S 34 KR 1067/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
34
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 34 KR 1067/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 188/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 14.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.12.2014 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin hautstraffende Operationen im Bereich des Bauchs, der Oberarme, der Oberschenkel und der Brust als Sachleistung zu gewähren.

3. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt hautstraffende Operationen im Bereich des Bauchs, der Oberarme, der Oberschenkel und der Brust nach den Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).

Die 1962 geborene Klägerin nahm in Folge einer Schlauchmagenoperation ca. 70 kg ab. Am 07.04.2014 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme hautstraffende Operationen im Bereich des Bauchs, der Oberarme, der Oberschenkel sowie der Brust. Durch die überschüssige Haut komme es zu rezidivierenden Entzündungen.

Am 16.04.2014 teilte die Beklagte mit, dass eine Begutachtung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen (MDK) notwendig sei. Der MDK führte in seinem Gutachten vom 29.04.2014 aus, dass bei der körperlichen Untersuchung keine Funktionsstörungen oder Bewegungseinschränkungen, Hautirritationen oder Entzündungserscheinungen gesehen worden seien.

Mit Bescheid vom 14.05.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Es liege keine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Es bestehe deshalb keine medizinische Notwendigkeit zur Durchführung der Operation.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass sich in den Hautfalten immer wieder nässende Stellen und Ekzeme bilden würden. Zudem sei sie im Alltag und beim Sport stark eingeschränkt, die Hautüberschüsse würden ihr Schmerzen verursachen. Zur Begründung ihres Widerspruchs reichte die Klägerin ein ärztliches Attest von Dr. D. vom 03.06.2014 ein, der die Operationen befürwortete.

Daraufhin erstattete der MDK am 16.07.2014 nochmals ein Gutachten. Die Hautfalten seien nicht funktionell beeinträchtigend oder entstellend. Die Operationen könnten daher weiterhin nicht übernommen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie stützt ihre Entscheidung auf die eingeholten Gutachten. Es ständen ästhetische Gründe für die Operationen im Vordergrund.

Hiergegen richtet sich die erhobene Klage. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Leistungen gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt gelten, da die Beklagte nicht innerhalb der Fünf-Wochen-Frist entschieden habe.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 14.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.12.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin hautstraffende Operationen im Bereich des Bauchs, der Oberarme, der Oberschenkel und der Brust als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass von der Genehmigungsfiktion nur Leistungen umfasst seien, die medizinisch notwendig seien. Des Weiteren sei die Genehmigungsfiktion nur auf Kostenerstattungen anwendbar, auf Sachleistungen dagegen nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen Gericht erhoben worden (§§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 14.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.12.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Es ist die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten, da die Beklagte nicht innerhalb von fünf Wochen über den Antrag der Klägerin entschieden hat.

Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über den Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachterlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6).

Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind im Hinblick auf die Überschreitung der Fünf-Wochen-Frist, die die Beklagte zwischen Antragseingang und Entscheidung einzuhalten gehabt hätte, erfüllt. Die Beklagte beschied den Antrag der Klägerin nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von fünf Wochen, ohne der Klägerin hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen. Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 07.04.2014 hinreichend bestimmt die hautstraffenden Operationen. Die Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V begann vorliegend am 08.04.2014 und endete am 13.05.2014. Der Bescheid vom 14.05.2014 wurde somit nach Ende der Fünf-Wochen-Frist erlassen. Die Beklagte hat der Klägerin auch keine Gründe mitgeteilt, weshalb die Frist nicht eingehalten werden konnte.

Nach Ansicht der Kammer sind auch die Voraussetzungen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.03.2016 (B 1 KR 25/15 R) erfüllt. Die begehrte Leistung der Klägerin ist fiktionsfähig. Nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) ist eine Leistung fiktionsfähig, wenn die Klägerin diese Leistung für erforderlich halten durfte und diese nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liege. Die Gesetzesregelung ordne diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirke eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegen würden. Einerseits solle die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits solle sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des gesetzlichen Leistungskatalogs überwinde, die jedem Versicherten klar sein müsse (vgl. BSG, a.a.O. – juris Rn. 25-26).

Die beantragten Hautstraffungen als stationäre Krankenhausbehandlung unterfallen nach ihrer Art dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Gegensatz zu ambulanten Leistungen normiert das SGB V keinen Erlaubnisvorbehalt, sondern in § 137c SGB V eine generelle Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt. Untersuchungs- und Behandlungsmethoden für die keine negative Bewertung nach § 137c Abs. 1 SGB V – wie hier – vorliegt, dürfen von den Krankenhäusern zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden. Bei jeder Krankenhausbehandlung muss zuvor geprüft werden, ob die Behandlung medizinisch indiziert und notwendig ist. Eine Einzelfallprüfung entfällt jedoch bei den Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V, so dass es hier nicht auf die medizinische Notwendigkeit bei der Klägerin ankommen kann (vgl. BSG, a.a.O. – juris Rn. 32). Dass eine stationäre Hautstraffungsoperation keinesfalls eine medizinische Behandlung darstellen kann, kann nicht angenommen werden, so dass sie auch nicht offensichtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist (so auch SG Köln, Urteil vom 05.07.2016 – S 34 KR 717/14 – juris Rn. 42).

Der Einwand der Beklagten, dass die Genehmigungsfiktion nur auf Kostenerstattungsverfahren anwendbar sei, greift nach Ansicht der Kammer nicht durch. So führt das BSG in der obengenannten Rechtsprechung aus, dass die Genehmigungsfiktion nicht nur einen Kostenerstattungsanspruch, sondern auch den Sachleistungsanspruch umfasse. Dieser ermögliche auch dem mittellosen Versicherten, der nicht in der Lage sei, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, seinen Anspruch zu realisieren (vgl. BSG, a.a.O. – juris Rn. 25). Dieser überzeugenden Argumentation schließt sich die Kammer an, so dass die Genehmigungsfiktion auch auf Sachleistungen anwendbar ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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