis 1d Kernspin-Vb vorgesehenen 200 selbstständigen Untersuchungen bei Kindern, 1.000 Untersuchungen des Schädels und Spinalkanals sowie 500 weitere Untersuchungen.

Das SG hat die Prüfungsunterlagen der Ärztekammer Nordrhein beigezogen und der Klage sodann stattgegeben (Urteil vom 26.02.2003). Es hat im Wesentlichen ausgeführt, Ärzte für diagnostische Radiologie müssten nur die auf sie bezogenen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1a Kernspin-Vb, nicht auch die auf andere Facharzt- bzw. Schwerpunktbezeichnungen zugeschnittenen Voraussetzungen erfüllen. Zwar könne § 8 Abs. 2 Kernspin-Vb grundsätzlich auch im Falle des § 4 Abs. 2 Kernspin-Vb zur Anwendung kommen, jedoch nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Kernspin-Vb nicht gleichzeitig zum Erwerb der jeweiligen Facharztbezeichnung gegenüber der Ärztekammer nachgewiesen werden müssten. Das sei nach der Fassung der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein (WBO), die zum Erwerb der Gebietsbezeichnung "diagnostische Radiologie" 1.000 kernspintomographische Untersuchungen an den in § 4 Abs. 1 Nr. 1a Kernspin-Vb bezeichneten Organen voraussetze, jedoch der Fall. Unter diesen Umständen sei kein Grund ersichtlich, eine Doppelprüfung der Qualifikation des Klägers durchzuführen, zumal die Kernspintomographiekommissionen der Kassenärztlichen Vereinigungen keine höhere Kompetenzvermutung für sich hätten als die Ärztekammern.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nunmehr auch die Auffassung vertritt, die vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen belegten nicht eindeutig die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Kernspin-Vb, zumal sie nicht hinreichend aussgekräftig seien. Auch hieraus ergäben sich begründete Zweifel im Sinne von § 8 Abs. 2 Kernspin-Vb, die die Durchführung eines weiteren Kolloquiums rechtfertigten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.02.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG zumindest im Ergebnis für richtig und meint, er müsse lediglich die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Kernspin-Vb in der bis zum 31.03.2001 geltenden Fassung (a.F.) erfüllen, da er den Genehmigungsantrag vor dem 01.04.2001 gestellt habe.

Auf Hinweis des Senates hat der Kläger eine sog. "Zeugnisergänzung" von Dr. L vom 24.09.2003 überreicht, derzufolge sich das Patientengut der Gemeinschaftspraxis aus Patienten mit Erkrankungen auf dem Gebiet der Inneren Medizin, der Chirurgie, Orthopädie, Gynäkologie, Neurologie, Neurochirurgie, Pädiatrie, Hals-Nasen-Ohren- und Augenheilkunde zusammensetzt. Der Kläger habe zunächst 600 Untersuchungen unter Anleitung, in der Folgezeit 1.400 Untersuchungen selbstständig durchgeführt und diagnostisch beurteilt. Auf weitere Nachfrage des Senates hat er in der mündlichen Verhandlung eine "Erklärung zur Zeugnisergänzung" von Dr. L vom 10.02.2004 vorgelegt, wonach sich die bescheinigte Anzahl von 600 unter Anleitung erbrachten Untersuchungen auf den erstmaligen Zeitpunkt der Anmeldung zum Kolloquium bezog und der Kläger bis zum 31.12.2000 weitere 750 Untersuchungen unter Anleitung durchgeführt hat.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen. Die Verwaltungsakte der Beklagten ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Genehmigung der Ausführung und Abrechnung von Leistungen der Kernspintomographie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung aus § 2 Satz 2 Kernspin-Vb hat.

Maßgebend sind die Vorschriften der Kernspin-Vb in der zum 01.04.2001 in Kraft getretenen Fassung der Bekanntmachung vom 16.03.2001. Dem steht einerseits nicht entgegen, dass der Kläger den Genehmigungsantrag bereits vorher gestellt hat. Soweit es bei berufsbezogenen Zulassungs- oder Genehmigungsanträgen mit Blick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 Abs. 1 Grundgesetz) geboten ist, das Recht anzuwenden, das im Falle einer rechtzeitigen und zutreffenden behördlichen Entscheidung gegolten hätte (vgl. BVerwGE 4, 81, 88; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. (2003), § 113 Rdnr. 223 m.w.N.), wirkt sich dies nur zugunsten des jeweiligen Bewerbers aus. Denn es besteht kein Anlass, den Kläger schlechter zu stellen, als er bei Antragstellung erst nach dem 31.03.2001, aber noch vor Erlass der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen gestanden hätte. Andererseits reicht es allerdings auch nicht, dass er aufgrund des zwischenzeitlichen Erwerbs der Facharztbezeichnung "Diagnostische Radiologie" nunmehr lediglich die in § 4 Abs. 1 Kernspin-Vb a.F. genannten Voraussetzungen erfüllt, wonach bereits der Erwerb dieser Facharztbezeichnung zum Genehmigungsanspruch führt. Denn er hat diese Bezeichnung erst am 27.06.2001 und damit nach Inkrafttreten der geänderten Vereinbarung erworben.

Es besteht kein Zweifel und zwischen den Beteiligten auch kein Streit darüber, dass der Kläger die Voraussetzungen der apparativen Ausstattung gemäß Abschn. C und Anlage I Kernspin-Vb erfüllt. Streitig ist allein, ob er auch den in Abschn. B Kernspin-Vb näher geregelte Anforderungen an seine fachliche Befähigung genügt. Dies ist entgegen der Auffassung der Beklagten jedoch der Fall.

Die für den Kläger maßgeblichen Anforderungen ergeben sich dabei aus § 4 Abs. 2 Kernspin-Vb. Danach gilt die fachliche Qualifikation nach § 4 Abs. 1 Kernspin-Vb unter drei Voraussetzungen als erfüllt: Die maßgebende Weiterbildungsordnung muss in einem Fachgebiet für eine Weiterbildung in der Kernspintomographie den Erwerb eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten vorschreiben, der Arzt muss die Erbringung in § 4 Abs. 1 Nr. 1 geregelten Leistungen nachweisen, und er muss berechtigt sein, eine der in § 4 Abs. 1 Nr. 2 genannten Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen zu führen.

Ob diese Merkmale vorliegen, unterliegt in vollem Umfang richterlicher Kontrolle. Der Beklagten steht insoweit kein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Zwar zielt die von ihr nach § 4 Kernspin-Vb vorzunehmende Prüfung auf den Nachweis einer Fachqualifikation ab. Diese erfolgt jedoch, mit Ausnahme des nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 5, 8 Abs. 2 Kernspin-Vb gegebenenfalls abzulegenden Kolloquiums, nicht in dem Sinne, dass ein bestimmtes Leistungsprofil aufgrund einer wertenden Beurteilung festgestellt wird. Vielmehr geht es (lediglich) um die Überprüfung von Nachweisen und Zeugnissen, die bereits von anderer Stelle, insbesondere der Ärztekammer und des mit der Weiterbildung befassten Arztes, ausgestellt worden sind und deren Inhalt sich auch ohne Einschätzungsprärogative der Beklagten ohne weiteres objektiv ermitteln lässt.

Der Kläger ist berechtigt, die Gebietsbezeichnung "Diagnostische Radiologie" zu führen. Hierzu musste er eingehende "Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten ... in der Magnetresonanz" nachweisen (Abschn. A Ziff. 8.A WBO).

Der Kläger hat die selbstständige Indikationsstellung, Durchführung und Befundung von 1.000 kernspintomographischen Untersuchungen von Hirn, Rückenmark, Skelett, Gelenken, Abdomen, Becken und Thoraxorganen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1a Kernspin-Vb durch Zeugnisse belegt, die den Anforderungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 Kernspin-Vb genügen.

Hierfür ist es zunächst unerheblich, dass die von ihm vorgelegten Schriftstücke nicht sämtlich mit "Zeugnis" überschrieben sind, sondern z.T. den Titel "Zeugnisergänzung" bzw. "Erklärung zur Zeugnisergänzung" tragen. Anders als beim Arbeitszeugnis (vgl. § 630 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch) handelt es sich bei den vom Kläger vorzulegenden Zeugnissen nicht um solche, auf deren Ausstellung er einen gesetzlich verbrieften Anspruch hat, kraft dessen das betreffende Schriftstück ausdrücklich und unmissverständlich als "Zeugnis" zu bezeichnen ist. Vielmehr reicht es aus, dass der um die Genehmigung nachsuchende Arzt Bescheinigungen vorlegt, die mit hinreichender Deutlichkeit die in § 4 Kernspin-Vb aufgeführten Erfordernisse be"zeugen".

Die Zeugnisergänzung durch den für die Weiterbildung des Klägers zuständigen Dr. L vom 24.09.2003 belegt die Zusammensetzung des Krankheitsgutes der Praxis, in der die Weiterbildung des Klägers stattgefunden hat (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 1. Spiegelstrich Kernspin-Vb). Hierfür ist es - zumal angesichts der großen Zahl an Untersuchungen, die durchgeführt und bescheinigt werden müssen - nicht erforderlich, dass die einzelnen Krankheitsbilder geschweige denn einzelne Patienten bezeichnet werden. Das belegt schon der Vergleich zu § 3 Abs. 2 der Vereinbarung über die ambulante Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten, wonach die Vertragspartner andernfalls vom Erfordernis einer "Dokumentation" sprechen. Dementsprechend genügt es, wenn - wie hier geschehen - nachgewiesen wird, dass sich das Krankengut aus nahezu allen wesentlichen medizinischen Fachrichtungen zusammengesetzt hat.

Dem von Dr. L ausgestellten Zeugnis vom 15.05.2000 lässt sich weiter entnehmen, welche kernspintomographischen Untersuchungsmethoden der Kläger an welchen Geräten durchgeführt hat und dass dabei alle in § 4 Abs. 1 Nr. 1a Kernspin-Vb bezeichneten Organe umfasst waren (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 2. Spiegelstrich Kernspin-Vb). Ebenso bestätigt das Zeugnis die Befähigung des Klägers zur selbstständigen Durchführung von Untersuchungen dieser Organe und zur selbstständigen Anwendungen der genannten Untersuchungstechniken (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 4. Spielgestrich Kernspin-Vb).

Schließlich ergibt sich jedenfalls aus einer Gesamtschau der vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen die erforderliche Zahl der von ihm unter Anleitung erbrachten und selbstständig durchgeführten Untersuchungen und diagnostischen Beurteilungen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 3. Spiegelstrich Kernspin-Vb).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es dabei lediglich erforderlich, dass der Kläger als Facharzt für diagnostische Radiologie die in § 4 Abs. 1 Nr. 1a Kernspin-Vb näher bezeichneten 1.000 Untersuchungen nachweist. Demgegenüber muss er nicht auch 200 Untersuchungen von Kindern, 1.000 Untersuchungen des Schädels und Spinalkanals und 500 weitere Untersuchungen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1b bis 1d Kernspin-Vb belegen. Hierzu sind nämlich jeweils nur diejenigen Ärzte verpflichtet, die die in den weiteren Alternativen des § 4 Abs. 1 Kernspin-Vb genannten Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen führen. Für diese Sichtweise spricht einmal, dass sich die einzelnen Alternativen des § 4 Abs. 1 Kernspin-Vb erkennbar auf die Bezeichnungen in § 4 Abs. 1 Nr. 2 Kernspin-Vb beziehen. Zudem ergäbe es sonst keinen Sinn, dass in § 4 Abs. 1 Nr. 1d für den Bereich "Nuklearmedizin" lediglich 500 Untersuchungen ohne nähere Bezeichnung gefordert werden. Dementsprechend hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung im Zusammenhang mit der Bekanntmachung der geänderten Kernspin-Vb in ihren "Mitteilungen" ausgeführt, die Untersuchungszahlen bezögen sich auf die jeweiligen Fachgebiete (Dt. Ärzteblatt 2001, A-716). Schließlich entsprechen die fachgebietsbezogenen Anforderungen auch der Regelungspraxis der Vertragspartner in anderen, spezielle Qualifikationserfordernisse regelnden Vereinbarungen (vgl. z.B. § 5 der Vereinbarung von Qualifikationsvoraussetzungen gemäß § 135 Abs. 2 SGB V zur Durchführung von Untersuchungen in der Ultraschalldiagnostik).

Die danach notwendigen 1.000 Untersuchungen hat der Kläger jedenfalls aufgrund einer Gesamtschau der von ihm vorgelegten Zeugnisse nachgewiesen. Danach bestätigen die Zeugnisergänzung vom 24.09.2003 und die Erklärung hierzu vom 10.02.2004, dass er zumindest 1.350 Untersuchungen selbstständig unter Anleitung erbracht hat. Dass die Untersuchungen selbstständig durchgeführt worden sind, ergibt sich dabei aus dem Zeugnis vom 15.05.2000, das auch die selbstständige Befundung bestätigt. Soweit § 8 Abs. 1 Nr. 2 3. Spiegelstrich Kernspin-Vb darüberhinaus dem Wortlaut nach eine Differenzierung zwischen solchen Untersuchungen verlangt, die unter Anleitung stattgefunden haben, und solchen, die selbstständig durchgeführt worden sind, kommt dem im Hinblick auf das zum 01.04.2001 aufgestellte Erfordernis, die Untersuchungen "selbstständig unter Anleitung" zu erbringen (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Kernspin-Vb), eigenständige Bedeutung nur noch insoweit zu, als erkennbar sein muss, welcher Anteil der insgesamt vom Arzt selbstständig durchgeführten Untersuchungen unter Anleitung im Sinne einer Supervision durch den zur Weiterbildung befugten Arzt erfolgt ist. Das lässt sich den Bescheinigungen jedoch nunmehr mit hinreichender Deutlichkeit erkennen. Schließlich hat der Senat keine Zweifel, dass die Zeugnis jedenfalls inzidenter auch die selbstständige Indikationsstellung umfasst, nachdem § 8 Abs. 1 Nr. 2 3. Spiegelstrich Kernspin-Vb eine gesonderte Bescheinigung insoweit nicht verlangt.

Für die weiter gehende Forderung der Beklagten nach einer Teilnahme des Klägers an einem zusätzlichen Kolloquium, gleichgültig bei welcher Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), besteht im vorliegenden Fall keine Rechtsgrundlage.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beklagte mit ihrer dahingehenden Forderung allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil er den Nachweis seiner Befähigung nach § 4 Abs. 2 Kersnpin-Vb erbracht hat. Zwar "gilt" nach dieser Bestimmung die fachliche Qualifikation nach § 4 Abs. 1 Kernspin-Vb als erfüllt, was die sonst zwingend erforderliche erfolgreiche Teilnahme an einem Kolloquium nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 Kernspin-Vb einschließt. Andererseits kann die Beklagte aber nach § 8 Abs. 2 Kernspin-Vb die Teilnahme an einem solchen Kolloquium verlangen, wenn "trotz der vorgelegten Zeugnisse begründete Zweifel" bestehen, dass die Anforderungen an die fachliche Befähigung erfüllt sind. Diese Vorschrift kann sich nur auf § 4 Abs. 2 und 3 Kernspin-Vb beziehen, weil alle anderen Fähigkeitsnachweise (nach §§ 4 Abs. 1 und 4, 4a Kernspin-Vb) bereits unter die Regelung des § 8 Abs. 3 Kernspin-Vb fallen, die ein Kolloquium ohnehin zwingend vorschreibt. Obwohl § 4 Abs. 2 Kernspin-Vb und § 8 Abs. 2 Kernspin-Vb damit an und für sich miteinander unvereinbare Rechtsfolgen anordnen, führt dies indessen nicht zur Unwirksamkeit beider Bestimmungen wegen Perplexität. Denn § 4 Abs. 5 Kernspin-Vb, wonach § 8 "Näheres zu den Zeugnissen und Kolloquien" regelt, ordnet insoweit den Vorrang des § 8 Abs. 2 Kernspin-Vb im Sinne einer Spezialvorschrift an. Als Folge dessen ist § 4 Abs. 2 Kernspin-Vb in Bezug auf § 4 Abs. 1 Nr. 5 Kernspin-Vb dahingehend zu lesen, dass die Anforderung einer erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium lediglich als erfüllt angesehen werden "kann", bei begründeten Zweifeln an der Qualifikation gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Kernspin-Vb aber nicht angesehen werden muss.

Derartige begründete Zweifel hat die Beklagte jedoch nicht dargetan, noch sind sie sonst erkennbar geworden.

Anders als bei den in § 4 Kernspin-Vb genannten Erfordernissen steht der Beklagten bei der Überprüfung, ob begründete Zweifel im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 Kernspin-Vb bestehen, ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Denn sie hat insoweit eine qualifikationsbezogene eigenständige Wertung vorzunehmen, die schon aufgrund des Begriffs "Zweifel" eine Einschätzungsprärogative voraussetzt. Andererseits haben die Vertragspartner durch den Zusatz "begründet" klar gestellt, dass die KÄV in dieser Einschätzung keineswegs frei ist. Vielmehr hat sie, wie auch sonst bei Anerkennung eines Beurteilungsspielraums, ihre wesentlichen tatsächlichen Erwägungen und die Schlussfolgerungen daraus nachvollziehbar zu verdeutlichen. Das ist hier indessen nicht geschehen.

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Kernspin-Vb müssen sich die Zweifel nicht undifferenziert auf die fachliche Befähigung des Arztes allgemein, sondern auf die in Abschn. B der Vereinbarung festgelegten Anforderungen beziehen. Das sind beim Kläger lediglich die in § 4 Abs. 1 Nr. 1a Kernspin-Vb geregelten 1.000 Untersuchungen und die Berechtigung, die Gebietsbezeichnung "diagnostische Radiologie" zu führen (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Kernspin-Vb).

Zweifel an der Berechtigung zum Führen dieser Gebietsbezeichnung kommen dabei allerdings von vornherein nicht als "begründete Zweifel" im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 Kernspin-Vb in Betracht. Denn nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen (GV NRW 2000, S. 403) darf die in der WBO vorgesehenen Gebietsbezeichnungen führen, wer die erforderliche Weiterbildung erfolgreich abgelegt hat. Diese abstrakt-generelle Regelung bewirkt auch eine Bindung der Beklagten an die Entscheidung der Ärztekammer, ohne dass sie diese in irgendeiner Form noch in Frage stellen kann. Die bereits im Widerspruchsbescheid geäußerte und im Gerichtsverfahren wiederholte Auffassung der Beklagten, die nach zwei nicht bestandenen Kolloquien entstandenen Zweifel an der fachlichen Befähigung des Klägers könne nicht durch "die Urkunde als Facharzt für diagnostische Radiologie ersetzt werden", hat daher keine Grundlage.

"Begründete Zweifel" im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 Kernspin-Vb können sich danach lediglich in Bezug auf das Erfordernis der durchgeführten 1.000 Untersuchungen im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1a Kernspin-Vb ergeben. Der Senat kann es dabei dahinstehen lassen, ob die Beklagte entsprechende Zweifel unter vollständigem Austausch ihrer bisherigen Argumentation, die sich allein auf die Facharztanerkennung bezog, noch in der mündlichen Verhandlung der zweiten Tatsacheninstanz nachschieben durfte. Denn jedenfalls hat sie insoweit keine begründeten Zweifel dargelegt. Im Kern beziehen sich die nunmehr geäußerten Zweifel offenbar darauf, die vom Kläger beigebrachten Zeugnisse seien nicht hinreichend aussagekräftig. Indessen regelt § 8 Abs. 1 Kernspin-Vb abschließend, welche inhaltlichen Anforderungen an die Zeugnisse zu stellen sind. Begründete Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der bescheinigten Tatsachen oder der Qualität der bescheinigten Ausbildung, z.B. hinsichtlich des untersuchten Patientengutes oder der angewandten Methoden, hat die Beklagte demgegenüber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen. Sie sind im Übrigen auch nicht erkennbar, und zwar umso weniger, als vergleichbare Zeugnisse auch nach § 8 Abs. 1 Kernspin-Vb a.F. vorzulegen waren und der Vorsitzende der Kernspintomographie-Kommission der Beklagten, Dr. B, ausweislich eines internen Aktenvermerks in der Verwaltungsakte bereits zum Zeugnis vom 15.05.2000 ausgeführt hat "eingesehen und überprüft - keine Beanstandungen".

Da die Beklagte keine begründeten Zweifel im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 Kernspin-Vb dargelegt hat, hat der Kläger einen bindenden Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung (§ 2 Satz 2 Kernspin-Vb). Erst das berechtigte Bestehen solcher Zweifel eröffnet nämlich das Ermessen, die Genehmigung von der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium abhängig zu machen. Zu Recht hat daher das SG die Beklagte zur Erteilung der Genehmigung und nicht nur zur ermessensfehlerfreien Neubescheidung verurteilt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der durch den Rechtsstreit aufgeworfenen und bislang höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfragen zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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