L 4 KR 243/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 KR 543/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 243/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 13/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 4. September 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Befreiung von Zuzahlungen.

Der 1925 geborene Kläger, der bei der Beklagten als Rentner krankenversichert ist, befand sich in der Zeit vom 05.01.2000 bis 17.01.2000 zur stationären Behandlung in der Klinik Dr.M. (M.). Die Beklagte hatte die Behandlungskosten in voller Höhe übernommen. Der Kläger wurde am 18.04. 2001 aufgefordert, die fehlende Zuzahlung von 221,00 DM zu entrichten. Er machte demgegenüber und im Verlauf des Verwaltungsverfahrens bzw. der späteren Streitverfahren geltend, bei ihm liege eine Befreiung bzw. teilweise Befreiung vor und er müsse daher keine Zuzahlung für Krankenhausaufenthalte leisten. Die Beklagte forderte mit den Bescheiden vom 05.07.2001 und 20.07. 2001 die Zuzahlung und wies mit Widerspruchsbescheid vom 19.09. 2001 den Widerspruch zurück.

Der Kläger erhob hiergegen am 10.10.2001 Klage beim Sozialgericht München (SG). Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 19 KR 764/01 geführt. In der mündlichen Verhandlung am 03.07. 2002 wies der Vorsitzende der 19. Kammer den Kläger laut Sitzungsniederschrift darauf hin, dass sowohl nach § 61 Sozialgesetzbuch V (SGB V), als auch nach § 62 SGB V eine Befreiung von Zuzahlungen zu stationären Krankenhausaufenthalten nicht vorgesehen sei; die Klage sei ohne Aussicht auf Erfolg. Es bestehe die Möglichkeit, den Erlass der Forderung zu beantragen. Dieser Antrag wurde gleichfalls protokolliert. Der Kläger sagte zu, der Beklagten eine Auflistung über seine monatlichen Einkünfte und Ausgaben zu übermitteln. Daraufhin nahm er die Klage zurück. Die Klagerücknahme wurde laut Sitzungsprotokoll vorgelesen und genehmigt.

Am 11.07.2002 ist beim SG ein von der Beklagten übermitteltes Schreiben des Klägers eingegangen, in dem er bestreitet, die Klage zurückgenommen zu haben. Er habe in der mündlichen Verhandlung den vorsitzenden Richter auf seine Schwerhörigkeit hingewiesen. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 19 KR 543/02 geführt. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 25.07.2002 mitgeteilt, die Darlegungen des Vorsitzenden der 19. Kammer seien laut und deutlich gewesen; der Kläger habe die Frage des Vorsitzenden bejaht, ob er dessen Ausführungen verstehe. Das SG hat die Beteiligten mit Schreiben vom 19.05.2003 darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid erfolgen werde.

Es hat mit Gerichtsbescheid vom 04.09.2003 festgestellt, dass der Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen S 19 KR 764/01 durch Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2002 erledigt sei und die Berufung zugelassen. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sei allein die Frage, ob das vorhergehende Verfahren durch die Prozesshandlung Klagerücknahme beendet sei. Das Gericht habe an der Wirksamkeit der Klagerücknahme keine Zweifel. Dies ergebe sich aus der vollständigen und ordnungsgemäßen Sitzungsniederschrift vom 03.07.2002. Danach habe der Kläger die Klagerücknahme ausdrücklich erklärt. Die Erklärung sei ihm vorgelesen und von ihm genehmigt worden. Diesem Urkundsbeweis sei der Kläger nicht stichhaltig entgegengetreten. Er habe nach Erörterung der fehlenden Erfolgsaussichten der Klage ausdrücklich einen Antrag auf Erlass der Forderung gestellt und diesen auch nach Abschluss des Verfahrens weiterverfolgt. Auch die Beklagte habe schriftlich erklärt, dass der Vorsitzende nach Hinweis des Klägers auf seine Schwerhörigkeit die Verhandlung laut und deutlich geführt habe. Eine Versagung rechtlichen Gehörs sei nicht gegeben. Die wirksame Klagerücknahme könne vom Kläger weder angefochten noch widerrufen werden. Die Berufung werde trotz der im Streit stehenden Summe von 221,00 DM (113,00 EUR), die die Berufungsgrenze des § 144 Abs.1 Nr.1 Sozialgerichtsgesetz nicht überschreite, zugelassen, da vom Kläger auch die Versagung rechtlichen Gehörs und damit ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen könne, geltend gemacht werde.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 08.10.2003, mit der er geltend macht, dass er angesichts der von 11.15 bis 11.30 Uhr dauernden Verhandlung keine Gelegenheit gehabt habe, den Sachverhalt vorzubringen. Mit Schreiben vom 23.10.2003 teilt der Kläger u.a. mit, er sei "gesetzlich berechtigt, das L.S. Gericht wegen Verdachts der Befangenheit abzulehnen".

Er beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 04.09. 2003 sowie die Bescheide der Beklagten vom 18.04.2001, 05.07.2001 und 20.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2001 aufzuheben und ihn von der Zuzahlung für Krankenhausbehandlung im Jahr 2000 zu befreien.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten des SG, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte und vom SG zugelassene Berufung ist zulässig (§ 144 Abs.1 Satz 1, § 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist unbegründet.

Auch wenn der Kläger mit Schreiben vom 23.10.2003 mitgeteilt hat, er sei berechtigt, das Gericht wegen Verdachts der Befangenheit abzulehnen, ist darin kein wirksames Gesuch einer Richterablehnung zu sehen (§ 60 SGG i.V.m. §§ 42, 44 Zivilprozessordnung - ZPO -). Zum einen liegt im Hinweis auf die Berechtigung, ein Ablehnungsgesuch zu stellen, noch nicht die Anbringung des Ablehnungsgesuchs gemäß § 44 Abs.1 ZPO. Zum anderen, läge ein derartiges Ablehnungsgesuch vor, kann es sich grundsätzlich nur gegen einzelne Richter richten, nicht gegen einen Spruchkörper als solchen und erst recht nicht gegen alle Richter eines Gerichts (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 60 Rdnr.10a, 10c). Daher wäre ein Ablehnungsgesuch als missbräuchlich anzusehen.

Das SG war berechtigt, die Streitsache - also die Feststellung über die Verfahrensbeendigung des ursprünglichen Rechtsstreits (S 19 KR 764/01) - durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 105 SGG). Danach kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Das SG hat die Beteiligten rechtzeitig angehört und ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und im Übrigen ist der Sachverhalt auch geklärt. Diese Ermessensentscheidung des SG ist nicht zu beanstanden. Ein Verfahrensfehler insoweit wird nur angenommen, wenn der Beurteilung sachfremde Erwägungen oder grobe Fehleinschätzungen zu Grunde liegen (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 105 Rdnr.25 m.w.N.).

Der Sachverhalt ist im vorliegenden Fall geklärt, da es in der Streitsache S 19 KR 553/02 allein um die Erklärung der Klagerücknahme und die Möglichkeit ihrer Beseitigung gegangen ist. Die vom SG für klärungsbedürftig gehaltene Frage der Verletzung rechtlichen Gehörs, weshalb es die Berufung zugelassen hat, betrifft nicht die im Vordergrund stehende Frage der wirksamen Beendigung des vorausgegangenen Streitverfahrens, sondern - aus der Sicht des Klägers - die Dauer der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2002. Auch wenn die Darlegung des SG im Gerichtsbescheid insoweit widersprüchlich ist, ändert dies nichts an der Einschätzung des SG, dass ein Fall überdurchschnittlicher Schwierigkeit nicht vorliegt (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 105 Rdnr.6).

Zu Unrecht rügt der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs. Gemäß § 62 SGG ist für jede Entscheidung den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich geschehen. Das SG hat, wie erwähnt, vor Erlass des Gerichtsbescheids die Beteiligten angehört und es ist aus den Darlegungen des Klägers nicht ersichtlich, dass das SG in der mündlichen Verhandlung diesen Grundsatz verletzt hat. Der Kläger hat mit der Berufung keine neuen, diesbezüglichen Gesichtspunkte vorgetragen. Aus dem protokollierten Verlauf und der Dauer der mündlichen Verhandlung am 03.07.2002 ergibt sich nichts, was auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs hinweisen könnte. Der Vorsitzende hat in der mündlichen Verhandlung am 03.07.2002 den Sachverhalt vorgetragen und dann den Prozessbeteiligten, also auch dem Kläger, das Wort erteilt sowie das Sach- und Streitverhältnis mit ihnen erörtert. Er hat anschließend seine Rechtsauffassung mitgeteilt und nach nochmaliger Besprechung der Sach- und Rechtslage hat der Kläger bei der Beklagten den Antrag auf Erlass der Forderung gestellt und zugesichert, er werde Auskunft über seine Einkünfte und Ausgaben erteilen. Daraufhin hat er die Klage zurückgenommen. Die Dauer der mündlichen Verhandlung von 15 Minuten ist angesichts der Kürze des Sachverhalts und der hier einfach gelagerten Rechtsfrage, nämlich der Befreiung von der Zuzahlung bei Krankenhausbehandlung, unter dem Gesichtspunkt des § 62 SGG nicht zu beanstanden.

Da der Kläger mit der Berufung nichts Neues vorgebracht hat, nimmt der Senat bezüglich der Darlegungen des SG zur Wirksamkeit der Klagerücknahme auf die Begründung im angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug (§ 153 Abs.2 SGG). Er weist jedoch ergänzend darauf hin, dass die Ausführungen des Klägers, er habe wegen seiner Schwerhörigkeit den Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung am 03.07.2002 nicht verstanden, nicht glaubwürdig sind. Denn der Kläger ist mit einem Hörgerät versorgt; er hat den Vorsitzenden der Kammer auch verstanden, da er nach dessen Hinweis auf die Möglichkeit eines Erlasses der Forderung der Beklagten die Übermittlung einer Auflistung seiner monatlichen Einkünfte und Ausgaben zugesichert hat und schließlich sich in dem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 08.07.2002 auch darüber beschwert hat, dass ein Mitarbeiter der Kasse ihn am Telefon "angeschrien" habe. Daraus ergibt sich, dass sein Hörvermögen mit Hörgerät ausreicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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