L 11 AS 347/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 AS 184/15 ZVW
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 347/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Auslegung eines Schreibens als Widerspruch.
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 21.04.2016 teilweise abgeändert und die Beigeladene verurteilt, über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.01.2014 zu entscheiden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind der Erlass einer Darlehensforderung, die Übernahme von Versicherungsbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Meldung zur Rentenversicherung.

Der Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Im Hinblick auf 17 landwirtschaftliche Grundstücke in R. und S. erfolgte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 darlehensweise unter Berücksichtigung der jeweiligen Regelleistung und der Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 24,74 EUR für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.06.2009 (Bescheid vom 18.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2009, Bescheid vom 04.06.2009 idF des Änderungsbescheides vom 17.07.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009, Bescheid vom 07.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2010 und Bescheid vom 14.06.2010 idG des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011). Die dagegen gerichteten Klagen hat das Sozialgericht Würzburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2011 abgewiesen (S 9 AS 195/09). Sowohl das dagegen gerichtete Berufungsverfahren beim Bayerischen Landessozialgericht (Urteil vom 02.02.2012 - L 11 AS 162/11) als auch die anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundessozialgericht (Beschluss vom 10.05.2012 - B 4 AS 64/12 B) waren ohne Erfolg. Eine vom Kläger beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens wurde vom Senat mit Urteil vom 18.03.2015 (L 11 AS 91/15 WA) als unzulässig verworfen. Mit Bescheiden vom 15.05.2009, 05.06.2009, 17.03.2010 und 14.06.2010 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2010) wurden für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 auch Darlehen für die freiwilligen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt.

Am 03.12.2010 verkaufte der Kläger acht seiner Grundstücke (Wald- und Landwirtschaftsflächen) für insgesamt 6.224,09 EUR. Mit Schreiben vom 05.04.2011 forderte er den Beklagten ua auf, ihm für die Jahre 2009 und 2010 jeweils monatlich 60 EUR für Heizkosten, insgesamt 1.440 EUR zu zahlen. Dabei nahm er auf einen Widerspruchsbescheid vom 19.01.2011 Bezug, worin ausgeführt ist, der Kläger habe angegeben, es fielen allein für Heizmaterial 60 EUR monatlich an. Mit "Zahlungsaufforderung" vom 05.07.2012 stellte der Beklagte die Darlehenssumme aus der Leistungsbewilligung für die Zeit von Januar 2009 bis einschließlich Dezember 2010 iHv 11.870,04 EUR gegenüber dem Kläger fällig und verfügte mit Bescheid vom 23.07.2012 eine monatliche Aufrechnung der Forderung mit dem laufenden Alg II im Umfang von 37,40 EUR ab dem 01.08.2012. Mit Schreiben vom 07.08.2012 erhob der Kläger bei der Beigeladenen Widerspruch "gegen diesen Bescheid" und beantragte die Niederschlagung der gesamten Darlehensforderung. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2012 zurück. Offene Darlehensforderungen seien nach § 42a SGB II aufzurechnen. Zur Vornahme der Aufrechnung bestehe eine Verpflichtung.

Mit Schreiben ua vom 07.08.2012 und 04.12.2013 wandte sich der Kläger gegen eine Zahlungsaufforderung der Beigeladenen bzw "deren Forderung" und beantragte einen Erlass. Mit Bescheid vom 14.01.2014 lehnte die Beigeladene den Antrag auf Erlass der Forderung ab. Es würden monatliche Einbehaltungen von den laufenden Leistungen des Klägers zur Tilgung der Forderung vorgenommen. Die weitere Einziehung sei daher nicht unbillig. Mit Schreiben vom 28.01.2014 teilte der Kläger der Beigeladenen unter dem Betreff "Ihren Bescheid vom 14.01.2014 ( ...) zu meinem Anträgen auf Erlaß der Forderungen" mit, er bestehe weiterhin auf dem vollkommenen Erlass der Forderungen. Er habe ein Gericht beauftragt. Dies sei sein letztes Schreiben an die Beigeladene.

Mit seiner beim SG gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 18.09.2012 erhobenen Klage hat der Kläger vorgebracht, er habe niemals ein Darlehen unterschrieben und die Leistungsbewilligung hätte zuschussweise erfolgen müssen. Er hat darüber hinaus auch die Niederschlagung bzw den Erlass der Darlehensforderung, die "Übernahme der ganzen Versicherungspflichten des Job Centers/ARGE für Buchungen zur Krankenversicherung 2008/2010 sowie die Rentenversicherungszeiten 2008/2010", die Zahlung von "Landratskosten" iHv 1.440 EUR für den Zeitraum 2008/2010 sowie die Zahlung von 219 EUR bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts S. beantragt.

Den Gerichtsbescheid vom 20.12.2013 (S 18 AS 665/12 - 110 SG), mit dem das SG die Klage abgewiesen hat, hat der Senat mit Urteil vom 18.03.2015 (L 11 AS 152/14) in Bezug auf die Niederschlagung bzw. den Erlass der Darlehensforderung, die Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, die Zahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 1.440 EUR für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 und die Zahlung von 219 EUR bezüglich einer Kostenrechnung des Landgerichts S. aufgehoben und den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Entscheidung an das SG zurückverwiesen. Das SG habe diesbezüglich zu Unrecht über wesentliche Teile des Streitgegenstandes in der Sache nicht entschieden.

Im Rahmen des zurückverwiesenen Verfahrens hat das SG die Bundesagentur für Arbeit beigeladen. Im Hinblick auf die Aufgabenübertragung des Forderungseinzuges hat der Beklagte einen Auszug aus dem Protokoll der Trägerversammlung vom 07.11.2014 vorgelegt, wonach vom Geschäftsführer ua die Wahl der eingekauften Dienstleistungen erklärt worden seien. Weiter seien Zahlen zum Gesamtbudget im Verwaltungsbudget dargestellt worden. Die Mitglieder der Trägerversammlung hätten nach Vorstellung und Kenntnisnahme eine Genehmigung erteilt. In einer Ergänzung ist festgehalten, dass "die Dienstleistung O. 9 (s. beigefügte Beschreibung) ( ...) Bestandteil der eingekauften Dienstleistungen" sei. Nach der Beschreibung des Forderungseinzuges gehört zu den Aufgaben der Beigeladenen ua die Entscheidung über den (Teil-)Erlass einer Forderung und die Entscheidung über Niederschlagungen. Die Beigeladene hat ausgeführt, es handele sich bei der Niederschlagung um eine interne Verwaltungsmaßnahme ohne Außenwirkung. Ein entsprechender Antrag werde daher als Antrag auf Erlass gewertet. Ein Erlass sei beim Kläger wegen dem vorhandenen Vermögen nicht möglich. Dem hat der Kläger erwidert, die Forderung sei zu erlassen. Vermögen sei nie vorhanden gewesen.

Der Kläger hat im Erörterungstermin des SG vom 25.09.2015 sein Klagebegehren im Hinblick auf die 1.440 EUR "Landratskosten" für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte sich zur Erteilung eines Bescheides hierüber bereit erklärt hatte. Die Gewährung von entsprechenden Leistungen hat der Beklagte dann mit Bescheid vom 16.11.2015 abgelehnt. Das SG hat im Erörterungstermin vom 26.02.2016 darauf hingewiesen, dass dieser Bescheid nicht Gegenstand des Verfahrens geworden sei, sondern gesondert angefochten werden müsse. Der Kläger hat sein Begehren bezüglich der Übernahme von 219 EUR für eine Kostenrechnung des Landgerichts für erledigt erklärt. Zuletzt hat er schließlich die Verurteilung des Beigeladenen zur Entscheidung über den Widerspruch vom 28.01.2014 gegen den Bescheid vom 14.01.2014 auf Erlass der Forderung und die Verurteilung des Beklagten zur Übernahme der Kosten der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.10.2010 (gemeint wohl 31.12.2010) sowie die Meldung der Rentenversicherung beantragt.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.04.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei im Hinblick auf Meldung in der Kranken- und Pflegeversicherung unzulässig. Die Voraussetzungen einer entsprechenden Pflichtversicherung ergäben sich aus dem Gesetz. Insofern begehre der Kläger kein der Verfügungsmacht des Beklagten obliegendes Verwaltungshandeln, sondern die Abänderung einer sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtsfolge. Anknüpfungspunkt sei der Alg II-Bezug, der jedoch nur darlehensweise erfolgt sei. Die den vom Beklagten gewährten Darlehen für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung zugrundeliegenden Bewilligungsbescheide seien rechtskräftig. Auch eine Meldung zur Rentenversicherung durch den Beklagten sei nicht möglich. Da diesbezüglich ebenfalls die Abänderung einer sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtsfolge begehrt werde, sei die Klage unzulässig. Während des darlehensweisen Bezugs von Alg II bestehe keine Rentenversicherungspflicht. Eine Umwandlung der darlehensweisen Leistungen in einen Zuschuss für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 komme im Hinblick auf die bereits bestehende Rechtskraft der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der darlehensweisen Leistungsbewilligung nicht in Betracht. Schließlich sei auch die Klage wegen Untätigkeit hinsichtlich des Widerspruchs bzgl des Erlasses der Forderung aus dem Bescheid vom 05.07.2012 unzulässig. Zwar habe der Beklagte den Forderungseinzug einschließlich der Entscheidung über den Erlass der Forderungen an die Beigeladene übertragen, so dass diese zuständig wäre. Jedoch könne aus dem Scheiben vom 28.01.2014 nicht entnommen werden, dass ein eindeutiger Wille zur Widerspruchseinlegung bestanden habe. Der Kläger sei im Hinblick auf verfahrensrechtliche Vorgänge erfahren und besitze eine gewisse Sachkunde. Er bringe zum Ausdruck, dass er sich direkt an das Gericht wenden wolle und keine weitere Überprüfung durch Verwaltungsbehörden anstrebe. Eine Untätigkeit der Beigeladenen liege daher nicht vor. Der Bescheid vom 14.01.2014 sei folglich rechtskräftig geworden. Auch ein materieller Anspruch auf Erlass der Forderung bestehe nicht. Eine falsche Vermögensbewertung sei nicht vorgenommen worden.

Dagegen hat der Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. "Alle Punkte" seien an das SG zurückverwiesen, keiner aber gelöst worden. Sein Vermögen habe man falsch bewertet.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 21.04.2016 aufzuheben und die Beigeladene zu verurteilen, über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.01.2014 zu entscheiden sowie den Beklagten zu verpflichten, Beiträge für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 zu leisten bzw entsprechende Zeiten zu melden und "Landratskosten" iHv 1.440 EUR für den Zeitraum 2009/2010 zu zahlen sowie "Kosten für das Landgericht S." zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Mit einer Klageerweiterung bzgl der "Landratskosten" und der "Kosten für das Landgericht" bestehe kein Einverständnis.

Der Beigeladene hat erklärt, er stelle keinen Antrag.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und der Beigeladenen sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und teilweise begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht die Klage hinsichtlich der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung (Meldung bzw zuschussweise Übernahme von Beiträgen) für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 abgewiesen. Soweit sich die Berufung gegen die Abweisung der Untätigkeitsklage in Bezug auf den Widerspruch gegen den Bescheid der Beigeladenen vom 14.01.2014 richtet, ist die Berufung begründet. Die Beigeladene ist zur Entscheidung über den vom Kläger dagegen erhobenen Widerspruch zu verurteilen.

Nach den vom SG durchgeführten Erörterungsterminen ist Streitgegenstand zuletzt noch die Untätigkeit der Beigeladenen hinsichtlich einer Entscheidung über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.01.2014 sowie eine Verpflichtung des Beklagten in Bezug auf die (zuschussweise) Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 bzw eine Meldung entsprechender Zeiten. Soweit der Kläger ursprünglich noch 1.440 EUR "Landratskosten" und 219 EUR für eine Kostenrechnung des Landgerichts vom Beklagten begehrt hat, hat er diese Klageteile wirksam in den Erörterungsterminen beim SG für erledigt erklärt. Soweit der Kläger zuletzt darauf verwiesen hat, alle seinerzeit zurückverwiesenen Begehren seien ungeklärt, könnte es sich um eine Klageänderung im Sinne von § 99 SGG handeln, mit der die letzten beiden Punkte ("Landratskosten" und Kostenrechnung Landgericht) erneut geltend gemacht werden. Eine solche Klageänderung ist aber nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält (§ 99 Abs 1 SGG). Beides ist vorliegend nicht der Fall. Der Beklagte hat vorliegend der Klageänderung widersprochen. Eine Sachdienlichkeit ist ebenfalls nicht anzunehmen, da die beiden Begehren mit den übrigen Streitgegenständen nicht in engerem Zusammenhang stehen.

Der Beigeladene ist zu verurteilen, über den Widerspruch des Klägers im Schreiben vom 28.01.2014 gegen den Bescheid vom 14.01.2014 zu entscheiden.

Nach § 88 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 1 SGG ist eine Untätigkeitsklage zulässig, wenn seit der Einlegung eines Widerspruchs gegen einen Bescheid drei Monate vergangen sind. Sie ist begründet, wenn der Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist. Die Beigeladene hat mit Bescheid vom 14.01.2014 den Antrag des Klägers auf Erlass der Forderung abgelehnt. Das Schreiben des Klägers vom 28.01.2014 - bei der Beigeladenen am 03.02.2014 eingegangen - stellt einen Widerspruch dagegen dar. Ob ein Widerspruch eingelegt wird, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei der Rechtsbehelf nicht unbedingt als Widerspruch bezeichnet sein muss (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 83 Rn 2). Unter Berücksichtigung des Inhalts und des Betreffs ergibt die Auslegung, dass es sich bei dem Schreiben vom 28.01.2014 zweifelsfrei um einen Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.01.2014 gehandelt hat. Der Kläger bezieht sich in der Betreffzeile ausdrücklich auf den genannten Bescheid und seine Anträge auf Forderungserlass. Er bringt seine gegensätzliche Meinung zum Ausdruck, da er ausführt, er bestehe weiterhin auf dem Erlass. Damit wird deutlich, dass er den Bescheid vom 14.01.2014 nicht hinnehmen und einen Rechtsbehelf dagegen einlegen möchte. Dass er nicht ausdrücklich das Wort "Widerspruch" gebraucht hat, ist unschädlich. Unerheblich sind seine Verweise darauf, es handele sich um das letzte Schreiben an die Beigeladene und alles gehe an das Gericht. Zum einen bedurfte es für das Widerspruchsverfahren keines weiteren Schreibens an die Beigeladene, zum anderen ist das Hinwenden an die Gerichte ebenfalls unschädlich. Für einen Widerspruch bedarf es weder einer Begründung noch eines Antrages (Leitherer aaO § 84 Rn 2). Auch wenn der Kläger bereits eine Vielzahl von Gerichts- und Widerspruchsverfahren bestritten hat, ist nicht erkennbar, dass er hinreichende Kenntnisse oder Sachkunde über das Verfahrensrecht hätte. Dies zeigt sich auch daran, dass oftmals nur schwer zu ermitteln ist, was das tatsächliche, rechtlich zutreffend einzuordnende Begehren des Klägers ist.

Da die Beigeladene bis heute nicht über den Widerspruch entschieden hat - insofern kann auch die Stellungnahme im Klageverfahren mangels erkennbarer Absicht der Beigeladenen damit über den Widerspruch des Klägers entscheiden zu wollen, nicht als Widerspruchsentscheidung angesehen werden -, mehr als drei Jahre seit dessen Eingang vergangen sind und ein wichtiger Grund für die Verzögerung nicht erkennbar oder vorgetragen ist, ist die Untätigkeitsklage zulässig und begründet. Die Beigeladene war zur Entscheidung über den Widerspruch zu verurteilen. Dabei wird sie auch ihre Zuständigkeit für den Erlass des Bescheides vom 14.01.2014 überprüfen müssen. Die Aufgabenübertragung bezüglich der Prüfung und Entscheidung über einen Erlass der Forderung dürfte sich nicht auf die Trägerversammlung vom 07.11.2014 stützen lassen, da diese zeitlich erst nachgelagert erfolgte und unklar ist, ob die Versammlung nur dem Bericht des Geschäftsführers über die Budgetzahlen zugestimmt hat oder die Aufgabenübertragung - nachträglich - als solche genehmigt worden ist.

Soweit der Kläger die (zuschussweise) Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 bzw eine Meldung entsprechender Zeiten begehrt, ist die Berufung unbegründet.

Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestand in der Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 aufgrund der lediglich darlehensweisen Leistungsbewilligung (Bescheid vom 18.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2009, Bescheid vom 04.06.2009 idF des Änderungsbescheides vom 17.07.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009, Bescheid vom 07.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2010 und Bescheid vom 14.06.2010 idG des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011) nicht. Nach § 5 Abs 1 Nr 2a HS 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sind Personen in der Zeit, für die sie Alg II nach dem SGB II beziehen versicherungspflichtig, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird. Für die gesetzliche Pflegeversicherung scheidet eine Versicherungspflicht nach § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 2a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) bei lediglich darlehensweisem Bezug von Alg II ebenfalls aus. Da die Bewilligung als Darlehen in den genannten Bescheiden auch rechtskräftig ist - die dagegen gerichteten Klagen hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2011 abgewiesen (S 9 AS 195/09), der Senat hat die Berufung mit Urteil vom 02.02.2012 (L 11 AS 162/11) zurückgewiesen und die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht (Beschluss vom 10.05.2012 - B 4 AS 64/12 B) war ohne Erfolg - kann insofern keine Versicherungspflicht begründet werden. Beiträge zur Krankenversicherung waren vom Bund daher nach § 251 Abs 4 SGB V (bzw iVm § 59 Abs 1 Satz 1 SGB XI für die gesetzliche Pflegeversicherung) für diese Zeit nicht zu tragen. Der Beklagte hat mit Bescheiden vom 15.05.2009, 05.06.2009, 17.03.2010 und 14.06.2010 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2010) für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 auch Darlehen für die freiwilligen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt. Ein Anspruch auf Gewährung der Leistungen als Zuschuss bestand damit nicht.

Zu Recht erfolgte auch keine Zahlung von Beiträgen oder eine Meldung zur Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010. Nach § 3 Satz 1 Nr 3a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) waren in dieser Zeit zwar Bezieher von Alg II in der Rentenversicherung versicherungspflichtig. Dies galt jedoch nicht, wenn die Leistungen - wie vorliegend - nur darlehensweise gewährt wurden (§ 3 Satz 1 Nr 3a Buchst a SGB VI). Die darlehensweise Gewährung für den genannten Zeitraum ist rechtskräftig (siehe oben).

Die Berufung war nach alledem in Bezug auf die (zuschussweise) Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 bzw eine Meldung entsprechender Zeiten unbegründet und daher zurückzuweisen. Hinsichtlich der Verpflichtung der Beigeladenen zur Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.01.2014 war die Berufung begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved