L 10 AL 250/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 226/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 250/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 31.05.2001 sowie die Bescheide vom 23.05.1997 und 05.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.1997 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung einer Umschulung zur Altenpflegerin sowie die Rückerstattung überzahlter Leistungen und der geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.

Die 1951 geborene Klägerin ist gelernte Schneiderin und bezog zuletzt Arbeitslosengeld.

Am 16.09.1996 beantragte sie die Förderung der Umschulung zur staatlich anerkannten Altenpflegerin. Im Antragsformular waren Fragen zum Gesundheitszustand nicht gestellt worden.

Mit Bescheid vom 15.10.1996 bewilligte die Beklagte die Förderung der Umschulung (Maßnahmekosten) und mit Bescheid vom 17.10.1996 Unterhaltsgeld vom 01.10.1996 bis 30.09.1998.

Nachdem die Beklagte von Rückenbeschwerden der Klägerin erfahren hatte, die diese ca. 1994 gehabt habe, veranlasste sie eine ärztliche Begutachtung zur Frage, ob die Klägerin in dem Beruf der Altenpflegerin uneingeschränkt eingesetzt werden könne. Aufgrund der Untersuchung der Klägerin am 08.04.1997 stellte der Gutachter der Beklagten fest, die Klägerin sei für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig, aber als Altenpflegerin nicht uneingeschränkt einsetzbar. Dieses Gutachten stütze sich u.a. auf ein vom Chirurgen Dr.G. am 25.04.1997 erstattetes Gutachten, der unter entsprechender Arbeitsplatzgestaltung wegen des Engagements der Klägerin eine Tätigkeit als Altenpflegerin allerdings für möglich hielt.

Die Beklagte brach aufgrund des Gutachtens die Teilnahme an der Maßnahme ab 20.05.1997 aus wichtigem Grund ab. Sie stellte die bewilligten Leistungen am 23.05.1997 ab 20.05.1997 ein und forderte mit Bescheiden vom 05.06.1997 über diesen Zeitpunkt hinaus geleistete Zahlungen in Höhe von insgesamt 186,11 DM sowie die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 10,55 DM zurück.

Gegen den vorzeitigen Abbruch der Maßnahme durch die Beklagte legte die Klägerin Widerspruch ein. Ihr Hausarzt Dr.R. hätte ihr vor Beginn der Maßnahme attestiert, ihre körperliche Konstitution sei hinreichend für die Ausübung des Berufes der Altenpflegerin (Attest vom 02.08.1996). Dieses Attest sei Grundlage für die Genehmigung der Bildungsmaßnahme gewesen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.1997 zurück. Die Klägerin habe erst während der Maßnahme, nicht aber bei Beantragung der Maßnahme angegeben, Rückenbeschwerden vor ca. 3 Jahren gehabt zu haben.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben und diese damit begründet, sie habe die Maßnahme auf eigene Kosten fortgesetzt und erfolgreich abgeschlossen. Es habe sich bei den vorausgegangenen Rückenbeschwerden lediglich um einen kleinen Bandscheibenvorfall gehandelt. Seit der damaligen Behandlung habe sie jedoch keine Rückenbeschwerden mehr. Arbeitsschutzbestimmungen und Belehrungen der Beschäftigten schlössen ein schweres Heben und Tragen im Bereich der Altenpflege weitestgehend aus. Sie habe im Vorfeld der Umschulungsmaßnahme auf ihre Rückenbeschwerden hingewiesen. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liege nicht vor.

Die Klägerin hat u.a. einen Bericht über eine ärztliche Untersuchung bei den Radiologen Dr.S. & Kollegen vom 13.10.1997 und über eine stationäre Behandlung im Krankenhaus Hohe Warte vom 05.11.1994 bis 18.11.1994 (diskrete Wölbung der Bandscheibe ohne sicheren Bandscheibenvorfall) vorgelegt.

Die Beklagte hat mitgeteilt, sie bestreite nicht, dass die Klägerin in den der Umschulung vorangegangenen Beratungsgesprächen etwas über Rückenbeschwerden geäußert habe. Das tatsächliche Ausmaß habe sie jedoch nicht angegeben. Aufgrund des Attestes des Hausarztes sei aber eine ärztliche Untersuchung vor Beginn der Maßnahme nicht angezeigt gewesen. Die Krankenkasse der Klägerin hat mitgeteilt, Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin wegen Wirbelsäulenbeschwerden hätten zuletzt vom 11.09. bis 15.09.1995 vorgelegen, der behandelnde Hausarzt Dr.R. hat nach 1995 lediglich für den 15.12.1998 eine Behandlung wegen LWS-Beschwerden mitgeteilt.

Der vom SG beauftragte Sachverständige, Ltd. Medizinaldirekter Prof. Dr.S. , hat in seinem Gutachten vom 19.02.2001 nach Untersuchung der Klägerin am 26.01.2001 ausgeführt, seit dem Zeitpunkt der Bewilligung der Umschulungsmaßnahme sei es zu keiner wesentlichen Befundänderung gekommen, lediglich im Segment L 3/4 sei eine geringfügige Bandscheibenvorwölbung neu hinzugekommen. Die früheren Wirbelsäulenbeschwerden seien allerdings nicht zur Ruhe gekommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 31.05.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei wegen ihrer Wirbelsäulenbeschwerden nicht uneingeschränkt als Altenpflegerin einsetzbar. Zu Wirbelsäulenbeschwerden sei es immer wieder gekommen. Erst die amtsärztliche Untersuchung im Jahre 1997 habe Klarheit über Art und Ausmaß des rechtlich relevanten Leistungsvermögens erbracht, erst hierdurch sei das Tatbestandsmerkmal der Eignung entfallen und damit eine wesentliche Änderung eingetreten. Die Aufhebung der Bewilligung ex nunc und die Rückforderung seien daher rechtmäßig.

Die zum Bayer. Landessozialgericht eingelegte Berufung hat die Klägerin damit begründet, eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand sei nicht eingetreten. Wenn, was von der Beklagten nicht bestritten werde, im Vorfeld der Umschulungsmaßnahme die Klägerin Wirbelsäulenbeschwerden angegeben habe (in welchem Umfang auch immer), so hätte die Beklagte dies zu weiteren Ermittlungen veranlassen müssen, insbesondere wenn es um die Umschulung in einem Beruf mit schwerem Heben und Tragen gehe.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 31.05.2001 sowie die Bescheide vom 23.05.1997 und 05.06.1997 i.d.G des Widerspruchsbescheides vom 27.06.1997 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die Klägerin behaupte nicht, bei der Beratung vor der Umschulungsmaßnahme von nachhaltigen Rückenbeschwerden oder von einem Bandscheibenvorfall gesprochen zu haben, so dass unter Berücksichtigung des hausärztlichen Attestes keine Nachforschungen der Beklagten erforderlich gewesen seien. Dadurch dass die Klägerin nach dem 20.05.1997 (vorübergehend) nicht mehr an der Maßnahme teilgenommen habe, sei eine wesentliche Änderung eingetreten.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth ist aufzuheben. Die Bescheide vom 23.05.1997 und 05.06.1997 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 27.06.1997 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Aufhebung der die Umschulung bewilligenden Bescheide vom 15.10.1996 und 17.10.1996 sowie die Rückforderung überzahlter Leistungen ist rechtswidrig.

Die Beklagte kann die Aufhebung nicht auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) stützten, denn eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin ist zwischen der Bewilligung der Umschulungsmaßnahme im Oktober 1996 und der Aufhebung der Bewilligung im Mai 1997 nicht eingetreten.

Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Voraussetzung für die Feststellung, ob eine Änderung vorliegt, ist ein Vergleich zwischen den - in Wirklichkeit gegebenen - Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses der bindend gewordenen letzten bescheidmäßigen Feststellung der Leistung und dem Zustand im Zeitpunkt der Neufeststellung. Es müssen ausreichende Vergleichsunterlagen, d.h. bei Änderung der medizinischen Verhältnissen insbesondere genügend vergleichbare Befunde vorliegen. Andernfalls darf der nicht aufgehoben werden (vgl. Wiesner in v.Wulffen, SGB X, 4.Aufl., § 48 RdNr. 7 m.w.N.). Eine tatsächliche Änderung in den Verhältnissen liegt vor, wenn sich der zugrunde liegende Sacherhalt geändert hat. Hierunter fällt nicht die nachträgliche Gewinnung von Erkenntnissen (vgl. Niesel, SGB III, 2.Aufl., § 330 RdNr. 37).Die Klägerin war bis Mai 1997 zuletzt im Dezember 1995 - also vor Bewilligung der Umschulungsmaßnahme - in ärztlicher Behandlung wegen Rückenbeschwerden. Solche Beschwerden hat sie unstreitig vor Bewilligung der Maßnahme der Beklagten mitgeteilt - in welchem Umfang auch immer. Den Inhalt des ärztlichen Attestes hat die Klägerin nicht zu verantworten und nicht zu prüfen. Laut dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten von Prof. Dr.S. ist am 11.09.1995 eine akute Lumboischialgie ohne sensible Störungen an den unteren Gliedmaßen und ein akutes LWS-Syndrom vom 11.12.1995 bis 14.12.1995 ohne Parästhesien oder neurologische Ausfälle angegeben. Ein erneutes akutes LWS-Syndrom mit Myogelosen und ohne Parästhesien trat erst wieder am 15.12.1998 auf. Seit Oktober 1996 ist es nach dem CT-Befund der Lendenwirbelsäule aus dem Jahr 1997 zu keiner wesentlichen Befundänderung gekommen, lediglich im Segment L 3/4 ist eine geringgradige Bandscheibenvorwölbung neu hinzugekommen. Eine Veränderung des gesundheitlichen Zustandes wird vom Sachverständigen nicht gesehen und von der Beklagten letztendlich auch nicht geltend gemacht. Diese führt vielmehr aus, der gleichgebliebene Gesundheitszustand der Klägerin sei erst im Mai 1997 realisiert und objektiviert worden. Dies stellt allerdings keine wesentliche Änderung i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. Eine wesentliche Änderung ist auch nicht darin zu sehen, dass die Klägerin - wie die Beklagte angibt - nach dem 20.05.1997 zunächst nicht mehr an der Maßnahme teilgenommen haben hat, denn dies wäre allenfalls die - zwangsläufige - Reaktion der Klägerin auf den ihr am 20.05.1997 mitgeteilten und von der Beklagten veranlassten Abbruch der Maßnahme gewesen.

Eine anderweitige Rechtsgrundlage für das Vorgehen der Beklagten findet sich nicht. Insbesondere kann die Beendigung der Maßnahme nicht auf § 45 Abs. 1 SGB X gestützt werden. Nach § 45 Abs. 1 S. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter weiteren Einschränkungen ganz oder teilweise m.W. für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit er rechtswidrig ist. Ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 S.1 und 2 SGB X). Vorliegend hat die Klägerin auf das Fortdauern der Umschulungsmaßnahme vertraut und ihr Vertrauen ist unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme der Bewilligung auch schutzwürdig. Die Klägerin hat auf die Durchführung der Umschulung vertraut und hat sich hierauf eingerichtet. Diese Umschulung hat sie auch bereits seit ca. 7 Monaten erfolgreich durchgeführt. Ein öffentliches Interesse an einem Abbruch der Umschulung, was dazu führen würde, dass die Klägerin, die in diesem Beruf seit nunmehr 5 Jahren vollzeitbeschäftigt ist, wieder arbeitslos geworden wäre, ist nicht zu erkennen. Auch handelte es sich nicht um die Rücknahme einer auf Jahre hinaus zu erbringenden Leistung. Allein die Tatsache der eventuellen Rechtswidrigkeit der Bewilligung ist bei dieser Abwägung unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses nicht zu berücksichtigen. Die Rechtswidrigkeit ist vielmehr Voraussetzung, um zu dieser Abwägung zu kommen. Zumindest hat die Behörde bei Fehlen anderweitiger Anhaltspunkte zu beweisen, dass die Klägerin nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat (Wiesner in v.Wulffen a.a.O. § 45 RdNr. 16). Entsprechende Anhaltspunkte finden sich hier nicht.

Die Klägerin kann sich auch auf dieses Vertrauen berufen, denn sie hat den Verwaltungsakt weder durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X), noch beruht er auf Angaben, die sie vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), noch hat sie die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 HS 2 SGB X). Die Klägerin hat die Beklagte nicht arglistig getäuscht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sie sich Ende 1995 bis zur Bewilligung der Umschulungsmaßnahme im Oktober 1996 wegen Wirbelsäulenbeschwerden nicht mehr in ärztliche Behandlung begeben musste, ihr Hausarzt ihr konstitionelle Eignung bescheinigt hatte. Dem Mitarbeiter der Beklagten gegenüber hatte sie ihre Rückenbeschwerden (in welchem Umfang auch immer) mitgeteilt. Die Klägerin hat auch nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht. Schriftlich wurde sie zu ihren Gesundheitszustand nicht befragt und gegenüber der Beklagten hat sie Rückenbeschwerden angegeben. Deren Umfang und Stärke hat allerdings die Beklagte zu ermitteln. Medizinisch korrekte Ausdrucksweise sowie eine genaue Unterscheidung zwischen den verschiedenen Wirbelsäulen- und Bandscheibenveränderungen und deren Auswirkungen auf eine bestimmte berufliche Tätigkeit können vom Antragsteller nicht erwartet werden. Die Klägerin hat auch nicht die Rechtswidrigkeit der Bewilligung gekannt bzw. grob fahrlässig nicht gekannt. Davon, dass sie die Anforderungen an das Berufsbild der Altenpflegerin genau kannte und nach einem Vergleich mit ihrem Gesundheitszustand zu dem - alleinigen - Ergebnis kommen musste, ungeeignet für die Tätigkeit als Altenpflegerin zu sein, ist nicht auszugehen, zumal nicht einmal die Gutachten von Prof. Dr.S. und Dr.G. und schon gar nicht das Attest des behandelnden Hausarztes dies in einer ins Auge springenden Klarheit ausführen. Grobe Fahrlässigkeit, d. h. die Verletzung der subjektiven Sorgfaltspflicht in besonders schwerem Maße, liegt daher nicht vor.

Zudem scheitert eine Rücknahme der Bewilligung der Maßnahme an der fehlenden Ermessensentscheidung durch die Beklagte. Eine solche ist bei einer Rücknahme für die Vergangenheit nur dann nicht zu treffen, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen. Bei einer Rücknahme für die Zukunft ist eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. Niesel a.a.O. § 330 Rdnr. 24). Eine solche Ermessensentscheidung hat die Beklagte, die § 48 SGB X als Rechtsgrundlage herangezogen hat (ein Ermessen ist dort nicht auszuüben), nicht getroffen, denn sie war sich des Erfordernisses einer solchen gar nicht bewusst (vgl. hierzu BSG SozR 1300 § 43 Abs. 1).

Eine Rücknahme der Bewilligungsentscheidung ex nunc scheidet daher aus.

Nach alledem sind der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth sowie die angegriffenen Bescheide aufzuheben. Die Beklagte hat die Umschulung über den 19.05.1997 hinaus mit den bewilligten Leistungen zu fördern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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