L 5 RJ 37/95 W 98

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 RJ 41/94
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 RJ 37/95 W 98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Januar 1995 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1946 geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, der keine Berufsausbildung absolviert hat, lebt seit 1969 in Deutschland und war seitdem hier versicherungspflichtig als Bauarbeiter (Baufachwerker) beschäftigt.

Am 7. Mai 1990 erlitt der Kläger bei einem Arbeitsunfall eine perforierende Hornhautverletzung des linken Auges, die die Implantation einer Hinterkammerlinse erforderlich machte. Die Bau-Berufsgenossenschaft Hannover gewährt dem Kläger wegen der Unfallfolgen ab 1. Januar 1994 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vom Hundert. Am 25. Juli 1991 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall und war wegen orthopädischer Beschwerden bis 15. Dezember 1992 arbeitsunfähig. Ab 19. Januar 1993 wurde erneut Arbeitsunfähigkeit festgestellt.

Am 16. Februar 1993 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, was er vor allem mit der Augenverletzung und Beschwerden an der Lendenwirbelsäule begründete. Die Beklagte ermittelte im Versicherungskonto des Klägers 267 Beitragsmonate, davon 50 in der Zeit vom 16. Februar 1988 bis zum 15. Februar 1993, und ließ den Kläger nach Beiziehung medizinischer Unterlagen in ihrer Ärztlichen Abteilung untersuchen und begutachten. Frau Dr. H kam in ihrem am 3. September 1993 abgeschlossenen Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Kläger mit Rücksicht auf die Sehminderung des linken Auges, ein LWS-Syndrom bei Bandscheibenprotrusion neben weiteren degenerativen Veränderungen, ein rezidivierendes Ulcusleiden, beiderseitige Gonarthrose und ein komplikationsloses Venenleiden nur noch mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Haltung ohne häufiges Bücken, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe und besonderen Zeitdruck, bei Ausschluss von Staub und ohne besondere Anforderungen an beidäugiges Sehen in der Nähe sowie die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit vollschichtig verrichten könne.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 14. September 1993, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 1993, im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger sei weder berufs- noch erwerbsunfähig nach §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - SGB - VI, wobei es nicht entscheidungserheblich sei, ob er die bisherige Tätigkeit als Bauarbeiter noch ausüben könne, weil er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch in anderen, ihm zumutbaren Tätigkeiten vollschichtig einsetzbar sei.

Mit der am 8. Januar 1994 erhobenen Klage hat der Kläger sein Rentenbegehren weiterverfolgt.

Das Sozialgericht hat Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt, und zwar von dem Augenarzt Dr. T, seinen Hausärzten W. und R. G und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. Anschließend hat das Gericht ein medizinisches Sachverständigengutachten von dem Arzt für Orthopädie Dr. Dr. Z eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 7. Juni 1994, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, folgende Diagnosen aufgeführt:

1. Protrusionen und Wirbelsäulenverschleiß, Wirbelsäulenfehlstatik mit rezidivierenden Schmerzzuständen und Ausstrahlungen in die oberen und unteren Extremitäten,

2. Reizerscheinungen der großen und kleinen Extremitätengelenke (Schultern, Hüften, Knie sowie Hand- und Fingergelenke) mit beginnenden Arthrosen und Reizerscheinungen sowie Knorpelverschleiß,

3. Krampfaderleiden der unteren Extremitäten mit zum Teil trophischen Veränderungen, insbesondere im Unterschenkelbereich,

4. fragliches Ulcusleiden, depressive Verstimmungen.

Zum Leistungsvermögen hat der Gutachter im Wesentlichen zusammenfassend ausgeführt, der Kläger könne nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten, überwiegend im Sitzen, vollschichtig verrichten, wobei Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit und Zugluft, einseitige körperliche Belastungen, Tätigkeiten unter Zeitdruck sowie in festgelegtem Arbeitsrhythmus und an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten, mit dem Heben und Tragen von Lasten über 5 kg sowie Tätigkeiten in Wechsel- und Nachtschicht auszuschließen seien; die Fingergeschicklichkeit und der Kraftschluss rechts (-Rechtshänder-) seien eingeschränkt; die üblichen Pausen reichten aus, Besonderheiten für den Weg zur Arbeit seien nicht zu berücksichtigen. Orthopädischerseits sei die Leistungsminderung nicht zu beheben, da es sich um Verschleißerscheinungen handle.

Das Sozialgericht hat in anderen Verfahren erteilte berufskundliche Auskünfte der Arbeitsverwaltung vom 14. Juni 1991 und 28. Mai 1993 betreffend Tätigkeiten als Pförtner bzw. Telefonist in das Verfahren eingeführt und mit Urteil vom 10. Januar 1995 dem Antrag des Klägers folgend die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. September 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 1993 verurteilt, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. März 1993 zu gewähren. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Gericht im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, die zulässige Klage sei begründet. Beim Kläger seien die versicherungsrechtlichen und medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI gegeben. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie bei der Berufsgenossenschaft sei der Kläger wegen der festgestellten Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit in seinem bisherigen Beruf als Bauarbeiter nicht mehr einsetzbar. Die Kammer sehe hier eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen als gegeben an, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - ausnahmsweise auch bei einem ungelernten, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten die Benennung einer konkreten Verweisbarkeit erforderlich mache. Verweisungstätigkeiten, die der Leistungsfähigkeit des Klägers entsprächen, habe die Beklagte nicht genannt, sie seien auch von der Kammer nicht gefunden worden. Insbesondere könne der Kläger nicht auf eine Tätigkeit als Museumswärter, Platzanweiser, Kartenkontrolleur, Garderobier, Bürobote oder Pförtner verwiesen werden und sei auch für Sortier- und Kontrolltätigkeiten ungeeignet. Wegen der ungewöhnlichen Beeinträchtigungen des Leistungsvermögens sei der allgemeine Arbeitsmarkt für den Kläger verschlossen, was dazu führe, dass er nicht nur berufsunfähig, sondern erwerbsunfähig sei.

Gegen das ihr am 28. Februar 1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. März 1995 Berufung eingelegt und unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Ärztin für Innere Medizin Dr. W vom 24. Mai 1995 geltend gemacht, die vom Sozialgericht vertretene Auffassung finde in dem von ihm eingeholten fachorthopädischen Gutachten des Dr. Dr. Z keine Stütze. Die von ihm angeführten qualitativen Einschränkungen seien teilweise nicht durch seine Untersuchungsbefunde begründet. Die Leiden rechtfertigten in ihrer Auswirkung auf das Leistungsvermögen nicht die Annahme einer ungewöhnlichen Summierung von qualitativen Einschränkungen.

Mit Bescheid vom 28. September 1995 hat die Beklagte das angefochtene Urteil vorläufig ausgeführt.

Der Senat hat Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt, und zwar von dem Augenarzt Dr. T, der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K und den Hausärzten W. und R. G, die auch Untersuchungsbefunde vom 13. Dezember 1994 und 26. September 1995 aus dem Röntgen-Institut Dr. von R übersandt haben. Der Durchgangsarzt und Chirurg Dr. E hat wiederholte, längere Behandlungen des Klägers wegen Lumbalgien bescheinigt. Ferner hat der Senat die Akten des vom Kläger gegen die Bau-Berufsgenossenschaft Hannover geführten Rechtsstreits - S 70 U 25/92 - vorübergehend beigezogen und Fotokopien u.a. von den dort zwischen Juli 1993 und Juni 1995 eingeholten augenfachärztlichen Gutachten des Dr. H und des Prof. Dr. W zu den Akten genommen und auch der Beklagten zur Kenntnis gegeben. Danach besteht beim Kläger auf dem linken Auge eine narbige Verziehung der Hornhaut mit irregulärem Astigmatismus, die zu einer Sehschärfe von weniger als 0,4 und erhöhter Blendung unter Alltagsbedingungen führt. Das rechte Auge weist eine Stabsichtigkeit sowie Presbyopie auf.

Schließlich hat der Senat über den Gesundheitszustand und das Leistungsvermögen des Klägers Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Arztes für Orthopädie Dr. E. In seinem Gutachten vom 7. Juli 1996, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat der Sachverständige im Wesentlichen folgende, für das Leistungsvermögen des Klägers relevante Leiden festgestellt: Rezidivierende Cephalgien im Sinne von Stirnkopfschmerzen, ein recidivierendes HWS-Syndrom im Sinne von Nacken-Schulterverspannungen, eine geringe Sehnenansatzentzündung im Bereich des linken Schultergelenkes mit geringer schmerzhafter Funktionseinschränkung, eine geringe Funktionseinschränkung nach verheiltem Bruch des rechten Daumens, ein LWS-Syndrom mit Lumbalgien und Lumboischialgien beiderseits bei initialen degenerativen Veränderungen und deutlicher Bandscheibenvorwölbung bei L5/S1 mit Kontakt zu den nervösen Strukturen, eine recidivierende Muskel- und Sehnenansatzentzündung an beiden Hüften, Arthralgien in beiden Kniegelenken bei beginnenden degenerativen Veränderungen sowie ein erhebliches Krampfaderleiden beider Unterschenkel.

Zum Leistungsvermögen des Klägers hat der Gutachter zusammenfassend ausgeführt, der Kläger könne nur noch leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von klimatischen Einflüssen verrichten. Es sei eine Tätigkeit in häufig wechselnder Körperhaltung zwischen Stehen, Gehen und Sitzen (ohne längeres Stehen oder Sitzen) anzustreben, da einseitige körperliche Belastung, Arbeiten unter Zeitdruck, Akkord- und Fließbandarbeiten, Arbeiten in festgelegtem Arbeitsrhythmus sowie an laufenden Maschinen nicht mehr zumutbar seien. Ein Haltungswechsel jederzeit nach freiem Entschluss sei unbedingt sicherzustellen, da die anamnestisch geschilderten und durch die klinischen Untersuchungen objektivierten recidivierenden Nervenwurzelreizzustände bei Zwangshaltung die Beschwerden sehr verstärkten. Das Heben und Tragen von Lasten sei bis 10 kg möglich. Die erheblich verminderte Belastungsfähigkeit resultiere aus der minderbelastbaren Wirbelsäule bei Bandscheibenvorwölbung. Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Wechsel- und Nachtschicht seien nicht zumutbar. Arbeiten, die die Fingergeschicklichkeit sowie den kraftvollen Einsatz beider Hände voraussetzten, seien nur noch eingeschränkt möglich. Mit diesen Einschränkungen reiche das Leistungsvermögen für eine vollschichtige Tätigkeit mit üblichen Pausen aus, Besonderheiten für den Weg zur Arbeit seien nicht zu berücksichtigen. Die leistungsmindernden Erkrankungen seien nicht behebbar, da es sich um degenerative Veränderungen handle.

Die Beklagte hat daraufhin an ihrem bisherigen Standpunkt festgehalten und geltend gemacht, der Kläger sei mit den qualitativen Einschränkungen, die sich aus der prüfärztlichen Stellungnahme des Arztes für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. F vom 22. November 1996 ergäben (vgl. Bl. 154 der Gerichtsakte) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig einsetzbar und damit nicht rentenberechtigt. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedürfe es unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG nicht. Das Erfordernis eines jederzeit möglichen Haltungswechsels stelle keine schwere spezifische Leistungseinschränkung dar. Im Übrigen habe der Gutachter Dr. E als Begründung dafür angegeben, dass sich bei Zwangshaltung die Beschwerden sehr verstärken würden. Damit habe er klargestellt, dass lediglich eine Zwangshaltung zu vermeiden sei. Auch die Einschränkung der Sehfähigkeit des Klägers sei nicht so gravierend, dass sie Zweifel an seiner Einsetzbarkeit in einem Betrieb aufkommen ließe, zumal das Sehvermögen nach dem Gutachten von Prof. Dr. W durch eine Kontaktlinse verbessert werden könne. Es handele sich um eine - wenn auch nicht unerhebliche - Anzahl von Leistungseinschränkungen, die nicht dazu führten, dass der Kläger nur noch unter nicht betriebsüblichen Arbeitsbedingungen arbeiten könne. Bei vollschichtigem Leistungsvermögen und Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit, wie der Gesetzgeber im Übrigen inzwischen klargestellt habe.

Der Senat hat mit Urteil vom 14. Februar 1997 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und dies in den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, im Wesentlichen damit begründet, das Sozialgericht habe zutreffend entschieden, dass dem Kläger ab 1. März 1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zustehe. Nach dem Gutachten des Dr. E könne er nur noch vollschichtig leichte Arbeiten in häufig wechselnder Körperhaltung zwischen Gehen, Stehen und Sitzen verrichten, wobei unbedingt sicherzustellen sei, dass er einen Haltungswechsel jederzeit nach freiem Entschluss vornehmen könne. Unter Berücksichtigung dieser und diverser weiterer Leistungseinschränkungen u.a. hinsichtlich des Sehvermögens sowie der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit bestünden erhebliche Zweifel, ob der Kläger überhaupt noch in einem Betrieb einsetzbar sei. Er sei den von der Rechtsprechung entwickelten sogenannten Seltenheits- oder Katalogfällen zuzuordnen, weil er nur noch unter Arbeitsbedingungen tätig sein könne, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unüblich seien, denn ein ungelernter oder einfach angelernter Arbeiter sei üblicherweise nicht im Wechsel der drei Haltungsarten bei jederzeit selbst bestimmbaren Haltungswechsel tätig. Dem Kläger müsse deshalb ein konkreter Verweisungsberuf benannt werden, der weder von der Beklagten angegeben noch sonst ersichtlich sei. Damit sei ihm der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen, so dass er als erwerbsunfähig beurteilt werden müsse.

Das BSG hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten die Revision zugelassen, das Urteil vom 14. Februar 1997 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. In den Gründen seiner Entscheidung vom 25. März 1998, auf die wegen des Inhalts im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 183 bis 186 Gerichtsakte) hat das BSG im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen lasse sich die Frage nicht beantworten, ob der Kläger einen Anspruch auf Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit habe. Erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI sei auch ein Versicherter mit vollschichtigem Leistungsvermögen, wenn er nur noch Vollzeitarbeitsplätze ausfüllen könne, die in dieser Weise in der Arbeitswelt als Erwerbsmöglichkeiten nicht (mehr) vorhanden seien. Vor der Frage, ob beim Kläger eine "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" im Sinne der Rechtsprechung des BSG vorliege und somit die Pflicht zur spezifischen Benennung einer Tätigkeit bestehe, sei zunächst zu prüfen, ob es in der Arbeitswelt typischerweise eine bzw. keine Tätigkeit gebe, die dem Leistungsvermögen des Klägers entspreche, und welche Einkünfte gegebenenfalls aus dieser Tätigkeit erzielt werden könnten. Eine solche Prüfungspflicht bestehe zwar nicht immer, sei aber jedenfalls dann zu bejahen, wenn - wie hier - aufgrund des gesundheitlichen Leistungsbildes ein deutlicher Hinweis auf das Fehlen von Tätigkeitstypen (meist anders ausgedrückt: Verschlossenheit des Arbeitsmarktes) vorliege und somit ein Anlass zu Ermittlungen gegeben sei. Die Beklagte habe zu Recht gerügt, dass das Restleistungsvermögen des Klägers umfassend habe ermittelt werden müssen. Insbesondere sei die vom orthopädischen Sachverständigen nicht eindeutig nachvollziehbar begründete und ungewöhnliche Anforderung einer jederzeit nach freiem Entschluss häufig wechselnden Körperhaltung z.B. durch Nachfrage bei diesem Sachverständigen weiter aufzuklären. Ferner fehlten Feststellungen, ob es in der Arbeitswelt eine bzw. keine Tätigkeit gäbe, die dem Leistungsvermögen des Klägers entspreche und welche Einkünfte aus dieser Tätigkeit gegebenenfalls erzielt werden könnten. Dies sei z.B. durch Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens oder berufskundlicher Auskünfte von Amts wegen zu klären. Nach Feststellung dieser Tatsachen werde sich voraussichtlich bereits die Frage der Erwerbsfähigkeit positiv oder negativ beantworten lassen, so dass es auf die weitere Frage nicht mehr ankomme, ob beim Kläger ein sogenannter Seltenheits- oder Katalogfall, eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege und aus einem dieser Gründe eine namentlich zu benennende Tätigkeit zu ermitteln sei.

Der Senat hat daraufhin von Dr. E eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme zu dem beim Kläger erforderlichen Wechsel der Haltungsarten eingeholt. Der Gutachter hat hierzu unter dem 3. Oktober 2000 ausgeführt, der Kläger könne wegen objektivierter Veränderungen im HWS-Bereich sowie eines LWS-Syndroms im Sinne von Lumbalgien und Lumboischialgien bei deutlicher Bandscheibenvorwölbung im letzten Bewegungssegment glaubhaft nur hintereinander 60 Minuten sitzen, danach müsse er wegen verstärkter Kreuzschmerzen aufstehen und herumlaufen. Nach 30-minütigem Gehen müsse er sich wegen Kreuzschmerzen wieder hinsetzen und könne nur 20 Minuten stehen. Aufgrund der genannten Beschwerdesymptomatik, die durch die nachgewiesenen Veränderungen im LWS-Bereich bedingt seien, sei ein Wechsel zwischen allen drei Haltungsarten erforderlich, wobei eine überwiegend sitzende Tätigkeit sinnvoll erscheine. Der erforderliche Haltungswechsel sei nicht zur Vermeidung von Zwangshaltungen erforderlich, sondern der Kläger könne auch mit Beschwerden nicht länger in einer Haltung hintereinander tätig sein. Der Kläger müsse in der Lage sein, zur Schmerzentlastung jederzeit nach freiem Entschluss eine entlastende Haltung einzunehmen. Bei dem geforderten Haltungswechsel sei eine Arbeitsunterbrechung nicht erforderlich, so dass die betriebsüblichen Pausen ausreichend seien. Tätigkeiten als Postleser oder Telefonist ermöglichten einen Haltungswechsel nach freiem Entschluss.

Die Beklagte hat die dem Gutachter vorgelegten Fragen beanstandet, wegen des Zeitablaufes seit der letzten Untersuchung eine erneute orthopädische Begutachtung für erforderlich angesehen und zu der gutachterlichen Stellungnahme in der Sache geäußert, dass das von Dr. E wiederholte Erfordernis eines Wechsels zwischen allen drei Haltungsarten nach freiem Entschluss durch den von ihm dargestellten medizinischen Sachverhalt nicht bestätigt werde und er nur dem Vorbringen des Klägers Rechnung getragen habe. Dessen subjektive Angabe, dass er hintereinander nur 60 Minuten sitzen, 30 Minuten gehen und 20 Minuten stehen könne, stelle im Übrigen nur die Beschreibung einer Tätigkeit im Wechsel der Haltungsarten ohne weitere Einschränkungen dar, wobei Dr. E eine überwiegend sitzende Tätigkeit sinnvoll erscheine. Der Begriff "überwiegend" bedeute in der Rentenbegutachtung 51 bis 90 % der Arbeitszeit. Es handle sich nicht um betriebsunübliche Bedingungen, so dass keine Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bestehe. Im Übrigen sei vor der Prüfung einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung zunächst einmal medizinisch und berufskundlich festzustellen, ob das Restleistungsvermögen des Klägers näher aufgeführte körperliche Verrichtungen, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert würden, zulasse.

Im Übrigen existierten entgegen der nicht nachvollziehbaren, durch nichts belegten Aussage des berufskundlichen Sachverständigen H vom Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg, auf die der erkennende Senat sich in einem anderen Verfahren zu Unrecht gestützt habe, durchaus Arbeitsplätze in nennenswerter Anzahl, bei denen die Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung nach individuellem Bedarf bestehe, wie sich aus einer vom 16. Senat des LSG Berlin herangezogenen berufskundlichen Sachverständigenfeststellung des Herrn S vom Arbeitsamt H-Mitte vom 20. September 1999 (Bl. 220 GA) ergebe. Die dort aufgeführten Tätigkeiten würden hilfsweise auch als Verweisungstätigkeiten für den Kläger genannt, nämlich

a) Helfer in den verschiedensten Kommissionierungsbereichen,

b) einfache Kontroll- und Prüftätigkeiten außerhalb der qualifizierten Güteprüfung (z.B. Gummidichtungen),

c) Pack- und Abpackarbeiten für Zahnarztbedarf (Zahnfüllstoffe), chirurgisches Kleinmaterial etc.,

d) Abpackarbeiten in der Ernährungsindustrie bzw. im Handel wie z.B. Tee, Kapern etc.,

e) Montieren, Verpacken von Kunststoffkleinteilen (z.B. Auto-, Brillen-, Glasindustrie),

f) verschiedene Bearbeitungsvorgänge in der Produktion und Montage von z.B. Kugelschreibern, Füllfederhaltern etc.,

g) Zusammenstellen von Mustern für den Vertreterbetrieb (z.B. Strümpfe verschiedener Art auf einem Tableau befestigen).

Ansonsten sei von diesem Sachverständigen eine berufskundliche Stellungnahme zu erbitten, ob auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten existierten, die der Kläger mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch verrichten könne.

Mit Schreiben vom 3. September 2002 hat der Leiter des Arbeitsamtes Hamburg-Wandsbek B S mitgeteilt, dass er die vom Senat erbetene berufskundliche Stellungnahme wegen Widerrufs der Genehmigung seiner Nebentätigkeit als berufskundlicher Sachverständiger nicht erteilen könne und gebeten, sich an die gleichermaßen kompetenten Mitarbeiter der Berliner Arbeitsämter zu wenden.

Daraufhin hat der Senat mit Schreiben vom 23. September 2002 vom Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg eine berufskundliche Stellungnahme dazu erbeten, ob der Kläger unter Berücksichtigung der im Einzelnen aufgeführten, sich aus den im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten bzw. beigezogenen Gutachten ergebenden Einschränkungen seines Leistungsvermögens noch in der Lage ist, die von der Beklagten benannten oder andere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten und ob gegebenenfalls derartige Arbeitsplätze ausreichend vorhanden und frei verfügbar sind.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2002 hat sich der für berufskundliche Auskünfte zuständige Sachbearbeiter des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg B wie folgt geäußert:

Die von der Beklagten unter c) bis g) genannten Tätigkeiten seien in den dortigen berufskundlichen Unterlagen in dieser Trennschärfe (z.B. Abpackarbeiten für Kapern) nicht bekannt und entzögen sich damit hinsichtlich des konkreten Anforderungsprofils einer berufskundlichen Würdigung. Ergänzend zu generellen Informationen über Zugangserfordernisse und Anforderungsprofile an die vielfältigen Tätigkeiten als Kommissionierer, Güteprüfer, Verpacker sowie Abfüller und Packhelfer seien deshalb anhand der bei 175 (von 276) Arbeitsämtern in Deutschland aktuell vorliegenden Stellenangebote die Arbeitsaufgaben und Qualitätsanforderungen für derartige Tätigkeiten recherchiert worden. Allgemein bearbeiteten Kommissionierer Warenbestellungen und Versandaufträge. Sie stellten Waren je nach Auftragsvorgabe durch entsprechende Entnahme aus dem Lager zusammen und überprüften die zusammengestellten Partien auf Vollständigkeit und Beschaffenheit. Bei ihren Tätigkeiten bedienten sie die erforderlichen Fördermittel und Umschlaggeräte und beachteten dabei vor allem auch die Ladevorschriften des jeweiligen Transportmittels. Da die Verwaltung der Warenbestände heute in aller Regel über elektronische Systeme laufe, seien EDV-Kenntnisse vorteilhaft. In den unterschiedlichen Wirtschaftsbranchen bestehe eine große Aufgabenvielfalt. Berufserfahrung, körperliche Belastbarkeit, gute bis sehr gute Deutschkenntnisse, Mobilität (Pkw oder zumindest Führerschein) und der Besitz eines Gabel-Stapler-Scheins seien die am häufigsten genannten Anforderungen an die Bewerber. Der Beruf eines Kommissionierers sei dem Kläger aus berufskundlicher Sicht nicht zu empfehlen, weil es sich zumindest zeitweilig um mittelschwere, eventuell auch schwere Tätigkeiten handele, die Arbeit auch außerhalb geschlossener Räume möglich sei, Witterungseinflüsse wie Hitze, Kälte, Zugluft und Feuchtigkeit sowie Staubentwicklung nicht auszuschließen seien, Lager- und Versandtätigkeiten zumindest zeitweilig unter Zeitdruck erfolgten und ein jederzeitiger Wechsel der Haltungsarten nicht möglich sei. Außerdem werde häufig Schichtarbeit gefordert.

In der Qualitätskontrolle reiche die Palette der Beschäftigten vom Angelernten ohne Berufsausbildung für einfache Funktionsüberprüfungen bis hin zum Ingenieur für komplexe Laboruntersuchungen, wobei die Veränderungen der Arbeitsorganisation und der Fertigungsabläufe zu einer Reduzierung einfacher Kontrolltätigkeiten geführt habe. Entsprechende Arbeitsplätze würden erfahrungsgemäß überwiegend mit firmeneigenen älteren und/oder leistungsgeminderten Beschäftigten im Rahmen einer Umorganisation besetzt. Häufige Anforderungen, die der Kläger nicht erfülle, seien im Übrigen Berufserfahrung, Schichtbereitschaft und ein gewisses Maß an Fingergeschicklichkeit. Eine Tätigkeit an laufenden Maschinen sei nicht generell auszuschließen, ein jederzeitiger Wechsel der Haltungsart nach eigenem Ermessen nicht möglich. Die Arbeiten erfolgten unter gelegentlichem bis ständigem Zeitdruck bzw. in festgelegtem Arbeitsrhythmus.

Hinsichtlich einer Tätigkeit als Verpacker sei die Bandbreite der konkret am Arbeitsplatz auszuführenden Tätigkeiten sehr groß. In der Regel sei davon auszugehen, dass es sich um industrielle oder vergleichbare Fertigungsprozesse mit Fließbandproduktion handele, was allein oder in Kombination mit Zeit- und Stückakkord aber regelmäßig einseitige körperliche Belastungen ohne die Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung nach eigenem Ermessen, Arbeit an laufenden Maschinen, unter Zeitdruck und im festgelegten Arbeitsrhythmus mit sich bringe und häufig mit Schichtarbeit verbunden sei. Meist seien Schnelligkeit und oft auch Fingerfertigkeit gefragt. Wegen seiner Einschränkungen komme der Kläger dafür nicht in Betracht. Andere Tätigkeiten, die er unter Beachtung aller seiner gesundheitlichen Einschränkungen ausüben könne, seien nicht bekannt. Wegen der Einzelheiten der berufskundlichen Auskunft wird auf Bl. 260 bis Bl. 278 GA verwiesen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass diese "Feststellungen" des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg schon deshalb nicht verwertbar seien, weil in der diesbezüglichen richterlichen Anfrage vom 23. September 2002 das Restleistungsvermögen des Klägers zu negativ dargestellt worden sei. Für eine Einschränkung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit ergäben sich nach nochmaliger Überprüfung der Unterlagen durch die Ärztin für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. G keine Anhaltspunkte. Dieses Merkmal sei für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Übrigen irrelevant. Ein jederzeitiger Haltungswechsel nach freiem Belieben sei nicht erforderlich, denn Dr. E habe seine diesbezügliche Forderung dahingehend eingeschränkt, dass der Wechsel in dem vom Kläger genannten, ihm möglichen Rhythmus möglich sein solle. Dies beinhalte aber lediglich die Beschreibung einer Tätigkeit im Wechsel der Haltungsarten ohne weitere Einschränkungen. Unabhängig davon handele es sich bei der Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg aber keinesfalls um eine "berufskundliche Auskunft", weil lediglich die bei den Arbeitsämtern im gesamten Bundesgebiet eingegangenen Stellenangebote ausgewertet worden seien. Diese spiegelten jedoch nicht die Realität des Arbeitsmarktes wider, weil sie lediglich die Wunschvorstellungen der Firmen und nicht das tatsächliche Anforderungsprofil für die angebotene Tätigkeit beinhalteten. Schließlich komme es nicht auf angebotene Arbeitsplätze an, sondern darauf, ob sie überhaupt existierten. Dies sei aber nicht weiter klärungsbedürftig, da der Kläger über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge und weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungseinschränkung gegeben sei. Insoweit hat die Beklagte auf das Urteil des LSG Berlin vom 6. Februar 2002 - L 17 RJ 31/01 - Bezug genommen. Vor der Prüfung solcher Ausnahmefälle sei nach dem Urteil des BSG vom 11.Mai 1999 - B 13 RJ 71/97 R - jedoch erst einmal festzustellen, ob das Restleistungsvermögen des Versicherten ihm körperliche Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. erlaube, die in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegten. Nach Aktenlage sei der Kläger zu derartigen einfachen Verrichtungen ohne weiteres in der Lage, Gegenteiliges habe er nicht vorgetragen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Januar 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise
1. den Kläger unter Berücksichtigung der nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. März 1998 zu klärenden Fragen erneut orthopädisch begutachten und dabei auch feststellen zu lassen, ob er in der Lage wäre, die in der Entscheidung des BSG vom 11. Mai 1999 zum Az.: - B 13 RJ 71/97 R - aufgeführten körperlichen Verrichtungen auszuführen,
2. ein augenärztliches Gutachten einzuholen,
3. die Stellungnahme eines berufskundlichen Sachverständigen zu der Frage einzuholen, ob und gegebenenfalls welche Verweisungstätigkeiten dem Kläger noch objektiv und subjektiv zumutbar wären.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil weiterhin für zutreffend.

Der Senat hat die berufskundlichen Auskünfte zur Tätigkeit eines Postlesers und Telefonisten aus dem Verfahren des SG Berlin - S 35 RA 5249/95 W 99 - in das Verfahren eingeführt und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die den Kläger betreffende Rentenakte der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Dem Kläger steht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit seit dem 1. März 1993 zu, wie der Senat bereits im Urteil vom 14. Februar 1997 unter Bestätigung der ersten Instanz entschieden hatte. Die ergänzende Sachprüfung, die nach Aufhebung des Urteils durch das BSG und Zurückverweisung der Sache erforderlich geworden ist, hat die zuvor in erster und zweiter Instanz ergangenen Entscheidungen im Ergebnis bestätigt.

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sind im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 7. Dezember 1993 zutreffend dargelegt, so dass hierauf Bezug genommen werden kann. Gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI ist weiterhin § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung maßgebend.

Dass der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung ab 1. März 1993 erfüllt, ist angesichts der im Tatbestand wiedergegebenen nachgewiesenen Versicherungsbeiträge nicht zweifelhaft. Darüber hinaus sind auch die Voraussetzungen für die Annahme von Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. erfüllt.

Nach dieser Vorschrift sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Hiervon ausgehend beurteilt sich die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten nicht allein nach der Fähigkeit, Arbeiten zu verrichten, sondern auch danach, ob er durch eine Tätigkeit Einkünfte in einer bestimmten Größenordnung erzielen kann. Daher fehlt auch bei vollschichtigem Leistungsvermögen eines Versicherten für ihn die Fähigkeit, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder mehr als geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit zu erzielen, wenn er nur noch Vollzeitarbeitsplätze ausfüllen kann, die in dieser Weise in der Arbeitswelt als Erwerbsmöglichkeiten nicht oder nicht mehr vorhanden sind. Das ist beim Kläger der Fall.

Nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ist das Leistungsvermögen des Klägers zwar nicht quantitativ, wohl aber qualitativ eingeschränkt, und das ganz erheblich.

Der Kläger kann mit Rücksicht auf seine verschiedenen Leiden, wovon im Wesentlichen auch die Beklagte ausgeht - vgl. das zuletzt unter dem 22. November 1996 vom Prüfarzt Dr. F aufgestellte Leistungsprofil - vollschichtig nur noch leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen unter Ausschluss von Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit und Zugluft verrichten. Einseitige körperliche Belastungen, häufiges Bücken, Knien, Hocken und Überkopfarbeit, Tätigkeiten unter Zeitdruck, Akkord- und Fließbandarbeiten sind ebenso unzumutbar wie Arbeiten in festgelegtem Arbeitsrhythmus, an laufenden Maschinen sowie auf Leitern und Gerüsten. Das Heben und Tragen von Lasten ist nur bis 5, allenfalls gelegentlich bis 10 kg möglich. Die Fingergeschicklichkeit und der kraftvolle Einsatz der - beim Kläger führenden - rechten Hand sind durch eine schmerzhafte Arthritis mit Schwellneigung der Finger, insbesondere des Daumenendgelenkes, eingeschränkt, die Belastbarkeit der Wirbelsäule, Arme und Beine ist vermindert. Seine Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit ist eingeschränkt. Ferner bestehen eine erhebliche Beeinträchtigung des Sehvermögens auf dem linken unfallgeschädigten Auge und eine Stabsichtigkeit rechts ( Unfallgutachten Dr. H und Prof. Dr. W).

Hinsichtlich der Körperhaltung gehen alle Gutachter wie auch der Prüfarzt Dr. F davon aus, dass der Kläger nur im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen bzw. Gehen arbeiten kann. Dabei folgt aus den verschiedenen aktenkundigen Leiden, die der Gutachter Dr. E im Einzelnen ausführlich dargestellt hat, dass der Kläger im Wechsel aller drei Haltungsarten arbeiten soll, denn die Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule gestatten keine Tätigkeiten überwiegend oder ausschließlich im Gehen und Stehen, während infolge des erheblichen Krampfaderleidens an beiden Unterschenkeln Tätigkeiten mit längerem Sitzen oder Stehen unzumutbar sind. Wie lange der Kläger in jeder dieser Haltungsarten arbeiten kann, hat Dr. E in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. Oktober 2000 präzisiert. Danach kann der Kläger ununterbrochen 60 Minuten sitzen, 30 Minuten gehen und 20 Minuten stehen. Diese Angaben des Klägers hat Dr. E unter Berücksichtigung der objektiven Befunde ausdrücklich als glaubhaft beurteilt. Vom zeitlichen Gewicht her "überwiegt" damit das Sitzen, aber nicht in dem Sinne, dass ein kurzes Aufstehen bzw. Umhergehen zur Entlastung ausreichend wäre, vielmehr soll es unter Zugrundelegung der genannten Intervalle nur ca. 60 % eines achtstündigen Arbeitstages umfassen, aber nicht hintereinander, sondern unterbrochen durch Arbeitsphasen im Gehen und Stehen. Dies leuchtet ein, weil beim Kläger zusätzlich zu der Bandscheibenproblematik im LWS-Bereich noch die erheblichen venösen Durchblutungsstörungen mit Konvoluten an beiden Unterschenkeln zu berücksichtigen sind, die Dr. E in seinem Gutachten angeführt hat und die eine häufig wechselnde Körperhaltung ohne längeres Sitzen erfordern.

Bekräftigt hat der Gutachter auch seine bisherige Einschätzung, dass dem Kläger zur Schmerzlinderung jederzeit nach freiem Entschluss ein entlastender Wechsel der Arbeitshaltung zwischen Gehen, Stehen und Sitzen möglich sein sollte, denn er könne auch mit Beschwerden nicht länger in einer Haltungsart bleiben. Mit anderen Worten kann dem Kläger nicht zugemutet werden, unter Hinnahme der Schmerzen in einer durch die Arbeit vorgegebenen Haltung zu verharren. Erhebliche und rezidivierende Schmerzzustände sind insbesondere wegen einer nachgewiesenen deutlichen breitbasigen Bandscheibenvorwölbung mit Kontakt zu den nervösen Strukturen im Segment L5/S1 glaubhaft. Zwar war bei der Begutachtung durch Dr. E aktuell keine Nervenwurzelreizung feststellbar, der Kläger war allerdings wegen Lumbalgien und Lumboischialgien wiederholt und längerfristig in fachärztlicher Behandlung.

Auf Befragen hat Dr. E auch daran festgehalten, dass die betriebsüblichen Pausen für den Kläger ausreichend sind, eine Arbeitsunterbrechung ist bei dem geforderten Haltungswechsel nicht notwendig, d.h. der Kläger benötigt zur Beschwerdelinderung oder -vermeidung keine zusätzlichen Pausen, sondern "lediglich" einen häufigen Wechsel zwischen den drei Haltungsarten, die ihm ununterbrochen höchstens in dem oben genannten zeitlich unterschiedlichen Umfang möglich sind, wobei er bei Beschwerden jederzeit nach seinen Bedürfnissen die Haltung wechseln können muss.

Das so beschriebene Leistungsprofil des Klägers steht zur Überzeugung des Senats bei zusammenfassender Würdigung der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten bzw. im Wege des Urkundenbeweises herangezogenen Gutachten fest, wobei die Leistungseinschränkungen im wesentlichen seit Antragstellung bestehen und es für eine entscheidungserhebliche Verbesserung in der Zwischenzeit keinerlei konkrete Anhaltspunkte gibt.

Einer weitergehenden medizinischen Beweisaufnahme bedurfte es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht.

Der Senat musste sich insbesondere nicht gedrängt fühlen, eine erneute orthopädische Begutachtung des Klägers zu veranlassen. Dazu bietet auch der erste Hilfsantrag der Beklagten keine Veranlassung. Zwar liegt die letzte Untersuchung durch Dr. E in der Tat schon mehrere Jahre zurück. Es besteht aber kein Anlass für die Annahme, dass sich der Gesundheitszustand und das Leistungsvermögen des Klägers gebessert haben könnten, denn sowohl Dr. E als auch Dr. Dr. Z haben die Beweisfrage nach der begründeten Aussicht auf Besserung verneint. Dies ist auch ohne weiteres einleuchtend, weil die Leiden des Klägers degenerativer Art sind, wovon die Beklagte ebenfalls ausgeht.

Vom BSG ist dem Senat lediglich aufgegeben worden, die aus dessen Sicht nicht eindeutig nachvollziehbare Anforderung einer jederzeit nach freiem Entschluss häufig wechselnden Körperhaltung "z.B. durch Nachfrage bei diesem Sachverständigen" weiter aufzuklären.

Dem ist der Senat nachgekommen.

Soweit die Beklagte die Dr. E dabei vorgelegten Fragen beanstandet hat - allerdings erst, nachdem dessen gutachterliche Stellungsnahme dazu bereits ergangen war - ist ihr entgegenzuhalten, dass dieser Gutachter ein langjährig erfahrener, sehr souveräner Arzt und Sachverständiger ist, der zweifellos auch ohne ausdrückliche dahingehende gerichtliche Frage seine Leistungseinschätzung revidiert hätte, wenn er dazu einen Anlass gesehen hätte. Es ist hervorzuheben, dass Dr. E, der vom erkennenden Senat seit vielen Jahren mit der Erstattung von Rentengutachten beauftragt wird, nur in wenigen Sonderfällen einen Wechsel der drei Haltungsarten nach den individuellen Bedürfnissen eines Versicherten zur Schmerzlinderung als medizinisch erforderlich angesehen hat. Entgegen der Behauptung der Beklagten ist er damit im vorliegenden Fall keineswegs nur den subjektiven Angaben des Klägers gefolgt, sondern hat nachvollziehbar und überzeugend begründet, auf Grund welcher objektiv erhobenen Befunde er die vom Kläger geschilderten Beschwerden für glaubhaft und die angegebenen Einschränkungen bezüglich der ihm zumutbaren Haltungsarten für geboten hält. Hinzugefügt hat er, und dies ungefragt, bei welchen Tätigkeiten ein solcher Haltungswechsel nach freiem Entschluss seiner Meinung nach möglich ist, was zeigt, dass er sich nicht strikt auf die Beantwortung der ihm vorgegebenen Fragen beschränkt, sondern darüber hinaus das zum Ausdruck bringt, was ihm aus seiner Sicht darüber hinaus wichtig oder hilfreich erscheint.

Soweit die Beklagte im Rahmen einer erneuten orthopädischen Begutachtung festgestellt haben wollte, ob der Kläger in der Lage wäre, " die in der Entscheidung des BSG vom 11. Mai 1999 - B 13 RJ 71/97 R - aufgeführten körperlichen Verrichtungen auszuführen", handelt es sich nicht um eine medizinische, sondern um eine berufskundliche Fragestellung, zu deren Beantwortung ein Orthopäde grundsätzlich nicht berufen ist.

Dem unsubstantiierten weiteren Hilfsantrag der Beklagten, ein augenärztliches Gutachten einzuholen, brauchte der Senat ebenfalls nicht zu entsprechen. Es liegen aus dem Rechtsstreit des Klägers gegen die Berufsgenossenschaft mehrere seit Juni 1993 eingeholte augenfachärztliche Gutachten vor, die der Senat im Wege des Urkundenbeweises in das vorliegende Verfahren eingeführt hat und aus denen die konkreten Beeinträchtigungen des Sehvermögens des Klägers auf beiden Augen hervorgehen, die auch für das seit Februar 1993 gegenüber der Beklagten geltend gemachte Rentenbegehren von Bedeutung sind. Eine Einschränkung des beidäugigen Sehens in der Nähe hatte im übrigen auch das von Dr. H im September 1993 für die Beklagte erstattete Rentengutachten ergeben.

Mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen kann der Kläger seinen bisherigen Beruf als - ungelernter - Bauarbeiter offensichtlich nicht mehr ausüben, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist.

Was die Suche nach Verweisungstätigkeiten anbelangt, die den Kräften und Fähigkeiten des Versicherten entsprechen, ist nach der vom Großen Senat (GrS) des BSG bestätigten Rechtsprechung davon auszugehen, dass einem Versicherten grundsätzlich zumindest eine Tätigkeit konkret zu benennen ist, die er noch ausüben kann ( vgl. BSG SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Eine derartige Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit ist aber in der Regel nicht erforderlich, wenn ein auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ungelernter Tätigkeiten verweisbarer Versicherter zwar nicht mehr zu körperlich schweren, aber noch zu mittelschweren oder leichten Tätigkeiten in der Lage ist. Anders verhält es sich bei Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung. Auch die Möglichkeit der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Die Entbehrlichkeit der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich mithin danach, ob ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt, oder ob ernste Zweifel daran aufkommen, dass der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist. Die Bezeichnungspflicht hängt danach von Anzahl, Art und Umfang der beim Versicherten bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab (vgl. zu alledem u.a. Urteil des BSG vom 11. Mai 1999 – B 13 RJ 71/97 R – m.w.N).

Die beim Kläger zu berücksichtigenden vielfältigen qualitativen Leistungseinschränkungen begründen bereits auf den ersten Blick Zweifel an seiner Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für Ungelernte. Zu dieser Einschätzung ist auch das BSG in seinem im vorliegenden Verfahren ergangenen Urteil vom 25. März 1998 gelangt, in dem es ausgeführt hat, es bestünde hier "ein deutlicher Hinweis auf das Fehlen von Tätigkeitstypen (meist anders ausgedrückt: Verschlossenheit des Arbeitsmarktes) und somit ein Anlass zu Ermittlungen".

Diese hatten sich nicht auf die Frage zu beschränken, ob es in der Arbeitswelt typischerweise eine Tätigkeit gibt, die dem Leistungsvermögen des Klägers entspricht, sondern es war zu klären, welche konkret zu benennende Verweisungstätigkeit für den Kläger in Betracht kommt, denn bei ihm liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor.

Das BSG hat in dem oben zitierten Urteil des 13. Senats nochmals klargestellt, dass "der leicht missverständliche Begriff der ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen" grundsätzlich alle die Einschränkungen umschreibe, die nicht bereits von dem Erfordernis "körperlich leichte Arbeit" erfasst würden, also in dieser Hinsicht nicht als "gewöhnlich" angesehen werden könnten. Zu den danach "ungewöhnlichen" Leistungseinschränkungen zählt das BSG ausdrücklich solche, die das Sehvermögen, die Handbeweglichkeit oder die Einwirkung bestimmter Witterungseinflüsse (zB Kälte, Nässe, Staub) betreffen. In allen diesen Bereichen sind beim Kläger Einschränkungen zu beachten, ferner die oben im einzelnen aufgeführten Besonderheiten hinsichtlich des Wechsels der drei Haltungsarten, die ebenfalls nicht schon im Merkmal "leichte Arbeit" enthalten sind.

Nach dem Ergebnis der vom Senat angestellten berufskundlichen Ermittlungen gibt es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Tätigkeit, die dem vielfach und erheblich eingeschränkten Leistungsvermögen des Klägers entspricht.

Das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg konnte in seiner berufskundlichen Auskunft vom 10. Dezember 2002 keine einzige dem Kläger unter Beachtung aller gesundheitlichen Einschränkungen mögliche Tätigkeit nennen.

Dies stimmt mit den Erkenntnissen, die der Senat in zahlreichen anderen Verfahren gewonnen hat, überein. Wie der Senat bereits in seinem der Beklagten bekannten, rechtskräftigen Urteil vom 14. Dezember 2000 - L 5 RJ 30/95 W 00 - ausgeführt hat, ist ein Arbeitsplatz, auf dem ein ungelernter oder einfach angelernter Arbeiter im Wechsel der drei Haltungsarten Gehen, Stehen und Sitzen tätig ist und nach freiem Entschluss die Haltungsart selbst jederzeit be-stimmen kann, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unüblich, denn die jeweilige Arbeitshaltung wird - jedenfalls im Bereich ungelernter oder einfach angelernter Arbeiten - von der jeweils zu verrichtenden Arbeit bestimmt. Es unterliegt keinesfalls dem freien Entschluss eines ungelernten oder einfach angelernten Arbeiters, seine Arbeitshaltung entsprechend seinen gesundheitlichen Bedürfnissen zu wechseln. Zwar wäre es vorstellbar, eine Arbeit, die grundsätzlich im Stehen zu verrichten ist - also zum Beispiel eine Arbeit in einer Fabrik an einer Maschine -, auch im Sitzen (mittels einer Stehhilfe) auszuführen. Umgekehrt kann möglicherweise eine Arbeit, die grundsätzlich im Sitzen zu verrichten ist, auch im Stehen verrichtet werden. Dann scheidet aber jedenfalls die dritte, ebenfalls geforderte Haltungsart, nämlich das Umherlaufen, aus. Schließlich besteht bei einer Arbeit, die grundsätzlich im Gehen zu verrichten ist, also z.B. bei einer Botentätigkeit, nicht die Möglichkeit, diese jederzeit nach freiem Entschluss des Arbeitnehmers durch Sitzen oder Stehen zu unterbrechen, weil der Zweck der Botentätigkeit gerade darin besteht, Gegenstände oder Nachrichten von einem Ort zum andern zu transportieren.

Abgesehen von diesem beim Kläger erforderlichen Wechsel zwischen allen drei Haltungsarten ist der Bereich der für ihn infrage kommenden Arbeitsplätze auch wegen anderer qualitativer Einschränkungen reduziert. Der Kläger soll nämlich z.B. auch nur noch in geschlossenen Räumen und unter Vermeidung von Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit und Zugluft arbeiten. Damit sind wiederum eine Vielzahl von Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarktes z.B. im Freien, also im Baugewerbe sowohl des Hoch- und des Tiefbaus als auch des Straßenbaus, in Kühl- oder Heizhäusern und in Waschanstalten ausgeschlossen.

Für einfache Bürotätigkeiten kommt der Kläger aus verschiedenen Gründen nicht in Betracht. Vielfach überwiegt dabei die Haltungsart des Sitzens in einem Umfang, der dem Kläger nicht zuträglich ist. Demgegenüber sind auf einer Poststelle im Einzelfall Pakete und Aktenbündel zu heben und zu tragen, die weit mehr als die dem Kläger noch zumutbaren 5 kg bzw. höchstens 10 kg wiegen, wie dem Senat und auch der Beklagten aus Ermittlungen in früheren Rechtsstreitigkeiten bekannt ist.

Die vom Gutachter Dr. E und im Anschluss auch von der Beklagten konkret genannten Tätigkeiten eines Postlesers oder Telefonisten sind dem Kläger aus mehreren Gründen nicht zumutbar. Unter Berücksichtigung der hierzu vom Senat in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Unterlagen sind diese Berufe zwar möglicherweise im Wechsel aller drei Haltungsarten durchführbar, wobei aber der Arbeit im Gehen nur zeitlich geringe Bedeutung zukommen dürfte. Das Verfahren vor der 35. Kammer, in dem die genannten Berufe als zumutbare Verweisungstätigkeiten benannt und vom Gericht bestätigt wurden, betraf einen beinamputierten, prothesenversorgten Versicherten mit guter Beweglichkeit, dessen Hobby der Computer war und der nach gutachterlicher Einschätzung eine vollschichtige leichte Bürotätigkeit ausüben konnte, sofern ihm dabei möglich war, etwa im Stundenrhythmus aufzustehen und dadurch die Muskulatur zu entlasten. Demgegenüber ist für den hiesigen Kläger wegen seiner Durchblutungsstörungen auch häufige Bewegung bei der Arbeit wichtig.

Insbesondere aber ist nicht ersichtlich, dass der Kläger inhaltlich einer dieser Tätigkeiten gewachsen sein könnte, die darin bestehen, eine bestimmte Menge Post zu lesen und nach bestimmten Merkmalen zu sortieren bzw. am Telefon eingehende Vermittlungswünsche oder Auskunftsbegehren zu bearbeiten, denn ihm fehlt dafür die erforderliche Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann dieses Merkmal durchaus auch bei einem Versicherten von Bedeutung sein, der - wie der Kläger - als Ungelernter auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist. Zwar ist die Verweisung auf nach seinem beruflichen Werdegang berufsfremde Tätigkeiten grundsätzlich zulässig, ein Versicherter darf dadurch jedoch gesundheitlich, aber auch wissens- und könnensmäßig nicht überfordert werden (BSGE 9, 254, 257). So ist beispielsweise zu berücksichtigen, dass ein Versicherter, der viele Jahre lang grobe Arbeiten ohne oder mit wenig Gelegenheit zur Kommunikation verrichtet hat, auf Arbeiten mit Publikumsverkehr - wie bei einem Telefonisten - nicht ohne weiteres verweisbar ist (vgl. Urteil des BSG vom 6. Februar 1991 - 13/5/4a RJ 47/87). Des Weiteren kann bei einem Versicherten, der - wie der Kläger - während seines gesamten Berufslebens nur körperliche Arbeit geleistet hat und sich bereits im mittleren oder gar vorgerückten Lebensalter befindet, nicht unbedingt vorausgesetzt werden, dass er sich auf die Verrichtung von "Bürohilfsarbeiten" - wie die eines Postlesers - umstellen kann (vgl. BSG SozR 3-2600 § 1246 Nr. 45 und Urteil des BSG vom 23. August 2001 - B 13 RJ 13/01 R - m.w.N.).

Der Kläger, der aus einem türkischen Dorf stammt, über eine eingeschränkte Schulbildung verfügt und in Deutschland von 1969 bis ca. 1991 stets ungelernte Arbeiten auf dem Bau verrichtet hat, kann mangels jeglicher Erfahrungen mit Büroarbeiten und mit Rücksicht auf seine gutachterlich festgestellte Einschränkung seiner Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit nicht auf die ihm auch von der Beklagten angesonnenen Tätigkeiten eines Postlesers oder Telefonisten verwiesen werden, weil es für ihn völlig andersartige Arbeiten wären, als er sie je verrichtet hat, und diese auch im Arbeitsalltag eine gewisse Flexibilität verlangen.

Zu weiteren Ermittlungen bezüglich dieses Merkmals bestand keine Veranlassung. Wenn die erfahrene hauptamtliche Gutachterin Dr. Hvom Ärztlichen Dienst derBeklagtennach einer eingehenden und umfassenden Untersuchung des Klägers den persönlichen Eindruck gewonnen hat, dass die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des damals ca. 47 Jahre alten Versicherten eingeschränkt ist, besteht für den Senat - wie offensichtlich auch für den Prüfarzt Dr. F in seinem für die Beklagte im Berufungsverfahren zusammenfassend erstellten Leistungsprofil des Klägers vom 22. November 1996 - kein Anlass, dies in Zweifel zu ziehen. Dies gilt auch, nachdem die Beklagte in ihrem letzten Schriftsatz vom 16. September 2003 in Abrede gestellt hat, dass beim Kläger diese Fähigkeiten eingeschränkt sind, weil die nach Aktenlage ohne persönliche Kenntnis des Klägers abgegebene, nicht näher begründete Stellungnahme der Frau Dr. G hierfür keine Grundlage bietet.

Auch als Pförtner oder im Wachdienst kann der Kläger nicht mehr eingesetzt werden, weil der bei ihm speziell erforderliche Haltungswechsel zwischen allen drei Haltungsarten dabei nicht gewährleistet ist und der Kläger insbesondere auch nicht den dort üblichen Schichtdienst verrichten kann. Schließlich kommt auch eine Tätigkeit als Museumsaufsicht für den Kläger nicht in Betracht, weil eine solche Tätigkeit durch stundenlanges Stehen bzw. Verharren in einer Haltungsart gekennzeichnet ist und nicht unbeträchtliche Gewichte gehoben und getragen werden müssen, wenn die als Museumsaufsicht eingesetzten Arbeitskräfte beim Verpacken und Verladen von Exponaten mitarbeiten müssen. Auch dies ist der Beklagten wie dem Senat aus Ermittlungen in früheren Rentenrechtsstreiten bekannt.

Für den Kläger kommen auch die sonstigen von der Beklagten benannten, im Tatbestand im einzelnen unter a) bis g) aufgeführten Verweisungstätigkeiten nicht in Betracht. Die von ihr überreichte berufskundliche Stellungnahme des Herrn S vom Arbeitsamt H-Mitte vom 20. September 1999 konnte im vorliegenden Fall keine hinreichende Beurteilungsgrundlage darstellen, weil die von ihm zu berücksichtigenden qualitativen Einschränkungen im Rahmen leichter körperlicher Arbeiten nur die Bewältigung von Lasten über 5/6 kg, eine überwiegend sitzende Arbeitsposition mit der Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung nach individuellem Bedarf sowie die Vermeidung besonderer Zeitdruck- und Stressbelastungen (Akkord, Schicht, Nachtschicht) betrafen. Der hiesige Kläger ist demgegenüber erheblich stärker beeinträchtigt, weil er u.a. darüber hinaus nur in geschlossenen Räumen ohne negative klimatische Einwirkungen, nicht am Fließband, an laufenden Maschinen und in festgelegtem Arbeitsrhythmus sowie ohne einseitige körperliche Belastungen einsetzbar ist und zudem noch seine Fingergeschicklichkeit rechts sowie das Sehvermögen auf beiden Augen eingeschränkt sind. Konkret den Kläger betreffende berufskundliche Auskünfte, wie sie die Beklagte beantragt hat, waren von Herrn S nicht zu erhalten.

Das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg konnte in seiner unter dem 10. Dezember 2002 erteilten berufskundlichen Stellungnahme die Zumutbarkeit der von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten für den Kläger nicht bestätigen, weil in keinem Fall das positive und negative Leistungsprofil des Klägers mit den üblichen Anforderungen der genannten bzw. verwandten Tätigkeiten in Einklang steht. Zusammengefasst scheitert nach dieser Stellungnahme ein Einsatz des Klägers in den genannten Bereichen jeweils im wesentlichen aus folgenden Gründen:

Helfertätigkeiten in den verschiedensten Kommissionierungsbereichen setzen häufig eine körperliche Belastbarkeit für zumindest zeitweilig mittelschwere, eventuell auch schwere Arbeiten und die Einsetzbarkeit im Schichtdienst voraus, sie erfolgen zumindest zeitweilig unter Zeitdruck, ein jederzeitiger Wechsel der Haltungsart ist nicht möglich, ein Einsatz nur in geschlossenen, temperierten Räumen unter Ausschluss von Hitze, Kälte, Zugluft, Feuchtigkeit und Staub nicht gewährleistet.

Einfache Kontroll- und Prüftätigkeiten sind durch Veränderungen in der Arbeitsorganisation und der Fertigungsabläufe deutlich reduziert worden, werden überwiegend mit firmeneigenen älteren und/oder leistungsgeminderten Beschäftigten besetzt und erfordern im Übrigen häufig ein gewisses Maß an Fingergeschicklichkeit bei der Messmaschinenbedienung oder zur Dateneingabe sowie die Einsetzbarkeit an laufenden Maschinen, unter Zeitdruck, bei einseitiger körperlicher Belastung und ohne die Möglichkeit zum Wechsel der Haltungsart nach eigenem Ermessen.

Verpackungstätigkeiten in den verschiedensten Bereichen erfordern meist Schnelligkeit, oft auch Fingerfertigkeit und körperliche Belastbarkeit, werden in der Regel am Fließband ausgeübt, auch im Akkord, an laufenden Maschinen und in festgelegtem Arbeitsrhythmus und bieten nicht die Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung nach eigenem Bedarf.

Der Senat hält diese Auskunft für fundiert und überzeugend und legt sie seiner Entscheidung zugrunde.

Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 16. September 2003 dagegen erhobenen Beanstandungen liegen neben der Sache. Der Sachverständige B hat nicht "nur", sondern ergänzend zu seinen allgemeinen berufskundlichen Informationen zu den Tätigkeiten eines Kommissionierers, Güteprüfers und Verpackers als den Oberbegriffen der von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten die aktuellen einschlägigen Stellenanzeigen bei weit über der Hälfte der deutschen Arbeitsämter analysiert. Das ist entgegen der Auffassung der Beklagten keineswegs zu kritisieren, sondern sinnvoll und zweckmäßig, um eine fundierte Auskunft über die sehr verschiedenartigen Anforderungsprofile dieser Tätigkeiten geben zu können, die, soweit es sich um den Teilbereich der ungelernten oder einfachen angelernten Tätigkeiten handelt, von den konkreten Erfordernissen der Arbeitgeber in unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen geprägt sind. Inwieweit solche Stellen auf dem Arbeitsmarkt angeboten werden, ist überdies für die Frage von Bedeutung, ob es sich um sogenannte Schonarbeitsplätze für ältere und/oder leistungsgeminderte Beschäftigte des eigenen Betriebes handelt, auf die ein Rentenbewerber nicht verwiesen werden kann.

Die Auswertung von weit mehr als 500 angebotenen Stellen in den von der Beklagten genannten Tätigkeitsbereichen hat den Sachverständigen B zu der nachvollziehbar und einleuchtend begründeten Überzeugung geführt, dass derartige Tätigkeiten für den Kläger nicht in Betracht kommen. Der Senat teilt seine Einschätzung.

Die von der Beklagten hilfsweise beantragte nochmalige Einholung einer berufskundlichen Stellungnahme zu den Einsatzmöglichkeiten des Klägers kommt danach nicht in Betracht.

Nach alledem ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache unter Einbeziehung auch der Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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