L 10 AL 159/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AL 91/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 159/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.02.2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) vom 10.01.2000 bis 30.09.2000 sowie die Rückforderung überzahlter Leistungen für die Zeit vom 10.01.2000 bis 30.04.2000 in Höhe von 6.842,08 DM sowie der geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 2.050,04 DM.

Der 1964 geborene Kläger war im Wesentlichen seit 02.01.1997 nach einer Tätigkeit als Dachdecker arbeitslos gemeldet und bezog - unterbrochen u.a. durch Krankheit und Sperrzeit - Arbeitslosengeld (Alg) bzw. ab 12.09.1998 Alhi (zuletzt Bescheid vom 08.12.1999). Ab 01.10.2000 meldete er sich bei der Beklagten ab.

In seiner Erklärung vom 28.01.1997 gab er an, eine selbstständige Tätigkeit (Betrieb einer Imbissbude/Pizzeria) 12 Stunden wöchentlich auszuüben (u.a. Einkauf, Buchführung). In seinem Antrag auf Alhi vom 11.07.1998 verneinte er die Frage nach einer selbstständigen Tätigkeit von mindestens 15 Stunden. Seine Ehefrau teilte am 11.07.1998 mit, keinerlei Einkünfte zu erzielen.

Am 05.03.2000 erklärte der Kläger, seit 10.01.2000 in der Regel 15 Stunden wöchentlich in der Pizzeria tätig zu sein. Auf die Anhörung vom 23.05.2000 hin korrigierte er diese Angabe: Seit 1999 betreibe eigentlich seine Ehefrau den Imbiss, der höchstens 39 Stunden wöchentlich geöffnet habe. Er helfe in der Regel abends von 19 bis 21 Uhr an sechs Tagen in der Woche (insgesamt 12 Wochenstunden) aus.

Auf Grund eines Einzelprüfungsauftrages vom 03.07.2000 stellte die Beklagte fest (Bericht vom 26.10.2000), der Kläger sei bei mehrmaligen Observationen jeweils allein im Imbiss anwesend gewesen und habe alle anfallenden Aufgaben erledigt. Die Pizzeria sei auf ihn angemeldet. Seit 1999 seien keine weiteren Arbeitnehmer (mehr) beschäftigt worden.

Mit Bescheid vom 23.05.2000 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi mit Wirkung zum 10.01.2000 auf. Der Kläger habe sich aus dem Leistungsbezug abgemeldet.

Den Widerspruch hiergegen begründete der Kläger damit, er habe sich nicht aus dem Leistungsbezug abgemeldet und habe alle erforderlichen Angaben zutreffend gemacht. Insbesondere liege eine wesentliche Änderung nicht vor. Die erhaltenen Leistungen habe er verbraucht und im Übrigen habe er im April 2000 an einer vierwöchigen Maßnahme des Arbeitsamtes teilgenommen. Die in der Speisekarte angegebenen Öffnungszeiten träfen nicht zu. Die Erklärung vom 05.03.2000 habe er lediglich unterschrieben, nicht aber gelesen. Ausgefüllt habe sie sein Bruder.

Mit zum Gegenstand des Verfahrens erklärtem Bescheid vom 27.03.2001 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi ab 10.01.2000 mit anderer Begründung ganz auf und forderte die Erstattung der geleisteten Überzahlung. Der Kläger sei nicht arbeitslos, denn er habe ab 10.01.2000 15 Stunden wöchentlich bei einer Öffnungszeit der Pizzeria von 52,5 Stunden gearbeitet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2001 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die beiden Bescheide zurück. Der Imbiss habe 39 Stunden wöchentlich geöffnet und es seien Vor- und Nachbereitungsarbeiten erforderlich. Er habe selbst erklärt, 15 Stunden wöchentlich dort tätig zu sein, so dass Arbeitslosigkeit nicht mehr vorliege. Der Kläger habe es unterlassen, diese wesentliche Änderung der Beklagten rechtzeitig mitzuteilen.

Die dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage hat der Kläger damit begründet, er habe auch ab 10.01.2000 nicht mehr als 12 Stunden wöchentlich in der Pizzeria gearbeitet. Buchführung, Reinigung und Einkaufen seien kein großer Aufwand gewesen. Letzteres sei zusammen mit privaten Einkäufen erfolgt. Der Imbiss sei hauptsächlich von seiner Ehefrau geführt worden. Er habe im März 2000 an einer Umschulungsmaßnahme (7.30 bis 16.30 Uhr) teilgenommen. Die Stundenzahlen der Erklärung vom 05.03.2000 habe sein Bruder eingetragen.

Die vom SG vernommene Ehefrau des Klägers hat angegeben, hauptsächlich den Imbiss (zusammen mit Aushilfen) betrieben zu haben. Ihr Ehemann sei oft unterwegs gewesen. An dessen Tätigkeitszeiten könne sie sich ebensowenig erinnern wie an die Öffnungszeiten der Pizzeria.

Das SG hat mit Urteil vom 26.02.2002 die Bescheide vom 23.05.2000 und 27.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2001 dahingehend abgeändert, dass die Aufhebung der Leistungsbewilligung nur wegen Anrechnung des vom Kläger im Zeitraum ab 10.01.2000 erzielten Nebeneinkommens erfolgen dürfe. Der Kläger sei weiterhin arbeitslos. Eine wesentliche Änderung, die für eine Aufhebung erforderlich sei, sei nicht nachweisbar eingetreten. Die objektive Beweislast hierfür trage die Beklagte. Trotz der umfangreichen Öffnungszeiten der Pizzeria lägen Indizien dafür vor, dass sich ab 10.01.2000 an den Verhältnissen nichts geändert habe. Bis zu diesem Zeitpunkt gehe die Beklagte von einer Nebentätigkeit im Umfang von 12 Stunden pro Woche aus. Die meiste Zeit sei die Ehefrau des Klägers in der Pizzeria anwesend gewesen, zumal der Kläger auch an einer von der Beklagten veranlassten ganztägigen Fortbildungsveranstaltung teilgenommen habe. Die von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen beträfen den streitigen Zeitraum nicht.

Die Beklagte hat hiergegen Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Aus den Öffnungszeiten der Pizzeria sowie den Angaben in der Erklärung von 05.03.2000 (Beweis des ersten Anscheins) ergebe sich, dass der Kläger ab 10.01.2000 nicht mehr arbeitslos gewesen sei. Seine Ehefrau sei nicht als Aushilfe oder Angestellte geführt worden. Mangels anderweitiger Aushilfen mussten wegen des angebotenen Lieferservices zumindest in den Abendstunden (17 bis 22 Uhr) zwei Personen im Imbissstand anwesend sein, so dass allein hierdurch eine Tätigkeit von 15 Stunden und mehr wöchentlich anzunehmen sei. Hinzu komme der Zeitaufwand für die Buchführung und den Einkauf. Bei ihrer eigenen Arbeitssuchendmeldung habe die Ehefrau keine Angaben zu einer Tätigkeit im Imbiss gemacht, vielmehr habe sie ab 13.06.2000 eine anderweitige Vollzeittätigkeit ausgeübt (37,5 Stunden/wöchentlich). Eventuell sei an eine Beweislastumkehr zu denken. Die der Beklagten obliegende Beweislast habe diese durch die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung erfüllt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.02.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Ausführungen des SG für zutreffend. Die wöchentliche Öffnungszeit des Imbisses werde ebenso bestritten wie die Notwendigkeit der Anwesenheit zweier Personen im Rahmen der Pizzaauslieferung.

Der Senat hat die Ehefrau des Klägers als Zeugin uneidlich vernommen. Auf deren Aussage wird zur Ergänzung des Tatbestandes ebenso Bezug genommen wie auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig und auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts vom 26.02.2002 ist aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide vom 23.05.2000 und 27.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2001 ist abzuweisen. Der Kläger hat für die Zeit ab 10.01.2000 bis zu seiner Abmeldung (01.10.2000) keinen Anspruch auf Alhi und die Beklagte kann die für die Zeit vom 10.01.2000 bis 30.04.2000 überzahlten Leistungen zurückfordern. Die Bescheide sind rechtmäßig und der Kläger wird hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 08.12.1999 stellt § 48 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar. Hiernach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X).

Bei der Bewilligung von Alhi mit Bescheid vom 08.12.1999 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Die Verhältnisse, die diesem Verwaltungsakt zugrunde gelegen haben, haben sich durch die Angabe des Klägers zur wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden wesentlich geändert. Für die vorangegangene Zeit hatte er lediglich eine Tätigkeit von 12 Stunden wöchentlich angegeben und diese Angabe war von der Beklagten den entsprechenden Bewilligungsbescheiden auch zugrunde gelegt worden. Ab 10.01.2000 ist er nicht mehr beschäftigungslos und hat somit keinen Anspruch auf Leistungen der Beklagten.

Anspruch auf Alhi haben gem. § 190 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Arbeitnehmer, die arbeitslos sind. Auf die Alhi sind die Vorschriften über das Alg insbesondere hinsichtlich der Arbeitslosigkeit entsprechend anzuwenden (§ 198 Satz 2 Nr 1 SGB III). Hiernach ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit, § 118 Abs 1 Nr 1 SGB III). Die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (§ 118 Abs 2 Satz 1 SGB III).

Ab 10.01.2000 war der Kläger nicht mehr beschäftigungslos. Er hat in der von ihm eigenhändig unterschriebenen Erklärung vom 05.03.2000 angegeben, ab 10.01.2000 15 Stunden wöchentlich in der Pizzeria gearbeitet zu haben und zu arbeiten (einschl. evtl. Vor- und Nacharbeiten). Diese Stundenzahl hat der Kläger als dauerhaft angegeben, von einer vorübergehenden Überschreitung kann somit nicht gesprochen werden. Dahingestellt bleiben kann, ob diese Tätigkeitsdauer evtl. auch vor dem 10.01.2000 vorgelegen hat und somit der Anspruch auf Alhi bereits zu einem früheren Zeitpunkt entfallen war. Es ist nämlich unstreitig, dass der Kläger vor dem 10.01.2000 lediglich 12 Stunden pro Woche im Imbiss tätig gewesen ist. Damit kommt dem Kläger auch nicht die Regelung des § 101 Abs 1 Satz 3 AFG in der vom 01.04.1997 bis 31.12.1997 geltenden Fassung bzw. des § 118 Abs 3 Satz 2 SGB III in der ab 01.01.1998 geltenden Fassung zugute. Die genannten Regelungen greifen jedoch nur dann ein, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg mindestens 10 Monate zwischen 15 und 18 Stunden wöchentlich tätig gewesen ist. Dies war nach den eigenen Angaben des Klägers nicht der Fall.

Den Nachweis für den Eintritt dieser wesentlichen Änderung hat die Beklagte zu erbringen (vgl. Brand in: Niesel, SGB III, 2.Aufl, § 117 RdNr 8). Dabei kann sie sich auf die vom Kläger abgegebene Erklärung stützen, zumal sich die Ehefrau des Klägers an die genauen Zeiten der Tätigkeit des Klägers in der Pizzeria (so ihre Auskunft gegenüber dem SG) nicht mehr erinnern kann. Auf die Richtigkeit der vom Befragten - hier vom Kläger - gemachten Angaben muss sich die Beklagte verlassen dürfen, insbesondere wenn es sich um bloße Tatsachenangaben zu einfachen und klaren Sachverhalten handelt, die keine Missverständnisse auftreten lassen können. Es wurde eine klare Frage nach der wöchentlichen Arbeitszeit (einschließlich evtl. Vor- und Nacharbeiten) eindeutig und dem Kläger auf Grund seiner Unterschrift zurechenbar beantwortet. Selbst bei der vom Kläger angegebenen geringeren Öffnungszeit (Samstags geschlossen) und durch eine Teilnahme an einer vom Arbeitsamt geförderten Maßnahme im April 2000 ist zur Überzeugung des Senates noch von diesen Erstangaben des Klägers auszugehen. Dabei ist auch das Warten auf Kundschaft während der Öffnungszeiten als Beschäftigung anzusehen (vgl. LSG Niedersachsen in NZA 1988, 592; BSG, Urteil vom 28.10.1987 - 7 RAr 26/86 - veröffentlicht im Juris).

Nachdem die Beklagte mittels der Erklärung vom 05.03.2000 den Beweis für eine mehr als 15 Stunden wöchentlich dauernde Tätigkeit erbracht hat, liegt es an dem Kläger nachzuweisen, dass diese Angaben nicht zutreffen (Umkehr der Beweislast). Dieser Nachweis gelingt ihm nicht. Der Kläger behauptet lediglich, nur 12 Stunden im Imbiss gearbeitet zu haben. Seine Ehefrau kann hierzu keine verwertbaren Angaben machen. Ihre Angaben vor dem Senat sind so widersprüchlich, dass der Senat diesen nicht zu folgen vermag. So kann sie sich an Öffnungszeiten und Ruhetage sowie an die eigenen Arbeitszeiten nicht mehr genau erinnern. Sie habe aber tagsüber ab und zu und abends regelmäßig bis 22.00 Uhr mitgearbeitet. Ansonsten wäre der Bruder des Klägers anwesend gewesen. Lediglich von der Arbeitszeit des Klägers wisse sie noch Genaues. Dieser habe abends eine Stunde mitgearbeitet, weitere Tätigkeitszeiten des Ehemannes seien ihr allerdings unbekannt. Die Aussage steht der eigenen Angabe des Klägers, regelmäßig sechsmal wöchentlich zwei Stunden abends mitgearbeitet zu haben und ab 1999 keine Aushilfen mehr beschäftigt zu haben, und der Aussage vor dem SG entgegen, sich nicht mehr an die Arbeitszeit des Ehemanns erinnern zu können. Auch kann die kürzere Öffnungszeit des Imbisses, den er schon längere Zeit betreibt und dessen Öffnungszeiten laut Speisekarte vom November 1999 in etwa den Zeiten der Öffnung im Oktober 1997 entsprechen, nicht nachgewiesen werden. Insbesondere ist es nicht erklärlich, dass der Kläger diese von ihm angegebenen Öffnungszeiten (Samstags geschlossen!) in der Speisekarte vom November 1999 nicht berücksichtigt hat, obwohl der Imbiss bereits jahrelang betrieben wird, die erforderlichen Öffnungszeiten im November 1999 abschätzbar waren und eine anderweitige Änderung der Speisekarte erfolgt ist. Ebensowenig nachvollziehbar ist die vom Kläger angegebene Organisation eines Auslieferungsservice mit nur einer tätigen Person. Die Zeugin konnte dies nicht bestätigen. Zum Ausliefern seien jeweils Bekannte und Verwandte herangezogen worden. Selbst während der Maßnahme im April 2000 war eine entsprechende Tätigkeit des Klägers am Abend im Imbiss nicht ausgeschlossen. Hinzu kommen noch die erforderlichen Reinigungstätigkeiten sowie der Einkauf, den der Kläger zusammen mit anderen (privaten) Einkäufen erledigt haben will. Auch diese, beiden Lebensbereichen zuzuordnenden Einkäufe dienen dem Betrieb der Pizzeria und zählen zur Arbeitszeit. Somit ist es für den Senat nicht nachgewiesen, dass die Erklärung vom 05.03.2000 unzutreffend ist.

Vorliegend hat der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht gewusst, dass sein Anspruch auf Alg mit einer 15 Wochenstunden umfassenden selbstständigen Tätigkeit kraft Gesetzes weggefallen ist. In dem, dem Kläger ausgehändigten Merkblatt (Stand April 1999), dessen Erhalt und Kenntnisnahme er in seinem Antrag vom 05.10.1999 unterschriftlich bestätigt hat, ist klar und deutlich auf Seite 18 ff ausgeführt: "Sie müssen für den Bezug von Alg oder Alhi arbeitslos sein. Arbeitslos ist, wer vorübergehend in keinem Beschäftigungsverhältnis steht und eine Beschäftigung sucht. Arbeitslos ist auch, wer nur eine weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung oder Tätigkeit als Arbeitnehmer, Selbstständiger oder mithelfender Familienangehöriger ausübt ... Bei Aufnahme jeder Beschäftigung prüft das Arbeitsamt, ob diese Beschäftigung die Arbeitslosigkeit und damit den Anspruch auf Alg entfallen lässt oder ob das hieraus erzielte Entgelt auf das Alg angerechnet wird. Der Anspruch entfällt also, wenn die aufgenommene Beschäftigung 15 Stunden wöchentlich erreicht bzw. übersteigt." Auf Grund dieser eindeutigen Formulierung wusste der Kläger, dass er bei einer selbstständigen Tätigkeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich keinen Anspruch auf Alhi mehr hatte, weil dieser Anspruch ganz weggefallen war. Sollte er das Merkblatt nicht gelesen haben, so hat er dies grob fahrlässig nicht gewusst. Die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand wird im allgemeinen grobe Fahrlässigkeit begründen, wenn dieses Merkblatt - wie vorliegend - so abgefasst war, dass der Begünstigte seinen Inhalt gekannt hat oder ohne weiteres erkennen konnte (vgl. Wiesner in: von Wulffen, SGB X, 4.Aufl, § 45 RdNr 24). So ist es hier. Aus den Hinweisen im Merkblatt ist es für den Kläger, an dessen intellektuellen und sprachlichen Fähigkeiten zur Erfassung der vorliegenden Zusammenhänge (subjektiver Sorgfaltspflichtmaßstab) kein Zweifel besteht, klar und eindeutig erkennbar, dass eine Tätigkeit von 15 Stunden und mehr wöchentlich den Anspruch auf Alhi entfallen lässt. Diese Rechtsfolge ist ihm auf Blatt 19 des Merkblattes ausdrücklich mitgeteilt worden. Der Kläger gibt auch nicht an, dies nicht gewusst oder das Merkblatt nicht verstanden zu haben.

Bei der Aufhebungsentscheidung hat die Beklagte kein Ermessen auszuüben (§ 330 Abs 3 SGB III). Die weiteren Voraussetzungen zur Aufhebung der Bewilligung von Alhi liegen vor. Die Anhörung vom 23.05.2000 erfolgte gleichzeitig mit Erlass des Bescheides vom 23.05.2000 (§ 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X), aber vor Erlass des Bescheides vom 27.03.2001. Die Beklagte hat die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2, § 48 Abs 4 Satz 1 SGB X eingehalten. Mit dem Bescheid vom 27.03.2001, der den Bescheid vom 25.03.2000 geändert hat (§ 86 SGG), hat sie die bewilligte Leistung nach der mit Schreiben vom 23.05.2000 erfolgten Anhörung aufgehoben. Die Jahresfrist beginnt in der Regel frühestens mit der Anhörung des Betroffenen zu laufen (vgl. Steinwedel in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 45 RdNr 27, Stand: Mai 2003 mwN; BSG Urteil vom 25.04.2002 - B 11 AL 69/01 R - veröffentlicht im Juris).

Somit ist die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Alhi ab 10.01.2000 rechtmäßig.

Der Erstattungsanspruch bezüglich der Überzahlung ergibt sich aus § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X. Gegen die Höhe der Erstattungsforderung werden keine Einwände erhoben.

Die Erstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge beruht auf § 335 Abs 1 und 5 SGB III.

Die Berufung der Beklagten hat nach alledem Erfolg, das Urteil des SG ist aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gem. § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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