L 14 AL 61/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 63 AL 3034/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 61/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen das Verlangen der Beklagten, ihr an einen ehemaligen Arbeitnehmer der Klägerin gezahltes Arbeitslosengeld sowie Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 37.319,98 DM zu erstatten.

Die in B ansässige, mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigende Klägerin ist ein Unternehmen der pharmazeutischen Industrie; sie unterhält Werke in B und K. Sie beschäftigte seit 1985 den 1935 geborenen und zuletzt in N wohnenden W N (Arbeitnehmer) als Pharmaberater im Außendienst. Der Arbeitnehmer schrieb der Beklagten unter dem 29. Januar 1997:

" ... wie bereits besprochen, muss ich meine Außendiensttätigkeit auf ärztliches Anraten zum 30. Juni 1997 beenden, wenn Sie mir keine Innendiensttätigkeit in meiner Region anbieten können.

Durch Verschleißerscheinungen an der Halswirbelsäule habe ich auch ständig Probleme mit unterschiedlichen Blutdruckwerten.

Ich bedaure dies sehr, sehe aber aus gesundheitlichen Gründen keine andere Möglichkeit ..."

Diesem Brief war eine ärztliche Bescheinigung seines ihn behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin (E H) vom 27. Januar 1997 beigefügt, welche lautete:

"Wegen chronischer Erkrankung und Verschleißerscheinungen mit Verschlimmerungstendenz sollte Herr N die psychischen und physischen Belastungen im Außendienst und die wechselnden Temperaturbedingungen vermeiden. Eine Änderung der Tätigkeit und Umsetzung in den Innendienst ist ärztlicherseits dringend angeraten."

Die Klägerin beantwortete diesen Brief am 31. Januar 1997 wie folgt:

"Sehr geehrter Herr N,

wir bestätigen den Erhalt Ihres Schreibens vom 29.01.1997. Da wir Ihnen keine Innendiensttätigkeiten anbieten können, kündigen wir hiermit wie besprochen Ihr Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Termin, also zum 30. Juni 1997.
Der Betriebsrat wurde angehört."

Der Arbeitnehmer schied daraufhin zum 30. Juni 1997 aus. Bereits am 30. Mai 1997 hatte er sich - zum 1. Juli 1997 - arbeitslos gemeldet und beantragt, ihm Arbeitslosengeld zu gewähren. Die Beklagte gewährte ihm daraufhin Arbeitslosengeld ab dem 1. Juli 1997 (in Höhe von 102,60 DM täglich bis zum 31. Dezember 1997 und in Höhe von 88,30 DM täglich ab 1. Januar 1998) bis zum 28. Februar 1998. Ab dem 1. März 1998 bezog der Kläger Altersrente für langjährig Versicherte von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.

Der Ärztliche Dienst der Beklagten gelangte - gestützt auf einen Kurentlassungsbericht vom September 1996, internistische Unterlagen aus den Jahren 1988 bis 1994 und Befunde des den Kläger behandelnden Hautarztes aus der Zeit von 1995 bis September 1997 - zu der Einschätzung, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende Juni 1997 die medizinischen Voraussetzungen einer Arbeitsunfähigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne für mehr als sechs Monate für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht vorgelegen hätten.

Die Beklagte entschied danach mit Bescheid vom 22. Oktober 1997, dass die Klägerin verpflichtet sei, ihr das dem ehemaligen Arbeitnehmer gezahlte Arbeitslosengeld sowie die hierauf entfallenden Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung ab dem 1. Juli 1997 für längstens 624 Tage zu erstatten.

Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 1998) erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin durch Urteil vom 19. März 1998 den Bescheid vom 22. Oktober 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1998 aufgehoben, da die Beklagte nicht befugt sei, durch einen sogenannten Grundlagenbescheid über die Erstattungsverpflichtung eines Arbeitgebers zu entscheiden.

Die Beklagte gab danach mit Briefen vom 6. Mai und 10. Juni 1998 der Klägerin Gelegenheit, sich zu einer erneut beabsichtigten Entscheidung über die Erstattung der von der Beklagten erbrachten Leistungen zu äußern, und entschied sodann durch Bescheide vom 25. Juni 1998, dass die Klägerin ihr für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 28. Februar 1998 gezahltes Arbeitslosengeld sowie Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 37.390,98 DM zu erstatten habe. Den von der Klägerin eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 1998 zurück.

Zur Begründung ihrer am 11. August 1998 erhobenen Klage hat sich die Klägerin darauf berufen, das Arbeitsverhältnis durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet zu haben. Sie hätte eine weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mehr verantworten können. Im Übrigen habe dieser die Kündigung gewünscht. Er habe schon geraume Zeit in Gesprächen mit dem Vertriebsleiter und dem Vorsitzenden des Betriebsrates erklärt, dass er seine Mitarbeit beenden müsse, wenn die Klägerin ihn nicht im Innendienst einsetzen könne. Im Innendienst (in B) habe jedoch kein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden. Der Arbeitnehmer habe vor seinem Ausscheiden auch oft über Magenschmerzen und Sodbrennen geklagt. Nach Vorlage der ärztlichen Bescheinigung vom 27. Januar 1997 habe sie den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung angehört und dann am 31. Januar 1997 die Kündigung ausgesprochen.

Der den Arbeitnehmer behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin hat dem Sozialgericht mitgeteilt, dass dieser in den Wintermonaten verstärkt unter den Beschwerden der chronischen Rhinitis und Peribronchitis leide. Durch den ständigen Wechsel der Umgebungstemperatur träten ständig Niesreiz, Nasensekretion und vielfach auch Heiserkeit auf, was die Gesprächsführung mit den besuchten Ärzten behindere. Er habe dem Arbeitnehmer deshalb geraten, sich in den Innendienst versetzen zu lassen; dem habe dieser zugestimmt. "Krankschreibungen" habe er abgelehnt, weil er langfristige Termine vereinbart hätte, die er ohne Nachteile für seine berufliche Position nicht hätte absagen können. Nach der Aufgabe der Beschäftigung habe sich sein Befinden deutlich verbessert.

Der Arbeitnehmer ist am 2. Juni 2000 an den Folgen der retroperitonealen Metastasierung nach einer Gastrektomie wegen Magenkarzinoms verstorben. Der ihn behandelnde Arzt hat dazu dem Sozialgericht mitgeteilt, dass erste Beschwerden im April 1999 aufgetreten seien. Die Diagnose sei am 1. Oktober 1999 gesichert worden. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dieser Erkrankung und der Arbeitsaufgabe sei nicht wahrscheinlich.

Durch Urteil vom 23. Mai 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers nicht durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet. Dafür wäre Voraussetzung gewesen, dass die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen geführt hätten, die für die Klägerin zu einer unzumutbaren Belastung geführt hätten. Zu längeren Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sei es jedoch nicht gekommen. An einer schwerwiegenden Erkrankung habe der Arbeitnehmer nicht gelitten, der auch nach Ausspruch der Kündigung seine Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter fortgesetzt habe.

Gegen das ihr am 29. Juni 2001 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 12. Juli 2001 eingelegten Berufung. Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Der Arbeitnehmer habe in mehreren Gesprächen mit dem Vertriebsleiter (H B) und dem Vorsitzenden des Betriebsrates (H-J L) auf eine Versetzung in den Innendienst, hilfsweise auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gedrängt. Im Innendienst habe es weder in B noch in K eine angemessene Einsatzmöglichkeit gegeben. Den Abschluss eines Aufhebungsvertrages habe der Vertriebsleiter abgelehnt. Der Arbeitnehmer habe seinerseits das Ansinnen, "sich krankschreiben zu lassen" oder selbst zu kündigen, von sich gewiesen. Der Vorsitzende des Betriebsrates habe sich dann gegenüber dem Vertriebsleiter dafür eingesetzt, dass die Klägerin doch kündige, falls der Arbeitnehmer für die zweifelsfreie Arbeitsunfähigkeit einen schriftlichen Nachweis seines behandelnden Arztes vorlege; damit habe sich der Vertriebsleiter einverstanden erklärt. Der Arbeitnehmer habe dann am 30. Januar 1997 die ärztliche Bescheinigung vorgelegt, worüber der Vertriebsleiter den Vorsitzenden des Betriebsrates fernmündlich unterrichtet habe. Der Vorsitzende des Betriebsrates habe fernmündlich am 31. Januar 1997 im Anschluss an die Beratung im Betriebsrat erklärt, dass die Kündigung ausgesprochen werden könne. Den Kündigungsbrief habe der Vertriebsleiter dem Arbeitnehmer am selben Tag während einer Dienstreise ausgehändigt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2001 sowie die Bescheide der Beklagten vom 25. Juni 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, die sie für unbegründet hält. Das Arbeitsverhältnis sei weder durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet worden, noch sei die Klägerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Dazu reiche nicht jede Erkrankung oder gesundheitliche Einschränkung eines Arbeitnehmers aus. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass der Arbeitnehmer seine Beschäftigung auf absehbare Zeit nicht mehr hätte ausüben können.

Der Senat hat Beweis erhoben über die der Kündigung zugrunde liegenden und zu ihr führenden Umstände durch Vernehmung des damaligen Vertriebsleiters der Klägerin H B und den für den Arbeitnehmer zuständigen Gebietsleiter und Vorsitzenden des Betriebsrates H-J L; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. November 2003 verwiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die vom Sozialgericht eingeholten Auskünfte des den Arbeitnehmer behandelnden Arztes vom 27. Oktober 1998 und 14. September 2000 sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Leistungsakte des Arbeitnehmers , die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1 und 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) Berufung der Klägerin erweist sich als unbegründet.

Die Klägerin ist verpflichtet, der Beklagten das an ihren ehemaligen Arbeitnehmer gezahlte Arbeitslosengeld sowie die darauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Renten- sowie zur sozialen Pflegeversicherung zu erstatten.

Nach Abs. 1 Satz 1 des § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), der hier weiter anzuwenden ist (§ 142 x Abs. 3 und 6 AFG i.V.m. § 431 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuches [SGB III]), hat der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs. 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Beklagten vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage zu erstatten. Diese Voraussetzungen sind - worüber die Beteiligten zu Recht nicht streiten - hier erfüllt: Der Arbeitnehmer hatte vor dem 1. Juli 1997 bei der Klägerin mehr als vier Jahre in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden und bei Beginn der Arbeitslosigkeit bereits das 58. Lebensjahr vollendet.

Nach § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG tritt die Erstattungspflicht allerdings nicht ein, wenn - was hier allein in Betracht kommt und von der Klägerin auch nur geltend gemacht wird - der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Durch die Verwendung des Begriffes "sozial gerechtfertigte Kündigung" - wie auch durch den nachfolgenden Hinweis auf § 7 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) - wird deutlich, dass die Erstattungspflicht nicht bei einer nach § 1 KSchG nicht rechtsunwirksamen Kündigung eintreten soll.

Nach § 1 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.

Einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehende dringende betriebliche Erfordernisse oder in seinem Verhalten liegende Gründe macht die Klägerin nicht geltend; sie führt zur Rechtfertigung der von ihr ausgesprochenen Kündigung ausschließlich dessen beeinträchtigten Gesundheitszustand an.

Allerdings kommen Krankheit bzw. (genauer) krankheitsbedingte Fehlzeiten als in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe für eine Kündigung in Betracht. Rechtsprechung und arbeitsrechtliches Schrifttum unterscheiden hierbei üblicherweise zwischen Fehlzeiten wegen häufiger Kurzerkrankungen oder wegen einer langanhaltenden Krankheit. In dem einen wie in dem anderen Fall muss jedoch im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bzw. -zugangs eine begründete Fehlzeitenprognose vorliegen, die eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (durch Störungen des Betriebsablaufs oder infolge wirtschaftlicher Belastungen) erwarten lässt, die der Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hinnehmen muss (abschließende Interessenabwägung). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Zwar mag eine Fehlzeitenprognose auch vorliegen können, wenn es - wie hier - in der Vergangenheit keine Fehlzeiten gab. Jedoch gibt es keine plausible Fehlzeitenprognose, da der Arbeitnehmer ja ausdrücklich ablehnte, "sich krankschreiben zu lassen". Diesen Vortrag der Klägerin haben sowohl der den Arbeitnehmer behandelnde Arzt gegenüber dem Sozialgericht wie auch beide vom Senat gehörten Zeugen bestätigt. Danach waren auch keine Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen zu erwarten, zumal die Beklagte ja dem Arbeitnehmer sogar geraten haben will, "sich krankschreiben zu lassen". Unter diesen Gesichtspunkten ist die Kündigung also nicht zu rechtfertigen.

Sozial gerechtfertigt kann aber auch eine Kündigung wegen krankheitsbedingter Leistungsminderung des Arbeitnehmers sein. Dieser Kündigungsgrund ist hier gleichfalls nicht gegeben. Die Klägerin lässt selbst (Berufungsschrift vom 10. Juli 2001) die Frage stellen, warum sie dem Arbeitnehmer "wenige Monate vor seiner Pensionierung hätte kündigen sollen" und warum sie "auf die Weiterarbeit eines ihrer leistungsstärksten, zuverlässigsten und erfolgreichsten Mitarbeiters (Beweis hierfür: Zeugnis des Herrn B) früher als notwendig (hätte) verzichten (sollen)". In der Tat hat auch der damalige Vertriebsleiter bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung bekundet, dass er bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht habe feststellen können, dass dessen Arbeitsergebnisse nachgelassen hätten. Es habe sich auch kein (von dem Arbeitnehmer besuchter) Arzt über ihn beklagt. Auch eine krankheitsbedingte Leistungsminderung ist danach nicht zu erkennen bzw. war nicht zu befürchten.

Weiter kann eine Kündigung - als personenbedingte - sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer auf Dauer die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann (vgl. dazu BAG, Urteil vom 28. Februar 1990 - 2 AZR 401/89 -, AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Aber auch so liegt es hier nicht: Weder aus der der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigung noch aus der später dem Sozialgericht erteilten Auskunft des behandelnden Arztes ergibt sich, dass der Arbeitnehmer auf Dauer außerstande gewesen wäre, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Angesichts dessen, dass sich der Arbeitnehmer nicht "krankschreiben lassen" wollte, hätte die Klägerin noch nicht einmal mit wiederholten Fehlzeiten und damit einhergehenden Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses rechnen müssen und dürfen.

Ebenso wenig ist die Kündigung des Arbeitnehmers als "Kündigung aus Fürsorge" sozial gerechtfertigt. "Fürsorgegesichtspunkte berechtigen den Arbeitgeber grundsätzlich nicht, dem Arbeitnehmer zu kündigen, um ihn vor den Gefahren des Arbeitens zu schützen" (Berkowsky, in: Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht, § 136 RdNr. 66; siehe auch BAG, Urteil vom 12. Juli 1995 - 2 AZR 762/94 -, AP Nr. 7 zu § 626 BGB Krankheit, klarstellend zum Urteil vom 28. Februar 1990, a.a.O.; vgl. ferner BAG, Urteil vom 17. Februar 1998 - 9 AZR 130/97 -, AP Nr. 27 zu § 618 BGB). Lediglich dann, wenn der Arbeitnehmer es unter Hinweis auf eine ärztlich bescheinigte Verschlimmerungsgefahr ablehnt, auf seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterzuarbeiten, kann - unter dem Gesichtspunkt der dauernden Leistungsunfähigkeit - eine personenbedingte Kündigung in Betracht kommen, allerdings - wie jede Kündigung - nur als letztes Mittel ("ultima ratio"). Deshalb muss der Arbeitgeber, falls eine Versetzung und Weiterbeschäftigung auf einem anderen, weniger belastenden Arbeitsplatz nicht möglich sein sollte, den Arbeitnehmer zunächst darauf hinweisen und ihn klar und eindeutig auffordern, ebenso unmissverständlich zu erklären, ob er unter diesen Umständen auf seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterarbeiten werde. Erst wenn dann der Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen endgültig ablehnt, kann ihm der Arbeitgeber kündigen.

Nach diesen Maßstäben war die Klägerin nicht berechtigt, dem Arbeitnehmer zu kündigen. Dieser hat sich nicht in diesem Sinn endgültig geweigert, weiterhin im Außendienst zu arbeiten. Seine - ohnehin nicht unbedingt logische - Ankündigung, er müsse seine Außendiensttätigkeit auf ärztlichen Rat beenden, falls die Klägerin ihm keine Innendiensttätigkeit anbieten könne, ist verständigerweise als - dringliche - Bitte um Versetzung in den Innendienst zu verstehen, der durch die ärztliche Bescheinigung Nachdruck verliehen werden sollte. Dem entspricht die Aussage des Vorsitzenden des Betriebsrates, er habe noch am 30. Januar 1997 bei einem Gespräch mit dem Arbeitnehmer den Eindruck gewonnen, dass dieser auf eine Beschäftigungsmöglichkeit im Innendienst - ggf. auf einen neu zu schaffenden Arbeitsplatz - hoffte. Die Klägerin hat dem Arbeitnehmer auf diese Bitte nicht etwa geantwortet, dass die von ihm gewünschte Versetzung in den Innendienst nicht möglich sei und er deshalb weiterhin im Außendienst tätig sein müsse, sofern er nicht von sich aus das Arbeitsverhältnis beende, oder auch nur abgewartet, ob er das Arbeitsverhältnis kündigen oder sich weigern werde, die Beschäftigung im Außendienst fortzuführen, sondern daraufhin ohne weiteres "postwen-dend" die Kündigung ausgesprochen. Damit hat sie jedenfalls den "ultima-ratio"-Grundsatz verletzt.

Nach alledem ist die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht als sozial gerechtfertigt im Sinne der §§ 1 KSchG und 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG anzusehen.

Die Erstattungspflicht entfällt auch nicht nach § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AFG, weil die Klägerin berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen, worauf sich die Klägerin im Übrigen auch nicht beruft. Keiner der in Betracht kommenden Gründe hätte zu einer Kündigung des ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnisses "aus wichtigem Grund" berechtigt.

Dass der Arbeitnehmer die Klägerin gebeten hätte, ihm zu kündigen, wie diese wiederholt behauptet hat, haben beide vom Senat vernommenen Zeugen nicht bestätigt. Die Bekundungen jedenfalls des Vorsitzenden des Betriebsrates sprechen vielmehr eher dafür, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis keineswegs beenden, sondern es mit einer Tätigkeit im Innendienst fortsetzen wollte und zu diesem Zweck - dem Rat des Vorsitzenden des Betriebsrates folgend - die ärztliche Bescheinigung vorgelegt hat. Dass er die dann gleichwohl für ihn möglicherweise überraschende Kündigung hingenommen hat, könnte darauf beruhen, dass er aufgrund des Verhaltens der Klägerin, die diese Bescheinigung dazu benutzte, ihm sogleich zu kündigen, das für eine weitere Zusammenarbeit erforderliche Vertrauensverhältnis als nicht mehr gegeben ansah. Darauf kommt es freilich nicht entscheidend an, denn auch bei einer auf Wunsch des Arbeitnehmers ausgesprochenen Kündigung des Arbeitgebers entfällt dessen Erstattungspflicht nicht (BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 - B 11 AL 73/98 R -, SozR 3-4100 § 128 Nr. 6).

Nach § 128 Abs. 4 AFG schließt die Erstattungspflicht die auf das zu erstattende Arbeitslosengeld entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung ein. Den Erstattungsbetrag hat die Beklagte richtig berechnet, wogegen die Klägerin auch ausdrücklich nichts erinnert.

Die auf § 193 SGG beruhende Kostenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass Klage und Berufung keinen Erfolg haben.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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