L 4 KR 6/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 10 KR 75/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 KR 6/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Januar 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Erstattung auf Kosten für eine systemische Krebs- Mehrschritt- Therapie - sKMT - , die der - inzwischen verstorbene - Ehemann der Klägerin in der Zeit von Mai bis August 1998 im V. A. Institut für angewandte medizinische Forschung GmbH in Anspruch genommen hat, streitig.

Die Klägerin ist Sonderrechtsnachfolgerin des im Jahre 1933 geborenen und am 04. Dezember 1998 verstorbenen Herrn M. S. (Versicherter), der Mitglied der Beklagten war.

Der Versicherte litt an einem metastisierenden Kolon-Karzinom mit Leber- und Lungenmetastasen. Am 20. Mai 1998 beantragte der Versicherte bei der Beklagten die Versorgung mit einer sKMT und fügte eine Befürwortung hierfür von den behandelnden Ärztinnen B. und F. vom 03. Juli 1998 bei. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06. Juli 1998 ab und führte zur Begründung aus, weder sei die Von A. Klinik in D. zugelassener Vertragspartner noch sei die sKMT medizinisch und wissenschaftlich anerkannt. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. Oktober 1998 zurück und führte aus, es lägen keine positiven Stellungnahmen des zuständigen Bundesausschusses zu der Therapie vor und auch sonst seien keine Wirksamkeitsnachweise erbracht worden.

Hiergegen hat sich die am 06. November 1998 vor dem Sozialgericht Cottbus erhobene Klage gerichtet, mit der zunächst der Versicherte, dann seine Ehefrau als Sonderrechtsnachfolgerin im Wesentlichen vorgetragen haben, alle anderen Methoden der Schulmedizin seien ausgeschöpft worden, insbesondere schwere Operationen und eine Chemotherapie, ohne dass Erfolge verzeichnet worden seien.

Das Sozialgericht hat dem Vorbringen der Klägerin den Antrag entnommen,

den Bescheid vom 06. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Oktober 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für die Behandlung mit der sKMT in der V. A. Klinik in der Zeit vom Mai bis August 1998 zu übernehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf das Vorbringen in dem Widerspruchsbescheid verwiesen.

Das Sozialgericht hat eine Stellungnahme der V. A. Klinik, Auskünfte des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen - Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung" -, der Deutschen Krebshilfe, der AOK Sachsen, des PD Dr. W. vom V.-Klinikum B., der Deutschen Krebsgesellschaft, des Brandenburgischen Tumorzentrums, der Universitätsklinik H.-E. und der Universitätsklinik L. beigezogen, die zu anderen bei ihm anhängigen Verfahren eingeholt worden waren, den Beteiligten zur Kenntnis gegeben und darauf hingewiesen, dass diese zur sKMT eingeholten Auskünfte auch im vorliegenden Verfahren verwendet werden sollen.

Sodann hat das Sozialgericht mit Urteil vom 13. Januar 2000 - im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behandlung mit der sKMT nicht zu den von den Gesetzlichen Krankenkassen geschuldeten Leistungen gehöre und dass diese nicht in einem zugelassenen Krankenhaus erbracht worden sei.

Gegen dieses der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10. Februar 2000 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 29. Februar 2000.

In der Berufung wird das Vorbringen aus erster Instanz wiederholt und vertieft sowie dargelegt, letztlich gehe es in dem Rechtsstreit um die medizinische Zweckmäßigkeit der sKMT, unabhängig von einer medizinisch-wissenschaftlichen Anerkennung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Januar 2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Oktober 1998 zu verurteilen, die Kosten für die Behandlung des verstorbenen Versicherten M. S.h in der V. A. Klinik in der Zeit vom Mai bis August 1998 zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Sie hat Bezug genommen auf den erstinstanzlichen Vortrag und darauf hingewiesen, dass die Therapie weiterhin nicht zu den zu den von Gesetzlichen Krankenkassen geschuldeten Leistungen gehöre.

Wegen des Inhalts der Stellungnahmen und der weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht den geltend gemachten Anspruch abgelehnt. Sie war nicht verpflichtet, Kosten für die bei dem Versicherten durchgeführte sKMT zu erstatten.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V sind nicht erfüllt. Danach sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (§ 13 Abs. 3 1. Alternative SGB V) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und der Versicherte die Leistung sich danach selbst beschafft hat (§ 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V). Voraussetzung für einen solchen Kostenerstattungsanspruch als Ausnahme des in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V geltenden Sachleistungsprinzips ist, dass die dem Kostenanspruch zugrunde liegende Sachleistung von den gesetzlichen Krankenkassen zu erbringen ist. § 13 Abs. 3 SGB V soll ein Versagen des Beschaffungssystems kompensieren, er normiert keine Ausweitung des Leistungsumfanges.

Die Beklagte war weder zur Gewährung einer sKMT, noch zur Gewährung von Leistungen in der V. A. Klinik in D. als Sachleistung verpflichtet, da dieses kein zugelassenes Krankenhaus war. Die Beklagte hat daher mit den angefochtenen Bescheiden die Leistung vor Leistungserbringung (Bescheid vom 29. Februar 2000) nicht zu Unrecht abgelehnt (§ 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V).

Gemäß §§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf ärztliche Behandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Beklagte hat die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 12 SGB V) zur Verfügung zu stellen, wobei Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB V begründet den Anspruch auf Krankenhausbehandlung, der gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V auf Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus beschränkt ist. Damit ist von Gesetzes wegen die freie Arztwahl (§ 76 SGB V) auf die Wahl unter den zugelassenen Leistungserbringern beschränkt. Zugelassen sind nur Hochschulkliniken, Plankrankenhäuser und Krankenhäuser mit einem Versorgungsvertrag (§ 108 SGB V). Die V. A. Klinik gehörte nicht zu diesen Einrichtungen, schon deshalb war die Erbringung der Krankenhausbehandlung als Sachleistung in dieser Klinik grundsätzlich nicht möglich war.

Ein Kostenübernahme- beziehungsweise ein diesem zugrunde liegender Sachleistungsanspruch könnte nur dann gegeben sein, wenn das V. A. Institut in den Krankenhausplan dem Grunde nach aufzunehmen gewesen wäre (BSG, Urteil vom 19. November 1997, Aktenzeichen 3 RK 6/96, Breithaupt 1999 S. 36 ff.). Dies war nicht der Fall.

Eine Zulassung als Plankrankenhaus nach § 108 SGB V setzt voraus, dass die Klinik die Leistungsfähigkeit im Sinne eines Krankenhauses vorweisen kann, und damit eine Einrichtung darstellt, die der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dient (§ 107 Abs. 1 Ziffer 1), fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung steht, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutischen Möglichkeiten verfügt und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeitet (§ 107 Abs. 1 Ziffer 2 SGB V).

Ein Krankenhaus ist ausnahmsweise auch dann zuzulassen, wenn eine Bedarfslücke besteht. Letzteres setzt voraus, dass ein beschränktes Leistungsangebot hinsichtlich der in der Einrichtung durchgeführten Therapie besteht (BSG, Urteil vom 19. November 1997, Aktenzeichen 3 RK 6/96, a. a. O.). Selbst wenn ein beschränktes Leistungsangebot hinsichtlich der in der V. A. Klinik durchgeführten sKMT bestanden hat, was der Senat unterstellt, weil nach den beigezogenen Unterlagen die sKMT (in Kombination mit einer Chemotherapie) nur in einigen Kliniken im Rahmen von Studien durchgeführt wurde und damit keine Regelversorgung darstellte, bestand kein Bedarf an der Zulassung der Klinik.

Ein solcher Bedarf an der Einrichtung als zugelassenes Plankrankenhaus liegt nämlich dann nicht vor, wenn die in der Einrichtung durchgeführte Therapie nicht zu den Methoden der Krankenhausbehandlung zählt, die die gesetzliche Krankenversicherung dem Versicherten schuldet (BSG, Urteil vom 19. November 1997, Aktenzeichen 3 RK 6/96, a. a. O.). Dies folgt schon daraus, dass gemäß § 107 Abs. 1 Ziffer 2 SGB V in einem zuzulassenden Krankenhaus nach einer wissenschaftlich anerkannten Methode gearbeitet werden muss. Im Februar 2000, als der Versicherte die sKMT in der Klinik in Anspruch genommen hat, war die Methode nicht wissenschaftlich anerkannt und gehörte nicht zum medizinischen Standard, den die Beklagte im Rahmen der Krankenhausbehandlung schuldet.

Dies ergibt sich nicht schon aus § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Verbindung mit den vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V erlassenen Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. § 135 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien konkretisiert als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt den Leistungsumfang der Beklagten im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (BSG, Urteil vom 16. September 1997, MedRecht 1998, 230 bis 239; Urteil vom 23. Juli 1998, Aktenzeichen B 1 KR 3/97 R, SozR 3-2500, § 13 Nr. 7; Urteil vom 22. Juli 1998, Aktenzeichen B 1 KR 16/96 R, SozR 3-2500, § 135 Nr. 7). Eine neue Behandlungsmethode ist danach bis zur Anerkennung durch den Bundesausschuss nicht zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen. Bei der sKMT handelte es sich zwar um eine neue Behandlungsmethode, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, was aus der Stellungnahme des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss ärztliche Behandlung vom 12. November 1998 hervorgeht. § 135 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien nach § 92 SGB V konkretisiert aber nur den Leistungsumfang in der vertragsärztlichen Versorgung. Eine vergleichbare Regelung hat der Gesetzgeber für eine Krankenhausbehandlung in § 137 a SGB V erlassen, Empfehlungen oder Richtlinien lagen jedoch für diesen Bereich nicht vor.

Aus § 107 Abs. 1 Ziffer 2 SGB V ergibt sich aber, dass die Methode dem anerkannten Status der medizinischen Erkenntnisse unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts auch im Rahmen der Krankenhausbehandlung genügen muss (vgl. BSG, Urteil vom 19. November 1997, a. a. O.). Die sKMT, die als Kernbestandteil eine Hyperthermiebehandlung beinhaltet, müsste medizinischer Standard sein, da von der Beklagten nicht die Durchführung eines Heilversuchs geschuldet wird (BSG, Urteil vom 16. September 1997, Aktenzeichen 1 RK 28/95, SozR 3-2500 § 136 Nr. 4). Eine Behandlung gehört dann zum medizinischen Standard, wenn sie auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und ärztlichen Erfahrungen beruht, die sich bewährt hatten und in der medizinischen Gemeinschaft anerkannt sind (Hart in: MedRecht 1998, S. 8 (14)). Der Standard bewertet die Güte der ärztlichen Forschung und Behandlung und soll daher auf der bestmöglichen Evidenz beruhen (Hart, a. a. O., S. 14, 15). Wissenschaftliche Evidenz, ärztliche Erfahrung und professionelle Akzeptanz sind die bestimmenden Elemente des medizinischen Standardbegriffs.

Die sKMT entsprach im Juli 1998 nicht dem anerkannten Stand der Medizin.

Zur Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsprüfung von medizinischen Therapien werden in der medizinischen Wissenschaft unterschiedliche Prüfungen in Form von wissenschaftlichen Studien durchgeführt. Nach einer eine Phase-I-Studie (Verträglichkeitsprüfung an wenigen (10 - 50) gesunden Probanden) und einer Phase-II-Studie (Wirksamkeitsstudie an einer größeren Anzahl (100 - 500) ausgewählter Patienten) schließt sich, wenn sich nach Auswertung der Phase-II-Studie Verbesserungen gegenüber einer Standardtherapie angedeutet haben, eine Phase-III-Studie (Wirksamkeitsprüfung an einer großen Anzahl (bis zu mehreren 1000) Patienten, bei der eine zufällige Patientenauswahl vorgenommen wird) an (vgl. Pschyrembel: Arzneimittelprüfung). Für die Annahme eines medizinischen Standards einer Therapieform ist Voraussetzung, dass nach Auswertung einer die bestmöglich Evidenz ergebenen Phase-III-Studie (sogenannte randomisierte Methode), weil nur bei ihr mit einem zufällig ausgewählten Patientenstamm gearbeitet wird, eine Wirksamkeit bewiesen ist (zur Phase-III-Studie beim Off-Label-Use eines Arzneimittels: BSG, Urteil vom 19. März 2003, Aktenzeichen: B 1 KR 37/00 R, zitiert nach juris).

Für den geltend gemachten Anspruch kommt es auf die Verhältnisse im Juli 1998 an und nicht auf einen möglichen medizinischen Standard zu einem späteren Zeitpunkt, wobei nach der beigezogenen Veröffentlichung der J. Draeger auch im April 2002 keine Auswertung einer Phase-III-Studie zur sKMT vorlag.

Die vorliegenden Unterlagen der V. A. Klinik vermögen nicht den medizinischen Standard der sKMT zum Zeitpunkt der Behandlung des Versicherten belegen, da darin, ohne anerkannte Studienbedingungen oder Ergebnisse aus Phase-III-Studien zu dokumentieren, lediglich auf positive Ergebnisse an Universitätskliniken oder auf weltweite Ergebnisse von Untersuchungen zur sKMT verwiesen wird.

Im August 1999 wurde die sKMT in Phase-I/II-Studien weltweit unter anderem im C. V.-Klinikum in B., im Universitätskrankenhaus E. erprobt. Ebenfalls war im August 1999 geplant, Phase-III-Studien durchzuführen. Therapiestudien der Phasen II/III wurden von US-amerikanischen Arbeitsgruppen durchgeführt sowie in Deutschland im Universitätsklinikum L., im Universitätsklinikum H.-E. und im Klinikum F./M. Im August/September 1999 liefen die Studien noch, die Hyperthermiebehandlung konnte noch nicht abschließend beurteilt werden. Dies geht aus den beigezogenen Stellungnahmen des PD Dr. P. W. vom 20. August 1999 und der Prof. Dr. H.-B. vom 17. September 1999 hervor. Damit befand sich zu diesem Zeitpunkt die Therapieform noch in der Erprobung, die wissenschaftlichen Studien waren zu diesem Zeitpunkt nicht abgeschlossen und ausgewertet. Die Phase-II-Studie an der Universitätsklinik Berlin wurde im April 2002 ausgewertet (Veröffentlichung Draeger).

Die Annahme eines medizinischen Standards erfordert weiter die Akzeptanz der Therapie in der medizinischen Fachwelt. Der medizinische Standard muss sich aus Stellungnahmen der Arbeitsgemeinschaften und Fachgesellschaften und Medizinerkreisen ergeben. Dies war zum fraglichen Zeitpunkt nicht gegeben. Zeitnah zu der von der Verstorbenen in Anspruch genommenen Therapie gehörte diese nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht zum Standard und war nicht in der medizinischen Fachwelt akzeptiert. Ein dafür erforderlicher Konsens in der medizinischen Fachwelt über den Nutzen der Therapieform bestand nach den eingeholten Stellungnahmen nicht, die Beurteilung war vielmehr kontrovers, so dass die therapeutische Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlung nicht belegt war (vgl.: BSG, Urteil vom 19. März 2002, Aktenzeichen B 1 KR 37/00 zum Off-Label-Use).

Nach der Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung", vom 12. November 1998 war die Wirksamkeit sKMT nicht belegt und sie ist es nach der neuen Auskunft vom 07. November 2003 bis heute nicht. Die Deutsche Krebshilfe hat in der beigezogenen Auskunft vom 13. April 1999 ausführt, dass die von der V. A. Klinik durchgeführte Behandlungsmethode noch nicht abschließend beurteilt werden konnte, die abschließende Beurteilung einer Phase I/II-Studie am C. V.-Klinikum B. wurde (Veröffentlichung Draeger) erst im April 2002 durchgeführt. Nach Auskunft des Studienleiters der Studie des C. V. Klinikums B. vom 20. August 1999 war die sKMT zwar in einzelnen Kasuistiken in Verbindung mit einer durchgeführten Chemotherapie nahezu belegt. Dies hieße aber noch lange nicht, "dass die Ganzkörperhyperthermie generell als empfehlenswert oder gar zwingend notwendig, noch als Standardtherapie angesehen werden könne" (Stellungnahme PD Dr. W. vom 20. August 1999). Die Methode war in bestimmten Fällen indiziert und zeigte ermutigende Ergebnisse, war aber nicht allgemein akzeptiert. Phase-III-Studien waren geplant oder liefen bereits. Letztlich konnte die Wirksamkeit der Methode nicht beurteilt werden. Die Therapiestudien stellten Versuche dar, systematisch die Grundlage eines neuen Standards zu begründen (Hart, a. a. O., S. 95), worauf auch der Leiter der Studie in B. hinweist, wenn er in seiner Stellungnahme vom 20. August 1999 ausführt, dass die Umsetzung der Methode der sKMT in der klinischen Anwendung noch geprüft werde.

Auch die Leiterin der Studie zur Wirksamkeit der Hyperthermiebehandlung an der Universitätsklinik E. in H., Prof. Dr. S. H.-B., kommt in ihrer Stellungnahme vom 17. September 1999 zu keinem anderen Ergebnis. Danach waren die Studienergebnisse zwar ermutigend, abschließende Resultate lagen jedoch noch nicht vor. Sofern ausgeführt wird, dass bei einem Mammakarzinom nicht gezögert würde, einen individuellen Heilversuch durchzuführen, führt dies nicht zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse da die Beklagte nicht die Versorgung im Rahmen eines Heilversuchs schuldet. Auch Prof. Dr. med. W. der Medizinischen Klinik I der Medizinischen Universität zu L. kommt in seiner Stellungnahme vom 06. September 1999 zu der Feststellung, dass die sKMT nicht zum medizinischen Standard gehörte und nicht in der medizinischen Gemeinschaft anerkannt war, wenn ausgeführt wird, die "( ...) weitere Abklärung dieser Bedenken wäre dann von Wert, wenn in wissenschaftlich akzeptablen Studien an Krebspatienten für die sKMT ein klinisch relevanter Nutzen für den Krebskranken auffällig gewesen wäre. Dies ist bisher nicht der Fall. ( ...) Der Krebskranke muss wissen, dass sKMT eine Außenseitermethode ist, deren Nutzen und Schäden allgemein unbekannt ist ( ...). Die sKMT hat sich in der Erprobung nicht bewährt, die in den V. A. Kliniken vorgehaltene Methode Ganzkörperhyperthermie zu erzeugen, führt zudem nicht selten zu mitunter schweren Brandverletzungen ( ...). Mit Ausnahme der von der Deutschen Krebshilfe e. V. vom V.-Klinikum in Auftrag gegebenen Studie gibt es keine - nach allgemein akzeptierten wissenschaftlichen Vorgehensweisen durchgeführte - Therapiestudie, die die sKMT auf Nutzen und Schäden bei Krebspatienten untersucht" (Stellungnahme Prof. Wiedemann).

Auch wenn in anderen Kliniken nach der sKMT behandelt worden ist, was schon aus den vom Senat beigezogenen Stellungnahmen zu Studienversuchen folgt, ergibt sich daraus kein Kostenerstattungsanspruch des Klägers, da die Methode im Rahmen von Heilversuchen angewandt wurde. Ob auch weitere Privatkliniken diese Methode anwandten, kann hier für einen Leistungsanspruch nicht zu einem anderen Ergebnis führen.

Ein Kostenerstattungsanspruch folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V). Die in Anspruch genommene Therapieform war keine im Sinne dieser Vorschrift unaufschiebbare Leistung. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Versicherte schwerst krebskrank war und möglicherweise vom Krankenhaus S. als austherapiert angesehen worden ist. Ob dringende Behandlungsbedürftigkeit im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V bestanden hat, beurteilt sich nach medizinischen Kriterien. Dabei müsste der übliche Beschaffungsweg, die Inanspruchnahme einer Sachleistung in einem zugelassenen Krankenhaus, mit einer für den Versicherten unvermeidbaren Verzögerung und medizinischen Risiken verbunden gewesen sein, der die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit oder die Besserung des Gesundheitszustandes hätte gefährden können oder der für den Versicherten nicht zumutbar war (BSG, Urteil vom 18. Januar 1996, BSGE 77, 227, SozR 3-2500 § 29 Nr. 3).

Eine Notfalllage gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, nämlich dass eine sofortige Behandlung ab Mai 1998 (Beginn der Behandlung in der V. A. Klinik) erforderlich war und dem Versicherten die Inanspruchnahme eines zugelassenen Krankenhauses, wie von der Beklagten vorgeschlagen, nicht zumutbar war, lag nicht vor.

Auch ein Systemversagen oder eine Versorgungslücke sind nicht festzustellen. In diesem Zusammenhang kann ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die infolge eines Versagens des gesetzlichen Sachleistungssystems nicht erbracht worden sind, dann gegeben sein, wenn der Versicherte nicht weiß, dass der ärztliche Leistungserbringer ihm eine Fremdleistung verschaffen wollte und die gewählte Kostenerstattung auf einer Verordnung oder Verschaffung eines Vertragsbehandlers beruhte. Der Versicherte muss die Fremdleistung im schutzwürdigen Vertrauen als für ihn kostenfreie Kassenleistung entgegengenommen haben (Höfler in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 13 SGB V Anm. 8; BSG, Urteil vom 23. Oktober 1996, Aktenzeichen 4 RK 2/96, BSGE 79, 190 bis 197). Der Versicherte hat die Behandlung in der V. A. Klinik mit dem Wissen entgegengenommen, dass es sich nicht um die Leistung eines zugelassenen Leistungserbringers handelte. Eine privatärztliche Behandlung bedeutet für jedermann verständlich, dass ein Behandlungsvertrag nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse geschlossen wird, weshalb die Rechnungen auch an den Versicherten selbst gingen, da die Beklagte die Übernahme abgelehnt hatte.

Eine Versorgungslücke lag ebenfalls nicht vor. Eine solche ist dann gegeben, wenn eine im Sinne des § 27 SGB V notwendige und von der Krankenkasse geschuldete Sachleistung im System der gesetzlichen Krankenkasse durch eine zugelassene Behandlungsmethode oder einen zugelassenen Leistungserbringer nicht oder nicht zumutbar erbracht werden kann und daher das Beschaffungssystem versagt (BSG, Urteil vom 16. September 1997, Aktenzeichen 1 RK 28/95, BSGE 81, 54 bis 73). Wie dargestellt handelte es sich bei der sKMT nicht um eine von der Beklagten zu erbringende Sachleistung. Es bestanden - wenn auch ausgeschöpfte - Behandlungsmöglichkeiten in zugelassenen Krankenhäusern, so dass eine Versorgungslücke nicht vorlag.

Da der Versicherte sich die Leistungen von einer nichtzugelassenen Einrichtung selbst beschafft hat, kommt eine Wiederherstellung im System des SGB V im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht in Betracht. Der Herstellungsanspruch führt nicht zur Korrektur von außerhalb des Verwaltungsverfahren eingetretenen Tatsachen (BSG, Beschluss vom 15. März 1989, Aktenzeichen B 11 AR 1/89 zitiert nach juris). In anderen Fällen kommen nur Schadensersatzansprüche in Betracht, die vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Berufungsverfahrens.

Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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