S 5 RJ 166/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 5 RJ 166/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 RJ 128/03
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2002 verurteilt, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 16.06.2000 unter Einbeziehung des Bescheides vom 25.02.2003 die Regelaltersrente des Klägers unter Berücksichtigung einer für den Rangstellenwert aus beitragsfreien Zeiten maßgeblichen Gesamtzeitraums, der am 31.03.1993 endet, neu zu bescheiden. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Regelaltersrente des Klägers neu zu berechnen. Streitig ist die Dauer des für die Gesamtleistungsbewertung zu Grunde zu legenden belegungsfähigen Gesamtzeitraums.

Der am 00.00.1928 in M/Polen geborene Kläger ist jüdischer Abstammung und Verfolgter im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz. Er lebt seit 1946 in Israel und besitzt die israelische Staatsbürgerschaft.

Auf seinen Antrag vom 19.08.1998 gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 16.06.2000 Regelaltersrente ab dem 01.08.2000. Den belegungsfähigen Gesamtzeitraum bestimmte sie vom 01.04.1945 bis zum 31.07.1998. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 18.12.2001 ging bei der Beklagten ein Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 16.06.2001 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch -Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz- (SGB X) ein. Der Kläger trug vor, die beitragsfreien Zeiten seien fehlerhaft bewertet worden. Der belegungsfähige Zeitraum sei überdehnt. Es wird auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.07.2001 - B 4 RA 45/99 R - Bezug genommen. Der belegungsfähige Gesamtzeitraum, der bei der Berechnung der Gesamtleistungsbewertung zu berücksichtigen sei, ende mit Vollendung des 65. Lebensjahres und nicht mit Beginn der Auszahlung der Rentenleistung.

Mit Bescheid vom 17.07.2002 lehnte die Beklagte die Neuberechnung der Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, Versicherungszeiten könnten auch noch in Zeiten nach dem 65. Lebensjahr vorhanden sein. Das Ende des belegungsfähigen Gesamtzeitraums sei in § 72 Abs. 2 SGB VI mit dem Kalendermonat vor Beginn der Altersrente bestimmt. Der Rentenbeginn sei in § 99 SGB VI und § 30 FRG geregelt. Eine Unterscheidung zwischen Fälligkeit des ersten Einzelanspruchs aus dem Stammrecht auf Rente und dem Zahlungsbeginn träfen diese Vorschriften nicht. Entscheidend sei somit allein der tatsächliche Rentenbeginn mit allen sich im Rahmen des SBV VI daraus ergebenden Folgen. Dies folge aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschriften, der nicht auslegungsfähig sei.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 23.08.2002 Widerspruch ein. § 99 SGB VI sei lediglich ein "verwaltungstechnischer Zahlungsbeginn". Dem stünde die theoretische Möglichkeit von Beiträgen nach dem Vollendung des 65. Lebensjahres nicht entgegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 14.11.2002 erhobene Klage.

Der Kläger macht weiter geltend, der belegungsfähige Gesamtzeitraum sei bei der Rentenberechnung überdehnt worden. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vertritt der Kläger die Auffassung, die Beklagte habe bei der Berechnung den Zeitraum für die Bewertung der beitragslosen Zeit rechtsfehlerhaft bis zum Vormonat des Rentenbeginns berücksichtigt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2002 zu verurteilen, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 16.06.2002 unter Einbeziehung des Bescheides vom 25.02.2003 seine Regelaltersrente unter Berücksichtigung eines für den Rangstellenwert aus beitragsfreien Zeiten maßgeblichen Gesamtzeitraums, der am 31.03.1993 endet, neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Verwaltungsentscheidung nach wie vor für rechtmäßig. Sie hält den Gesetzeswortlaut für eindeutig. Danach erstrecke sich der belegungsfähige Gesamtzeitraum bis zum Monat vor der erstmaligen Rentenzahlung. Den gegenteiligen Ausführungen des BSG könne keine Folge geleistet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, vollinhaltlich verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger wird durch den angefochtenen Verwaltungsakt der Beklagten vom 17.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2002 in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, weil diese Bescheide rechtswidrig sind.

Zu Unrecht hat die Beklagte abgelehnt, den Bescheid vom 16.06.2002 unter Einbeziehung des Bescheides vom 25.02.2003 zurückzunehmen und die Rente des Klägers neu zu berechnen.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit sich im einzelnen Fall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend zur Überzeugung der Kammer erfüllt. Durch den Bescheid vom 16.06.2000 unter Einbeziehung des Bescheides vom 25.02.2003 ist das Recht unrichtig angewandt worden. Der belegbare Gesamtzeitraum gemäß §§ 71 bis 73 SGB VI ist seitens der Beklagten unzulässig bis zum Kalendermonat vor Rentenbeginn (Juli 1998) verlängert worden. Die Zeit vom 01.04.1993 bis zum 31.07.1998 ist zu Unrecht in dem belegungsfähigen Zeitraum einbezogen worden. Dieser Zeitraum lag nach dem Beginn der zu berechnenden Rente am 01.04.1993. Gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI endet der belegungsfähige Gesamtzeitraum mit dem Kalendermonat vor Beginn der zu berechnenden Rente. Rentenbeginn im Sinne dieser Vorschrift ist der Zeitpunkt, zu dem der Rechtsinhaber zum ersten Mal vom Rentenversicherungsträger verlangen kann, die Rente als eine jetzt zu erbringende Leistung zu zahlen. Dies bestimmt sich nach der Fälligkeit des ersten Einzelanspruchs aus dem Stammrecht auf Rente. Die Kammer folgt nach eigener Prüfung den Ausführungen des BSG im Urteil vom 24.07.2001 - B 4 RA 45/99 R -. Das Urteil ist den Beteiligten bekannt. Zur weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils verwiesen.

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte derjenige, der die Rente nach Vollendung des 65. Lebensjahres erst in Anspruch nimmt grundsätzlich durch einen höheren Zugangsfaktor privilegiert werden. Dieser gesetzgeberischen Intention wird jedoch nicht entsprochen, wenn der Rentenzahlbetrag immer weiter sinkt, je länger ein Versicherter über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus die Rente nicht in Anspruch nimmt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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