S 19 (32,41) VJ 421/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
19
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 19 (32,41) VJ 421/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei dem Kläger bestehende Gesundheitsstörungen als Impfschadensfolge nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) bzw. dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) anzuerkennen sind und ihm deshalb Versorgung zu gewähren ist.

Der Kläger kam nach komplikationsloser und unauffälliger Schwangerschaft am 00.00.0000 zur Welt. Bei ihm bestand links ein Kephalhämatom. Der behandelnde Kinderarzt Dr. C1 (Facharzt für Kinderheilkunde aus Q) bescheinigte dem Kläger im Alter von acht Wochen das Bestehen eines asymmetrisch-tonischen Halsreflexes. Mit sechs Monaten habe eine allgemein schlaffe Muskulatur vorgelegen und noch keine Stehbereitschaft.

Am 06.04.1972 erfolgte die erste Impfung mit Quatro-Virelon (Behring) gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Polio (sogenannte DTP-Pol-Impfung). Der vierfach Tot-Impfstoff wurde durch eine intramuskuläre Injektion verabreicht.

Zunächst war der Kläger unauffällig. Am 16.04.1972 (10. Tag nach der Impfung) fiel den Eltern auf, dass der Kläger auffallend nervös wurde. Er habe manchmal schrill gequiekst. Am 17.04.1972 traten erstmals dünne wässrige Stühle auf. Der Kläger war auch in der folgenden Nacht unruhig und entleerte gehäuft dünne Stühle. Aufgrund seines schlechten Zustandes fand am 18.04.1972 ein Hausbesuch von Dr. C1 statt. Dieser nahm den Kläger aufgrund toxischen Verfalls mit Zentralisationskollaps stationär im Evangelischen Krankenhaus in Q auf. Durch Dauertropfinfusionen erholte sich zunächst der Kreislauf. Trotzdem traten weiterhin bräunlich wässrige schaumige Stühle auf. Bei der Neuanlegung des Tropfes wurde ein kleiner Dekubitus an der rechten Schläfe festgestellt. Ab dem Nachmittag des 19.04.1972 setzte eine Krampfneigung ein, die sich weiterhin verstärkte. Insbesondere in der folgenden Nacht krampfte der Kläger mehrfach. Am Morgen des 20.04.1972 wurde eine Lumbalpunktion vorgenommen. Dabei fanden sich 54/3 Zellen, ansonsten waren die Werte im Normbereich. Da die Elektrolytbilanz des Klägers nicht ausgeglichen werden konnte, wurde er am gleichen Tag in die Universitäts-Kinderklinik und Poliklinik in C1 verlegt. Im Überweisungsschreiben von Dr. C1 vom 21.04.1972 stellt dieser die Diagnose einer Enteritis. Er weist darauf hin, dass in der Umgebung eine Gastroenteritis-Endemie bestehe. Die Impfung vom 06.04.1972 sei gut vertragen worden.

Bei der Aufnahme in C1 war der Kläger blass und bewusstlos. Eine neuerliche Lumbalpunktion ergab 7/3 Zellen. Im Blut, sowie im Stuhl, konnten keine Erreger nachgewiesen werden. Jedoch fand sich im Harn Escherichia coli und Pseudomonas aeruginosa. Im Ohrabstrich fand sich ebenfalls Pseudomonas aeruginosa. Er entleerte weiterhin vermehrt dünne schleimige Stühle. Im EEG vom 22.04.1972 fanden sich Zeichen für ein Hirnödem. Am 04.05.1972 trat plötzlich ein Temperaturanstieg auf 39,5 Grad Celsius auf und die Schwellung am Hinterkopf rechts war deutlich gerötet und druckschmerzhaft. Im Harn konnte Pseudomonas aeruginosa nachgewiesen werden. Nach Gabe der entsprechenden Medikamente normalisierte sich die Temperatur wieder und die Schwellung und Rötung am Hinterkopf bildete sich allmählich zurück. Am 21.05.1972 traten wiederum erneut erhöhte Temperaturen auf. Der Kläger schonte das linke Bein. Eine Röntgenaufnahme zeigte eine Fraktur des linken Oberschenkelknochens mit Entzündung des Knochengewebes (Osteomyelitis). Am 11.08.1972 wurde der Kläger auf Wunsch der Eltern nach Hause entlassen. Im Entlassungsbericht der Universitäts-Kinderklinik und Poliklinik in C1 von Professor Dr. I vom 17.08.1972 lauten die Diagnosen: Dyspepsie, Exsiccose mit Verdacht auf Hirnödem und Schockniere, Ostitis links Femur mit Spontanfraktur, Cerebralparese.

Der Kläger leidet weiterhin an einer deutlichen Cerebralparese aufgrund der erlittenen Encephalotoxikose mit ataktisch-athetoiden Bewegungsstörungen, deutlicher Retardierung und geistiger Behinderung. Seine emotionalen Äußerungen, die Sprachentwicklung, die intellektuellen Fähigkeiten, die Lokomotion, die motorische Koordination und Feinmotorik sind verschiedengradig, aber deutlich eingeschränkt. Sein Entwicklungsstand entspricht in etwa dem eines Zweijährigen. Unter einer Encephalotoxikose verstand man damals eine gastroenteritische Erkrankung mit schwerstem Flüssigkeitsverlust beziehungsweise schwersten Flüssigkeitsverschiebungen mit dem Endergebnis einer mehr oder minder schweren Hirnsymptomatik. Heute ist der Begriff der hypertonen Dehydration gebräuchlich. Mit Bescheid vom 28.07.1977 wurde ein Grad der Behinderung von 100 für eine Cerebralparese nach Encephalotoxikose, Ataxie, Sprachstörung und geistige Retardierung und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, B, aG und H festgestellt.

Am 03.08.1996 beantragte der Kläger die Gewährung von Versorgung wegen eines Impfschadens. Der Beklagte zog zunächst einen Befundbericht von dem Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren Dr. L1 bei. Am 12.12.1996 fand eine Befragung der Eltern durch die leitende Ärztin Dr. C2 statt. Dabei gaben die Eltern an, dass bis zum 09.04.1972 der Kläger unauffällig gewesen sei. Dann sei es zu einer zunehmenden Unruhe und einem schrillen Schreien ab dem 12.04.1972 (6. Tag nach der Impfung) gekommen. Im häuslichen Umfeld und im privaten Bekanntenkreis habe absolut keine Häufigkeit von Durchfallerkrankungen bestanden.

Sodann holte der Beklagte ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage von Dr. O (Leitender Wissenschaftlicher Direktor des Institutes für Impfwesen und Virologie der Gesundheitsbehörde I2 i.R.) vom 01.03.1997 ein. Er kam zu dem Ergebnis, dass mehr gegen als für einen Impfschaden spreche. Eine Entwicklungsverzögerung ließe sich letztendlich nicht ausschließen. Den Beginn des Krankheitsgeschehens setzt er auf den 16. bzw. 17.04.1972. Damit seien innerhalb der Inkubationszeit für den Keuchhustenimpfstoff keine pathologischen Erscheinungen aufgetreten. Die bei dem Kläger beobachteten Krankheitszeichen, insbesondere der Durchfall, würden nicht mit den Beschreibungen bekannter Encephalopathien nach Impfungen im Allgemeinen und der Keuchhustenschutzimpfung im Besonderen übereinstimmen. Dem Sachverständigengutachten von Dr. O folgend wurde mit Bescheid vom 05.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.09.1997 der Anspruch auf Versorgung aufgrund eines Impfschadens abgelehnt.

Hiergegen richtet sich die am 15.10.1997 erhobene Klage. Zur Begründung trägt der Kläger vor, schrilles Schreien habe bereits am 12.04.1972 begonnen. Dies sei innerhalb der Inkubationszeit des Keuchhustenimpfstoffs. Das Gutachten von Dr. O sei letztendlich nicht brauchbar, um einen Impfschaden abzulehnen. Die Impfung sei kontraindiziert gewesen. Zur weiteren Begründung überreichte der Kläger ein Privatgutachten von Dr. H (Ärztin für Kinderheilkunde und Kinderkardiologie in I) vom 13.10.1997. Nach einem langen Gespräch mit den Eltern kam sie zu dem Ergebnis, dass ein Impfschaden vorliege. Es hätten keine Vorschäden bestanden und es liege eine lehrbuchartige Encephalotoxikose vor. Die Inkubationszeit bis zum 14. Tag nach der Impfung sei gewahrt.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 05.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.1997 zu verurteilen, dem Kläger ab August 1996 Versorgungsleistungen, insbesondere Beschädigtenrente, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen aufgrund eines Impfschadens zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen weiterhin für rechtmäßig. Zur Begründung verweist er auf eine gutachtliche Stellungnahme von Professor Dr. N aus N vom 03.11.1998. Auf Grund des fehlenden ursächlichen Zusammenhangs liege kein Impfschaden vor. Der Nachweis von Pseudomonas aeruginosa im Urin und Ohrabstrich reiche nicht aus, da ein entsprechender Liquorbefund nicht vorliege. Die Inkubationszeit der Keuchhustenkomponente betrage ein bis drei Tage. Das Privatgutachten von Dr. H sei eher eine Meinungsäußerung als eine gutachterliche Beurteilung.

Das Gericht hat zunächst Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage vom 01.07.1999 durch Professor Dr. F (Arzt für Neurologie, Direktor der Klinik für Epileptologie der Universität C1). Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Impfschaden zwar möglich sei, aber mit gleicher Wahrscheinlichkeit könne die Encephalopathie impfunabhängig entstanden sein. Eine definitive Entscheidung könne nicht getroffen werden. Es stünde nur fest, dass die Darmentzündung impfunabhängig entstanden sei. Die Inkubationszeit für die Keuchhustenkomponente liege bei bis zu 14 Tagen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 01.07.1999 verwiesen. Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25.08.1999 eingewendet, dass ein Impfschaden aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs von vier bis 19 Tage nach der Impfung wahrscheinlicher sei. Eine Encephalitis könne prinzipiell durch die Keuchhusten-, Diphtherie- oder Poliokomponente ausgelöst werden. Am ehesten komme der Poliobestandteil für die Auslösung einer Enteritis in Frage.

Sodann hat das Gericht auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Sachverständigengutachten von Professor Dr. L2 (ehemaliger Direktor der Landeskinderklinik O) vom 23.02.2000 eingeholt. In seinem Aktengutachten kommt er zu dem Ergebnis, dass ein Impfschaden nicht mit der hierzu nötigen Wahrscheinlichkeit feststehe. Zwar liege keine Vorschädigung des Klägers vor, aber es handele sich um das typische Erscheinungsbild einer Encephalotoxikose und zwar auf der Basis einer infektiösen Gastroenteritis, hervorgerufen - so gut wie sicher - durch eine Virusinfektion. Für eine Virusinfektion spreche das typische Blutbild, begleitende katarrhalische Symptome der oberen Luftwege und die negative Bakteriologie. Beim Kläger habe ohne jeglichen Zweifel eine hypertone Dehydration vorgelegen. Bei der Keuchhustenkomponente könne es innerhalb der ersten drei Tage zu Erbrechen kommen, aber nicht zu so starken Durchfällen. Ebenso sei beim neuen Polioimpfstoff Durchfall keine Impffolge. Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 23.02.2000 verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 28.08.2000 hat der Kläger gegen das Gutachten von Professor Dr. F1 eingewendet, dass dieser die Poliokomponente nicht berücksichtigt habe. Gemäß der "Roten Liste 2000" könne der Quarto-Virelon-Impfstoff Durchfälle hervorrufen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 29.11.2000 hat Professor Dr. F1 Fragen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 14.09.2000 beantwortet. Nunmehr ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger unabhängig von der Impfung eine wohl viral durch Rotaviren bedingte Enteritis aufgetreten sei. Bei einer ausführlichen Literatursuche hätten sich keine Hinweise auf eine Durchfallerkrankung nach Verabreichung des alten Quatro-Virelon-Impfstoffes gefunden, die geeignet gewesen wäre, eine hypertone Dehydration mit der Folge einer Encephalotoxikose auszulösen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die ergänzende Stellungnahme vom 29.11.2000 verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 08.01.2001 hat der Kläger eingewendet, dass es eine reine Spekulation sei, von einer impfunabhängigen Rotavireninfektion auszugehen. Es wurde betont, dass die Inkubationszeit der Keuchhustenkomponente bis zu 14 Tage betrage. Professor Dr. F1 hat daraufhin am 20.02.2001 eine zweite ergänzende Stellungnahme abgegeben. Es läge auch weiterhin kein Impfschaden vor. Für die weiteren Einzelheiten wird auf diese Stellungnahme vom 20.02.2001 verwiesen.

In den Schriftsätzen vom 28.03.2001 und 04.05.2001 hat der Kläger sich diesem nicht angeschlossen. Eine Gastroenteritis könne keine Gehirnerkrankung verursachen. Durch die Verabreichung der Mehrfachimpfung - insbesondere der Keuchhustenganzkeimvakzine - sei die Resistenz des Immunsystems nachhaltig geschwächt gewesen. Sollte tatsächlich ein Zweitinfekt durch Rotaviren bestanden haben, so sei dieser nur zum Tragen gekommen, weil die Resistenz des Immunsystems bereits stark vermindert gewesen sei. Auch die Poliokomponente sei in der Lage, schwere allergische Reaktionen hervorzurufen.

In der öffentlichen Sitzung vom 03.12.2001 hat das Gericht beschlossen, ein weiteres Gutachten gemäß § 109 SGG einzuholen. Dieses hat Professor Dr. F2 (Professor für Impfwesen, ehemaliger Direktor des Instituts für Impfwesen und Virologie in I2) nach Aktenlage am 08.02.2002 erstellt. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ein indirekter Impfschaden vorliege, der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 bedinge. Die Inkubationszeit sei hier nicht entscheidend, sondern vielmehr die vorliegende Minderung der Resistenz des Klägers auf Grund der Keuchhustenkomponente. Die Abwehrschwäche halte bis zu einem Monat an. Da die Knochenmarkentzündung ein sich langsam anbahnender Prozess sei, falle diese noch in die Zeit der Abwehrschwäche. Der Erkrankungsbeginn der Encephalotoxikose liege sogar nur zwei bis drei Tage nach dem Gipfel der Histaminausschüttung, das heißt der Resistenzminderung des Klägers.

Diesem Sachverständigengutachten hat sich der Beklagte mit Hinweis auf eine Stellungnahme von Professor Dr. T (Arzt für Mikrobiologie und Kinder- und Jugendmedizin in C2) vom 14.03.2002 nicht angeschlossen. Professor Dr. T hat geltend gemacht, dass die Literatur einer Minderung der Resistenz eines Impflings kritisch gegenüber stehe. Professor Dr. F2 vernachlässige den abwehrfördernden Effekt einer Impfung. Zu der Knochenmarkentzündung bestünde ein zu weiter zeitlicher Abstand. Diesem ist Professor Dr. F2 in einer ergänzenden Stellungnahme vom 04.05.2002 entgegengetreten. Auch der Nachweis von Pseudomonas aeruginosa spreche für eine Minderung der Abwehr des Klägers. Diese beruhe auf einer Schädigung der zellulären Immunität durch die Keuchhustenkomponente. Für weitere Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 04.05.2002 verwiesen. Eine vorliegende Resistenzminderung des Klägers hat der Beklagte mit einer weiteren Stellungnahme von Professor Dr. T vom 14.11.2002 abgelehnt. Der Keuchhustenimpfstoff bestehe aus nicht vermehrungsfähigen abgetöteten Keuchhustenerregern, die biologisch nur bis zu sieben Tage wirken könnten. Diese Zeitspanne sei bei dem Kläger überschritten.

In einer zweiten ergänzenden Stellungnahme vom 24.03.2003 ist Professor Dr. F2 weiterhin von einer Resistenzminderung des Klägers und dem Vorliegen eines Impfschadens ausgegangen. Ein weiteres Indiz dafür sei die Entzündung am rechten Kopf durch die Dauertropfinfusion aufgrund von Pseudomonas aeruginosa. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Stellungnahme vom 24.03.2003 verwiesen.

Das Gericht hat sodann Beweis erhoben durch eine ergänzende Stellungnahme von Professor Dr. L2 vom 02.05.2003. An der Diagnose einer hypertonen Dehydration bestünde kein Zweifel, so dass ein Impfschaden nicht vorliege. Die Inkubationszeit für den Keuchhustenimpfstoff sei mit ein bis drei Tagen besonders kurz, in besonders zu begründenden seltenen Ausnahmefällen bis zu sieben Tagen. Eine Resistenzminderung infolge von Impfstoffen werde nicht mehr ernsthaft diskutiert. Ein verändertes Histaminverhalten könne nicht so weitreichende Folgen im Sinne einer verminderten Infektionsabwehr nach sich ziehen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die ergänzende Stellungnahme vom 02.05.2003 verwiesen.

Mit Schreiben vom 10.07.2003 ist der Kläger der ergänzenden Stellungnahme von Professor Dr. L2 entgegengetreten. Dessen Ausgangspunkt sei falsch und das Gutachten beinhalte Widersprüche und Fehlaussagen. Die Ursache für den Durchfall sei nicht nachgewiesen. Die Kinderklinik in C1 habe nach dem Beginn der Durchfallerkrankung und nicht nach schrillem Schreien gefragt. Dieses habe am 12.04.1972 begonnen und sei wegen des Geburtstages der Tochter in genauer Erinnerung geblieben. Zu dem Krankheitsverlauf, von dem Professor Dr. L2 ausgeht, passe der am 18.04.1972 bestimmte Liquorwert nicht. Eine erhöhte Zellzahl sei nur bis zum 6. Tag nach cerebralem Krankheitsbeginn nachweisbar. Somit könne eine Encephalopathie nicht ausgeschlossen werden. An der Fachkompetenz und an der Glaubwürdigkeit von Professor Dr. F2 als anerkanntem Wissenschaftler und ehemaligem Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) können keine Zweifel angemeldet werden.

In einer letzten ergänzenden Stellungnahme vom 19.08.2003 hat Professor Dr. L2 Fragen des Klägers aus dem Schreiben vom 31.07.2003 eingehend beantwortet. Er ist auch weiterhin davon ausgegangen, dass kein Impfschaden vorliege. Von einer Gastroenteritis sei der Kinderarzt Dr. C1 und die Universitäts-Kinderklinik in C1 übereinstimmend ausgegangen. In der Kinderklinik sei der Stuhl des Klägers nicht auf den häufigsten viralen Enteritiserreger, nämlich den Rotaviren, untersucht worden. Gleichwohl stehe zweifelsfrei fest, dass es sich um eine infektiöse, und zwar viral verursachte Gastroenteritis handele. Bei einem Säugling bedürfe es zum Erwerb einer viralen gastroenteritischen Infektion keiner lokalen Gastroenteritis-Endemie. Der Liquorwert sei mit 54/3 Zellen gegenüber der Norm nur minimal erhöht. Für weitere Einzelheiten wird auf die zweite ergänzende Stellungnahme vom 19.08.2003 verwiesen.

Mit Schreiben vom 09.10.2003 hat sich der Kläger gegen diese Stellungnahme von Professor Dr. L2 gewandt. Da der Erreger für die Gastroenteritis nicht nachgewiesen sei, könne als schädigendes Ereignis nur die vollbewiesene Impfung bleiben. Die Stellungnahme vermisse jegliche Auseinandersetzung, dass die Gastroenteritis gerade Folge der Impfung gewesen sei. Der Kläger hat beantragt, Professor Dr. F2 in der mündlichen Verhandlung persönlich zu hören. Mit Richterbrief vom 15.10.2003 ist darauf hingewiesen worden, dass nicht ersichtlich sei, welche schriftlichen Fragen an Professor Dr. F2 gerichtet werden könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten Band I bis III, die B-Akte und SchwbG-Akte des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide des Beklagten erweisen sich als rechtmäßig, weil dem Kläger kein Anspruch auf Versorgungsleistungen aufgrund eines Impfschadens zusteht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Nach den §§ 60 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 11 und 61 des am 01.01.2001 in Kraft getretenen IfSG, die den §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 Bundesseuchengesetz (BSeuchG) im Wesentlichen entsprechen, erhält, wer durch eine Schutzimpfung, die gesetzlich vorgeschrieben oder von einer zuständigen Behörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen worden ist, einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Ein Impfschaden ist nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 11 lfSG nicht jede Gesundheitsstörung, die auf der Impfung beruht, vielmehr muss bei dem Betroffenen ein über die übliche Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden festgestellt werden, um rechtlich als Impfschaden gewertet werden zu können.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts besteht danach ein Anspruch auf Versorgung, wenn durch eine entsprechende Impfung als schädigendes Ereignis ein Impfschaden im Sinne des § 2 Nr. 11 lfSG sowie ein darauf beruhender andauernder Gesundheitsschaden nachgewiesen sind. Impfschaden und Gesundheitsstörung müssen nach § 61 Satz 1 IfSG und § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG jeweils nur wahrscheinlich durch die Impfung verursacht sein. Wahrscheinlich in diesem Sinne ist der ursächliche Zusammenhang dann, wenn wenigstens mehr für als gegen ihn spricht, das heißt die für den Zusammenhang sprechende Umstände mindestens deutlich überwiegen.

Die Legaldefinition in § 2 Nr. 11 lfSG stellt klar, dass ein Impfschaden nicht jede Gesundheitsstörung ist, die mit Wahrscheinlichkeit auf der Impfung beruht, sondern nur der über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende. Welche Impfreaktionen danach als Impfschäden anzusehen sind, lässt sich im Allgemeinen den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" aus dem Jahr 1996 (Anhaltspunkte 1996) - jeweils Nr. 57 - entnehmen. Die Anhaltspunkte geben den der herrschenden medizinischen Lehrmeinung, das ist die sogenannte Schulmedizin, entsprechenden aktuellen Kenntnis- und Wissenstand wieder, unter anderem auch über die Auswirkungen und Ursachen von Gesundheitsstörungen nach Impfungen. Zum Zwecke der Gleichbehandlung ist mit dem Bundessozialgericht von der Anwendbarkeit der Anhaltspunkte 1996 auszugehen (Bundessozialgericht, Urteile vom 18.09.2003, Az: B 9 SB 6/02 und B 9 SB 3/02).

Ausweislich des Impfbuches ist der Kläger am 06.04.1972 gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Polio geimpft worden. Diese Vierfachimpfung erfolgte aufgrund einer öffentlichen Empfehlung.

In Anwendung der vorstehend genannten Grundsätze sind die für die begehrte Versorgung erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Maßgeblich hierfür ist, dass ein Impfschaden im Sinne der oben genannten Vorschriften nicht nachgewiesen ist und insbesondere nicht die deutlich überwiegenden Gesichtspunkte für einen Kausalzusammenhang sprechen. Bei dieser Würdigung des medizinischen Sachverhaltes stützt sich die Kammer vor allem auf das Sachverständigengutachten und die ergänzenden Stellungnahmen von Professor Dr. L2.

Die Ausführungen des Sachverständigen lassen Unrichtigkeiten, Widersprüche oder Fehlschlüsse nicht erkennen. Sie sind ersichtlich auf der Grundlage der heutigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft erstattet worden und haben sich ausführlich mit den erhobenen medizinischen Befunden und dem Vorbringen der Beteiligten auseinandergesetzt. Die Kammer hat daher keine Bedenken, die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen.

Dem Kläger ist aber entgegen der Auffassung von Dr. O zustimmen, dass bei ihm keine cerebralen Vorschäden vorgelegen haben. Zu dieser Überzeugung gelangt die Kammer den anderen Sachverständigen folgend. Kephalhämatome sind bei Neugeborenen keineswegs selten. Sie sind kein Indiz für Verletzungen im Schädelinnenraum. Es ist völlig normal, dass der Rand der von peripher her einsetzenden Verknöcherung noch vier Wochen nach Geburt ertastet werden konnte. Ebenso kommt dem im Alter von acht Wochen nachweisbaren asymmetrisch-tonischen Halsreflex und die mit sechs Monaten bestehende allgemeine schlaffe Muskulatur und dem Fehlen der Stehbereitschaft kein Krankheitswert zu. Die diesbezüglichen Angaben von Dr. C1 sind ausgesprochen lückenhaft. Der genannte Halsreflex erlischt spätestens erst mit der Vollendung des sechsten Monats. Es geht nicht eindeutig hervor, was Dr. C1 unter Stehbereitschaft versteht. 90 % aller gesunden Säuglinge tätigen einen Aufstellversuch mit Übernahme des eigenen Körpergewichts erst im Alter von 7 ½ Monaten. Vor diesem Hintergrund darf dann auch die Notiz über den schlaffen Muskeltonus mit begründetem Vorbehalt betrachtet werden. Auch aus der späten Impfung lässt sich kein Hinweis auf eine Vorschädigung herleiten. Eine frühe Impfung wird nur empfohlen, um einen möglichst frühzeitigen Schutz gegen gefürchtete Infektionskrankheiten aufzubauen.

Die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen können nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Quatro-Virelon-Impfung vom 06.04.1972 zurückgeführt werden. Zunächst können die vorliegenden Gesundheitsstörungen weder auf die Diphtherie- noch auf die Tetanuskomponente zurückgeführt werden, da es beim Kläger die erste derartige Impfung war. Nach den Anhaltspunkten 1996, Nr. 57, Ziffer 12 und 13, Seite 234, sind bei diesen Komponenten entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems sehr selten. Mit Professor Dr. L2 geht die Kammer davon aus, dass beide Impfstoffe einer vorherigen Impfung bedürfen, da es sich bei den möglichen Impfschäden um eine allergische Reaktion handeln müsste. Diese Komponenten verursachen auch keine Darmentzündung.

Des Weiteren können die vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Keuchhustenkomponente zurückgeführt werden. In Nr. 57, Ziffer 11, Seite 234 beschreiben die Anhaltspunkte 1996 die üblichen Impfreaktionen und Impfschäden des 1972 noch gebräuchlichen Vollbakterienimpfstoffs bei einer Keuchhustenschutzimpfung. Danach kann es als übliche Impfreaktion zwischen dem 1. und 3. Tage nach der Impfung zu einem Temperaturanstieg kommen. Des Weiteren sind Inappetenz und Erbrechen möglich. Außerdem sehr selten innerhalb weniger Stunden nach der Injektion sind schockähnliche Zustände. Impfschäden sind selten. Gelegentlich können nach anhaltendem schrillen Schreien innerhalb von drei Tagen eine Encephalopathie auftreten, dabei oft mit hirnorganischen Anfällen und manchmal ein progredienter Verlauf. Nach einer Encephalopathie treten auch selten Dauerschäden auf. Insoweit fanden sich bereits fast identische Ausführungen in den Anhaltspunkten von 1973 und von 1983.

Überzeugend hat Professor Dr. L2 darauf hingewiesen, dass keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine postvakzinale Encephalopathie oder Encephalitis aufgrund der Keuchhustenkomponente besteht. Innerhalb der Inkubationszeit sind keine Symptome aufgetreten, die für einen Impfschaden sprechen könnten. Entgegen den Angaben von Professor Dr. F1 und Professor Dr. F2 ist aufgrund der toxischen Natur des Impfstoffes die Inkubationszeit sehr kurz. Schrilles Schreien und Bewusstseinstrübungen datieren zwischen dem 1. und 3. postvakzinalen Tag. Krampfanfälle und Bewusstseinstrübungen werden ausnahmsweise auch mit Auftreten bis zum 7. Tag akzeptiert. Dann bedarf es aber einer besonders ausführlichen Begründung. Von dieser Inkubationszeit gehen, erweiternd zu den Anhaltspunkten 1996, übereinstimmend Professor Dr. L2 und Professor Dr. T aus. Eine Verlängerung der Inkubationszeit kann mit der aktuellen medizinischen Literatur nicht vertreten werden. Auch die Rechsprechung hat diese Inkubationszeit bisher nicht verlängert (Bundessozialgericht, Urteil vom 19.03.1986, Az: 9a RVi 4/84 und Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.09.2001, Az: L 10 VJ 45/96).

Die Symptome eines Keuchhustenimpfschadens werden nicht beschrieben, insbesondere ein schrilles Schreien innerhalb der ersten drei Tage nach der Impfung wird auch von den Eltern des Klägers in ihren Angaben aus dem Jahr 1996 nicht angegeben. Vor diesem Hintergrund kann es hier auch dahin stehen, ob die Datierung des schrillen Schreiens auf den 16.04.1972 oder gar bereits auf den 12.04.1972 vorgenommen wird. Ein Zentralisationskollaps trat erst in der Nacht vom 17. auf den 18.04.1972 (11. bis 12. Tag nach der Impfung) auf. Auf Grund der Bewusstseinstrübung wurde der Kläger sofort stationär von Dr. C1 aufgenommen. Eine Krampfneigung setzte sogar erst am Nachmittag des 19.04.1972 (13.Tag nach der Impfung) ein.

Wenn der Beipackzettel von "Beschwerden des Magen-Darmtraktes" spricht, so gilt dafür folgendes: Häufig kann es in den ersten drei Tagen zu Erbrechen kommen. Durchfälle gehören dagegen nicht zum postvakzinalen Krankheitsbild, geschweige denn eine Gastroenteritis oder gar die Extremform einer Encephalotoxikose. Dies steht im Einklang mit den Angaben der Anhaltspunkte 1996.

Gegen eine Encephalophathie auf Grund der Keuchhustenkomponente sprechen insgesamt auch alle Liquorwerte. Die Zellzahl ist mit 54/3 Zellen gegenüber der Norm nur minimal erhöht. Der Wert liegt weit unter der Erwartung für eine Encephalitis. Wollte man statt dessen nur eine Encephalopathie annehmen, müsste man auch pathologische Eiweißbefunde (Eiweiß, Pandy-Reaktion, Nonne-Reaktion) erwarten. Diese fielen jedoch normal aus. Auch müsste mit dem Sachverständigen Professor Dr. L2 gefordert werden, dass die am 21.04.1972 in C1 durchgeführte Kontrollpunktion ebenfalls eine erhöhte Zellzahl, sowie wenigstens nunmehr pathologische Eiweißbefunde ergeben hätte. Dies war aber nicht der Fall. Nach der minimalen Zellvermehrung vom 20.04.1972 von 18 Zellen waren am 21.04.1972 nur ganze zwei Zellen zuviel. Da die übrigen Werte normal waren, kann dieser Zellvermehrung entgegen der Ansicht des Klägers keine Bedeutung beigemessen werden. Sie kann vielerlei Gründe haben, hierunter nicht zuletzt eine gerade bei Lumbalpunktion von Säuglingen durchaus häufig vorkommende, punktionstechnisch bedingte Beimengung von roten Blutkörperchen. Auch Professor Dr. F1 kommt zu der Einschätzung, dass der Liquorbefund für den Nachweis einer infektiösen Encephalitis nicht ausreicht.

Die Kammer geht dabei davon aus, dass die erste Lumbalpunktion am 20.04.1972 um 09:15 Uhr stattfand. Dies ergibt sich zunächst bereits aus dem Überweisungsschreiben von Dr. C1 an die Universitäts-Kinderklinik in C1. Darin heißt es, dass am 19.04.1972 nachmittags eine Krampfneigung einsetzte, die sich auch in der folgenden Nacht fortsetzte. Der Kläger habe sich jedoch nach einer Lumbalpunktion, wobei der Druck nicht erhöht gewesen sei, beruhigt. Soweit bereits nach "sofortiger Aufnahme auf unserer Station" das Ergebnis der Lumbalpunktion mitgeteilt wird, handelt es sich nur um eine allgemeine Aufzählung des Krankheitszustandes. Das Datum 20.04.1972 ergibt sich aber auch aus dem Beobachtungsbogen, der seit der stationären Aufnahme des Klägers geführt wurde. An dessen detaillierter und genauer Führung ist nicht zu zweifeln. Eine weitere Liquoruntersuchung schon am 18.04.1972 fand nicht statt. Alle vom Kläger aus einer solchen gezogenen Folgerungen müssen als gegenstandslos bezeichnet werden. Insbesondere kann es auch weiterhin dahinstehen, ob bereits am 12.04.1972 ein schrilles Schreien einsetzte. Auch ist es nicht entscheidend, ob eine erhöhte Zellzahl bei einer Liquoruntersuchung nur bis zum 6. Tag nach cerebralem Krankheitsbeginn nachweisbar ist.

Entgegen der Ansicht des Klägers setzt sich der Sachverständige Professor Dr. L2 auch nicht selbst in Widersprüchlichkeiten. Im Rechtsstreit vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 10 VJ 45/96 beschreibt Professor Dr. L2 nur, dass zwar die Anhaltspunkte 1996 encephalopathische Akutsymptomatik nur für Pockenimpfschäden beschreiben. Unter anderem nach seiner Ansicht gilt diese Symptomatik auch für andere Impfschäden, so zum Beispiel nach Keuchhustenimpfung. Dies bedeutet aber nicht, dass die Inkubationszeit bei der Pockenimpfung ebenfalls auf die bei der Keuchhustenimpfung übertragen wird. So ergibt sich dies auch aus dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12.09.2001 (Az.: L 10 VJ 45/96).

Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen können auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Polioimpfstoff zurückgeführt werden. Bei einer Poliomyelitisschutzimpfung mit Impfstoff aus inaktivierten Viren sind bei den heutigen Impfstoffen Impfschäden nicht beobachtet worden (Anhaltspunkte 1996, Nr. 57, Ziffer 2 b, Seite 231). Dagegen sahen die Anhaltspunkte aus den Jahren 1973 und 1983 als Impfschäden noch selten flüchtige schlaffe Lähmungen und encephalitische Bilder vor. Dauerschäden am zentralen Nervensystem seien sehr selten (Anhaltspunkte 1973, Nr.47, Ziffer 2 b, Seite 90 und Anhaltspunkte 1983, Nr. 57, Ziffer 2 b, Seite 185).

Aufgrund des verwendeten Impfstoffes, der Anamnese, der klinischen Befunde und der Labordaten sowie nach der tatsächlichen Diagnose ist nach Ansicht der Kammer ein Polioimpfschaden beim Kläger abzulehnen. Mit dem Sachverständigen Professor Dr. L2 ist dabei insbesondere darauf zu achten, dass es sich um einen Impfstoff nach Salk aus abgetöteten, nicht vermehrungsfähigen Viren und nicht um einen Schluckimpfstoff nach Sabin handelt. Der Salk-Impfstoff wurde Anfang der 60er Jahre wesentlich verbessert und mit den Anhaltspunkten 1996 ist davon auszugehen, dass Impfschäden mit dem heutigen Impfstoff nicht mehr beobachtet werden. Die Ausführungen der Anhaltspunkte 1973 und 1983 zum Salk-Impfstoff werden demgegenüber den verbesserten Chargen nicht gerecht und wurden insoweit nicht gebraucht. Der Beraterkreis für die Anhaltspunkte ist in der Mehrheit kritisch bis abwartend, so dass grundlegende Änderungen erst nach Bewährung in der Praxis und damit meist spät formuliert werden. Der Hinweis des Klägers, dass der Sachverständige Professor Dr. L2 selbst davon ausgeht, dass es bei der Polioimpfung relativ häufig zu Durchfällen kommen kann, die sich in extremen Einzelfällen steigern können bis hin zu einer Encephalotoxikose, geht fehl. Aus dem überreichten Artikel und den Ausführungen des Sachverständigen Professor Dr. L2 geht eindeutig hervor, dass sich die Angabe von Durchfällen nur auf den Schluckimpfstoff nach Sabin bezieht und nicht auf den Salk-Impfstoff.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann der Quatro-Virelon-Impfstoff keine Durchfallerkrankung auslösen, die geeignet gewesen wäre eine hypertone Dehydration mit der Folge einer Encephalotoxikose auszulösen. Insoweit folgt die Kammer den Darlegungen von Professor Dr. F1 und Professor Dr. L2. Dagegen kann der Kläger mit seinem Hinweis das die Rote Liste 2000 und die neue Gebrauchsinformation des Herstellers zum Quatro-Virelon-Impfstoff Durchfall vorsehen, nicht überzeugen. Professor Dr. L2 geht auch nicht davon aus, dass nach einer Impfung mit Quatro-Virelon kein Durchfall auftreten könne. Zu beachten ist indes die Intensität des Durchfalls. Zum Einen, weil der Durchfall nach Quatro-Virelon-Impfung selten und insbesondere klinisch unbedeutend ist. Die Verminderung der Stuhlkonsistenz war kaum je der Art, dass tatsächlich von Durchfall gesprochen werden konnte. Zum Anderen war der Durchfall flüchtig, folgenlos und niemals mündend in das Wasserverlustsyndrom einer hypertonen Dehydration. Die Erweiterung der Nebenwirkungen auf Durchfall geschah nur aufgrund eines Schutzbedürfnisses des Herstellers. Dies steht im Einklang mit den Angaben von Professor Dr. F1, dass eine ausführliche Literatursuche, die gesamte medizinische wissenschaftliche Literatur seit 1968 berücksichtigend, keine Hinweise auf eine Durchfallerkrankung brachte, die geeignet gewesen wäre, eine hypertone Dehydration auszulösen.

Entgegen der Ansicht des Klägers bestand auch keine Kontraindikation gegen die Impfung. Vor der Impfung hat der Kläger keinen Infekt gehabt. Laut Dr. C1 bestand lediglich nach der Impfung ein leichter Infekt der oberen Luftwege. Es handelt sich beim Kläger um eine mit großer Wahrscheinlichkeit durch zufällige Virusinfektion ausgelöste Gastroenteritis mit einer sich daraus entwickelnden hypertonen Dehydration. Für diese Diagnose sprechen die Anamnese, die Labordaten, und der Verlauf beschrieben von Dr. C1 und Dr. I. Die Dauerschäden sind sämtliche Ergebnisse dieser Erkrankung. Die Annahme einer nur zusätzlichen Impfencephalopathie lässt sich nach den vorliegenden Befunden nicht mit der hierzu nötigen Wahrscheinlichkeit stützen.

Das Bundessozialgericht hat darauf hingewiesen, dass es für die Anerkennung eines Impfschadens nicht ausreicht, wenn andere Ursachen nicht erkennbar sind. Ein solch weites Verständnis des Wahrscheinlichkeitsbegriffs sei mit den allgemeinen Anforderungen an die Voraussetzungen für eine Entschädigung nicht vereinbar. Dem vergleichbar ist es, wenn andere potentiell konkurrierende Ursachen ausgeschlossen werden können. Konkurrierende Ursachen können in den Kausalitätsabwägungen denklogisch nur einbezogen werden, wenn die den zugrundeliegenden Tatsachen als Vollbeweis festgestellt sind. Fehlt es daran, kann die konkurrierende Kausalreihe naturgemäß nicht Teil der Kausalitätsabwägung sein. Denn ist die Tatsachengrundlage für eine potentiell Ursachenkette nicht erwiesen, würde die Kausalitäts- und Wahrscheinlichkeitsabwägung nicht auf realen Tatsachen, sondern spekulativen Kausalitäten beruhen. Dem gemäß kann im Einzelfall die notwendige Wahrscheinlichkeit auch dann als wahrscheinlich beurteilt werden, wenn nach bestimmten zeitgerechten Komplikationen ein Dauerschaden eintritt und andere Ursachen als die Impfung nicht in Betracht kommen; dann müssen aber eindeutig mehr Umstände für als gegen den Zusammenhang sprechen. Sie müssen für eine rechtliche Würdigung gegeneinander abgewogen werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 19.03.1986, Az: 9a RVi 4/84).

Insoweit folgt die Kammer dem Sachverständigengutachten von Professor Dr. L2. Für ihn und auch für Professor Dr. F1 steht fest, dass es sich um eine infektiöse, und zwar viral verursachte Gastroenteritis handelt. Dies ist abzuleiten aus der Symptomatik Durchfall, Fieber und Involvierung weiterer Schleimhäute mit Schnupfen und Rachenröte. Für eine frische Virusinfektion spricht insbesondere das sehr typische weiße Blutbild. Diese Beurteilung steht im Einklang mit den zeitnah 1972 erhobenen Befunden von Dr. C1 und der Universitäts-Kinderklinik in C1. Zwar wurde in C1 der Stuhl auf einige mögliche bakterielle Erreger untersucht und dieses mit negativem Ergebnis. Entgegen der Ansicht des Klägers kann indes von einer gründlichen differenzialdiagnostischen Untersuchung keine Rede sein. Eine Suche nach viralen Enteritiserregern wird nicht erwähnt im Entlassungsbericht. Insbesondere wurde auch nicht nach dem häufigsten viralen Enteritiserreger im frühen Kindesalter gesucht, nämlich den Rotaviren. Dies war damals noch nicht generell üblich und war auch überflüssig, weil nach Ausschluss einer bakteriellen Ursache ohne therapeutische Konsequenzen. Dies steht im Einklang mit der Angabe von Professor Dr. F1, dass die Rotaviren nur selten nachgewiesen werden. Routine-Stuhluntersuchungen würden diesen Erreger nicht erfassen. Daher sei es nicht erstaunlich, dass beim Kläger die durchgeführten Stuhluntersuchungen keinen positiven Befund ergeben hätten. Auch Professor Dr. N geht richtiger Weise davon aus, dass der Kläger nicht gründlich untersucht worden sei.

Die Kammer geht des Weiteren davon aus, dass es dahinstehen kann, ob die Angabe von Dr. C1, dass in der Umgebung eine Gastroenteritis-Endemie bestanden habe, zutreffend ist. Zunächst ist es wirklichkeitsfremd, zu fordern, dass das zuständige Gesundheitsamt im Jahre 1972 von einer solchen lokalen Krankheitswelle habe Kenntnis haben müssen. Nicht entscheidend sind auch die Angaben der Eltern, dass in der Familie und im engeren Bekanntenkreis keiner unter einer Gastroenteritis gelitten habe. Vielmehr ist mit Professor Dr. L2 davon auszugehen, dass derartige Infektionsketten nicht durchgehend unter dem gleichen Symptombild verlaufen müssen. Das heißt, zum Einen gibt es erfahrungsgemäß in solchen Infektionsketten auch Glieder, die statt einer Gastroenteritis nur kurzfristige Infektzeichen wie Schnupfen oder Rachenröte zeigen oder aber keinerlei Symptomatik aufweisen, wohl aber das Virus weiter übertragen können. Zum Anderen bedarf es für einen Säugling zum Erwerb einer viralen gastroenteritischen Infektion keiner lokalen Gastroenteritis-Endemie. Derartige Viren, insbesondere das bei jungen Kindern in über der Hälfte der Fälle verantwortliche Rotavirus, sind fast stets verbreitet und in der Lage, durch Tröpfchen-, Schmier- oder Nahrungsmittelinfektion, ein junges, einschlägig noch nicht durchimmunisiertes Kind zu befallen. Die Inkubationszeit beträgt nur wenige Tage.

Soweit der Kläger aufgrund eines Schreibens von Dr. C1 vom 16.09.1997 davon ausgeht, dass eine Gastroenteritis keine Gehirnerkrankung verursachen könne, so ist diesem nicht zu folgen. Warum Dr. C1 diese Aussage trifft, entgegen die der anderen Sachverständigen und auch entgegen seines eigenen Überweisungsschreibens an die Kinderklinik in C1, ist für die Kammer nicht ersichtlich. Im Jahr 1972 jedenfalls ging Dr. C1 richtigerweise davon aus, dass dies sehr wohl der Fall ist.

Besteht die Möglichkeit einer hypertonen Dehydration auf der Basis einer infektiösen Gastroenteritis, hervorgerufen so gut wie sicher durch eine Virusinfektion, zumindest gleichrangig neben der weiteren Möglichkeit, das die Quatro-Virelon-Impfung zu den Gesundheitsstörungen geführt hat, kann dem Klagebegehren nicht entsprochen werden, weil die für den Kausalzusammenhang sprechenden Gesichtspunkte nicht überwiegen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gelten im Impfschadensrecht für die dem Tatrichter obliegende Feststellung von Ursachenzusammenhängen grundsätzlich die gleichen Maßstäbe wie in den Fällen des BVG, denn die Aufklärungsschwierigkeiten im Impfschadensrecht entsprechen insoweit typischerweise denen des BVG. Dies bedeutet: Lässt sich die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhanges nicht ermitteln, wirkt sich dies zu Lasten des Antragstellers aus. Im Impfschadensrecht kommt bei unaufgeklärtem Ursachenzusammenhang zwischen Impfung und dauerndem Gesundheitsschaden eine Beweislastumkehr nicht in Betracht. Nichts anderes gilt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Impfschaden, denn im Impfschadensrecht ist für die Anerkennung eines Impfschadens als anspruchsbegründender Umstand bereits gesetzlich eine Beweiserleichterung geschaffen worden, nämlich dass die Wahrscheinlichkeit für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen Impfung und Impfschaden sowie der dauernden Gesundheitsstörung genügt (vergleiche: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.08.1998, Az: B 9 VJ 2/97 R mit weiteren Nachweisen).

Es kann dem Kläger daher im Ergebnis nicht zum Erfolg verhelfen, wenn er dem Sachverständigengutachten und den ergänzenden Stellungnahmen von Professor Dr. F2 folgend davon ausgeht, dass die Möglichkeit der Verursachung seiner Gesundheitsstörungen durch die Quatro-Virelon-Impfung besteht. Denn die bloße Möglichkeit des Zusammenhanges zwischen der Impfung und den bei dem Kläger eingetretenen Gesundheitsschäden, die auch die Kammer als gegeben ansieht, reicht zu der Bejahung des Kausalzusammenhanges nach den oben genannten Maßstäben nicht aus.

Das von Professor Dr. F2 erstattete Sachverständigengutachten nebst den zwei ergänzenden Stellungnahmen können zu der Überzeugung der Kammer nicht ausreichen, eine anderweitige Beurteilung des Sachverhalts zu rechtfertigen. Nicht zu folgen vermochte die Kammer Professor Dr. F2 insbesondere darin, dass er trotz der Hinweise auf einen vorliegenden Zweitinfekt eine Wahrscheinlichkeit des Zusammenhanges auf Grund einer Resistenzminderung des Klägers angenommen hat.

Falls ein Sachverständiger, dem sich ein Gericht in einer Impfschadenssache anschließen soll, erstmalig Krankheitszeichen nach Ablauf der allgemein anerkannten Inkubationszeit als ausreichende Brückensymptome wertet, muss er diese Auffassung um so gründlicher und überzeugungskräftiger mit gesicherten medizinischen Erfahrungen begründen, je größer der zeitliche Abstand zur Impfung ist und je schwächer die Krankheitserscheinungen waren. Ein Gutachten, auf das eine Gerichtsentscheidung gestützt wird, muss medizinischen Erfahrungen in gleichen oder ähnlichen Fällen entsprechen, darauf den Sachverhalt des zu beurteilenden Einzelfalles beziehen und Abweichungen von allgemeinen Lehren mit nachprüfbaren medizinischen Erkenntnissen begründen. Anderenfalls ist es als Entscheidungsgrundlage nicht geeignet (vergleiche: Bundessozialgericht, Urteil vom 19.03.1986, Az: 9a RVi 4/84).

Diesen Anforderungen genügen das Sachverständigengutachten und die ergänzenden Stellungen von Professor Dr. F2 nicht. Professor Dr. L2 folgend geht die Kammer vielmehr davon aus, dass Professor Dr. F2 insoweit nicht gefolgt werden kann als dass er davon ausgeht, dass eine Minderung der Infektionsabwehr des Klägers unter anderem für die infektiöse Durchfallerkrankung und die in C1 aufgetretene Knochenmarkentzündung ursächlich sei. Die von Professor Dr. F2 zitierten und vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichten Autoren der Histaminuntersuchungen dachten über die Möglichkeit einer postvakzinal verminderten Infektionsabwehr nur für drei bis sieben Tage nach der Impfung nach. Dies könnte allenfalls die Darminfektion erklären. Der genaue Zeitrahmen einer möglichen Resistenzminderung kann hier indes dahinstehen, da Professor Dr. L2 folgend davon auszugehen ist, dass ein verändertes Histaminverhalten nicht ausreichend ist um eine derart weitreichende Folgerung im Sinne verminderter Infektionsabwehr zu ziehen. Die Rolle von Histamin ist nicht repräsentativ genug und überdies ambivalent. Insbesondere aber sind die Mechanismen der Abwehr viraler Infektionen viel zu verwickelt und noch keineswegs voll aufgeklärt. Speziell im vorliegenden Fall sprechen auch die lokalen Reaktionen (Rachenröte, Schnupfen) und Fieber, sowie insbesondere das für heftige Akutreaktion auf Virusinfektion sehr typische Blutbild für eine normale Abwehrreaktion des Klägers und gegen eine postvakzinale Resistenzsenkung. Der für die Entwicklung einer hypertonen Dehydration entscheidende Faktor ist nicht eine verminderte Infektabwehr, sondern die im Säuglingsalter von selbst deutlich beschränkte Breite der Regulationsmechanismen des Wasser- und Salzhaushaltes.

Bezüglich der Knochenmarkentzündung ist davon auszugehen, dass diese schwerlich eine unentdeckte Vorlaufzeit von zwei bis drei Wochen haben dürfte. Entgegen den Einschätzungen der C1 Kinderklinik dürfte statt einer Spontanfraktur eine Belastungsfraktur, auf Grund von zum Beispiel Pflegemaßnahmen, vorliegen. Die dafür nötige Ansetzung der Resistenzsenkung auf bis zu 30 Tage ist im Vergleich zu den zitierten Forschungen äußerst lang. Ab dem 21. Tag nach der Impfung liegt die Histaminwirkung annähend auf dem Niveau vor der Impfung. Zu berücksichtigen ist, worauf Professor Dr. T zu recht hinweist, auch die intensive Antibiotikatherapie des Klägers. Und außerdem reicht nach Professor Dr. T der Nachweis von Pseudomonas aeruginosa aus den Körperregionen Urin und Ohr nicht aus, um hieraus die bakterielle Diagnose einer Knochenmarkentzündung abzuleiten, zumal die Blutkultur einen negativen Befund gezeigt hat. Dies steht in Einklang mit den Bewertungen durch Professor Dr. N. Bei einer hypertonen Dehydration ist des Weiteren zu bedenken, dass es sich nicht nur um Kreislaufkollaps, Transportsauerstoffmangel, Hirnödem und Hirnschaden handelt. Es handelt sich vielmehr um Schäden aus Kreislaufkollaps und Transportsauerstoffmangel auch an allen anderen Organen und Geweben von oft wochenlanger Dauer mit der Folge von Minderfunktion, Dekubitus, Infektionen etc ... Die hier von Professor Dr. F2 angeführten Komplikationen sind mit größter Wahrscheinlichkeit der überlebten hypertonen Dehydration zuzurechnen und können nicht als Argument für eine postvakzinale Resistenzsenkung dienen.

Professor Dr. L2 folgend geht die Kammer davon aus, dass die Möglichkeit einer Abwehrschwäche im Gefolge einiger bestimmter Erkrankungen als gesichert gilt, aber nicht so für Impfstoffe. Zwar ist seit den 40er und 50er Jahren anhand von Einzelbeobachtungen wiederholt und für verschiedenste Impfstoffe die Möglichkeit einer postvakzinalen Resistenzsenkung diskutiert worden, jedoch ohne überzeugende immunologische Absicherung. Insbesondere sind anschließend keine Fall- und Kontrollstudien durchgeführt worden. Das heißt, man ist bei umstrittenen Vermutungen bzw. Behauptungen geblieben. Außerdem stehen nach Professor Dr. L2 experimentellen Untersuchungen, wie von Professor Dr. F2 zitiert, andere contra lautende Untersuchungen gegenüber.

Diese Beurteilung von Professor Dr. L2 steht in Einklang mit den Angaben von Professor Dr. T. Auch dieser legt dar, dass Professor Dr. F2 die kritische Auseinandersetzung in der wissenschaftlichen Literatur mit dem von ihm vermuteten Effekt der Keuchhustenimpfung für ein schweres paralleles Infektionsgeschehen unterschlage. Die von Professor Dr. F2 angeführten Beispiele bezögen sich ausschließlich auf den zeitlichen Zusammenhang einer Herpes-Encephalitis bzw. Coxsackie-Virusinfektion mit einer Quatro-Virelon-Impfung. Es erweise sich unter Berücksichtigung einer strengen wissenschaftlichen Betrachtungsweise als gewagt, wenn nicht spekulativ, aus dem rein zeitlichen Zusammenhang und mit einer Inkubationszeit von mehr als sieben Tagen sogar sehr lockeren Koinzidenz eine kausale Wechselbeziehung zwischen zwei Ereignissen abzuleiten. Professor Dr. F2 gehe nur von einer schädlichen Histaminwirkung des Keuchhustenimpfstoffes aus. Dieser einerseits vorübergehenden Hemmwirkung des Keuchhustenimpfstoffes stehe andererseits die Förderung der Immunabwehr gegenüber. Immunstimulierende wie immunschwächende Wirkung seien aber mindestens gleich stark. Histamin habe im wesentlichen eine allergiesierende Wirkung, die sich an verschiedenen Organen, wie Haut, Atemwege und Kreislauf bemerkbar machen könne. Ein solches wurde beim Kläger aber weder beschrieben noch beobachtet. Des Weiteren legt Professor Dr. T im Einklang mit Professor Dr. L2 dar, dass der Keuchhustenimpfstoff nicht aus vermehrungsfähigen, sondern aus abgetöteten Keuchhustenerregern (Bordetellen) bestehe. Bei diesem Abtötungsprozess würden enzymatische Bestandteile mit Proteincharakter nicht nur strukturell, sondern auch funktionell verändert, so dass nicht ohne weiteres von einer Bordetellen-Infektion auf eine Bordetellen-Impfung geschlossen werden dürfe.

Das Thema wird seit längerer Zeit und auch derzeit nicht mehr ernsthaft diskutiert. Dafür spricht ebenfalls, das eine mögliche Resistenzminderung des Impflings nicht in die Anhaltspunkte 1996 aufgenommen wurde. Ebenso finden sich dafür weder bei dem Impfstoffbeipackzettel noch in der Roten Liste 2000 Hinweise. Des Weiteren wird diese Auffassung auch unterstützt von den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichten Veröffentlichungen. Es handelt sich um Studien mit Ratten von Levine und Wenk , veröffentlicht 1966, einer Veröffentlichung aus dem Jahre 1974, einer weiteren aus 1981 und einer aus 1982 von Confer und Eaton. Letztere befasst sich dabei nicht mit einem Impfstoff, sondern mit dem davon zu unterscheidenden Keuchhustenbordetellen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass eine Histaminwirkung besteht. Davon gehen auch sämtliche Sachverständige aus. Eine solche Histaminwirkung ergibt sich aus dem vom Kläger überreichten Auszug aus dem Lehrbuch der Kinderheilkunde von 1991. Aber auch daraus ergibt sich nicht eine solche große Wirkung des Histamins.

Schließlich sind auch die Voraussetzungen der Kann-Versorgung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG nicht gegeben. Der Sachverständige Professor Dr. L2 hat die Frage, ob die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge der Impfschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht (vergleiche § 52 Abs. 2 Satz 2 BSeuchG bzw. § 61 Satz 2 IFSG), eindeutig verneint.

Dem Antrag des Klägers, Professor Dr. F2 zum Termin zur mündlichen Verhandlung als Zeugen zu laden, um sein Gutachten und die ergänzenden Stellungnahmen zu erläutern, ist das Gericht nicht gefolgt. Das Gericht war nicht daran gebunden, Professor Dr. F2 in der mündlichen Verhandlung persönlich zu hören. Gemäß § 118 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht einen Sachverständigen zur Erörterung laden. Die Beteiligten können die Ladung eines Sachverständigen beantragen. Dabei handelt es sich um einen Ausfluss des Rechts auf Gehör und auf Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung. Das Gericht muss dem Antrag folgen und den Sachverständigen laden, wenn der Antrag rechtzeitig gestellt war und wenn der betreffende Beteiligte sachdienliche Fragen angekündigt hat. Dabei kann nicht verlangt werden, dass die Fragen ausformuliert werden. Es muss aber die Notwendigkeit der Befragung nachvollziehbar dargelegt werden, so dass sich allgemeine Fragestellungen erkennen lassen. Zusätzlich muss angegeben werden in welche Richtung der Beteiligte durch Fragen weitere Aufklärung herbeiführen möchte. Eine Anhörung ist nicht allein deswegen notwenig, weil sich mehrere Gutachten widersprechen. Eine Ablehnung kann auch erfolgen, wenn die Ladung nicht der Behebung von Zweifeln dient, sondern um auf die gerichtliche Überzeugungsbildung einzuwirken. (vergleiche mit weiteren Nachweisen Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 118, Rdnr. 12 ff.)

Das Gericht ist der Auffassung, dass Professor Dr. F2 sein Sachverständigengutachten vom 08.02.2002 in den ergänzenden Stellungnahmen vom 04.05.2002 und vom 24.03.2003 ausreichend erläutert hat. Das Gutachten und die Stellungnahmen sind auch nicht unklar und eine gegebenenfalls schriftliche Ergänzung erschien nicht unzweckmäßig. Dem steht nicht entgegen, dass der Sachverständige Professor Dr. F2 in einem Telefonat vom 17.03.2003 darum gebeten hat, nicht nochmals mit dem Fall betraut zu werden. Trotzdem hat er unter dem 24.03.2003 eine weitere Stellungnahme abgeben. Es hätten auch durchaus Möglichkeiten bestanden, von dem Sachverständigen eine weitere schriftliche Stellungnahme zu erhalten. Indes sah auch der Kläger keinen Anlass dazu. Am Ende des Schreibens vom 09.09.2003 wurde pauschal beantragt, Professor Dr. F2 zu hören, sofern sich das Gericht den schriftlichen Ausführungen des Klägers nicht anschließen könne. Es wurden indes keine sachdienlichen Fragen angekündigt. Diese waren aus dem Schreiben ebenfalls nicht ersichtlich. Auch im letzten Schriftsatz vom 25.11.2003 ist ein solches nicht ersichtlich. Im Gegensatz betont der Kläger, dass nicht beabsichtigt sei schriftliche Fragen zu stellen. Der Kläger beabsichtigte wohl nur eine allgemeine Erläuterung seiner Gutachten von Professor Dr. F2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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