S 24 SB 71/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
24
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 24 SB 71/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das beklagte Land wird unter Änderung des Bescheides vom 19.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2003 verurteilt, bei dem Kläger ab 26.08.2002 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs G festzustellen.

Das Land trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Streitig ist, ob bei dem Kläger die Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs G vorliegen.

Bei dem 0000 geborenen, 183 cm großen und über 150 kg schweren Kläger, hatte das zuständige Versorgungsamt zuletzt durch Bescheid vom 25.08.2000 einen GdB von 50 festgestellt. Dabei wurden folgende Funktionsbeeinträchti-gungen als anerkannte Behinderungen benannt, die ausweislich einer gutachterlichen Stellungnahme des Allgemeinmediziners M1 vom 17.08.2000 mit folgenden Einzel-GdB bewertet wurden:

1. Persönlichkeitsstörung Einzel-GdB 20
2. Bluthochdruck Einzel-GdB 10
3. Verdauungsstörungen durch chron. Magen- schleimhautentzündung und Lebererkrankung Einzel-GdB 20
4. Hörgeräteversorgte Schwerhörigkeit bds. bei chron. Entzündung Einzel-GdB 20
5. Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizung bei Bandscheibenschäden, Verschleiß der Wirbelsäule, Scheuermann´sche Erkrankung Einzel-GdB 30
6. Hüftgelenkfehlbildung und Hüftgelenksverschleiß bds. Kniegelenksverschleiß Einzel-GdB 20

Mit Änderungsantrag vom 26.08.2002 begehrte der Kläger die Feststellung eines höheren GdB und des Vorliegens der Voraussetzung für die Inanspruch-nahme des Nachteilsausgleichs G. Die LVA Rheinprovinz übersandte dem Beklagten ein Kurzgutachten nach Aktenlage des Sozialmediziners und Internisten Dr. L vom 02.01.2000, ein für den medizinischen Dienst der Krankenversicherung erstattetes Gutachten des Arztes M2 vom 13.07.2000, und medizinische Unterlagen, die das Sozialgericht Duisburg in einem Renten-klageverfahren S 28 RJ 52/00 eingeholt hatte: Ein Befundbericht der Hals-Nasen-Ohren Ärzte Dr. F und N vom 14.03.2001, ein Befundbericht des Arztes für innere Medizin Dr. X vom 24.03.2001, einen Befundbericht des Orthopäden Dr. U vom 27.03.2001 sowie ein orthopädisches Gutachten des Sachverständigen Dr. Q1, das dieser nach Untersuchung des Klägers am 13.08.2001 unter dem 14.08.2001 erstattet hatte, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen Dr. S1, das dieser nach Untersuchung des Klägers am 20.09.2001 unter dem 11.10.2001 erstattet hatte, ein internistisches Gutachten des Sachverständigen Dr. Q2, das dieser nach Untersuchung des Klägers am 17.07.2001 unter dem 07.11.2001 erstattet hatte, sowie ein auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG von dem Orthopäden Dr. E1 nach Untersuchung des Klägers am 28.06.2002 unter dem 03.07.2002 erstattetes Sachverständigengutachten. Nach Einholung eines Befundberichtes von den Orthopäden Dres. G und U, dem ein Arztbrief des Facharztes für diagnostische Radiologie Dr. E2 vom 07.11.2000 beigefügt war, kam die Ärztin S2 in einer gutachterlichen Stellungnahme für das Versorgungsamt vom 14.11.2000 zu dem Ergebnis, dass die folgenden Behinderungen des Klägers mit folgenden Einzel-GdB zu bewerten seien:

1. Persönlichkeitsstörung Einzel-GdB 20
2. Bluthochdruck Einzel-GdB 20
3. Verdauungsstörung durch chron. Magenschleimhaut- entzündung und Lebererkrankung Einzel-GdB 20
4. Hörgeräte versorgte Schwerhörigkeit bds. bei chron. Entzündung Einzel-GdB 20 5. Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit Nerven- wurzelreizungen bei Bandscheibenschäden, Verschleiß der Wirbelsäule, Scheuermann´sche Erkrankung Einzel-GdB 30
6. Hüftgelenksfehlbildung und Hüftgelenksverschleiß bds., Kniegelenksverschleiß, Krampfadern Einzel-GdB 20
7. Schlafbezogene Atemregulationsstörung durch Über- druckbeatmung behandelt Einzel-GdB 20
und der GdB insgesamt mit 60 zu bewerten sei, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs G jedoch nicht erfüllt seien.

Mit Bescheid vom 19.11.2002 und nach Einholung einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin M1 vom 02.01.2003, mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2003, stellte das beklagte Land bei dem Kläger ab 26.08.2002 einen GdB von 60 fest und lehnte die Anerkennung der Voraussetzungen für Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs G ab.

Zur Begründung seiner am 27.02.2003 erhobenen Klage meint der Kläger, die Voraussetzungen für die Anerkennung des Nachteilsausgleichs G zu erfüllen. Dazu beruft er sich auf eine ärztliche Stellungnahme des Arztes Dr. S3 für die LVA Rheinprovinz vom 13.12.2002 zu dem Gutachten des Dr. E1, in der dieser sich damit auseinandersetzt, dass Dr. E1 eine möglichst kurze Gehstrecke für sinnvoll erachte, jedoch eindeutig ausgesagt habe, dass die arbeitstägliche Wegefähigkeit vier Mal 501 Meter als gegeben anzusehen sei. Dabei sei zu bedenken, dass für den Hin- und Rückweg die Strecke in zwei Teilwegstrecken von je 501 Meter aufgegliedert, zwischendurch angemessen lange Pausen eingelegt werden können, so dass die Hälfte der erforderlichen Wegstrecke sicherlich in der üblichen Zeit von 20 Minuten zurückgelegt werden könne. Ferner legte der Kläger ein Attest der Orthopäden Dres. G und U vom 15.04.2003 vor, in dem es heißt, aufgrund seiner Wirbelsäulenerkrankung und Gonarthrose sei der Kläger nicht in der Lage, 2000 Meter Gehstrecke innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen. Ferner meint der Kläger, auch wenn sein Übergewicht keine Behinderung im eigentlichen Sinne sei, seien nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutach-tertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehinderten-gesetz von 1996 (AHP) deren funktionelle Auswirkungen auf den Stütz- und Bewegungsapparat zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land unter Änderung des Bescheides vom 19.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2003 zu verurteilen, bei ihm ab 26.08.2002 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs G festzustellen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, der Kläger sei nicht infolge seiner Behinderung in seiner Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, sondern infolge seines erheblichen Übergewichtes, das keine Behinderung darstelle.

Das Gericht hat zunächst die Sozialgerichtsakte S 28 RJ 52/00 beigezogen und eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Orthopäden Dr. E1 vom 10.01.2003 zu den Akten genommen. In dieser ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme heißt es u.a., der Kläger mache geltend, dass er eine tägliche Wegstrecke von zwei Kilometern nicht mehr zurücklegen könne. Eine ent-sprechende Gehstrecke ununterbrochen zu gehen halte er als Sachverständiger tatsächlich nicht mehr für möglich. Der Kläger könne jedoch weiterhin vier Mal täglich Wegstrecken von jeweils 501 Meter auf dem Weg zur Arbeit und nach Hause zurücklegen, wobei er zwischen den Gehstrecken ja bei der Arbeit und nachher auch zu Hause wegen der Kniegelenkserkrankung überwiegend sitzen solle.

Sodann hat das Gericht bei dem Orthopäden Dr. E1 ein Gutachten nach Aktenlage eingeholt, dass dieser unter dem 29.06.2003 erstattet hat. Unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhaltes einschließlich von ihm selbst erstatteten Gutachtens vom 03.07.2002 hat sich Dr. E1 die Bewertung der Einzel-GdB entsprechend der gutachterlichen Stellungnahme der Ärztin S2 vom 14.11.2002 zu Eigen gemacht und ausgeführt, durch die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet komme es zu einer schmerzhaften Bewegungsein-schränkung im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule mit ausstrahlenden Nervenreizerscheinungen. Die Erkrankung der Hüft- und Kniegelenke führe zu einer Gangstörung sowie Schmerzen bei längerem Stehen und Gehen. Der zusammenfassende GdB für die Erkrankung der Lendenwirbelsäule und der unteren Gliedmaßen werde mit 40 eingeschätzt, da eine gegenseitige ungünstige Überschneidung zwischen der Wirbelsäulenerkrankung mit Bandscheibenvorfall und der ausstrahlenden Beinschmerzen sowie der Hüft- und Kniegelenkserkrankung mit zusätzlichen belastungsabhängigen Gelenk- und Beinschmerzen bestehe. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger nicht mehr in der Lage, eine Wegstrecke von zwei Kilometern zu Fuß in etwa 30 Minuten zurückzulegen, auch wenn noch kein Einzel-GdB von 50 für die Lendenwirbelsäule oder die unteren Gliedmaßen vorliege. Maßgebend hierfür sei die fortgeschrittene Kniegelenksarthrose beiderseits, die bei dem massiv übergewichtigen Mann zu derartigen Belastungsschmerzen beim Gehen führe, dass nachvollziehbar keine Wegstrecke von zwei Kilometern in 30 Minuten mehr zurückgelegt werden könne. Bei der Untersuchung durch ihn am 28.06.2002 sei eine Verschlechterung der radiologischen Kniegelenksbefunde gegenüber den mitgebrachten Voraufnahmen nachweisbar gewesen, die jetzt auch eine Subluxationsstellung des linken Kniegelenks in einer stärker gradigen Gelenkspaltverschmälerung gezeigt hätten, als die Voraufnahmen. Das ausgeprägte Übergewicht des Klägers von weit über 50 kg stelle zwar für sich alleine keine Behinderung im Sinne des Schwerbehindertenrechtes dar, durch das extreme Übergewicht komme es jedoch auch zu einer entsprechenden starken Belastung der Kniegelenke beim Stehen und Gehen, so dass bereits nach den Befunden der damaligen Untersuchung die Voraussetzung für die Anerkennung einer erheblichen Gehbehinderung klar vorgelegen hätten, auch wenn wegen der zum Untersuchungszeitpunkt noch geringen bzw. fehlenden Bewegungseinschränkungen der Kniegelenke noch kein Einzel-GdB von 50 für die Erkrankung der Beine vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und der den Kläger betreffenden Akten des Beklagten verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Bei dem Kläger ist festzustellen, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsaus-gleichs G vorliegen.

Die persönlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsaus-gleichs G bestimmen sich nach § 146 Abs. 1 SGB IX i.V.m. Ziffer 30 AHP. Danach ist zu prüfen, ob der Behinderte infolge seiner Behinderung in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 SGB IX und Ziffer 30 Abs. 2 AHP, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (BSG SozR 3870 § 59 Nr. 1). Nach Auswertung des gesamten Akteninhalts und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger infolge seiner Behinderungen in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist und nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten ortsübliche Wegstrecken zurückzulegen vermag. Bei ihm liegen unstreitig Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen bei Bandscheibenschäden, und Verschleiß der Wirbelsäule bei Scheuermannscher Erkrankung sowie Hüftgelenksfehlbildung und Hüftgelenksverschleiß beiderseits mit Kniegelenksverschleiß beiderseits vor. Auch wenn weder Dr. E1 noch Dr. Q1 bei ihren Untersuchungen des Klägers bedeutsame Einschränkungen der Beweglichkeit der Hüft- und Kniegelenke feststellen konnten, so sind beide übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass die von dem Kläger angegeben Beschwerden glaubhaft wirken und nach Umfang und Intensität orthopädischerseits vollends objektiviert werden konnten. Sie seien Folge verschleißbedingter Veränderungen mit Befall des gesamten Achsorgans sowie beider Kniegelenke, links deutlich mehr als rechts, wobei gegenwärtig die Beschwerden im Bereich des linken Kniegelenkes sowie der Lendenwirbelsäule im Vordergrund stünden. Dr. Q1 führt sogar aus, dass für das linke Kniegelenk in absehbarer Zeit mit einem endroprothetischen Gelenkersatz gerechnet werden müsse. Dr. E1 hat die Behinderung in seinem Gutachten bezogen auf den Bereich der Lendenwirbelsäule und die unteren Gliedmaßen beschrieben als chronische Lendenwirbelsäulenbeschwerden mit Ausstrahlungsschmerzen zum rechten Bein bei degenerativem Wirbelgelenks- und Bandscheibenveränderungen sowie Bandscheibenvorfall L3/L4 rechts und eben beginnende Hüftgelenksarthrose beiderseits, stärkergradige Kniegelenksarthrose links mehr als rechts mit Seitenbandinstabilität. Auch Dr. E1 hat in seinem Gutachten unter Hinweis auf das extreme Übergewicht eine Verschlechterung der Kniegelenksbeschwerden in wenigen Jahren mit Notwendigkeit einer Endroprothese prognostiziert und ausdrücklich im Hinblick auf die Kniegelenksbeschwerden eine deutliche Einschränkung der Geh- und Stehfähigkeit beschrieben. Unter Benutzung eines rechts geführten Gehstockes seien aber noch Wegstrecken auf dem Weg zur Arbeit von 501 Meter nötig. Insgesamt wird damit die Einschätzung eines zusammenfassenden GdB für die Erkrankung der Lendenwirbelsäule und der unteren Gliedmaßen mit 40 nachvollziehbar.

Das Gericht hat keine Bedenken, angesichts der funktionellen Einschränkungen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und der unteren Gliedmaßen eine erhebliche Gehbehinderung zu bejahen. Dass die Gehstrecke des Klägers erheblich eingeschränkt ist, zieht auch das beklagte Land nicht in Zweifel. Es meint lediglich, die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr seit nicht infolge behinderungsbedingten Einschränkungen beeinträchtigt. Diese Auffassung teilt das Gericht nicht. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass das erhebliche Übergewicht des Klägers keine Behinderung im Sinne der AHP darstellt. Dies folgt unmittelbar aus Ziffer 26.15 AHP, wo es auf Seite 120 unter dem Stichwort alimentäre Fettsucht, Adipositas, heißt, die Adipositas alleine bedinge noch keinen GdB. Nur die Folge und Begleitschäden (insbesondere am kardiopul-monalen System oder am Stütz- und Bewegungsapparat) könnten die Annahme eines GdB begründen. Gleiches gelte für die besonderen funktionellen Auswirkungen einer Adipositas permagna. Funktionelle Auswirkung der Adipositas permagna des Klägers ist aber die starke Belastung der unteren Lendenwirbelsäule ebenso wie der das Körpergewicht tragenden unteren Gliedmaßen. Bei den nachweisbaren Veränderungen an der Lendenwirbelsäule und den Hüft- und Kniegelenken sind die funktionellen Auswirkungen der Adipositas permagna im Sinne von nachvollziehbarer Schmerzhaftigkeit und dadurch bedingter Einschränkung der Gehstrecke plausibel. Die Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ergibt sich damit ohne weiteres aus den anerkannten funktionellen Einschränkungen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und der unteren Gliedmaßen, die durch die Adipositas permagna lediglich verstärkt werden und insoweit nach Ziffer 26.15 AHP auch zu berücksichtigen sind.

Der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruch-nahme des Nachteilsausgleichs G steht nicht entgegen, dass nach Ziffer 30 Abs. 3 AHP die Voraussetzung für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung der Gehfähigkeit als erfüllt anzusehen sind, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen, was bei dem Kläger nicht der Fall ist. Nach Ziffer 30 Abs. 3 Satz 2 AHP können auch die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB von unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Die an dieser Stelle genannten Beispiele betreffen allerdings Behinderungen der unteren Gliedmaße mit einem GdB von 40. An einer solchen Behinderung leidet der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht. Ziffer 30 Abs. 3 AHP bedeutet allerdings nicht, dass im Einzelfall nicht auch Behinderungen, die einen GdB unter 40 bedingen, eine erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr bedingen können. Vielmehr ist Abs. 3 dahin auszulegen, dass in den dort genannten Fällen eine erhebliche Gehbehinderung ohne weitere Prüfung angenommen werden kann. Eine Negativabgrenzung ist in dieser Regelung nicht enthalten. Dies ergibt sich schon daraus, dass als Regelbeispiel eine arterielle Verschlusskrankheit mit einem GdB von 40 genannt wird. Für diese Behinderung kann ein GdB von lediglich 30 aber nur angenommen werden, wenn die schmerzfreie Gehstrecke in der Ebene 500 Meter nicht übersteigt. Wer nur 500 Meter schmerzfrei gehen kann, wird die vierfache Strecke, die nicht ausschließlich eben sein muss, nicht in einer halben Stunde zurücklegen können. Hier wird dem Kläger durch den Sachverständigen E1 lediglich eine Wegstrecke von etwas über 500 Metern zugemutet und ausdrücklich hervorgehoben, dass er nach Zurücklegung einer solchen Wegstrecke eine längere Pause durch Sitzen entweder am Arbeitsplatz oder zu Hause einlegen muss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die nach rentenrechtlichen Maßstäben zumutbare Wegstrecke von über 500 Metern in ca. 20 Minuten zurücklegbar sein muss, die zur Abgrenzung einer Gehbehinderung von einer erheblichen Gehbehinderung entwickelte Grenze von zwei Kilometern in ca. einer halben Stunde. 500 Meter müssen danach in 7,5 Minuten zurücklegbar sein. Wenn der Kläger aber nach Zurücklegung einer Wegstrecke von etwa 500 Metern eine längere Pause einlegen muss, um sich zu erholen, liegt unmittelbar auf der Hand, dass er zwei Kilometer nicht in etwa einer halben Stunde zurücklegen kann. Dies kann er aufgrund seiner anerkannten Behinderung nicht, deren Auswirkungen durch die funktionellen Auswirkungen der Adipositas permagna, die zu berücksichtigen sind, lediglich verstärkt werden. Ohne die anerkannten Behinderungen am Stütz- und Bewegungsapparat wäre der Kläger allein wegen der Adipositas permagna nicht erheblich gehbehindert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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