L 11 KA 173/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 44/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 173/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 23/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.4.2002 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Punktwertes für Zahnersatz im Jahr 2000.

Der Kläger ist Zahnarzt und in E zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.

Bei der bei der Beigeladenen zu 1) Versicherten N.T. gliederte der Kläger am 05.12.2000 einen Zahnersatz ein (Heil- und Kostenplan vom 06.10.2000). Hinsichtlich seiner Gebühren setzte er dafür einen Punktwert von 1,3674 DM an.

Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 15.12.2000 eine Berichtigung der Abrechnung des Klägers vor. Sie beanstandete, dass der Kläger bei der Berechnung seiner Gebühren den um 5 % erhöhten Punktwert von 1,3674 DM anstelle des Punktwertes von 1,3023 DM zu Grunde gelegt hatte. Die Beklagte könne gegenüber der Beigeladenen zu 1) auch für im Jahr 2000 erbrachte Zahnersatzleistungen lediglich einen um 5 % abgesenkten Punktwert in Ansatz bringen (Art. 15 des Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-SolG).

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die Berechnung seiner Gebühren sei mit dem um 5 % erhöhten und von der Beigeladenen zu 1) genehmigten Punktwert von 1,3674 DM vorzunehmen; die in Art. 15 GKV-SolG verordnete fünfprozentige Absenkung des Punktwertes für Zahnersatz sei allein auf das Jahr 1999 begrenzt gewesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 26.01.2000 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Zuschussfestsetzung im Heil- und Kostenplan beinhalte lediglich, dass die Kosten, die den entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen entsprächen, zu Grunde gelegt werden könnten. Der vertraglich vereinbarte Punktwert betrage jedoch lediglich 1,3023 DM, so dass auch nur dieser um 5 % abgesenkte Punktwert der Abrechnung zu Grunde gelegt werden könne.

Mit seiner Klage hat der Kläger nochmals darauf hingewiesen, dass die fünfprozentige Absenkung gemäß Art. 15 Abs. 1 GKV-SolG allein auf das Jahr 1999 begrenzt gewesen sei. Diese Absenkung sei auch nicht durch das am 01.01.2000 in Kraft getretene GKV-Gesundheitsreformgesetz verlängert worden. Aus der Gesetzesbegründung zum GKV-SolG werde im Übrigen deutlich, dass die vom Gesetzgeber vorgenommene Absenkung allein das Jahr 1999 erfassen sollte. Somit habe ab dem Jahre 2000 wieder der am 31.12.1997 geltende Punktwert Gültigkeit erhalten, so dass es für die von der Beklagten vorgenommene Punktwertabsenkung einer rechtlichen Grundlage entbehre. Der mit den Primärkassen vertraglich vereinbarte Punktwert von 1,3023 DM verstoße gegen höherrangiges Recht und sei deshalb unwirksam. Die Beklagte könne sich somit auf die vertraglichen Vereinbarungen nicht berufen und hätte die Abrechnung auf Grund des von ihm in Ansatz gebrachten Punktwertes von 1,3674 DM vornehmen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 15.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2001 die Abrechnung des Zahnersatzantrages betreffend die Patientin N.T. nach einem Punktwert von 1,3674 DM vorzunehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf die Ausführungen in ihren Bescheiden verwiesen.

Die Beigeladene zu 1) hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat dargelegt, dass die von der Beklagten vorgenommene Honorarkürzung auf Grund des vertraglich vereinbarten Punktwertes von 1,3023 DM rechtmäßig erfolgt sei. Es sei nicht entscheidungserheblich, ob die in Art. 15 Abs. 1 GKV-SolG angeordnete Absenkung des Punktwertes für Zahnersatz auf das Jahr 1999 beschränkt gewesen sei. Denn selbst wenn man davon ausgehe, dass der Gesetzgeber eine Fortschreibung der für das Jahr 1999 angeordneten fünfprozentigen Absenkung nicht gewollt habe, so sei die Vergütungsvereinbarung dennoch rechtmäßig. Denn eine Beschränkung der Absenkung auf das Jahr 1999 hätte allein zur Folge, dass diese Einschränkung nach Ablauf des Jahres 1999 entfallen wäre, die Vertragspartner an sie also nicht mehr gebunden wären. Die Vertragspartner wären dann aber berechtigt gewesen, mit Rücksicht auf die Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) weiterhin einen abgesenkten Basiswert zu vereinbaren oder sogar den Punktwert im Wege einer vertraglichen Vereinbarung noch weiter abzusenken.

Mit Urteil vom 10.04.2002 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Regelung in Art. 15 GKV-SolG um ein auf das Jahr 1999 beschränktes Gesetz zur Verminderung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen gehandelt habe, jedoch hätten die Vertragsparteien trotz der beschränkten Geltungsdauer dieser Vorschrift nicht zwingend für das Jahr 2000 eine Erhöhung der Punktwerte um (weitere) 5 % vornehmen müssen. Denn den Vertragsparteien stünde ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Dieser sei nicht verletzt. Den Vertragszahnärzten sei eine angemessene Vergütung ihrer Leistung im Sinne von § 72 Abs. 2 SGB V zugebilligt worden. Die Angemessenheit ergebe sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber selbst für das Jahr 1999 die Herabsetzung der Punktwerte um 5 % vorgenommen habe; dies verdeutliche, dass der reduzierte Punktwert auch (noch) angemessen sei.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor, dass die vertragliche Festlegung des Punktwertes durch die Vertragsparteien (Beklagte und Beigeladene) in der Vereinbarung vom 23.02.2000 einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter darstelle. Wenn man zutreffenderweise - wie das SG Düsseldorf - eine Beschränkung der fünfprozentigen Punktwertabsenkung nur für das Jahr 1999 annehme, ergebe sich zwingend, dass eine diese Punktwertabsenkung fortschreibende Vereinbarung der Vertragsparteien gegen §§ 72, 85 SGB V verstoße.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.04.2002 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 15.12.2000 und 26.01.2001 zu verurteilen, die Abrechnung des Zahnersatzantrages der Patientin S. nach einem Punktwert von 1,3674 DM vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1) beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil sowie ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird - insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten - ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 15.12.2000 und 26.01.2001 sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Vergütung unter Zugrundelegung eines Punktwertes für Zahnersatz von 1,3674 DM. Die vertragliche Bestimmung des Punktwertes für Zahnersatz durch die Vertragsparteien in der Vereinbarung vom 23.02.2000 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

Den Vertragspartnern kommt bei einer im Wege freier Verhandlungen erzielten Vereinbarungen ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Da vertragliche Vereinbarungen auf Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben, sind sie von den Gerichten nur daraufhin zu überprüfen, ob die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten worden sind. Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich mithin darauf, ob der zu Grunde gelegte Sachverhalt zutrifft und der den Vertragsparteien zustehende Gestaltungsspielraum eingehalten worden ist, d. h., ob die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet worden sind.

Zu den Vorgaben, die von den Vertragspartnern zwingend zu beachten sind und deren Einhaltung von den Gerichten dementsprechend zu kontrollieren ist, gehört der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs. 1 SGB V).

Wie das BSG bereits zu früheren Fassungen dieses Grundsatzes ausführlich und überzeugend dargelegt hat, handelt es sich dabei um eine verbindliche gesetzliche Vorgabe für Vergütungsvereinbarungen, der im Verhältnis zu anderen Kriterien für die Festsetzung der Gesamtvergütung sogar Vorrang zukommt (BSGE 86, 126, 136 ff.; vgl. auch schon BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 30). Für die hier anzuwendende Fassung, die § 71 SGB V durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 erlangt hat, gilt dies erst recht. Denn danach haben die Krankenkassen und die Leistungserbringer in den Vereinbarungen über die Vergütung der Leistungen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht mehr, wie in der Vorgängerfassung, "nur" zu beachten. Vielmehr haben sie nunmehr diese Vereinbarungen so zu gestalten, dass Beitragssatzerhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten (§ 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Darüberhinaus schreibt § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB V vor, dass die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamten Bundesgebiet nach § 71 Abs. 3 SGB V ergebende Veränderung der Vergütung, die für das Jahr 2000 1,43 % betragen hat, nicht überschreiten darf. Durch diese strikte Anbindung hat der Gesetzgeber ersichtlich einen noch höheren Grad der Bindung an den Grundsatz der Beitragssatzstabilität bezweckt, als sie ohnehin schon bis zum 31.12.1999 bestand. Dass § 85 Abs. 3 Satz 2 SGB V, der durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 unverändert geblieben ist, nach wie vor eine "Beachtung" dieses Grundsatzes vorschreibt, ändert hieran nichts, weil es sich bei dieser Bestimmung aufgrund der Neufassung des § 71 Abs. 1 SGB V im Wesentlichen nur noch um eine Verweisungsvorschrift handelt.

"Vergütung" im Sinne von § 71 Abs. 1 SGB V ist nicht nur die jeweilige Vergütungsobergrenze, sondern auch der für Einzelleistungen vereinbarte Punktwert. Das ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung der Vorschrift im Zusammenhang mit § 85 Abs. 2 und 3 SGB V. Zunächst zeigt § 85 Abs. 3 Satz 2 SGB V, dass mit dem Begriff "Vergütung" in § 71 Abs. 1 SGB V im Bereich der vertrags(zahn)ärztlichen Leistungen die Gesamtvergütung im Sinne von § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V, also das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertrags(zahn)ärztlichen Leistungen gemeint ist. Dieses Ausgabevolumen kann, wie sich aus § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V im Weiteren ergibt, auch nach Einzelleistungen berechnet werden. Wie das BSG bereits klar gestellt hat, handelt es sich bei der Vergütung von Leistungen auf der Grundlage eines Bewertungsmaßstabes nach festen Punktwerten um eine solche Einzelleistungsvergütung (BSGE 86, 126, 141). Stellt somit der feste Punktwert den variablen Vergütungsfaktor dar, der letztlich über das Ausgabenvolumen entscheidet, so ist auch bei seiner Anpassung der Grundsatz der Beitragssatzstabilität in seiner jeweils konkreten Ausformung zu beachten.

Dem steht nicht entgegen, dass auch bei einer Vergütung nach Einzelleistungen das Ausgabenvolumen zu bestimmen, eine Regelung zur Vermeidung der Überschreitung dieses Betrages zu treffen (§ 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V in der Fassung des GKV-SolG) und auch das Ausgabenvolumen als "Vergütung" im Sinne von § 71 Abs. 1 SGB V anzusehen ist, die dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität unterliegt. § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V trägt lediglich dem Umstand Rechnung, dass das gesamte Ausgabenvolumen sich bei einer reinen Einzelleistungsvergütung durch Mengenausweitung tendenziell nach oben unbegrenzt entwickeln kann. Um dies zu verhindern, muss neben die Vergütung nach Einzelleistungen ein zweiter Vergütungsparameter in Gestalt einer Vergütungsobergrenze treten (vgl. hierzu ausführlich - auch mit Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte - BSGE 86, 126, 142 ff.; Engelhard in Hauck/Haines, SGB V, § 85 Rdnr. 99). Es reicht indessen nicht aus, allein diese gemäß dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität anzupassen. Denn ebenso wenig wie § 71 Abs. 1 SGB V die Gesamtvertragsparteien zwingt, die Veränderungsrate gemäß § 71 Abs. 3 SGB V voll auszuschöpfen (vgl. zur vergleichbaren Problematik der Anpassung der Gesamtvergütung an den Grundlohnsummenanstieg bereits BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 20), lässt sich seine Reichweite auf die Anpassung der Vergütungsobergrenze beschränken, wenn - wie bei einem nach Einzelleistungen berechneten Ausgabenvolumen möglich - die tatsächlich zu entrichtende Gesamtvergütung im Ergebnis auch darunter liegen kann (vgl. Engelhard a.a.O., § 85 Rdnr. 332). Im Übrigen kann es für die Anwendung von § 71 Abs. 1 SGB V aber auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Vergütung nach Einzelleistungen im Laufe des Jahres voraussichtlich das festgesetzte Ausgabenvolumen erreichen wird mit der Folge, dass unabhängig von der Höhe des festen Punktwertes ohnehin nur ein geringerer Auszahlungspunktwert zur Anwendung kommt (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 21.05.2003 - B 6 KA 25/02 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Denn weder § 71 SGB V noch § 85 SGB V sehen insoweit einen Ausnahmetatbestand oder die Möglichkeit der Differenzierung vor.

Die Bindung an den Grundsatz der Beitragssatzstabilität auch bei Anpassung der Punktwerte führt dazu, dass die Vertragspartner sich bei der Festsetzung der Gesamtvergütung für das Jahr 2000 an den Punktwerten des Jahres 1999 und der Veränderungsrate für das Jahr 2000 gemäß § 71 Abs. 3 Satz 4 SGB V zu orientieren hatten und nicht die Punktwerte des Jahres 1997 zu Grunde legen durften.

§ 71 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB V ordnet an, dass die Vergütung sich nur nach Maßgabe der gemäß § 71 Abs. 3 SGB V festgesetzten Veränderungsrate verändern darf. Diese wird nach § 71 Abs. 3 Satz 1 SGB V jeweils für das folgende Kalenderjahr ermittelt. Speziell für die Vereinbarungen des Jahres 2000 gelten die Veränderungsraten des zweiten Halbjahres 1998 und des ersten Halbjahres 1999 (§ 71 Abs. 3 Satz 4 SGB V). Aus dieser Anbindung an Jahreszeiträume wird unmittelbar ersichtlich, dass die "Vergütung", auf welche die Veränderungsrate zu beziehen ist, nur diejenige des jeweiligen Vorjahres sein kann. Das entspricht im Übrigen der ständigen Rechtsprechung, wonach eine Vergütungsanpassung grundsätzlich auf der Basis der Vergütung des Vorjahres vorzunehmen ist, weil diese die Vermutung der Angemessenheit für sich hat (BSGE 20, 73, 84; BSGE 51, 58, 63; Senat, Urt. v. 23.03.2000 - L 11 KA 123/98). Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Vergütung durch die Vertragspartner selbst, kraft Schiedsspruchs oder aufgrund einer gesetzlichen Regelung erfolgt ist, die den Inhalt des Gesamtvertrags ganz oder teilweise unmittelbar festlegt. Im Hinblick hierauf ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Vergütungsvereinbarungen für das Jahr 2000 auf der Grundlage der Ausgabenbudgetierung für das Jahr 1999 fortzuschreiben sind (allg.M.:BSG, Urt. v. 21.05.2003, a.a.O.; Engelhard a.a.O., § 85 Rdnr. 87c; Hess in KassKomm, § 85 SGB V Rdnr. 44).

Eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung, die Vergütung der Leistungen für Zahnersatz und Kieferorthopädie von dieser Regel auszunehmen und statt auf die Punktwerte des Jahres 1999 auf die Punktwerte eines anderen Jahres, z.B. 1997, Bezug zu nehmen, besteht nicht.

Eine solche Ausnahmeregelung ist auch nicht konkludent darin zu sehen, dass die Geltung des Art 15 Abs. 1 GKV-SolG auf das Jahr 1999 beschränkt war. An dieser beschränkten zeitlichen Geltung bestehen zwar keine Zweifel. Sie ergibt sich, wie das SG insoweit zutreffend dargelegt hat, sowohl aus dem Wortlaut als auch der systematischen Stellung der Vorschrift und schließt die in Art 15 Abs. 1 Satz 7 GKV-SolG geregelte Obergrenze für die Punktwerte für Zahnersatz und Kieferorthopädie mit ein. Denn diese Bestimmung ist lediglich als Annexregelung zu der ebenfalls vorgeschriebenen Obergrenze für das Ausgabenvolumen für Zahnersatz und Kieferorthopädie in Art 15 Abs. 1 Satz 2 GKV-SolG zu lesen, deren alleiniger Zweck darin bestand, den Vertragspartnern die Umsetzung der Vorschrift über die Ausgabenbegrenzung für das Jahr 1999 zu erleichtern (BT-Drucks. 14/24, S. 26). Die auf ein Jahr beschränkte Geltung einer gesetzlichen, erst recht vertraglichen oder auf Schiedsspruch beruhenden Regelung über die Gesamtvergütung ist indessen keine Besonderheit, sondern vielmehr die Regel, von der - wie bereits dargelegt - auch § 71 SGB V selbstverständlich ausgeht. Für den Folgezeitraum beschränkt sich die Bedeutung entsprechender Vereinbarungen, Schiedssprüche bzw. gesetzlichen Regelungen jeweils darauf, dass sie die Vermutung ihrer Angemessenheit für sich haben und die Vertragspartner daher an sie anknüpfen können und müssen. Diese Vermutung besteht jedoch auch für die Regelung zur Absenkung der Punktwerte für Leistungen bei Zahnersatz und Kieferorthopädie in Art 15 Abs. 1 Satz 7 GKV-SolG. Es gibt keinerlei Hinweise für die Annahme, der Gesetzgeber habe insoweit für das Jahr 1999 eine unangemessen niedrige Vergütung festgesetzt geschweige denn festgesetzt wissen wollen. Im Gegenteil sollte die Vorschrift die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich die zahnärztlichen Leistungen im Jahr 1999 wieder "normalisieren" konnten. Die unterschiedlichen Obergrenzen sollten dabei einer vom Gesetzgeber als langfristig angesehenen Entwicklung Rechnung tragen, die sich durch ein hohes Niveau zahnerhaltender Maßnahmen bei gleichzeitigem Rückgang prothetischer Leistungen auszeichnete (vgl. BT-Drucks. 14/157, S. 38).

Auch die Gesetzgebungsgeschichte im Übrigen gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragspartner und damit der Beklagte im Jahr 2000 für die Festsetzung der Vergütung und damit der Punktwerte in den Bereichen Zahnersatz und Kieferorthopädie von der Regel des § 71 Abs. 1 SGB V abweichen durften. Zwar sah der ursprüngliche Entwurf zum GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 die Bildung eines Globalbudgets in der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem Ziel einer über die einzelnen Versorgungsbereiche hinaus gehenden flexiblen Verwendung der verfügbaren Finanzmittel vor (vgl. Art 1 Nr. 85 des Entwurfs der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; BT-Drucks. 14/1245, S. 26 und die Begründung S. 93). Damit sollte ermöglicht werden, die Obergrenze der Veränderungsrate in einzelnen Sektoren zu überschreiten, soweit entsprechende Einsparungen in anderen Bereichen vertraglich abgesichert waren. Auf diese Weise hätten z.B. die Punktwertabsenkung des Jahres 1999 für Zahnersatz und Kieferorthopädie - ggf. zu Lasten anderer Versorgungsbereiche - im Jahr 2000 möglicherweise wieder rückgängig gemacht werden können. Das Globalbudget ist indessen gerade am Widerstand des Bundesrates geschei tert. Stattdessen ist die in ihren Wirkungen bereits beschriebene verschärfte Fassung des § 71 SGB V in Kraft getreten (vgl. hierzu Hess a.a.O., § 85 Rdnr. 2 m.w.N.).

Schließlich lässt sich auch aus dem Fehlen einer Vorschrift wie § 85 Abs. 2b Satz 2 SGB V nichts dafür herleiten, dass andere Punktwerte als diejenigen des Jahres 1999 zur Grundlage der Vergütungsanpassung gemacht werden dürften. Denn die Punktwertabsenkung zum 01.01.1993 gemäß § 85b Abs. 2 Satz 1 SGB V einerseits, die sich kraft § 85 Abs. 2b SGB V in den Folgejahren fortsetzte, und diejenige zum 01.01.1999 durch Art 15 Abs. 1 Satz 7 GKV-SolG andererseits beruhten auf verschiedenen Regelungstechniken, die dementsprechend unterschiedlicher Anordnungen für die Folgezeit bedurften. Dabei ist § 85 Abs. 2b SGB V im Zusammenhang mit dem ebenfalls durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (BGBl. 1992 I, S. 2266 (GSG)) zum 01.01.1993 eingefügten § 85 Abs. 3a SGB V zu lesen. Das GSG sah für die Jahre 1993 bis 1995 eine Budgetierung der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Gesamtvergütungen durch deren strikte Anbindung an die Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen vor (§ 85 Abs. 3a Satz 1 SGB V). Die Besonderheit bestand jedoch darin, dass bei der Bestimmung der Gesamtvergütungen für Vertragszahnärzte die zahnprothetischen und kieferorthopädischen Leistungen nicht berücksichtigt wurden (§ 85 Abs. 3a Satz 3 SGB V). Für sie gab es statt dessen die Sondervorschrift des § 85 Abs. 2b Satz 1 SGB V, der zunächst nur eine Punktwertabsenkung für das Jahr 1993 vorsah. Um diese auch für die Folgejahre wirksam werden zu lassen, bedurfte es einer eigenständigen Regelung, die in Gestalt von § 85 Abs. 2b Satz 2 SGB V erfolgte. Für das Jahr 1999 hat der Gesetzgeber dagegen die Bildung zweier voneinander getrennter Gesamtvergütungsteile (Art 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GKV-SolG) und im Zusammenhang hiermit die Absenkung der Punktwerte für zahnprothetische und kieferorthopädische Leistungen angeordnet (Art 15 Abs. 1 Satz 7 GKV-SolG). Für das Jahr 2000 hat er - insoweit anders als bei § 85 Abs. 3a Satz 3 SGB V - jedenfalls rechtstechnisch die Trennung der Gesamtvergütungen jedoch nicht aufrecht erhalten, sondern stattdessen mit § 71 SGB V eine einheitliche, alle Vergütungen erfassende Anpassungsvorschrift geschaffen. Aufgrund dessen brauchte er das Schicksal der Punktwerte für Zahnersatz und Kieferorthopädie nicht mehr gesondert zu regeln.

Fehlt es nach alledem an einer Regelung, die es den Vertragspartnern erlaubt, für die Festsetzung der Punktwerte bei Zahnersatz für das Jahr 2000 von den Vorgaben des § 71 Abs. 1 SGB V abzuweichen, so entspricht das Anknüpfen an die Punktwerte des Jahres 1999 den vom Gesetzgeber getroffenen Vorgaben. Denn § 71 Abs. 1 SGV V ordnet die Anknüpfung an den jeweiligen Vorjahreszeitraum an, ohne eine Ausnahme mit entsprechender Begründung zu erlauben. Die von den Vertragspartnern in der Vereinbarung vom 23. Februar 2000 vorgenommene Bestimmung des Punktwertes für Zahnersatz im Jahr 2000 auf 1,3023 DM ist rechtmäßig und musste von der Beklagten bei der Honorarberechnung zu Grunde gelegt werden.

Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 193 SGG in der Fassung bis zum 01.01.2002.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved