L 9 AL 303/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 34 AL 342/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 303/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 43/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
S 34 AL 1525/99
I. Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts München vom 8. Mai 2002 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind der Eintritt einer Sperrzeit und das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) streitig.

I.

Der 1963 geborene Kläger hat nach dem Besuch eines Gymnasiums 1989 ein Studium der Betriebwirtschaftslehre an der Universität M. als Diplom-Kaufmann abgeschlossen. Vom 01.09.1989 bis 31.05.1990 war er freiberuflich als Finanzberater bei einer Investmentbank tätig. Danach war er als Diplom-Kaufmann bei einem Unternehmen für Arbeitnehmerüberlassung (02.01. bis 31.01.1991), als Revisionsassistent (02.04. bis 31.12.1991) und als Angestellter beim Arbeitsamt M. beschäftigt (27.05. bis 31.12.1993). Mit einer Unterbrechung vom 17.01. bis 31.03.1994 (Beschäftigung als Verwaltungsangestellter im Klinikum I. in M.) bezog der Kläger bei der Beklagten ab 01.01.1994 Arbeitslosengeld, im Anschluss daran Alhi ab 15.11.1994, zuletzt nach einem Bemessungsentgelt von 910,- DM wöchentlich und einem Leistungssatz in Höhe von 285,81 DM je Woche (Bewilligungsabschnitt vom 01.01.1998 bis 31.12.1998).

Mit Schreiben vom 14.12.1998 bot die Beklagte dem Kläger eine Arbeit als Bürokraft bei dem Unternehmen A. in München an. Das Schreiben enthielt folgende Rechtsfolgenbelehrung:

Wenn Sie ohne wichtigen Grund - die Ihnen umseitig angebotene Arbeit nicht annehmen oder nicht antreten, - das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch Ihr Verhalten verhindern (z.B. indem Sie sich nicht vorstellen), tritt eine Sperrzeit ein (Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung, § 144 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB III). Sie dauert regelmäßig 12 Wochen. Würde diese Dauer für Sie eine unbillige Härte bedeuten, umfasst die Sperrzeit 6 Wochen. Ist die angebotene Arbeit auf bis zu 6 Wochen befristet, beträgt die Dauer der Sperrzeit 3 Wochen. Während der Sperrzeit ruht Ihr Anspruch auf Leistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Eingliederungshilfe); Leistungen werden nicht gezahlt. Die Anspruchsdauer vermindert sich um die Tage der Sperrzeit (dies gilt nicht für Arbeitslosenhilfe im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld).

Der Kläger stellte sich dort nicht vor und begründete dies in einem Schreiben vom 29.12.1998 an das Arbeitsamt mit seiner mangelnden Berufserfahrung; für Unternehmen der Zeitarbeit sei er nicht der geeignete Arbeitnehmer, er gelte als überqualifizierter Akademiker. Mit Bescheid vom 28.01.1999 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 30.12.1998 bis 23.03. 1999 fest, hob die Bewilligung von Alhi für diesen Zeitraum auf und verlangte für die Zeit vom 30. bis 31.12.1998 gezahlte Leistungen in Höhe von 81,66 DM zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus: Die angebotene Arbeit sei zumutbar gewesen, weil die erste Zeit der Arbeitslosigkeit vorüber sei und die Beschäftigung der nunmehr zumutbaren Qualifikationsstufe entspreche. Des Weiteren entspreche das vorgesehene Arbeitsentgelt der tariflichen Regelung oder sei ortsüblich. Auch liege das Netto-Arbeitsentgelt nicht unter der zuletzt gewährten Alhi.

Ferner erteilte die Beklagte folgende Rechtsfolgenbelehrung: "Bitte beachten Sie, dass ihr gegenwärtiger Anspruch auf Leistungen vollständig erlischt, wenn sie nach Entstehen des Anspruches auf Arbeitslosengeld Anlass zum Eintritt von mehreren Sperrzeiten mit einer Dauer von zusammengerechnet mindestens 24 Wochen gegeben und über den Eintritt der einzelnen Sperrzeit jeweils einen schriftlichen Bescheid erhalten haben. Dies trifft auch zu, falls Sie Bezieher von Arbeitslosenhilfe geworden sind oder werden; auch in diesem Fall werden alle nach der Entstehung des Anspruches auf Arbeitslosengeld eingetretenen Sperrzeiten unabhängig davon zusammengerechnet, ob sie wegen Arbeitsaufgabe, Arbeitsablehnung oder wegen Ablehnung bzw. Abbruchs einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme eintreten. Erlischt Ihr Anspruch, können Sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nur mit neuen versicherungspflichtigen Zeiten nach dem Erlöschen erwerben ...Hinweise dazu, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben wird und wann eine Sperrzeit eintritt, enthält das Merkblatt 1 für Arbeitslose - Ihre Rechte, Ihre Pflichten."

Im Widerspruch trug der Kläger vor, dass er den Anforderungen des Zeitarbeitsgewerbes nicht gerecht werde, weil diese Firmen sofort einsetzbare Mitarbeiter suchten und keine Einarbeitungen vornehmen möchten. Die früheren Arbeitsvermittler hätten diese Auffassung akzeptiert. In seiner Stellungnahme führte der Arbeitsvermittler dazu unter anderem aus, der Kläger sei von ihm persönlich bereits am 27.03.1997 auf die Zumutbarkeitsbestimmungen (auch in Bezug auf Zeitarbeitunternehmen) ausführlich hingewiesen worden. Der Kläger habe seither sieben Vermittlungsvorschläge sowohl für konventionelle als auch für Zeitarbeitunternehmen erhalten. Bei dem Vermittlungsvorschlag zum Unternehmen A. handele es sich um eine Stelle als Bürokraft für allgemeine Büroarbeiten. Berufserfahrung werde nicht gefordert. Des Weiteren sei für einen so qualifizierten Bewerber (abgeschlossenes Hochschulstudium, Trainingsmaßnahme) eine lang andauernde Einarbeitung für diese Tätigkeit nicht erforderlich. Bei seiner Vorsprache am 11.01.1999 habe der Kläger sowohl schriftlich als auch mündlich bestätigt, dass er sich bei den Arbeitgebern nicht vorgestellt habe und dies auch zukünftig nicht tun werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.1999 wies die Beklagte den Rechtsbehelf des Klägers zurück. Ab 24.03. 1999 bezog der Kläger weiter Alhi in Höhe von 288,05 DM wöchentlich.

Mit Schreiben vom 10.08.1999 übersandte die Beklagte dem Kläger das Angebot für eine Arbeit als Diplom-Betriebswirt (FH) bei der Firma G. Personalmanagement GmbH in M ... Gegenstand der Tätigkeit sollten die Sachbearbeitung Buchhaltung, eigenständiges Kontieren, Finanzbuchhaltung, Controlling, Rechnungs- wesen sein. Das Arbeitsangebot enthielt die Rechtsfolgenbelehrung R 2, unter anderem mit folgendem Inhalt: Für den Fall, dass Sie - ohne wichtigen Grund - die Ihnen umseitig angebotene Arbeit nicht annehmen oder nicht antreten oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses verhindern, beachten Sie bitte Folgendes: Ihr gegenwärtiger Anspruch auf Leistungen erlischt vollständig, wenn sie nach Entstehung des Anspruches auf Arbeitslosengeld Anlass zum Eintritt mehrerer Sperrzeiten mit einer Dauer von zusammengerechnet 24 Wochen gegeben und über den Eintritt der einzelnen Sperrzeit jeweils einen schriftlichen Bescheid erhalten haben. Das trifft auch zu, falls Sie Bezieher von Arbeitslosenhilfe geworden sind oder werden; auch in diesem Falle werden alle nach der Entstehung des Anspruches auf Arbeitslosengeld eingetretenen Sperrzeiten unabhängig davon zusammengerechnet, ob sie wegen Arbeitsaufgabe, Arbeitsablehnung oder wegen Ablehnung bzw. Abbruchs einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme eintreten ..."

Der Kläger bewarb sich am 19.08.1999 schriftlich, teilte der Arbeitgeberin jedoch in einem Schreiben vom 11.08.1999 unter anderem unter Hinweis auf fehlende Berufserfahrung mit, er sei davon überzeugt, für ein Unternehmen der Zeitarbeit nicht der geeignete Mitarbeiter zu sein. Er sei bereits zwei Wochen erfolglos bei einem solchen Unternehmen tätig gewesen. Dieses Schreiben sah die Arbeitgeberin als Absage an. Mit Bescheid vom 01.09.1999 hob daraufhin die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi ab 20.08.1999 auf, weil der Anspruch wegen des Eintritts einer zweiten Sperrzeit erloschen sei. Zu Unrecht gezahlte Alhi in Höhe 489,60 DM für die Zeit vom 20. bis 31.08.1999 sei zu erstatten. Im Widerspruch machte der Kläger geltend: Er habe der Arbeitgeberin nicht mitgeteilt, dass er an einer Einstellung nicht interessiert sei. Das Bewerbungsschreiben enthalte nur seine subjektive Auffassung, inwieweit er den Anforderungen eines Zeitarbeitunternehmens gerecht werden könne. Er halte es für seine Pflicht, die Arbeitgeberin korrekt über seine Leistungsfähigkeit zu informieren. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.1999 wies die Beklagte den Rechtsbehelf des Klägers zurück.

Einen Bescheid vom 22.12.1999 (Widerspruchsbescheid vom 27.01. 2000), mit dem die Beklagte wegen Nichtannahme eines Arbeitsangebots bei der G. Gruppe den Eintritt einer weiteren Sperrzeit ab 13.11.1999 und das erneute Erlöschen des Anspruchs auf Alhi feststellte, nahme sie nach Erhebung der Klage (Sozialgericht München S 34 AL 220/00) mit Bescheid vom 09.11.2000 wegen fehlender Rechtsfolgenbelehrung wieder zurück.

II.

Mit der am 10.03.1999 wegen der Sperrzeit vom 30.12.1998 bis 23.03.1999 unter dem Aktenzeichen S 34 AL 342/1998 erhobenen Klage beim Sozialgericht München wiederholte und vertiefte der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsver- fahren. Zusätzlich führte er aus: Er sehe sich in der Lage, im Aufgabengebiet Rechnungswesen (Controlling, Buchhaltung) zufriedenstellende Arbeitsergebnisse zu liefern; Organisationstalent, Verhandlungsgeschick oder andere "dispositive" Fähigkeiten würden dabei nicht verlangt. Seine Tätigkeit in einem Zeitarbeitunternehmen im Jahre 1991 sei nach der zweiten Woche bereits beendet worden, weil er ohne praktische Berufserfahrung den Anforderungen nicht habe gerecht werden können. Die Stelle bei A. habe außerdem den Nachteil, dass eine Tätigkeit als Bürokraft nichts mit dem Rechnungswesen zu tun habe und er keine theoretischen und praktischen Kenntnisse besitze, um allgemeine Büroarbeiten zufriedenstellend erledigen zu können. Er wäre durch die Stelle überfordert gewesen; das Arbeitsamt müsse das Leistungsprofil des Bewerbers und das Anforderungs- profil des Arbeitgebers berücksichtigen. Die Personaldisponentin eines anderen Zeitarbeitunternehmens habe ihm am 01.03.1999 anläßlich eines Vorstellungstermins bestätigt, dass er aufgrund mangelnder Berufserfahrung bei den Mandanten ihres Unternehmens nicht einsetzbar sei.

Der Kläger legte in Ablichtung eine "Arbeitsbescheinigung" der K. Personal Marketing GmbH vom 14.12.1991 vor, worin es u.a. heißt: Der Kläger sei in der Zeit 02.01. bis 31.10.1991 als Diplom-Kaufmann in dem Unternehmen tätig gewesen. Er habe in dem Unternehmensbereich Arbeitnehmerüberlassung gearbeitet und sei bei einem der Kunden - einem Industrieunternehmen - im Einsatz gewesen. Dies setze Flexibilität, Einsatzfreude und schnelle Auffassungsaufgabe voraus. Man habe den Kläger als zuverlässigen und sympathischen Mitarbeiter kennengelernt. Eine weitergehende Beurteilung sei wegen der kurzen Betriebszugehörigkeit leider nicht möglich.

Ein Antrag des Klägers auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz war erfolglos (Beschluss des Sozialgerichts München vom 31.05.2000, Az.: S 34 AL 638/00 ER; Beschluss des Senats vom 22.08.2000, Az.: L 9 B 193/00 AL ER).

Mit Urteil vom 08.05.2002, dem Kläger zugestellt am 01.08.2002, wies das Sozialgericht die Klage ab. Unter Übernahme der Entscheidungsgründe des Senats im Verfahren über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes führte es aus: Aufgrund seiner langen Arbeitslosigkeit bestünden keine Zweifel daran, dass die vorgeschlagene Arbeit dem Kläger zumutbar gewesen sei. Insbesondere hätte der Kläger dem vorgeschlagenen Arbeitgeber Gelegenheit geben müssen, selbst zu prüfen und eine Prognose zu stellen, ob er für die angebotene Arbeit geeignet sei. Weder aus einer Jahre zurückliegenden Tätigkeit im Bereich der Zeit- arbeit, noch aus der Einschätzung einer Personaldisponentin eines anderen Unternehmens lasse sich ableiten, dass der Kläger generell und ohne weitere Prüfung anhand des konkret vorgesehenen Arbeitsplatzes nicht für eine Arbeit bei dem vorgeschlagenen Unternehmen in Betracht gekommen wäre.

Mit der am 11.10.1999 gegen den Bescheid der Beklagten vom 01.09.1999 und den Widerspruchbescheid vom 04.10.1999 (Erlöschen des Alhi-Anspruchs ab 20.08.1999) unter dem Az.: 34 AL 1525/99 beim Sozialgericht München erhobenen Klage führte der Kläger weiter aus, dass er für Zeitarbeitunternehmen kein geeigneter Mitarbeiter sei. Er bezog sich erneut auf die Aussage einer Personaldisponentin vom 01.03.1999 (Firma E. , Frau K.). Das Arbeitsamt hätte dies berücksichtigen müssen. Seine Mitteilungen seien keine endgültige Ablehnung des Stellenangebots gewesen.

Ein Antrag des Klägers auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz war erfolglos (Beschluss des Sozialgerichts München vom 10.04.2000, Az.: S 34 AL 95/00 ER; Beschluss des Senats vom 22.08.2000, Az.: L 9 B 125/00 AL ER).

Mit Urteil vom 08.05.2002, dem Kläger zugestellt am 01.08.2002, wies das Sozialgericht die Klage ab. Durch seine ausdrückliche Äußerung im Schreiben vom 11.08.1999, von seiner Nichteignung für Unternehmen der Zeitarbeit überzeugt zu sein, habe der Kläger das Zustandekommen eines zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses trotz entsprechender Rechtsfolgenbelehrung vereitelt. Auszugehen sei dabei vom Empfängerhorizont des Arbeitgebers. Auch wenn sich der Kläger selbst nicht für geeignet halte, müsse sein Verhalten bei einer Bewerbung eine Grenze darin finden, die nach der Verkehrssitte noch im Rahmen dessen liege, was ein Arbeitgeber üblicherweise bei einem an der Arbeitsaufnahme interessierten Arbeitenehmer erwarte. Die eindeutigen Ausführungen des Klägers ließen nicht den Schluss zu, dass er an der Beendigung seiner Arbeitslosigkeit durch den Erhalt eines Arbeitsplatzes in der Zeitarbeitsfirma interessiert sei.

III.

Gegen die Urteile des Sozialgerichts München vom 08.05.2002 richten sich die am 07.08.2002 beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufungen des Klägers (L 9 AL 303/02 und 304/02), die der Senat zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden hat. Der Kläger legt im Einzelnen dar, dass er nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch für die im Arbeitsvertrag genannte Tätigkeit geeignet sein müsse. Bei Nichterfüllung des Arbeitsvertrages habe der Arbeitgeber Anspruch auf Schadenersatz. Dass er einen Arbeitsvertrag mit einem Unternehmen der Zeitarbeit nicht erfüllen könne, ergebe sich unter anderem aus dem Zeugnis der K.-Personal Marketing GmbH. Angesichts der beschriebenen Rechtslage sei nicht ersichtlich, weshalb er seine Schwierigkeiten, einen Arbeitsvertrag zu erfüllen, nicht dem Arbeitsamt mitteilen sollte, oder, weshalb er dem Arbeitgeber gegenüber wahrheitswidrig seine Eignung behaupten sollte.

Nach dem Urteil des Sozialgerichts sei ihm die Information des Arbeitsamtes über seine Befähigung nicht erlaubt, sei ihm eine wahrheitswidrige Mitteilung an den Arbeitgeber zuzumuten und müsse er die Tatbestandsvoraussetzungen des Betruges nach dem Strafgesetzbuch erfüllen. Außerdem halte er die Dauer des sozialgerichtlichen Verfahrens für verfassungswidrig. Wegen des Vortrags des Klägers im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), die Urteile des Sozialgerichts München vom 08.05.2002 sowie die Bescheide der Beklagten vom 28.01.1999 und 01.09.1999 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.02. und 04.10.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Alhi auch für die Zeit vom 30.12.1998 bis 23.03.1999 und ab 20.08.1999 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufungen des Klägers zurückzuweisen.

Die bei A. geforderten beruflichen Kenntnisse - allgemeine Büroarbeiten mit PC-Kenntnissen - entsprächen den beruflichen Fähigkeiten, die der Kläger trotz der überaus langen Dauer seiner Arbeitslosigkeit noch habe. Die Anforderungen für die Arbeitnehmer, die an einen Arbeitsplatz geknüpft seien, seien jeweils anderer Gestalt. Daher müsse sich der Arbeitslose um die konkret angebotene Stelle bemühen. Mit seinem Verweis auf die §§ 611 ff. BGB könne der Kläger nicht durchdringen. Die bei der G. GmbH geforderten beruflichen Kenntnisse - Sachbearbeitung in der Buchhaltung - entsprächen den beruflichen Fähigkeiten, die der Kläger als Diplom-Kaufmann (Universität) trotz der Dauer seiner Arbeitslosigkeit habe. Die grundsätzlich aufgestellte Behauptung, er würde den Anforderungen aus Stellenangeboten bei Zeitarbeitsfirmen nicht gerecht, stelle im Übrigen die Verfügbarkeit des Klägers in Frage.

Auf Anforderung durch den Senat hat die Beklagte den Text der Rechtsfolgenbelehrung R 2 vorgelegt.

Die Akten der Beklagten einschließlich der Unterlagen der Arbeitsvermittlung (BewA), ferner neben den Berufungsakten die Akten des Sozialgerichts über die Hauptsacheverfahren und die Akten des Sozialgerichts und des Senats zu den Verfahren über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurden zum Verfahren beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen des Klägers sind nicht begründet.

I.

Zu Recht hat die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 30.12.1998 bis 23.03.1999 festgestellt, die Entscheidung über die Bewilligung der Alhi insoweit aufgehoben und die Erstattung der überzahlten Leistungen verlangt.

Die Voraussetzungen des § 144 Abs.1 Nr.2 SGB III für den Eintritt einer Sperrzeit sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht angenommen oder nicht angetreten hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 14.12.1998 eine Beschäftigung als Bürokraft bei dem Zeitarbeitunternehmen A. in M. angeboten; Art der Tätigkeit und Arbeitgeber waren genannt. Dem Angebot war auf der Rückseite des Schreibens eine zutreffende und vollständige, hinreichend bestimmte und klare Rechtsfolgenbelehrung beigefügt.

Dieses Angebot hat der Kläger nicht angenommen. Der Kläger hat sich mit dem Arbeitgeber, wie er selbst angibt, nicht in Verbindung gesetzt. Dass der Kläger das Arbeitsangebot nicht annahm, stand mit dem Datum seines Schreibens vom 29.12.1998 objektiv fest.

Die Beklagte hat ferner die für die Vermittlung von Arbeitslosen geltenden Grundsätze eingehalten, insbesondere die §§ 35, 36 SGB III. Vor allem trifft es nicht zu, wie der Kläger aber von Anfang an vorträgt, dass er für die angebotene Arbeit nicht im Sinne des § 35 Abs.2 Satz 2 SGB III geeignet war. Die A. GmbH suchte eine Bürokraft für "allgemeine Büroarbeiten" mit "PC-Kenntnissen", wie sich aus dem Angebotsschreiben der Beklagten vom 14.12.1998 ergibt.Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger diese Anforderungen nicht erfüllen konnte. Insbesondere konnte der Kläger im Hinblick auf seinen Ausbildungsgang die nötige Gewandtheit aufbringen, unter anderem im schriftlichen Ausdruck, wie sich vor allem aus seinen Schriftsätzen ergibt. Nach seinem "Bewerberprofil" in der BewA beherrschte er auch das EDV-Programm SAP R/3, so dass die verlangten PC-Kenntnisse jedenfalls vorhanden waren.

Es bestehen ferner keine Hinweise darauf, dass er die für all- gemeine Büroarbeiten in Zeitarbeitfirmen notwendige Flexibilität, Einsatzfreude und schnelle Auffassungsgabe nicht aufbringen konnte, sofern er sich nur darum bemühte. Die mehr als sieben Jahre davor ausgestellte Arbeitsbescheinigung der K.-Personalmarketing GmbH vom 14.02.1991 kann dies nicht widerlegen. Ebenso wenig ist dazu die vom Kläger angeführte Meinungsäußerung durch die Personaldisponentin einer anderen Zeitarbeitsfirma am 01.03.1999 geeignet. Beide Beurteilungen können, soweit sie überhaupt in der vorgetragenen Weise erfolgt sind, nur die Geeignetheit für eine bestimmte Arbeitsstelle in einem anderen Unternehmen beschreiben. Eine Übertragung auf die von der Beklagten angebotene Arbeit ist nicht zulässig, weil die Arbeitsanforderungen maßgeblich bestimmt sind von den Besonderheiten des konkreten Arbeitsplatzes und seines Umfeldes.

Schließlich spielt es auch keine Rolle, dass der Kläger - wie er anfangs im Schreiben vom 29.12.1998 vorgetragen hat - keine Berufserfahrung in Zeitarbeitunternehmen besitze. Denn eine solche war vom Arbeitgeber nicht verlangt worden. Im Übrigen war der Kläger, wie er später selbst vorgetragen hat, im Januar 1991 als Diplom-Kaufmann bei einem Unternehmen für Arbeitnehmerüberlassung tätig.

Der Kläger hatte nach alledem keinen wichtigen Grund, die Stelle bei A. nicht anzunehmen. Er durfte nicht jede Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber ablehnen, sondern hatte diesem, der den Arbeitsplatz eingerichtet und seine Anforderungen definiert hatte, Gelegenheit zur eigenen Prüfung und Einschätzung seiner Geeignetheit zu geben.

Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass die Arbeit bei A. für den seit 1994 im Wesentlichen arbeitslosen Kläger nach § 121 SGB III i.V.m. § 198 Satz 2 Nr.6 SGB III unzumutbar, insbesondere das Netto-Einkommen gemäß Abs.3 Satz 3 der genannten Vorschrift niedriger als die Alhi war. Gemäß § 121 Abs.5 SGB III sind außerdem Beschäftigungen nicht schon deswegen unzumutbar, weil sie nicht zum Kreis der Beschäftigungen gehören, für die der Arbeitnehmer ausgebildet ist.

Gründe für eine besondere Härte nach § 144 Abs.3 Satz 1 SGB III liegen nicht vor. Da der Anspruch auf Alhi wegen der Sperrzeit ruhte, musste die Beklagte gemäß § 48 Abs.1 Satz 1, 2 Nr.4 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs.3 SGB III die Leistungsbewilligung aufheben und nach § 50 Abs.1 SGB X die Erstattung der überzahlten Leistung verlangen.

II.

Zu Recht hat ferner die Beklagte das Erlöschen des Alhi-Anspruchs ab 20.08.1999 festgestellt und die Leistungsbewilligung aufgehoben.

Die Voraussetzungen für das Erlöschen des Anspruchs nach § 196 Abs.1 Nr.3 SGB III liegen vor. Der Kläger hat über den Eintritt der ersten Sperrzeit vom 30.12.1998 bis 23.03.1999 nach Entstehung des Anspruchs einen schriftlichen Bescheid erhalten. Auf die Rechtsfolgen des Eintritts von Sperrzeiten von insgesamt 24 Wochen ist er in diesem Bescheid hingewiesen worden.

Außerdem hat er mit Wirkung vom 20.08.1999 Anlass für den Eintritt einer weiteren Sperrzeit von 12 Wochen gegeben, insgesamt also für Sperrzeiten von 24 Wochen.

Dass der Kläger das Angebot der Beklagten für eine Stelle bei der G. GmbH erhalten hat, ist nicht zweifelhaft; denn der Kläger hat selbst angegeben, sich daraufhin bei der G. beworben zu haben. Auch der Arbeitgeber hat angegeben, dass sich der Kläger am 19.08.1999 schriftlich beworben habe. Der Kläger wurde ferner im Angebot der Beklagten über die Rechtsfolgen nach Maßgabe der Rechtsfolgenbelehrung "R 2" ausreichend belehrt.

Der Kläger hat das Stellenangebot auch nicht angenommen im Sinne des § 144 SGB III. Er führte in seinem vom Arbeitgeber übermittelten Bewerbungsschreiben vom 11.08.1999 unter anderem aus, er sei davon überzeugt, dass er für ein Zeitarbeitunternehmen nicht der geeignete Mitarbeiter sei, da ihm die Berufserfahrung fehle, um einen Mandanten zufriedenstellen zu können. Er habe bereits eine erfolglose Tätigkeit bei einem Zeitarbeitunternehmen hinter sich. Sie sei nach zwei Wochen beendet gewesen. Bei der Wertung dieses Schreibens ist zu berücksichtigen, dass es der Arbeitgeber ist, der einen Arbeitsplatz einrichtet und seine Anforderungen im Hinblick auf sein betriebliches Direktionsrecht definiert. Es ist daher ebenfalls auch der Arbeitgeber, der in genauer Kenntnis der gestellten Anforderungen des Arbeitsplatzes die Eignung eines Bewerbers zu prüfen hat. Legt sich dagegen ein Arbeitsloser fest, ohne diese Prüfung abzuwar- ten und behauptet er vorab seine Nichteignung, so zeigt er dem Arbeitgeber, dass er dessen Beurteilung nicht beachten und die Chance, die (bei Interesse an der Stelle) darin liegt, nicht nutzen will. Die Erklärung des Klägers im Bewerbungsschreiben musste daher auf den Arbeitgeber als eine offene Kundgebung fehlenden Interesses an der Stelle wirken. Dementsprechend hat der Arbeitgeber auch darin zu Recht eine Absage des Klägers gesehen.

Auch bei diesem Stellenangebot hat die Beklagte die Vermittlungsgrundsätze der §§ 35 ff. SGB III eingehalten. Es trifft nicht zu, dass der Kläger nicht geeignet war im Sinne des § 35 Abs.2 S.2 SGB III; insbesondere gibt es keine Hinweise auf eine generelle Nichteignung des Klägers für Unternehmen der Zeitarbeit. Auf die entsprechenden Ausführungen zum Stellenangebot A. wird Bezug genommen. Ferner bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die im Bewerberprofil in der BewA beschriebenen Ausbildungen und Qualifikationen des Klägers den Stellenanforderungen nicht entsprachen.

Ein wichtiger Grund für die Nichtannahme der Arbeit durch den Kläger liegt nicht vor. Wie bereits bei der Prüfung der Sperrzeit vom 30.12.1998 bis 23.03.1999 ausgeführt, muste der Kläger der Arbeitgeberin die Gelegenheit geben, seine Eignung zu prüfen und einzuschätzen. Da keine hinreichenden Gründe dafür vorlagen, war er nicht dazu berechtigt, vorab und generell seine Eignung für die gesamte Branche der Zeitarbeit auszuschließen.

Gründe für eine Reduzierung der Sperrzeit nach § 144 Abs.3 SGB III sind nicht ersichtlich.

Da das Schreiben des Klägers an die Arbeitgeberin am 19.08. 1999 dort eingegangen war, begann die Sperrzeit gemäß § 144 Abs.2 SGB III spätestens am folgenden Tag, also am 20.08.1999; an diesem Tag war der Erlöschenstatbestand erfüllt. Die Beklagte musste gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X i.v.m. § 330 Abs.3 SGB III die Leistungsbewilligung aufheben und die Erstattung der Überzahlung gemäß § 50 Abs.1 SGB X verlangen.

Ob eventuell im Hinblick auf das Datum des Schreibens des Klägers vom 11.08.1999 der Alhi-Anspruch schon früher erloschen ist, spielt für die Entscheidung des Senats keine Rolle, da Streitgegenstand nur der angefochtene Verwaltungsakt der Beklagten ist. Der Senat muss auch nicht darüber befinden, ob die Aufhebung der Alhi-Bewilligung zusätzlich auch deswegen begründet ist, weil der Kläger mit der Zeitarbeitsbranche ein ganzes Segment des Arbeitsmarkts aus seiner Arbeitsbereitschaft herausgenommen hat (vgl. dazu BSG SozR 3-4100 § 103 Nr.13 insbes. S 58,59; SozR 4100 § 119 Nr.12 S 54, 55).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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