S 12 KA 137/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 137/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 24/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1. Die Mitglieder des Berufungsausschusses müssen ihren Wohnsitz nicht in dessen Bezirk haben.
2. Erhält eine KV von Abrechnungsmanipulationen Kenntnis, ohne den Vertragsarzt wegen eines laufenden Plausibilitätsverfahrens hierüber sogleich zu informieren, entfällt nicht der Vorwurf der gröblichen Pflichtverletzung und hat dies keine Auswirkungen auf den Schadensumfang.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Streitwert wird auf 235.748,78 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung wegen gröblicher Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten und die Feststellung der Beendigung einer Berufsausübungsgemeinschaft mit einer Kollegin.

Der Kläger ist als praktischer Arzt seit 1978, seit 1995 als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Seit 01.08.2003 war er in einer Berufsausübungsgemeinschaft mit einer Fachärztin für Allgemeinmedizin tätig, deren Ende der Zulassungsausschuss Hessen mit Beschluss vom 22.03.2016 aufgrund der hier strittigen Zulassungsentziehung feststellte. Hiergegen legten der Kläger und seine Kollegin Widerspruch ein.

Das Landgericht Gießen verurteilte den Kläger mit Urteil v. 11.05.2015 – 7 KLs – 401 Js 10093/11 – wegen gemeinschaftlichen Betruges in 14 Fällen sowie des versuchten gemeinschaftlichen Betruges in 7 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den Urteilsgründen stimmten die Ärzte der Praxis des Klägers mit den Ärzten einer weiteren Berufsausübungsgemeinschaft ihre Urlaubszeiten direkt aufeinander ab, so dass die Praxen grundsätzlich durchgehend geöffnet und nicht ganztäglich oder gar längerfristig geschlossen gewesen seien. Soweit dennoch ein Vertretungsbedarf entstanden sei, hätten sich die Gemeinschaftspraxen über viele Jahre regelmäßig gegenseitig vertreten. Die Zusammenarbeit hätten sie im Laufe der Zeit dahingehend entwickelt, dass Vertretungen durch die jeweilige andere Praxis auch dann übernommen worden seien, wenn die Ärzte aus der vertretenden Praxis nur halbtags oder stundenweise abwesend gewesen seien. Auch im Voraus geplante Vertretungen bei Hausbesuchen seien durch die Praxen gegenseitig übernommen worden. Der Kläger und ein weiterer Arzt der anderen Gemeinschaftspraxis hätten schließlich gemeinsam den Plan entwickelt, die Fallzahlen ihrer jeweiligen Praxen dadurch zu steigern, dass sie untereinander die Daten von gesetzlich krankenversicherten Patienten austauschten und so zusätzliche fiktive Vertretungsfällte gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen abrechnen zu können. Ein solcher Austausch von Versichertendaten zwischen den beiden Praxen habe in den Abrechnungsquartalen I/07 bis I/12 durchgehend stattgefunden. Hierfür hätten sie Vertretungsscheine und mobile Kartenlesegeräte eingesetzt. In beiden Praxen seien nach Anweisung des Klägers bzw. seines Kollegen durch das Praxispersonal für zahlreiche Patienten in der Praxis Vertretungsscheine für die jeweils andere Praxis vorbereitet worden, die mit den Versichertendaten bedruckt worden seien, und auf den Vertretungsscheinen sei regelmäßig die Gebührenordnungsposition 01430 teilweise in Kombination mit Pseudoziffern für die Praxisgebühr eingetragen worden, um den Anschein zu erwecken, für die Patienten sei in der Praxis in Vertretung ein Wiederholungsrezept oder eine Überweisung ausgestellt worden. Da es sich nicht um reguläre Vertretungen gehandelt habe, seien die Vertretungsscheine den betroffenen Versicherten nicht zur Unterschrift vorgelegt worden. Die Vertretungsscheine seien in der Praxis, die angeblich vertreten worden sei, gesammelt worden. Am Ende des Quartals hätten die beiden Ärzte die Vertretungsscheine untereinander zwecks Abrechnung der tatsächlich nicht erbrachten Vertretungsleistungen ausgetauscht. Zusätzlich seien mobile Kartenlesegeräte dazu verwendet worden, die Krankenversichertenkarten der Patienten für die angeblich vertretende Praxis einzulesen. Nach Umstellung auf eine vollständige elektronische Abrechnung ohne Vertretungsscheine in Papierform seien die mobilen Lesegeräte das einzige Mittel gewesen, um die Versichertendaten zwischen den Praxen auszutauschen. Die mobilen Kartenlesegeräte seien zwischen den Praxen ausgetauscht worden, wenn die Speicher der Geräte voll gewesen seien oder das Quartalsende erreicht worden sei. Die Übergabe bzw. Abholung der Geräte sei entweder durch die Ärzte persönlich oder auf deren Veranlassung hin durch das Praxispersonal erfolgt. Pro Quartal seien zwei bis drei Lesegeräte pro Praxis ausgetauscht worden. Die Speicherkapazität der Lesegeräte habe von etwa 200 bis 500 Datensätzen pro Gerät variiert. Die Versichertendaten seien nach Austausch der Lesegeräte in der jeweiligen Praxis, die angeblich die Vertretungsleistungen erbracht haben sollte, in die Praxis-EDV übertragen worden. In den elektronischen Abrechnungsdaten sei für diese ausgetauschten Patientendaten jeweils ein Vertretungsfall erfasst und regelmäßig ausschließlich Gebührenordnungsposition 01430 eingetragen worden, um den Anschein zu erwecken, die Abrechnung der Praxis habe in Vertretung ein Wiederholungsrezept oder eine Überweisung für die betroffenen Versicherten ausgestellt. Tatsächlich seien für einen Teil der Patienten, deren Versichertenkarten für die jeweils andere Praxis eingelesen worden sei, auch Rezepte durch die angeblich vertretende Praxis im Namen der angeblich vertretenden Praxis ausgestellt worden. In den Praxen seien Blankorezepte mit den Praxisdaten der anderen Praxis aufbewahrt worden. Teilweise hätten diese Blankorezepte bereits die Unterschrift des Arztes der anderen Praxis getragen. Für Patienten, die ihre Rezepte zeitnah benötigten, seien bereits unterschriebene Rezeptvordrucke verwendet worden. Für andere Patienten seien nichtunterschriebene Rezeptvordrucke verwendet worden. Die Ärzte hätten diese Rezepte dann unterschrieben und diese seien zu einem späteren Zeitpunkt an die Patienten ausgehändigt worden. Durch den gegenseitigen Austausch der Versichertendaten und die Abrechnung der fiktiven Vertretungsfälle hätten die Ärzte eine erhebliche Steigerung der Fallzahlen ihrer jeweiligen Praxis in jeder Quartalsabrechnung bewirkt. Obwohl die in den irregulären Vertretungsfällen abgerechnete Gebührenordnungsposition 01430 für sich genommen keinen hohen Wert gehabt habe, hätte die Steigerung der Fallzahlen im Tatzeitraum zur Folge gehabt, dass ihnen auf Grund einer mit den steigenden Fallzahlen einhergehenden Erhöhung des Regelleistungsvolumens bei der jeweiligen Praxis in jedem Quartal ein wesentlich höheres Gesamthonorar durch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen zuerkannt worden sei. Durch die Steigung ihrer Fallzahlen hätten sie gezielt die für Allgemeinmediziner im vertragsärztlichen Abrechnungssystem vorgesehenen Budgetierungsmaßnahme umgangen. Es sei nicht auszuschließen, dass sie zum Wohl ihrer Patienten gehandelt hätten, gleichwohl hätten sie auch zur Umgehung der Budgetierungsmaßnahmen und der damit verbundenen Steigerung ihres Honoraranspruchs gehandelt. In der Praxis des anderen Arztes seien in der Zeit vom I/07 bis I/12 in jedem Quartal 472 bis 690 Vertretungsscheine immer mit der Gebührenordnungsposition 01430 zur Abrechnung gebracht worden. In der Praxis des Klägers seien im gleichen Zeitraum in jedem Quartal 416 bis 671 Vertretungsscheine nur mit der Gebührenordnungsposition 01430 zur Abrechnung gebracht worden. Beinahe bei allen Vertretungsscheinen habe es sich um reguläre Vertretungsscheine gehandelt, in denen die abgerechneten Vertretungsleistungen nicht bzw. nicht entsprechend den gesetzlichen Voraussetzungen für eine Vertretung gem. § 32 Abs. 1 der Zulassungsordnung der Vertragsärzte erbracht worden seien. Dies sei dem Angeklagten auch bewusst gewesen. Dennoch hätten sie mit ihrer Sammelerklärung bewusst wahrheitswidrig erklärt, alle mit der jeweiligen Quartalsabrechnung abgerechneten Leistungen seien von ihnen bzw. ihrem jeweiligen Gemeinschaftspraxispartner persönlich in Übereinstimmung mit den gesetzlichen vertraglichen Bestimmungen sowie Abrechnungsvorgaben der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erbracht worden. Der Kläger und sein Kollege hätten durch die Abrechnung der nicht bzw. nicht ordnungsgemäß erbrachten Vertretungsleistungen Honorarzahlungen erhalten wollen, auf welche sie in dieser Höhe keinen Anspruch gehabt hätten, was ihnen auch bewusst gewesen sei. Der Kläger und sein Kollege hätten sich durch die wiederholten und über mehrere Jahre erfolgten falschen Abrechnungen eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschafft. Der Kläger und sein Kollege hätten den festgestellten Sachverhalt in vollem Umfang eingeräumt und die Tat in objektiver und subjektiver Hinsicht entsprechend den getroffenen Feststellungen geschildert. Ihre Geständnisse seien auch glaubhaft, da sie nicht im Widerspruch zu den übrigen Beweismitteln stünden. Sie hätten den im Sachverhalt festgestellten wirtschaftlichen Mindestschaden anerkannt. Die Honoraransprüche der Praxis des Kollegen seien durch die Abrechnung von insgesamt 11.335 Vertretungsfällen, in denen nur die Gebührenordnungsposition 01430 angesetzt worden sei, um insgesamt 305.777,17 Euro erhöht gewesen. Bei einem Sicherheitsabschlag von 20 % belaufe sich der wirtschaftliche Mindestschaden durch unrechtmäßig abgerechnete Vertretungsfälle für die Praxis auf 244.621,74 Euro. Für die Praxis des Klägers belaufe sich der Schaden auf 335.425,62 Euro bzw. abzüglich des Sicherheitsabschlags auf 268.043,50 Euro. Insgesamt hätten sie einen wirtschaftlichen Schaden in Höhe von 512.962,24 Euro verursacht. Der Kläger habe an die Kassenärztliche Vereinigung bereits Rückzahlungen in Höhe von insgesamt 242.802,99 Euro geleistet. Der Bundesgerichtshof verwarf mit Beschluss vom 26.04.2016 – 2 StR 357/15 – die Revision der beiden Ärzte gegen das Urteil des Landgerichts Gießen als unbegründet.

Die Beigeladene zu 1) beantragte mit Schreiben vom 01.02.2016 die Entziehung der Zulassung des Klägers wegen gröblicher Verletzung der vertragsärztlichen Pflicht. Zur Begründung wies sie darauf hin, im Rahmen der bei der Berufsausübungsgemeinschaft zunächst für die Quartale IV/06 bis IV/08 durchgeführten patientenbezogenen Plausibilitätsprüfung sei eine auffällig hohe Zahl von Patienten festgestellt worden, die auch von den Ärzten der weiteren Berufsausübungsgemeinschaft behandelt worden seien. In der anderen Berufsausübungsgemeinschaft sei ein Facharzt für Allgemeinmedizin und eine praktische Ärztin tätig. Diese habe ihren Sitz im selben Ort, etwa 1,2 km von der Praxis des Klägers entfernt gehabt. Nach den Feststellungen des Plausibilitätsausschusses hätten sich an gemeinsamen Patienten folgende Werte ergeben:

Quartal Fallzahl Gemeinsame Patienten Prozent
IV/06 2.197 1.236 56,26 %
I/07 2.251 1.279 56,82 %
II/07 2.169 1.192 54,96 %
III/07 2.164 1.203 55,59 %
IV/07 2.211 1.222 55,27 %
I/08 2.267 1.161 51,21 %
II/08 2.155 1.159 53,78 %
III/08 2.166 1.090 50,32 %
IV/08 2.224 1.161 52,20 %
I/09 2.270 1.253 55,20 %
II/09 2.147 1.204 56,08 %
III/09 1.951 1.024 52,49 %
IV/09 2.288 1.262 55,16 %
I/10 2.273 1.314 57,81 %
II/10 2.009 1.071 53,31 %
III/10 2.124 1.217 57,30 %
IV/10 2.242 1.311 58,47 %
I/11 2.392 1.381 57,73 %
II/11 2.204 1.244 56,44 %
III/11 2.219 1.239 55,84 %
IV/11 2.287 1.329 58,11 %
I/12 2.313 1.267 54,78 %
II/12 2.208 1.171 53,03 %

Bei den Prüfungen sei festgestellt worden, dass die Patientenidentitäten im Wesentlichen auf dem Anlegen von Vertretungsscheinen beruhe, wobei jedoch überwiegend keine Arzt-Patienten-Kontakte abgerechnet worden seien, sondern lediglich der Verwaltungskomplex nach Nr. 01430 EBM. So seien z.B. im Quartal I/08 bei 2.269 Behandlungsfällen 625 Vertretungsscheine angelegt worden. Bei 474 dieser Vertretungsscheine seien ausschließlich die Kennziffer für die Praxisgebühr sowie der Verwaltungskomplex in Rechnung gestellt worden. Weiterhin habe eine notwendige Übernahme der Patienten nicht nachvollzogen werden können, da die zu vertretende Praxis jeweils besetzt gewesen sei. Gegen den Kläger und seinen Kollegen sei Anklage erhoben worden. Das Verfahren gegen die jeweiligen Partner in den Berufsausübungsgemeinschaften sei zuvor gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Das Landgericht Gießen habe den Kläger zwischenzeitlich verurteilt. Der Kläger habe somit in betrügerischer Absicht fortgesetzt falsche Abrechnungen eingereicht und auf diese Weise Honorare generiert, welche ihm nicht zugestanden hätten. Die Verletzung seiner Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung sei darüber hinaus gravierend, da das System der gesetzlichen Krankenversicherung auf die unbedingte Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit des Vertragsarztes zwingend angewiesen sei. Die besondere Schwere der Straftat ergebe sich ebf. aus dem Strafmaß des Urteils des LG Gießen und der darin enthaltenen Begründung. Jedenfalls seien die Straftaten des Klägers so schwerwiegend, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Vertragsarzt und ihr bzw. den Krankenkassen nicht mehr bestehe und die weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr zumutbar sei.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen lud den Kläger unter Datum vom 04.04.2016 zu einer mündlichen Verhandlung am 22.03.2016, zu der der Prozessbevollmächtigte des Klägers erschien.

Der Kläger beantragte mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 10.03.2016 die Verlegung des Verhandlungstermins und die Anordnung des Ruhens des Verfahrens. Er trug vor, die Angaben im Antrag der Beigeladenen zu 1) seien fehlerhaft, zumindest unvollständig. Er habe eine Täuschung bei der Beigeladenen zu 1) gar nicht hervorrufen können, da diese bereits seit dem Jahre 2003 Kenntnis gehabt habe, das möglicherweise unberechtigte/unzulässige Honorarabrechnungen durchgeführt worden seien. Ein als Zeuge vernommener Abteilungsleiter der Beigeladenen zu 1) habe im Strafverfahren ausgesagt, dass bereits 2003 die hohe Zahl gemeinsamer Patienten aufgefallen sei. 2006 sei die Überprüfung wiederholt worden mit der gleichen Feststellung. Beidesmal sei er nicht informiert worden. Die zu 2) beigeladene AOK Hessen habe sich im Januar 2008 an die Beigeladene zu 1) gewandt und erneut auf die auffällig hohe Zahl gemeinsamer Patienten hingewiesen. Eine Information der betroffenen Ärzte sei wiederum nicht erfolgt, um mögliche staatsanwaltliche Ermittlungsergebnisse nicht zu gefährden. Im Strafurteil werde deshalb auch nicht in allen Fällen ein vollendeter Betrug angenommen. Es sei ein Revisionsverfahren anhängig. Gegenstand sei die Frage der Vorsatztat, zum Anderen die Höhe des Schadens bei rechtzeitiger Information im Jahre 2003, spätestens im Jahre 2008, wäre gar kein Schaden oder nur ein extrem geringer Schaden entstanden. Das Verhalten der Beigeladenen zu 1) müsse auch im hiesigen Verfahren Berücksichtigung finden. Zu berücksichtigen sei auch, dass er bereits mit Schreiben vom 09.06.2015 die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens beantrag habe. Er habe bisher allerdings noch keinen Nachfolger finden können. Durch den Entzug der Zulassung würde sich weiterhin eine Gefährdung der ärztlichen Versorgung in der Gemeinde seines Praxissitzes ergeben. Sein Kollege habe seine Zulassung bereits beendet, ohne einen Nachfolger zu finden.

Die Beigeladene zu 1) wies unter Datum vom 21.03.2016 darauf hin, ihr werde regelhaft von der ermittelnden Staatsanwaltschaft untersagt, Kontakt zu dem strafrechtlichen Beschuldigten aufzunehmen, um ggf. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft (Verdunklungsgefahr) nicht zu gefährden. Eine Konstruktion einer Mitschuld ihrerseits sei mehr als abwegig. Die Rechtskraft eines Strafurteils sei keine Voraussetzung für die Durchführung eines Entziehungsverfahrens. Bei einem laufenden Entziehungsverfahren sei ein Nachbesetzungsverfahren auszusetzen. Ein vermeintlicher Versorgungsengpass sei kein Grund für eine Aussetzung oder ein Ruhen.

Der Zulassungsausschuss entzog mit Beschluss vom 22.03.2016 dem Kläger die Zulassung gem. § 95 Abs. 6 SGG i. V. m. § 27 Ärzte-ZV.

Hiergegen legte der Kläger am 26.07.2016 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er unter Datum vom 05.10.2016 vor, das Fehlverhalten der Beigeladenen zu 1) führe dazu, dass eine Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung nicht gerechtfertigt sei. Ohne das Fehlverhalten hätte es niemals das bis dahin strafrechtlich relevante Verhalten gegeben. Es hätte eine Information erfolgen können, da Möglichkeiten zur Vertuschung nach durchgeführter Abrechnung gar nicht mehr gegeben seien. Die Abrechnungsdaten lägen der Beigeladenen zu 1) vor und könnten nachträglich vom Arzt nicht mehr geändert werden.

Der Beklagte führte eine mündliche Verhandlung durch, zu der der Prozessbevollmächtigte des Klägers erschien.

Der Beklagte wies mit Beschluss vom 30.11.2016, ausgefertigt am 02.02.2017, die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung der gröblichen Pflichtverletzung bezog er sich wesentlich auf das Urteil des LG Gießen. Weiter führte er aus, der Kläger habe über Jahre hinweg gewerbsmäßig handelnd betrügerische Abrechnungen vorgenommen und durch diese manipulierten Abrechnungen unrechtmäßige Honorarzahlungen in der vom Landgericht festgestellten Höhe erhalten. Bei einem solchen Fall müsse zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass das Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers nachhaltig und unumkehrbar zerstört worden sei, sodass lediglich eine Entfernung aus dem vertragsärztlichen System in Betracht komme. Ein milderes Mittel stehe nicht zur Verfügung, da jede andere Maßnahme den Verbleib des Klägers im vertragsärztlichen System zur Folge hätte, was im Hinblick auf den eingetretenen Vertrauensschaden nicht zu rechtfertigen sei. Hiergegen könne nicht der Einwand erhoben werden, der Beigeladene zu 1) habe die Abrechnungsmanipulationen über Jahre hingenommen. Die Beigeladene zu 1) sei am vertragsärztlichen System nicht allein beteiligt, beteiligt seien auch die Versicherten und die gesetzlichen Krankenversicherungen. Für diese könne nicht geltend gemacht werden, dass sie Kenntnis von den Manipulationen des Klägers gehabt hätten. So sei zumindest gegenüber diesen beiden Gruppen von der beschriebenen Zerstörung des Vertrauens auszugehen. Entscheidend sei im Übrigen, dass der Kläger über Jahre hinweg bewusst und gezielt Abrechnungsmanipulationen vorgenommen habe. Mit diesem Verhalten habe er eindeutig an den Tag gelegt, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen, welches Voraussetzung für das Funktionieren des vertragsärztlichen Abrechnungssystems sei, nicht verdiene. Mithin stehe die gröbliche Pflichtverletzung außer Frage. Die gröbliche Pflichtverletzung habe auch über Jahre angedauert und zu einem erheblichen Vermögensschaden geführt. Es habe sich nicht um einen Einzelfall bei Gelegenheit einer einzelnen Sammelerklärung, sondern vielmehr um eine gewerbsmäßig angelegte dauerhafte kriminelle Tätigkeit gehandelt. Den Entzug der vertragsärztlichen Zulassung stelle sich damit als die einzig mögliche wirksame Maßnahme dar, entspreche damit auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel.

Hiergegen hat der Kläger am 10.02.2017 die Klage erhoben. Er ist weiterhin der Auffassung, dass zwar ein vorwerfbares Verhalten in Bezug auf die abgerechneten Vertretungsfälle vorliege, auf Grund des Verhaltens der Beigeladenen zu 1) und der Krankenkassen rechtfertige dies jedoch nicht den vollständigen Entzug der vertragsärztlichen Zulassung. Im Übrigen rüge er die Besetzung des Berufungsausschusses. Der ärztliche Beisitzer Herr Dr. C. sei in X-Stadt und damit im Bundesland Thüringen ansässig. Er habe die – fiktive – Schadenssumme zwischenzeitlich zurückgezahlt, da ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung habe. Nach seiner Ansicht ergebe sich sogar eine Überzahlung von ca. 130.000,00 Euro, da im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens immer wieder durch die Beigeladene zu 1) eine neue Schadensberechnung vorgelegt worden sei, die um etwa diesen Betrag niedriger sei, als der im Rückforderungsbescheid aus dem Plausibilitätsprüfungsverfahren festgelegte Betrag. Ein Vertrauensverlust der Patienten könne überhaupt nicht eingetreten sein. Die jetzige Fallzahl der Praxis liege sogar höher als die Fallzahl im Rahmen der im Strafverfahren/Plausibilitätsverfahren geprüften Quartale. Die Patienten seien völlig mit seiner ärztlichen Behandlung einverstanden. Sie interessierten sich überhaupt nicht für die Frage der internen Abrechnung der Beigeladenen zu 1) oder für sein Verhältnis zu den Krankenkassen. Er habe bereits vor längerer Zeit ein Ausschreibungsverfahren eingeleitet, leider seien zwei Interessenten zwischenzeitlich "abgesprungen", da sie den angemessenen Kaufpreis, der durch einen sachverständigen Gutachter ermittelt worden sei, nicht hätten bezahlen wollen. Mit einem weiteren Interessenten verhandle er derzeit.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 02.02.2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, der Beisitzer Dr. C. sei bis zum 31.03.2012 als Facharzt für Allgemeinmedizin in C-Stadt im Bundesland Hessen vertragsärztlich zugelassen gewesen. Er verfüge mithin über ausgezeichnete Kenntnisse des hessischen Vertragsarztsystems. Eine Vorschrift, derzufolge die Mitglieder des Berufungsausschusses ihren Wohnsitz im Bundesland Hessen haben müssten, existiere nicht. Ein Wohnsitz in Hessen sei auch keine Voraussetzung für eine vertragsärztliche Zulassung in diesem Bundesland. Dies gelte entsprechend auch für die Ausübung des Ehrenamtes. Das Landgericht Gießen gehe in seinem Urteil für die Honorarabrechnungen für die Quartale I/07 bis II/10 von vollendetem Betrug aus, während für die nachfolgenden Quartalsabrechnungen III/10 bis I/12 von einem versuchten Betrug ausgegangen werde, da wegen der Verdichtung der Verdachtsmomente ab diesem Zeitpunkt von einem Irrtum über die Verpflichtung der Beigeladenen zu 1) zur Erbringung der Honorare nicht mehr ausgegangen werden könne. Bereits aus diesem Grund sei die Entziehung nicht zu beanstanden. Auch in den Folgequartalen liege aber eine deutliche Pflichtverletzung im Übrigen vor. Ein Verstoß gegen das Gebot zur peinlich genauen Abrechnung sei auch dann anzunehmen, wenn die Täuschungshandlung nicht mehr zur Erzeugung eines Irrtums führen könne, weil hinreichende Kenntnisse über die Täuschungsversuche vorhanden gewesen seien. Für die gröbliche Pflichtverletzung sei nicht entscheidend, dass tatsächlich eine Irrtumserregung stattgefunden habe. Auf die Wiedergutmachung des Schadens komme es nicht an, da dadurch die gröbliche Pflichtverletzung nicht ungeschehen werde. Gleichfalls komme es nicht auf die vom Kläger behauptete Überzahlung an. Auch die weitere Inanspruchnahme der vertragsärztlichen Leistungen durch Patienten führe nicht dazu, dass die begangenen Straftaten zu Lasten der Kassenärztlichen Vereinigung ungeschehen würden. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beigeladene zu 1) mit ihrem Entziehungsantrag zugewartet habe, bis das Strafverfahren vor dem Landgericht Gießen abgeschlossen gewesen sei.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 15.02.2017 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu zuletzt mit Verfügung vom 05.05.2017 angehört. Ein Einverständnis der Beteiligten hierzu wird vom Gesetz nicht verlangt.

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist allein der Bescheid des Berufungsausschusses, nicht auch der ursprüngliche Verwaltungsakt des Zulassungsausschusses (vgl. BSG, Urt. v. 06.02.2008 – B 6 KA 40/06 RSozR 4-5520 § 31 Nr. 3, juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 28.08.1996 – 6 RKa 37/95SozR 3-1500 § 54 Nr. 30, juris Rdnr. 18, jeweils m.w.N.).

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 02.02.2017 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben.

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Entziehung der vertragszahnärztlichen Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung aufgrund des dem Kläger vorgeworfenen Abrechnungsbetrugs. Rechtsgrundlage hierfür ist § 95 Abs. 6 SGB V i. V. m. § 27 Ärzte-ZV. Danach ist die Zulassung u. a. zu entziehen, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt.

Der Bescheid vom 02.02.2017 ist formell rechtmäßig. Der Beklagte war insb. nicht fehlerhaft besetzt.

Die Berufungsausschüsse bestehen aus einem Vorsitzenden mit der Befähigung zum Richteramt und aus Vertretern der Ärzte einerseits und der Landesverbände der Krankenkassen sowie der Ersatzkassen andererseits in gleicher Zahl als Beisitzern (§ 97 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Vertreter der Krankenkassen und ihre Stellvertreter werden von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen bestellt. Sie führen ihr Amt als Ehrenamt. Sie sind an Weisungen nicht gebunden (§ 97 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 96 Abs. 2 Satz 2 bis 4 SGB V). Wohnsitzvorgaben macht das Gesetz nicht, ebensowenig §§ 34, 35 Ärzte-ZV. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) muss es sich bei den Vertretern der Ärzte nicht um Mitglieder einer Kassenärztlichen Vereinigung (§ 75 Abs. 3 SGB V) handeln (vgl. BSG, Urt. v. 25.11.1998 - B 6 KA 81/97 R - SozR 3-2500 § 97 Nr. 2, juris Rdnr. 19 ff.). Von daher ist es unerheblich, wo die einzelnen Mitglieder des Beklagten ihren Wohnsitz haben.

Der Bescheid vom 02.02.2017 ist auch materiell rechtmäßig

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung sieht, ist eine Pflichtverletzung gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist dann auszugehen, wenn durch sie das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch den Vertragsarzt so gestört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zugemutet werden kann. Nicht erforderlich ist, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen (vgl. zuletzt BSG, Beschl. v. 11.02.2015 - B 6 KA 37/14 B - juris. Rdnr. 11; BSG, Urt. v. 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = 4-2500 § 95 Nr. 26, juris Rdnr. 21; BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, juris Rdnr. 33 u. 50 ff.; BSG, Urt. v. 17.06.2009 - B 6 KA 16/08 R - BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr. 2, juris Rdnr. 36 f.; BSG v. 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, juris Rdnr. 17 m.w.N.). Wegen der Schwere des Eingriffs ist die Entziehung selbst immer ultima ratio. Die Zulassungsentziehung darf unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur ausgesprochen werden, wenn sie das einzige Mittel zur Sicherung und zum Schutz der vertragsärztlichen Versorgung ist (vgl. BSG, Urteil v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 23). Vorrangig kommen insb. Disziplinarmaßnahmen in Betracht; insb. als milderes Mittel die Anordnung des Ruhens (vgl. 95 Abs. 5 SGB V) zu prüfen (vgl. BSG, Beschl. v. 17.08.2011 - B 6 KA 18/11 B - juris Rdnr. 13; LSG Berlin, Urt. v. 01.12.2004 - L 7 KA 13/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Bayern, Beschl. v. 14.01.2010 - L 12 KA 62/09 B ER - juris Rdnr. 18; SG Berlin, Urt. v. 07.09.2011 - S 83 KA 99/11 - juris Rdnr. 29 u. 34; SG Frankfurt a.M., Urt. v. 14.06.2000 - S 28 KA 2499/99 - juris Rdnr. 25). Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung nicht vollzogener Entziehungsentscheidungen ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BSG, Urt. v. 17.08.2011 - B 6 KA 18/11 B - juris Rdnr. 11; BSG, Urt. v. 20.10.2004 - B 6 KA 67/03 R - BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9, juris Rdnr. 20 ff.). Nach der Entscheidung des Berufungsausschusses liegende Umstände – wie eine Änderung des Verhaltens – können nur in einem Verfahren auf Wiederzulassung gewürdigt werden (vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - BSGE 112, 90 = 4-2500 § 95 Nr. 26, juris Rdnr. 24 ff.). Eine Zulassungsentziehung erfordert keine Negativprognose für das künftige Verhalten des Leistungserbringers im Sinne der Feststellung einer Wiederholungsgefahr, da § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V nicht auf die Steuerung künftigen Verhaltens ausgerichtet ist, sondern auf eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit liegendes pflichtwidriges Verhalten (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 24, juris Rdnr. 56 ff.).

Für Vertragszahnärzte gilt das Gebot peinlich genauer Abrechnung der zu vergütenden Leistungen. Hierzu ist auch die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung zu rechnen. Leistungen dürfen nicht abgerechnet werden, die der Arzt entweder nicht oder nicht vollständig oder – sofern sie sein Tätigwerden voraussetzen – nicht selbst erbracht hat. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil ordnungsgemäße Leistungserbringung und peinlich genaue Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der Überprüfung durch diejenigen zugänglich sind, die die Gewähr für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu tragen haben, nämlich die KV und die Krankenkassen. Insbesondere die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung gehört daher zu den Grundpflichten des Arztes (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 22; BSG, Urt. v. 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - BSGE 66, 6 = SozR 2200 § 368a Nr. 24, juris Rdnr. 15 -; BSG, Urt. v. 08.07.1981 - 6 RKa 17/80 - juris Rdnr. 31; BSG, Beschl. v. 09.04.2008 - B 6 KA 18/07 B - juris Rdnr. 12; BVerfG, Beschl. v. 28.03.1985 - 1 BvR 1245/84, 1 BvR 1254/84 - BVerfGE 69, 233 = SozR 2200 § 368a Nr. 12, juris Rdnr. 27). Mit der Abrechnungs- und Sammelerklärung (§ 16 Abs. 2 EKV-Z) garantiert der Kassen-/Vertragsarzt, dass die Angaben auf den von ihm eingereichten Behandlungsausweisen bzw. Datenträgern zutreffen (vgl. BSG, Urt. v. 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5550 § 35 Nr. 1, juris Rdnr. 19). Wiederholt unkorrekte Abrechnungen können die Zulassungsentziehung rechtfertigen (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 36; BSG, Urt. v. 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - BSGE 66, 6 = SozR 2200 § 368a Nr. 24, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 30.03.1977 - 6 RKa 4/76 - BSGE 43, 250, 252 = SozR 2200 § 368a Nr. 3).

Bei einem Verdacht auf Abrechnungsbetrügereien ist eine Übermittlung von Daten aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 13 Abs. 2 Satz 1 EGGVG bereits vor Erhebung der öffentlichen Klage rechtmäßig und kann die Verwendung der übermittelten Daten in dem Zulassungsentziehungsverfahren somit zulässig sein (vgl. BSG, Beschl. v. 09.04.2008 - B 6 KA 18/07 B - juris Rdnr. 9 ff.). Die Zulassungsgremien können vor einer Zulassungsentziehung den rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens abwarten. Die lange Dauer eines Strafverfahrens hat keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Zulassungsentziehung in der Sache. Sozialgerichte dürfen bei ihrer Feststellung, ob der Arzt sich als ungeeignet erwiesen hat, vorliegende bestandskräftige Entscheidungen anderer Gerichte und auch die Ergebnisse staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen verwerten. Dagegen kann die Höhe der Strafe für die Entscheidung über die Entziehung der Zulassung bereits deshalb nicht unmittelbar herangezogen werden, weil es sich bei der Entziehung der Zulassung nicht um eine Strafe, sondern um eine Verwaltungsmaßnahme handelt, die dem verloren gegangenen Vertrauen in die Einhaltung der vertragsarztrechtlichen Pflichten Rechnung trägt und der Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung dient. Die Höhe der Strafe kann daher allenfalls Hinweise für die Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung geben. Letztlich ist aber auch diese Frage von den Zulassungsgremien und den Gerichten eigenständig zu beurteilen. Im Übrigen kann ein geringeres Strafmaß, dem ein kooperatives Verhalten des Angeklagten im Strafprozess zugrunde liegt, im sozialgerichtlichen Verfahren keine Berücksichtigung finden, wenn sich dieses Verhalten im sozialgerichtlichen Verfahren nicht fortsetzt und wenn die Prognose eines künftig pflichtgemäßen Verhaltens auch aufgrund der fehlenden Einsicht des Arztes in sein Fehlverhalten nicht gestellt werden kann (vgl. BSG, Beschl. v. 02.04.2014 - B 6 KA 58/13 B - juris Rdnr. 14 ff. m.w.N.).

Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist nach den dargelegten rechtlichen Vorgaben rechtmäßig. Zur Begründung verweist die Kammer auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Beklagten (§ 144 Abs. 3 SGG).

Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der Vorwurf der gröblichen Pflichtverletzung nicht entfällt, wenn eine KV von Abrechnungsmanipulationen Kenntnis erhält, ohne den Vertragsarzt wegen eines laufenden Plausibilitätsverfahrens hierüber sogleich zu informieren. Es ist der Vertragsarzt, der für seine Abrechnung verantwortlich ist. Der Kläger ist sich offensichtlich nicht der Schwere seines eigenen Fehlverhaltens und der Verantwortung für sein Tun bewusst ist, wenn er wiederholt vortragen lässt, ohne das Fehlverhalten der Beigeladenen zu 1) hätte es niemals das bis dahin strafrechtlich relevante Verhalten gegeben. Es war der Kläger selbst, der nach den Feststellungen des Landgerichts, denen die Kammer folgt, in betrügerischer Absicht die Abrechnungen manipuliert hat. Im Übrigen hat das Landgericht die teilweise Kenntnis der Beigeladenen zu 1) insofern berücksichtigt, als es z. T. nur von einem Versuch ausging. Selbst wenn man von der vom Kläger behaupteten "Überzahlung" ausgeht, verbleibt ein Schadensumfang und ein kriminelles Vorgehen des Klägers, das eine Zulassungsentziehung auf jeden Fall rechtfertigen würde. Angesichts des Umfangs des Schadens und der sich über viele Quartale hinziehenden Falschabrechnung, die zu Steigerungen der Honorarumsätze führte, ist die Zulassungsentziehung auch verhältnismäßig.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

In Zulassungsangelegenheiten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der die Kammer hier folgt, der Streitwert in der Regel in Höhe des Umsatzes eines Drei-Jahres-Zeitraums anzusetzen, den der Arzt innerhalb der nächsten Zeit aus vertragsärztlicher Tätigkeit erzielen könnte, abzüglich des Praxiskostenanteils (vgl. BSG, Beschl. v. 12.10.2005 - B 6 KA 47/04 B – juris; BSG, Beschl. v. 26.09.2005 - B 6 KA 69/04 B – juris; BSG, Beschl. v. 01.09.2005 - B 6 KA 41/04 R – juris = www.sozialgerichtsbarkeit.de). Bei einer Zulassungsentziehung folgt der mögliche Umsatz aus den vergangenen Honorarabrechnungen. Die Kammer geht nach den Angaben des Klägers von einer Kostenquote von 70 % aus. Nach den von der Beklagten mitgeteilten Zahlen erzielte der Kläger in den acht Quartalen I/14 bis III/16 einen Umsatz in Höhe von 523.886,18 EUR, was einem Umsatz in drei Jahren von 785.829,27 EUR entspricht. Abzüglich einer Kostenquote von 70 % ergab dies den Streitwert.
Rechtskraft
Aus
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