Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 1257/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 215/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.11.2015 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 05.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen über den 31.05.2013 hinaus auf Zeit befristet bis 31.05.2019 zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 31.05.2013 hinaus zusteht.
Die 1971 geborene Klägerin, Schweizer Staatsangehörige (Blatt 261 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil), war nach Erlangung des Hauptschulabschlusses von Januar 1989 bis November 1994 in der Schweiz, danach – mit Unterbrechungen durch den Bezug von Arbeitslosengeld und Krankengeld – in der Bundesrepublik Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt vom 15.08.2005 bis 10.07.2008 als Mitarbeiterin im Lager und Wareneingang. Dort erlitt sie am 14.01.2007 einen Unfall (zu einem Verfahren auf Gewährung von Verletztenrente vgl. das Berufungsverfahren L 8 U 461/17), bei dem sie beim Ausschalten eines Kompressors von einem Fass stürzte und auf den Rücken fiel. Ab 21.01.2007 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog nach dem Erhalt von Krankengeld bis 31.07.2009 Arbeitslosengeld (Blatt 9/11 der Beklagtenakte/Versichertenrente). Die Klägerin ist seit 01.03.2008 schwerbehindert (GdB 60, Merkzeichen "G", Blatt 112 der Senatsakte), sie bezog zeitweise SGB II-Leistungen (vgl. Blatt 359, 477, 479 der Beklagtenakte/Versichertenrente).
Auf ihren Antrag vom 28.01.2009 (Blatt 1/5, 19/21 der Beklagtenakte/Versichertenrente, 1/5 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 25.08.2009 (Blatt 109/115 der Beklagtenakte/Versichertenrente) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2010 (Blatt 167/169 der Beklagtenakte/Versichertenrente) die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab. Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Heilbronn wurde durch gerichtlichen Vergleich am 18.04.2012 beendet (Blatt 301 der Beklagtenakte/Versichertenrente), wonach sich die Beklagte verpflichtete, der Klägerin ausgehend von einem Leistungsfall im August 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 01.03.2010 bis einschließlich Mai 2013 zu gewähren (vgl. dazu den Bescheid vom 08.05.2012, Blatt 339 der Beklagtenakte/Versichertenrente).
Die Klägerin, die seit 01.11.2012 eine ordentliche Invalidenrente (Drei-Viertel Rente) aus der eidgenössischen Invalidenversicherung der Schweiz i.H.v. ursprünglich monatlich 262,00 CHF bezieht (Blatt 449/467 der Beklagtenakte/Versichertenrente), beantragte am 18.01.2013 (Blatt 385/395 der Beklagtenakte/Versichertenrente) bei der Beklagten die Rente wegen voller Erwerbsminderung über Mai 2013 hinaus weiter zu zahlen.
Die Beklagte zog einen Befundbericht des Orthopäden Dr. B. vom 14.01.2013 (Blatt 191/237 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) bei und holte ein Gutachten beim Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. S. ein. Dieser gab in seinem Gutachten vom 19.02.2013 (Blatt 243/257 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) einen Zustand nach Bandscheibenprothesenimplantation L5/S1 im Jahr 2009, einen Zustand nach CT-gesteuerter Infiltration in den Bereichen L4/5 und L5/S1 im August 2009, eine ISG-Denervierung rechts im August 2011, ein Asthma bronchiale seit 1990, eine chronisch rezidivierende Migräne mit Aura und Lähmungen seit 2007, eine Gonalgie beidseits mit beginnender Kniegelenksarthrose sowie eine Neurodermitis, ohne Symptomatik, mit. Die Klägerin könne unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten.
Des Weiteren holte die Beklagte ein Gutachten beim Neurologen und Psychiater Dr. H. ein. Dieser gab in seinem Gutachten vom 14.03.2013 (Blatt 263/299 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) als Erkrankungen der Klägerin somatoforme Schmerzen, Anpassungsstörungen - zum Untersuchungszeitpunkt ohne depressive Symptomatik mit Relevanz für das Leistungsvermögen -, eine behandelte Migräne und einen Zustand nach Operation im unteren LWS-Bereich an. Er hielt diese für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch für sechs Stunden und mehr leistungsfähig.
Mit Bescheid vom 05.04.2013 (Blatt 437 der Beklagtenakte/Versichertenrente) lehnte die Beklagte die (Weiter-)Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab dem 01.06.2013 ab; die Klägerin könne nach medizinischer Beurteilung wieder mindestens 6 Stunden arbeitstäglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein und sei daher nicht erwerbsgemindert.
Hiergegen erhob die Klägerin am 25.04.2013 Widerspruch (Blatt 3 der Beklagtenakte/RMG Widerspruch). Der Zustand habe sich gegenüber 2009 nicht geändert (Blatt 17 der Beklagtenakte/RMG Widerspruch). Soweit Dr. H. Aggravation und Demonstration feststelle, handele er nach dem Motto "Jeder Bittsteller ist ein Simulant". Wenn Dr. S. feststelle, der Zustand habe sich gegenüber 2009 nicht geändert, dann solle weiterhin volle Erwerbsminderung gewährt werden. Zu ihrem Widerspruch legte die Klägerin verschiedene ärztliche Unterlagen vor (Attest Dr. B. vom 04.02.2013, Bericht der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie des Kreiskrankenhauses L. vom 05.08.2013, Blatt 303/311 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil).
Der Entlassbericht zu der in der Zeit vom 18.09.2013 bis zum 09.10.2013 auf Kosten der Beklagten durchgeführten stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation vom 09.10.2013 (Blatt 313/329 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) der St. G. Vorsorge- und Rehabilitationskliniken, H. , sah die Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden leistungsfähig.
Nach sozialmedizinischer Beurteilung durch Dr. St. am 10.02.2014 (Blatt 331/335 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 (Blatt 55/57 der Beklagtenakte/RMG Widerspruch) den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat hiergegen am 08.04.2014 beim SG Klage erhoben. Nach den Berichten lägen bei ihr seit dem Unfall starke Schmerzen trotz einliegender Bandscheibenprothese vor, mit Miktions- und Defäktionsstörungen. Es bestünden Sensibilitätsstörungen der Beine sowie ein Schwächegefühl. Aufgrund der langandauernden Schmerzen leide sie unter rezidivierender depressiver Verstimmung. Der Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Die Klägerin hat verschiedene ärztliche Berichte vorgelegt (dazu vgl. Blatt 24/33, 38/43 der SG-Akte).
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung des behandelnden Orthopäden der Klägerin, Dr. B. , als sachverständigen Zeugen. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 24.06.2014 (Blatt 49/71 der SG-Akte) u.a. angegeben, das Restleistungsvermögen betrage weniger als 3 Stunden.
Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Schmerztherapie u.a., Prof. Dr. S ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 23.04.2015 (Blatt 98/143 der SG-Akte) unter Berücksichtigung einer psychologischen Evaluation durch Dipl.-Psych. M. vom 22.04.2015 (Blatt 144/155 der SG-Akte) bei der Klägerin Rückenschmerzen mit erheblichen Muskelhartspann trotz Morphintherapie und Einbau einer Bandscheibenprothese L5/S1 bei abgewehrtem innerpsychischem Konflikt, sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei ängstlich vermeidender Persönlichkeitsstörung beschrieben. Die Schmerzstörung und die Beziehungsstörung seien Ausdruck eines primär psychosomatischen Krankheitsbildes, da im Schmerz und in der Körperspannung unerfüllte psychische Bedürfnisse abgewehrt würden. Unter der Voraussetzung, dass die Klägerin dies nicht abwehre, könne eine psychosomatisch orientierte Rehabilitationsmaßnahme oder eine nochmalige multimodale Schmerztherapie in einem Akutkrankenhaus hilfreich sein. Notwendig wäre begleitend eine Entwöhnung von der hochdosierten Morphintherapie. Bei Therapiebereitschaft sei von einer Besserung binnen sechs Monaten auszugeben. Die Klägerin sei in der Lage in ihrem Beruf als Lageristin nur noch weniger als drei Stunden zu arbeiten. Körperlich leichte bis zuweilen mittelschwere (bis 10 kg) körperliche Tätigkeiten könne die Klägerin bevorzugt unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Ein beruflicher Austausch, insbesondere mit männlichen Arbeitskollegen, sollte nicht notwendig sein.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit Schreiben vom 27.07.2015 (Blatt 146/149 der SG-Akte) unter Vorlage eines Berichts der Klinik L. vom 03.06.2015 gewandt.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Anwesenheit der Klägerin (zu deren Angaben vgl. die Niederschrift vom 20.11.2015, Blatt 161/163 der SG-Akte) hat das SG die Klage mit Urteil vom 20.11.2015 abgewiesen. Die Klägerin könne eine Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.05.2013 hinaus nicht, auch nicht auf Zeit, beanspruchen. Die Klägerin sei zwar in ihrem Leistungsvermögen durch die bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen deutlich eingeschränkt. Die sich hieraus ergebenden Beeinträchtigungen erreichten aber kein Ausmaß, das körperlich leichte Tätigkeiten in einem Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich nicht mehr zulasse. Die bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen begründeten allenfalls eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit, die aber durch therapeutische Maßnahmen, nämlich einer Entwöhnung von den hochdosierten Morphingaben und der Durchführung einer multimodalen Schmerztherapie sowie einer – von der Klägerin bereits in Angriff genommenen – Psychotherapie binnen eines Zeitraums von sechs Monaten verbessert werden könnten.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 21.12.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.01.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Ihr Restleistungsvermögen liege unter drei Stunden. Neben den körperlichen Leiden, insbesondere der schweren Schmerzstörung, bestünden auch die psychischen Leiden. Bedauerlicherweise seien diese infolge des fehlerhaften Gutachtens von Prof. Dr. S. nicht gewürdigt. Der Gutachter hätte als behandelnder Arzt schon nicht als Gerichtsgutachter beauftragt werden dürfen. Sie sei bei Prof. Dr. S. in Behandlung und habe als Patientin einen Behandlungsvorschlag abgelehnt. Bei dieser Sachlage hätte dem SG auffallen müssen, dass seine Unabhängigkeit gefährdet erscheinen dürfte. Über die Bedenken der Klägerin habe sich das Gericht auch noch mit dem Hinweis hinweggesetzt, es sei für die Klägerin vorteilhaft, wenn der Gutachter sie kennte. Eine wohlwollende Arzt-Patienten-Beziehung möge vielleicht vorteilhaft erscheinen, eine gescheiterte jedenfalls sei keine Basis für eine unabhängige und vor allem zutreffende Beurteilung. Das Gutachten lese sich, als wenn der Gutachter ihr jetzt mittels Gerichtsgutachten nochmals vorschreiben wolle, was sie aus seiner Sicht als behandelnder Arzt tun solle - allerdings auf einem Gebiet, das nicht seinen fachlichen Schwerpunkt bilde. Wenn sie sich daran nicht halte, benötige sie offenbar diese Behandlung nicht und könne dann ja arbeiten. Der darin enthaltene Vorwurf, den sich das SG zu Eigen mache, sei in zweifacher Hinsicht unzutreffend. Ein Patient, der nach einem Unfall und mehreren Operationen mit dauernden starken körperlichen Schmerzen zum Arzt (Orthopäde) gehe, darf "unerfüllte psychische Bedürfnisse" als Ursache für Körperspannung und Schmerzen zunächst als esoterisch empfinden. Zum anderen könne mangelnde Krankheitseinsicht bei psychischen Beeinträchtigungen auch Teil der Erkrankung sein. Statt auf Vorwürfe und eine vorgefasste Meinung hätte man sich eher auf den tatsächlichen Zustand konzentrieren sollen. Dies hätte dazu geführt, dass die körperlichen Beeinträchtigungen nicht vernachlässigt und die psychischen richtig erfasst worden wären. Auch das SG sehe Hinweise für eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit und führe dann auf, was sie noch alles tun müsse, damit die Erwerbsfähigkeit wieder hergestellt werden könne. Ebenso bringe der Gutachter seine Behandlungsvorstellungen nochmals zum Ausdruck. Ob sie etwas tun könne - oder eben nicht, weil sie psychisch dazu nicht in der Lage sei – sei kein Grund, die Rente zu versagen. Hier müsse bis zur Wiederherstellung die mangelnde Erwerbsfähigkeit ausgeglichen werden. Im Hinblick auf die Psyche sei sie derzeit bei Prof. Dr. R. in W. und ab Ende Mai im Klinikum W. in Behandlung. Sie sei zumindest derzeit noch und bis auf weiteres vollständig erwerbsgemindert. Die Klägerin hat zunächst vorgelegt - einen Bericht der V. -Klinik Bad R. vom 10.03.2016 (Blatt 21/31 der Senatsakte). - ein Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Bu. vom 04.02.2016 (Blatt 33 der Senatsakte), Die Klägerin hat am 15.04.2016 bei der Beklagten erneut die Weiterzahlung der Rente beantragt (Blatt 35, 36 der Senatsakte).
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.11.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 05.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 31.05.2013 hinaus auf Zeit befristet bis 31.05.2019 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie hat eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. L. vom 03.06.2016 (Blatt 37 der Senatsakte) vorgelegt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädisch-traumatologischen Gutachtens beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. W ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 14.08.2016 (Blatt 43/1099 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 09.08.2016) einen Zustand nach Bandscheibenimplantat L5/S1 mit chronischer Lumboischialgie und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Komponenten beschrieben. Anlässlich der Begutachtung hätten sich im Vergleich zu den mehrfach erhobenen Vorbefunden keine weiteren Erkenntnisse ergeben. Es bestehe nach wie vor eine erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule aufgrund einer ausgeprägten Verspannungsproblematik der paravertebralen Muskulatur. Weiterhin würden linksseitig entsprechend des Dermatoms S1 Sensibilitätsabschwächung an der Unterschenkelaußenseite und am Fußaußenrand beschrieben. Motorische Defizite lägen nicht vor. An der subjektiven Wahrnehmung der Schmerzempfindungen und der körperlichen Einschränkungen hätten sich anlässlich der Begutachtung und Befragung ebenfalls keine Abweichungen zu Vorbefunden und anamnestischen Angaben bei früheren Untersuchungen ergeben. Insbesondere könne der ausführliche orthopädisch-körperlichen Befund als auch die wohl eindeutig im Vordergrund stehenden psychopathologischen Veränderungen, die im Gutachten von Prof. S. beschrieben worden seien, bezüglich des orthopädisch-klinischen Befundes voll umfänglich bestätigt werden. Jedoch ergebe der körperliche Befund einen lumbalen Muskelhartspann, der seit Jahren bestehend nachvollziehbar dokumentiert und vorhanden sei. Aufgrund der Gesamtsituation halte er die Klägerin aktuell nicht in der Lage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine Erwerbstätigkeit von mehr als 3 Stunden sei ebenfalls nicht möglich, da durch Willenskraft eine Überwindung der Lendenwirbelsäulenfixierung nicht möglich erscheine und die psychischen Faktoren durch die laufende ambulante Psychotherapie bisher nicht ansatzweise aufgearbeitet werden konnten.
Die Beklagte hat die Gutachten von Dr. S. vom 19.10.2016 und Dr. H. vom 17.11.2016, die sie im Auftrag der Schweizer Ausgleichskasse erstellen hat lassen, sowie eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. B.-K. vom 27.01.2017 (Blatt 116/117 der Senatsakte) vorgelegt.
Der Unfallchirurg/Orthopäde Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 19.10.2016 (Blatt 118/157 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 11.10.2016) ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom nach Bandscheibenprothesenimplantation L5/S1 2/2009, Infiltration L4/5 + L5/S1 8/2009, ISG-Denervierung rechts 2011, eine beginnende Retropatellararthrose rechts ) links ohne wesentliche Funktionseinschränkung, Sprunggelenksbeschwerden links ohne wesentliche Funktionsstörung, eine somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine Opiatabhängigkeit angegeben und die Klägerin für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen für vollschichtig leistungsfähig gehalten.
Der Neurologe und Psychiater Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 17.11.2016 (Blatt 158/175 der Senatsakte; Untersuchung am 16.11.2016) eine Somatisierung, insbesondere mit somatoformen Schmerzen, Hinweise auf eine Anpassungsstörung (DD: Dysthymie), eine berichtete spezifische Phobie und Angaben von Wirbelsäulenbeschwerden dargestellt und die Klägerin für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten für vollschichtig leistungsfähig erachtet.
Die Sozialmedizinerin Dr. B.-K. hat in ihrer Stellungnahme auf vergleichbare orthopädische Befunde verwiesen, jedoch ausgeführt, die Klägerin habe selbst eher große Zeitabstände zu ambulanter nervenärztlicher Behandlung sowie auch in der ambulanten Psychotherapie angegeben. Weiterhin sei der beschriebene Leidensdruck bzw. die Therapietreue zusätzlich zu hinterfragen, da die Medikamenteneinnahme z.T. eher unregelmäßig beschrieben werde, was auch die durchgeführte Spiegelkontrolle zeige. Dort sei z.B. für das Antidepressivum Duloxetin und Citalopram ein deutlich kaum nachweisbarer Spiegel festgestellt worden, Duloxetin sei nur unterhalb des Talspiegels nachweisbar gewesen. Ebenfalls habe der Serumspiegel für Gabapentin deutlich unterhalb des therapeutischen Bereiches gelegen.
Die Klägerin hat sich mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 09.05.2017 (Blatt 181/190 der Senatsakte) geäußert und u.a. ausgeführt, in psychiatrischer Hinsicht werde aktuell eine anhaltende Erwerbsunfähigkeit durch Dr. Bu. und das Klinikum W. bestätigt. Eine empfohlene stationäre Psychotherapie (nach Möglichkeit unter Mitbehandlung der körperlichen Einschränkungen) werde seitens Dr. Bu. verfolgt, scheitere aber derzeit immer noch am laufenden Rentenverfahren bzw. den Vorbehalten der Kliniken deswegen. Das schweizerische Invalidenrentenamt folge dem Gutachten Dr. W. und willige weiterhin Invaliditätsrente zu. Es erscheine fast so, als habe die Beklagte bewusst in Erwartung eines Ergebnisses der Begutachtung durch Dr. W. die beiden Gutachter anlässlich der Amtshilfe für die schweizerische Invalidenversicherungsstelle für den vorliegenden Rechtsstreit erneut, aber mit aktuellem Datum einbringen wollen. Insbesondere in Bezug auf Dr. H. könne man sich zwischenzeitlich des Eindrucks nicht erwehren, als stelle dieser formularmäßig Aggravation und Demonstration fest. Die Klägerin hat vorgelegt - einen Bericht des Orthopäden Dr. N. vom 17.03.2017 (Blatt 183/184 der Senatsakte), - einen Kurzbrief des Klinikums am W. vom 03.02.2017 (Blatt 185/186 der Senatsakte), - eine Stellungnahme von Dr. Bu. vom 12.04.2017 (Blatt 187/188 der Senatsakte), - den Rentenbescheid der Invalidenversicherungsstelle vom 06.03.2017 (Blatt 189/190 der Senatsakte). Im Übrigen hat die Klägerin sich mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 10.05.2017 (Blatt 191/195 der Senatsakte) mit dem Gutachten von Dr. H. auseinandergesetzt und diesen als aggressiv, an seinem Vorgutachten festhaltend und sie falsch einschätzend beschrieben. Auch hat sie sich zum Gutachten von Dr. S. geäußert. Für eine Besserung der gesundheitlichen Situation benötige sie die Entlastung von ihren finanziellen Sorgen und die dadurch ermöglichte Zeit für eine diesmal vielleicht richtige und umfassende Behandlung, die ihr nach den bisherigen Ablehnungen erst nach Abschluss des Verfahrens offenstehen werde. Eine Besserung innerhalb eines halben Jahres dürfe dabei nach dem bisherigen Verlauf als ausgeschlossen gelten.
Die Beklagte ist dem unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. N. vom 03.07.2017 (Blatt 197/198 der Senatsakte) entgegengetreten.
Die Klägerin hat sich nunmehr erneut geäußert (Schreiben vom 01.09.2017, Blatt 202/223 der Senatsakte). Urkundbeweislich und aktenkundlich seien Dr. S. und Dr. H. "vorbefasst" gewesen hinsichtlich der neuerlichen Untersuchung. Aufgrund deren vormaliger Begutachtung, des Inhalts der neuerlichen Gutachten und der Art und Weise der Begutachtung werde diesen Voreingenommenheit und Befangenheit unterstellt. Nach dem vorliegenden prozessualen Material sei dies geboten. Es frage sich auch, weshalb im deutschen Rentenverfahren zwei Gutachten verwendet würden, die für das Schweizer Rechtssystem bzw. die Schweizer Rentenversicherung erstellt worden seien. Es bleibe bei dem Vorwurf, dass die Beklagte die Schweizer Anfrage als prozessualen Glücksfall für das eigene, deutsche Verfahren benutze und die Gutachter H. und S. im Hinblick darauf strategisch ausgewählt habe. Aufgrund ihrer starken Beeinträchtigungen sei sie in mehrfacher Hinsicht nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Wolle man ihr die Heilung ermöglichen – sofern dies möglich sei – dann müsse man ihr auch in finanzieller Hinsicht die Zeit dafür geben. Dass der Kampf um die Rente, die immer weiteren Begutachtungen und die ständige Ungewissheit eine sehr große (zusätzlich) psychische Belastung darstelle, erschließe sich auch dem medizinischen Laien ohne weiteres. Die Klägerin hat nun vorgelegt - einen Bericht der V. -Kliniken vom 10.03.2016 (Blatt 204/214 der Senatsakte), - ein Schreiben von Dr. M.-W. (Klinikum am W. ) vom 28.07.2017 (Blatt 215/216 der Senatsakte), - einen Bericht des Lungenfacharztes Dr. St. vom 23.05.2017 (Blatt 217 der Senatsakte), - einen Bericht der S. -Kliniken H. vom 12.05.2017 (Blatt 218/219 der Senatsakte), - ein Schreibendes Klinikums am W. vom 13.05.2017 (Blatt 220 der Senatsakte), - einen Bericht des Klinikums G. vom 12.06.2017 (Blatt 221 der Senatsakte) - einen Laborbefund (Blatt 222/223 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache auch begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.05.2013 hinaus auf Zeit bis zum 31.05.2019. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 05.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 ist daher rechtswidrig. Auch das die Klage abweisende Urteil des SG vom 20.11.2015 verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Der Senat konnte feststellen, dass die Klägerin am 01.06.2013 nicht in der Lage war und seither ununterbrochen nicht in der Lage ist, wegen ihrer Erkrankungen einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch hinsichtlich leichter Tätigkeiten und auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen im Umfang von mindestens 3 Stunden arbeitstäglich (mithin an 5 Tagen pro Woche) nachzugehen. Sie ist daher voll erwerbsgemindert.
Befristete Renten wegen Erwerbsminderung können verlängert werden. Dabei verbleibt es nach § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Mit dieser durch Art 1 N. 32 Buchst a) Doppelbuchst aa) RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554) mit Wirkung ab 01.05.2007 (Art 27 Abs. 7 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) eingefügten Regelung wird bestimmt, dass lediglich eine Verlängerung der anfänglichen Befristung erfolgt, es beim ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt und eine Folgerente ohne Neuberechnung im Umfang der bisherigen Rente weiterzuzahlen ist (BT-Drs. 16/3794 S 37).
Bei einem Antrag, eine befristet bewilligte Rente wegen Erwerbsminderung weiterzuzahlen, bedarf es keines Nachweises, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen im Sinne von § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegenüber denen, die der Bewilligung zugrunde lagen, eingetreten ist. Die Entscheidung, ob dem Versicherten nach Ablauf des Bewilligungszeitraums der Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit zusteht, ist nicht bloß die Verlängerung einer früher bereits dem Grunde nach anerkannten Sozialleistung, sondern stellt die eigenständige und vollinhaltlich erneute ("wiederholte") Bewilligung der beantragten Rente dar. Bei der Zuerkennung einer Rente auf Zeit richtet sich der Wille des Versicherungsträgers von vornherein nur auf die Gewährung von Rente für diese Zeit und es fehlt infolgedessen für die darüber hinausreichende Zeit an jeder für den Versicherten positiven Regelung durch den Versicherungsträger (BSG 26.6.1990 - 5 RJ 62/89 -, juris, Rn. 17).
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann und er damit nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage an sich nur teilweise erwerbsgemindert ist (sog abstrakte Betrachtungsweise), ihm aber der Teilzeitarbeitsmarkt tatsächlich verschlossen ist (sog konkrete Betrachtungsweise).
Der Eintritt einer rentenberechtigenden Leistungsminderung muss im Wege des Vollbeweises festgestellt sein, vernünftige Zweifel am Bestehen der Einschränkungen dürfen nicht bestehen. Gemessen daran konnte der Senat mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin über den 31.05.2013 hinaus weiterhin rentenrechtlich relevant vermindert ist. Sie ist auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens 3 Stunden auszuüben.
Vorliegend konnte der Senat feststellen, dass bei der Klägerin ein Zustand nach Bandscheibenimplantat L5/S1 mit chronischer Lumboischialgie und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Komponenten besteht. Das konnte der Senat den Gutachten von Prof. Dr. S. und dem Gutachten von Dr. W. entnehmen. Auch die Gutachter Dr. S. und Dr. H. haben nichts mitteilen können, was dieser Diagnosestellung entgegen steht. Da bereits diese Erkrankungen dazu führen, dass die Klägerin in ihrer Erwerbsfähigkeit auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter 3 Stunden arbeitstäglich begrenzt ist, kommt es nicht darauf an, ob die Erkrankung der Klägerin (auch) als Depression bzw. depressive Episode zu bewerten ist.
Mit dem Gutachter des Senats, Dr. W. , konnte der Senat feststellen, dass Erkrankung der Lendenwirbelsäule und die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Komponenten sich funktionell auf die Erwerbsfähigkeit auswirken. So resultieren die Funktionsbeeinträchtigungen der Lendenwirbelsäule aus einer in mehrfachen Befunderhebungen – selbst der sozialmedizinische Dienst der Beklagten spricht von vergleichbaren Befunden (vgl. Blatt 116/117 der Senatsakte) – dokumentierter schmerzhafter dauernder Hartspannbildung und Bewegungseinschränkungen. Diese bedingen im Alltag eine dauerhafte Einschränkung der Belastbarkeit des Achsenorgans. Daraus konnte der Senat mit dem Gutachter Dr. W. den Schluss ziehen, dass der Klägerin in dem Zustand, der sich bei der Begutachtung gezeigt hatte und der auch in Voruntersuchungen, z.B. bei Prof. Dr. S. , mehrmals festgestellt wurde, auch leichte Tätigkeiten, insbesondere ohne die Möglichkeit des häufigen Wechsels der Körperhaltung nur sehr eingeschränkt möglich sind. Insoweit konnte der Senat feststellen, dass eine zeitliche Beschränkung auf unter 3 Stunden arbeitstäglich besteht. Diese zeitliche Limitierung der Erwerbsfähigkeit ist auch nicht durch die Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen, wie sie Prof. Dr. S. , Dr. S. und Dr. H. angegeben haben, oder durch besondere Arbeitsbedingungen zu verändern.
Zwar spricht mit den Gutachten von Prof. Dr. S. , der – wie die Klägerin zuletzt zutreffend ausgeführt hat – erstmals auf die Verknüpfung des organischen mit dem psychischen Befund hingewiesen hatte, und Dr. W. viel dafür, dass nur die durch die Erkrankung der Wirbelsäule hervorgerufenen Funktionsbeeinträchtigungen alleine nicht ausreichen, um die Erwerbsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht auf unter 3 Stunden arbeitstäglich zu limitieren. Vielmehr ergibt sich diese zeitliche Beschränkung aus dem von Dr. W. beschriebenen Zusammenwirken der orthopädischen Bewegungseinschränkungen der Lendenwirbelsäulenerkrankung mit den somatischen Auswirkungen der chronischen Schmerzerkrankung. Dies hat Dr. W. dahingehend beschrieben, dass es sich um eine Überschneidung zwischen orthopädischen und psychiatrischen Ursachen handelt. Die Schmerzproblematik im Bereich der Lendenwirbelsäule lässt sich alleine durch somatische Veränderungen, nämlich den Zustand nach Implantation einer künstlichen Bandscheibe mit regelrechtem Bandscheibensitz und bildgebend unauffälligem Befund bei in jüngerer Vergangenheit vielfach durchgeführter und kontrollierter Diagnostik nicht erklären. Wie sowohl im Gutachten von Prof. Dr. S. als auch anlässlich der psychosomatisch und psychiatrischen Befundung beschrieben, besteht ein chronisches Schmerzsyndrom auf Grundlage somatischer und wohl überwiegend psychischer Faktoren. Dies führt bei der Klägerin dazu, dass ein dauerhafter Muskelhartspann mit Bewegungseinschränkungen besteht, der in den Auswirkungen vergleichbar mit einer akuten – bei der Klägerin aber dauerhaft bestehenden –Lumbago ist und daher auch leichte Tätigkeiten unmöglicht macht, da auch solche Tätigkeiten weder im Sitzen, noch im Stehen, noch im Gehen aufgrund der bestehenden Schmerzen in zumutbarer Weise möglich sind. Dieser Zustand besteht bei der Klägerin als somatische Ausprägung der chronischen Schmerzerkrankung aber auf Dauer und bedarf auch nicht – anders als bei der akuten Lumbago – grds. keiner Behandlung, noch handelt es sich um einen bloß vorübergehenden Zustand. Vielmehr besteht dieser Zustand bei der Klägerin solange die chronische Schmerzerkrankung nicht entscheidend therapiert ist. So hat die mit Prof. Dr. S. begutachtende und insoweit ausreichend fachkundige Dipl.-Psychologin M. ausgeführt, die Klägerin habe ihren Körper mit extremer körperlicher Anspannung zu einem "Schutzpanzer" verhärtet und vermeide zwar aktiv, aber nicht (ganz) bewusst Behandlungen, die zu – als belastend befürchteten – Emotionen, Erinnerungen und Schmerzen führen könnten (Blatt 154 der SG-Akte = Seite 11 des Berichts). Diese fehlende Bereitschaft, sich einer solchen spezifischen, aber medizinisch indizierten Therapie zu unterziehen, ist für den Senat damit nachvollziehbar als Symptom der psychischen Erkrankung, der Schmerzstörung, beschrieben. Diese Symptomatik kann nur durch die Einbeziehung in ein Therapiekonzept überwunden werden; keinesfalls ist nach den insoweit überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. S. , Dipl.-Psychologin M. und Dr. W. davon auszugehen, dass die Klägerin ohne therapeutische Unterstützung die durch ihre psychosoziale Disposition verursachte Muskelverspannung der Wirbelsäule als Ausdruck ihres psychischen "Panzers" sowie die der psychologischen Dynamik zu Grunde liegenden psychischen Strukturen allein überwinden kann.
Der Senat konnte mit Dr. W. feststellen, dass eine Therapie – anders als von Prof. Dr. S. angenommen – nicht in nur sechs Monaten zu einer rentenrechtlich relevanten Besserung der Beschwerden und der Erwerbsfähigkeit führen wird. Vielmehr konnte Dr. W. , was auch durch die Beurteilung der V. -Kliniken, des Dr. Bu. und der Rehaklinik St. G. , H. , bestätigt ist, für den Senat überzeugend darlegen, dass eine solche Therapie bei einem derart chronifizierten und durch die besondere psychisch/soziale Konstellation verursachten Schmerzzustand deutlich über sechs Monate dauert, wobei die vielfachen vorausgegangenen, auch mehrfach stationären Behandlungsversuche, die ohne Erfolg geblieben sind, dies auch nahelegen. So hat die mit Prof. Dr. S. begutachtende Dipl.-Psychologin M. ausgeführt, es sei eine längerfristige ambulante Psychotherapie erforderlich (Blatt 155 der SG-Akte = Seite 12 des Berichts). Eine psychosomatisch orientierte Rehabilitationsmaßnahme oder eine nochmalige multimodale Schmerztherapie in einem Akutkrankenhaus, jeweils mit fortgeführter ambulanter Psychotherapie kann insoweit hilfreich sein und eine Lockerung der angespannten Rückenmuskulatur bewirken. Begleitend sei eine Entwöhnung von der hochdosierten Morphintherapie notwendig. Diese Vorschläge von Prof. Dr. S. wurden mittlerweile in der V. Klinik Bad R. sowie anschließend in ambulanter Behandlung fortgesetzt. So nimmt die Klägerin ambulante psychiatrische, psychotherapeutische bzw. schmerztherapeutische Behandlungen bei der Therapeutin Dr. M.-W. (Klinikum am W. ) und bei Dr. Bu. in Anspruch, ebenso wie vorübergehende stationäre Therapien in der V.-Klinik Bad R ...
Die weitergehenden Ansätze zu einer multimodalen Schmerztherapie in der Universitätsklinik H. waren bisher im Hinblick auf das Rentenverfahren von den Behandlern abgelehnt worden; klare diesbezügliche Behandlungsempfehlungen waren zweimal durch Ablehnung der ins Auge gefassten Klinik gescheitert. So hat auch u.a. die Abteilung von Prof. S. der Orthopädischen Universitätsklinik H. selbst aufgrund des laufenden Rentenverfahrens eine Behandlung abgelehnt. Mit der derzeitigen Therapie verfolgt die Klägerin daher in ausreichendem Umfang die ihr möglichen Behandlungsansätze weiter.
Damit handelt es sich bei der Erkrankung der Klägerin, wie auch den daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen, nicht um eine nur vorübergehende oder innerhalb von sechs Monaten therapierbare bzw. rentenrelevant besserbare Erscheinung. Vielmehr bedarf die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin einer sechs Monate überdauernden Therapie. Dass einzelne Therapeuten die Klägerin im Hinblick auf das Zusammentreffen von Therapie und Rentenverfahren als austherapiert bzw. weitere Therapieansätze als ohne Nutzen, Sinn oder Gewinn bezeichnet haben, steht dem nicht entgegen. Denn nach Wegfallen des – von der Universitätsklinik H. so bezeichneten – Zielkonflikts kann die bereits 2012 als indiziert angesehene weitere Schmerztherapie durchgeführt werden. Andererseits erwartet der Gesetzgeber aber von der Klägerin auch, dass sie sich – auch mittels Unterstützung durch die Beklagte (§§ 9 ff. SGB VI) – im Rahmen der zugänglichen Behandlungen allen Ansätzen hingibt, die dazu führen, dass ihre Erwerbsfähigkeit wieder gebessert werden kann. Denn anders als von der Klägerin vorgetragen, ist eine Erwerbsminderungsrente gesetzlich nicht vorgesehen, um die zur Besserung der gesundheitlichen Situation benötigte Entlastung von finanziellen Sorgen und die dadurch ermöglichte Zeit für eine umfassende Behandlung zu ermöglichen. Vielmehr geht der Gesetzgeber bei befristeten Renten wegen Erwerbsminderung davon aus (vgl. § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB IV), dass der Erwerbsminderungsrentner an einer Besserung der Erwerbsfähigkeit ernsthaft mitwirkt. Lediglich dann, wenn diese Besserung unwahrscheinlich ist, kommt ausnahmsweise eine Dauerrente in Betracht. Vorliegend konnte der Senat mit Dr. W. und Prof. Dr. S. aber feststellen, dass eine Behebung der Erwerbsfähigkeit möglich aber zeitaufwändig langfristig ist. Daher ist eine Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegend auch im Hinblick auf die von Dr. Bu. angegebenen Persönlichkeitszüge nicht unwahrscheinlich.
Vor diesem Hintergrund konnte der Senat feststellen, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin über den 31.05.2013 hinaus weiterhin rentenrechtlich relevant vermindert ist. Sie ist nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auch nicht unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen, in einem Umfang von mindestens 3 Stunden arbeitstäglich auszuüben. Zwar ist diese Reduzierung der Erwerbsfähigkeit behebbar, doch kann die Klägerin auch bei der von ihr zu erwartenden Willensanstrengung dies nicht innerhalb eines Zeitraumes von bis zu sechs Monaten erreichen.
Damit hat die Klägerin auch über den 31.05.2013 hinaus Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Diese Rente war nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zu befristen. Die Befristung erfolgt für längstens 3 Jahre nach Rentenbeginn, sie kann wiederholt werden (§ 102 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VI). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von 9 Jahren auszugehen (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI). Weder liegt bereits eine Befristung von 9 Jahren vor, noch ist es aus den oben dargestellten Gründen unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Damit war die Rente der Klägerin vorliegend wiederholend zu befristen bis zum 31.05.2019. Das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen konnte der Senat vorliegend im Anschluss an die bis 31.05.2013 bezogene Rente feststellen.
Vor diesem Hintergrund war der Senat nicht gehalten, der Frage nachzugehen, ob die von Prof. Dr. S. angegebene qualitative Leistungseinschränkung ("keine Notwendigkeit zum beruflichen Austausch insbesondere mit männlichen Arbeitskollegen") eine seltene oder ungewöhnliche Leistungseinschränkung darstellt. Auch war er nicht gehalten, den weiteren Erkrankungen der Klägerin nachzugehen, die diese u.a. in einer Migräne, Depression, einem Tinnitus und Kniebeschwerden angegeben hatte. Denn der Senat konnte auf Grundlage der vorliegenden ärztlichen Unterlagen feststellen, dass sich insoweit keine weitergehenden Beeinträchtigungen der zeitlichen Erwerbsfähigkeit ergeben und sich hieraus auch nicht die Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ergibt.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den Gutachten von Dr. W. und Prof. Dr. S. dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung zur Feststellung der Erwerbsminderung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO).
Das Gutachten von Prof. Dr. S. war vorliegend verwertbar. Der Senat konnte nicht feststellen, dass der Gutachter Anlass für die Besorgnis der Befangenheit gegeben hat. Zwar hat die Klägerin zumindest angegeben, in den Äußerungen des Gutachters manifestiere sich eine Voreingenommenheit wegen ihrer Ablehnung von Behandlungsansätzen. Ein ausdrücklicher Antrag auf Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit (§§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 ZPO, § 202 SGG) wurde durch die Klägerin jedoch nicht gestellt. Ein solcher wäre im Übrigen auch im Berufungsverfahren unzulässig. Der Ablehnungsantrag ist nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO iVm § 202 SGG vor der Vernehmung des Sachverständigen zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur zulässig, wenn die Antragstellenden glaubhaft machen, dass sie ohne Verschulden verhindert waren, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn erst aus dem schriftlich abgefassten Gutachten der Ablehnungsgrund ersichtlich wird. In diesem Fall endet die Frist für den Ablehnungsantrag mit dem Ablauf der Frist, die das Gericht den Beteiligten zur Stellungnahme zum Gutachten eingeräumt hat. Ansonsten ist der Ablehnungsantrag unverzüglich, d.h. innerhalb einer angemessenen Überlegungszeit zu stellen (zum Ganzen Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 118 RdNr. 12l). Auch dass Prof. Dr. S. die Klägerin behandelt hat, bedeutet nicht, dass er grds. als Gutachter voreingenommen wäre oder bei einem neutralen und verständigen Beobachter bzw. Verfahrensbeteiligten der Anschein bestünde, der Arzt werde sich nicht objektiv, sachlich und neutral verhalten. Vielmehr ist in einem solchen Fall lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung eine kritische Prüfung der Befunderhebung und Beurteilung des Arztes erforderlich, aber keine grds. anzunehmende Unsachlichkeit. Insoweit konnte der Senat aber hinsichtlich der Begutachtung und Bewertung des Prof. Dr. S. die Besorgnis der Befangenheit nicht entnehmen. Weder hat er sich parteilich oder voreingenommen verhalten noch ist solches seiner Befunderhebung und Beurteilung zu entnehmen.
Darauf, ob die Gutachten von Dr. S. und Dr. H. , die auf Veranlassung der Schweizer Invaliditätskasse von der Beklagten eingeholt worden waren, im vorliegenden Verfahren aus datenschutzrechtlichen Gründen oder wegen der Besorgnis der Befangenheit unverwertbar waren – der Senat neigt zu keinem der beiden –, konnte vorliegend offen bleiben, da der Senat diese Gutachten nicht zur Stützung seiner Argumentation herangezogen hat. Auch soweit sich die Beklagte auf die Beurteilung durch Dr. S. und Dr. H. stützt, konnte der Senat aus diesen Gutachten keine Schlüsse ziehen, die – abgesehen von einer bloß anderen Beurteilung im wesentlich desselben Sachverhalts, worauf auch der sozialmedizinische Dienst der Beklagten hingewiesen hat (vgl. Blatt 216/217 der Senatsakte) – gegen die Bewertung von Dr. W. und den Ärzten der V. Kliniken sprechen bzw. diesen gegenüber vernünftige Zweifel begründen.
So kann aus den Umständen der Benutzung der Unterarmgestützen bei Dr. H. nicht auf deren Nichtnotwendigkeit geschlossen werden. Auch kann aus dem Verhalten der Klägerin bei den verschiedenen Begutachtungen nicht geschlossen werden, dass diese bei Dr. W. übertrieben, aggraviert, demonstriert, simuliert o.ä. hätte. Vielmehr haben Prof. Dr. S. und Dr. W. solches Verhalten nicht beschrieben bzw. ausdrücklich verneint.
Dass Prof. Dr. S. und die mit ihm begutachtende Dipl.-Psychologin M., wie auch Dr. W. und schon zuvor Prof. Dr. D. ein Auseinanderfallen von Befund und Beschwerden, sowohl objektiver als auch subjektiver Art, angegeben haben, bedeutet nicht, dass dies zwingend mit Aggravation, Demonstration oder Simulation zu erklären wäre. Vielmehr konnte der Senat dem Bericht der mit Prof. Dr. S. begutachtenden Dipl.-Psychologin M. entnehmen, dass dies gerade in der Persönlichkeitsstruktur im Zusammenhang mit der Schmerzerkrankung begründet ist. Die bei der Klägerin zu beobachtende psychosoziale Konstellation ist nach dem psychologischen Bericht von Dipl.-Psychologin M. geprägt von der ambivalenten Einstellung, die einerseits zu einem starken Rückzug in die eigene Wohnung und Verzicht auf Sozialkontakte führte (Gutachten von Prof. Dr. S. Seite 28= Bl. 125 SG-Akte) und andererseits eine erkennbare Sehnsucht nach Zuneigung und Akzeptiertwerden verbunden mit einer Überempfindlichkeit gegenüber Zurückweisung und Kritik bei eingeschränkter Beziehungsfähigkeit erkennen lässt (Dipl.-Psych. M. , Seite 11 ihres Berichts= Bl. 154 der SG-Akte). In diesem chronischen Nähe-Distanz-Konflikt (so Dipl.-Psych. M. , Seite 12 ihres Berichts= Bl. 155 der SG-Akte) dienen Schmerzen nach dem Verständnis des Senats funktionell dieser ambivalenten psychosozialen Konstellation folgend der "Panzerung" zur Abwehr der gefürchteten eigenen Emotionen und äußerer Einflüsse - nach Dipl.-Psych. M. sollen die Schmerzen "beschützen"- und wohl auch zur Rechtfertigung für den Rückzug und andererseits sind die Schmerzen Vehikel für das Streben nach Schutz und Fürsorge. Für den Senat hat Prof. Dr. S. nachvollziehbar dargelegt, dass diese abgewehrten Ängste den steifgehaltenen Rücken der Klägerin erklären. Die bei den unterschiedlichen orthopädischen Untersuchung demonstrierten unterschiedlichen, sich teilweise widersprechenden Bewegungseinschränkungen sind nach Prof. Dr. S. nicht einer Aggravation zuzurechnen, sondern sind letztlich Ausdruck der Schwierigkeit in der Bewertung somatoformer Störungen, die von unbewusst aufrechterhaltenen, innerpsychisch bedingten Krankheitsbildern unterhalten werden (vgl. sein Gutachten Seite 31= Bl. 128 der SG-Akte). Gerade die Krankengeschichte der Klägerin, worauf auch Prof. Dr. S. hinweist, mit mehrfachen belastenden stationären und ambulanten Behandlungsversuchen belegt auch für den Senat überzeugend, dass von einem fehlenden oder übertriebenen Leidensdruck nicht auszugehen ist.
Auch aus dem Umstand, dass die Klägerin in den V. Kliniken nur mit niedrigdosierten Schmerz- und antidepressiven Medikamenten versorgt wurde und im Blutserum ein zum Teil nur geringer, teilweise unter der Therapiegrenze liegender Nachweis von solchen Mitteln, sichtbar geworden ist, ändert entgegen der von Dr. B.-K. vertretenen Auffassung an dieser Einschätzung, dass gleichwohl ein Leidensdruck besteht, nichts.
Die Ausführungen von Dr. B.-K. in ihrer Stellungnahme vom 27.01.2017 sind bereits hinsichtlich der Aussagekraft der erhobenen Serumspiegel zu den Wirkstoffen der verabreichten Medikamente nicht ganz schlüssig. Der Gutachter Dr. H. hatte ausweislich seines Gutachtens vom 17.11.2016 eine Serumspiegelkontrolle für die Medikamente Duloxitin, Gabapentin, Citalopram und Targin veranlasst. Der Laborbefund zu dieser Wirkstoffkontrolle befindet sich nicht in der beigezogenen Beklagtenakte, gleichwohl muss er Dr. B.-K. vorgelegen haben, da sie hierauf in ihrer Stellungnahme vom 27.01.2017 Bezug nimmt. Dann ist aber für den Senat nicht verständlich, dass sie den Serumspiegel unterhalb eines therapeutisch wirksamen Bereichs für Duloxitin, Gabapentin, Citalopram und Oxicodon zum Beleg für ihre Auffassung, dass kein ausreichender Leidensdruck besteht, anführt. Oxicodon hatte der Gutachter Dr. H. gar nicht testen lassen. Dieses Medikament hatte die Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. H. auch gar nicht angegeben. Andererseits hatte Dr. H. auch Targin, ein synthetisches Opioid, das seit März 2014 anstelle des Opioidpräparats Oxygesic verabreicht wird (vgl. Gutachten von Dr. S. , Seite 4 und 28=Bl. 101 u.125 der SG-Akte), testen lassen. Der Laborbefund zu diesem Medikament wird in der Stellungnahme von Dr. B.-K. überhaupt nicht erwähnt, geschweige denn wird ein für Targin zu niedriger Serumspiegel berichtet. Außerdem wird auch zu dem Umstand, dass während der stationären Behandlung der Klägerin im Juni 2016 in den S. Kliniken in H. begonnen wurde, das Medikament Gabapentin ausschleichend durch Lamotrigin zu ersetzen (Entlassungsbericht der S. -Kliniken vom 07.06.2016), nicht Stellung genommen. Weder im Gutachten von Dr. H. noch in der Stellungnahme vom 27.01.2017 von Dr. B.-K. finden sich Ausführungen dazu, wann die stufenweise begonnene Absetzung von Gabapentin vor der Untersuchung durch Dr. H. im November 2016 beendet worden ist und der niedrige Serumspiegel für dieses Medikament nicht mit dieser therapeutischen Maßnahme im Zusammenhang steht. Letztlich hätte die von Dr. H. gutachterlich veranlasste Beschwerdenvalidierung durch die Bestimmung des Medikamentenspiegels der Vollständigkeit halber auch Ausführungen zu einer immerhin mit 5-10 % in der Bevölkerung verbreiteten normabweichenden Stoffwechselverarbeitung enthalten müssen, was leitliniengerecht gewesen wäre (vgl. Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen, AWMF-Leitlinie, Registernummer 051 - 029), um die Klägerin aus dem Kreis der "ultrarapid metabolizer" (vgl. Leilinie "Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen") auszuschließen. Über diese Ungereimtheiten hinaus ist die Schlussfolgerung von Dr. B.-K. auch aus anderen Gründen nicht überzeugend. Nach Prof. Dr. S. und Dr. W. ist bei der Klägerin als therapeutische Maßnahme eine multimodale Schmerztherapie medizinisch angezeigt. Beide Sachverständigen haben zu Recht darauf verwiesen, dass die vorangegangene medikamentöse Therapie wirkungslos geblieben ist, so dass auch nach Verständnis des Senats eine vorrangige oder schwerpunktmäßig verabreichte medikamentöse Therapie nicht zielführend ist. Auf die Notwendigkeit verhaltens- und einstellungsändernder Therapieoptionen ist in den Gutachten überzeugend hingewiesen worden. Dies ist auch deshalb überzeugend, da es leitliniengerecht ist. In der DEGAM S1-Handlungsempfehlung "Chronischer Schmerz", ebenso eine AWMF-Leitlinien (Registriernummer 053/036, Stand 9/2013, gültig bis 9/2018) und somit derzeitiger Stand der Wissenschaft und herrschende Meinung, sind im Kapitel "Therapie" mehrere Therapieformen aufgeführt, wobei die medikamentöse Therapie ausdrücklich als individuelle Dosistitration angegeben wird, was auch ihre grundsätzliche Verzichtbarkeit beinhaltet (vgl. insbesondere Leitlinie "Chronischer Schmerz", Kapitel "Schmerz und Psyche", wonach unter bestimmten Bedingungen die medikamentöse Therapie keinen Nutzen hat). Ein Hinweis für die begonnene Einleitung eines solchen Therapiekonzepts ergibt sich für den Senat aus dem Entlassungsbericht der V. Klinik, Bad R. , vom 10.03.2016. Nach Dr. N. (Stellungnahme vom 03.07.2017, Bl. 197ff der Senats-Akte) ist nach dem dort angeführten Medikamentenplan eine Minimaldosierung ärztlicherseits vorgenommen worden, was aus Sicht des Senats die medizinische Einschätzung der Sachverständigen Prof. Dr. S. und Dr. W. bestätigt, dass im Falle der Klägerin der medikamentösen Therapie allenfalls unterstützende Funktion zukommt. Entgegen der von Dr. N. vertretenen Auffassung, diese Medikamentierung widerspräche üblichen therapeutischen Standards und sollte nach "den Leitlinien" vermieden werden, ist dies nach der einschlägigen Leitlinie, wie der Senat auch den Gutachten von Prof. Dr. S. und Dr. W. entnehmen kann und oben dargelegt ist, lege artis.
Damit konnte der Senat weder feststellen, dass die Klägerin keine Schmerzen hat, noch dass ihr Vortrag der subjektiven Beschwerden alleine auf Aggravation, Demonstration oder Simulation beruht. Vielmehr konnte der Senat auch den Gutachten von Dr. S. und Dr. H. – wie es auch die Schweizer Invaliditätskasse getan hat – Umstände entnehmen, die die Einschätzung von Dr. W. stützen. So hat Dr. S. die von Dr. W. beschriebenen Sensibilitätsstörungen der Beine nachvollziehen können. Auch hat er Beeinträchtigungen beim Gehen beschrieben. Dafür konnte Dr. H. das Auseinanderfallen von objektiven und subjektiven Befunden bzw. Beschwerden bestätigen. Mit der mehrfach aber schon von Vorgutachtern angesprochenen krankheitsbedingten Erklärung setzt er sich nicht auseinander und geht pauschal von Aggravation aus. Alleine die Ergebnisse des SFSS-Test können diese Einschätzung aber nicht belastbar begründen. Ein langjähriger opioidhaltiger Schmerzmittelgebrauch ist nach den Ausführungen von Prof. Dr. S. (Seite 30 seines Gutachtens) unter Berücksichtigung der typischen, sogar behandlungsbedürftigen Nebenwirkungen, wie z.B. Obstipation, belegt. Auch Dr. W. stellt die Auswirkungen der opiathaltigen Medikamenteneinnahme in dem von ihm wiedergegebenen anamnestischen Krankheitsverlauf mit Behandlungen wegen Obstipation in den Jahren 2013 bis 2015 im Diakonieklinikum S. H. nicht infrage. Die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln und damit ein hinreichender Leidensdruck ist aus Sicht des Senats auch für diesen Zeitraum hinreichend belegt. Damit konnte der Senat den Einschätzungen von Dr. S. und Dr. H. nicht folgen.
Die Berufung der Klägerin war daher im tenorierten Umfang erfolgreich und begründet.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 31.05.2013 hinaus zusteht.
Die 1971 geborene Klägerin, Schweizer Staatsangehörige (Blatt 261 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil), war nach Erlangung des Hauptschulabschlusses von Januar 1989 bis November 1994 in der Schweiz, danach – mit Unterbrechungen durch den Bezug von Arbeitslosengeld und Krankengeld – in der Bundesrepublik Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt vom 15.08.2005 bis 10.07.2008 als Mitarbeiterin im Lager und Wareneingang. Dort erlitt sie am 14.01.2007 einen Unfall (zu einem Verfahren auf Gewährung von Verletztenrente vgl. das Berufungsverfahren L 8 U 461/17), bei dem sie beim Ausschalten eines Kompressors von einem Fass stürzte und auf den Rücken fiel. Ab 21.01.2007 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog nach dem Erhalt von Krankengeld bis 31.07.2009 Arbeitslosengeld (Blatt 9/11 der Beklagtenakte/Versichertenrente). Die Klägerin ist seit 01.03.2008 schwerbehindert (GdB 60, Merkzeichen "G", Blatt 112 der Senatsakte), sie bezog zeitweise SGB II-Leistungen (vgl. Blatt 359, 477, 479 der Beklagtenakte/Versichertenrente).
Auf ihren Antrag vom 28.01.2009 (Blatt 1/5, 19/21 der Beklagtenakte/Versichertenrente, 1/5 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 25.08.2009 (Blatt 109/115 der Beklagtenakte/Versichertenrente) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2010 (Blatt 167/169 der Beklagtenakte/Versichertenrente) die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab. Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Heilbronn wurde durch gerichtlichen Vergleich am 18.04.2012 beendet (Blatt 301 der Beklagtenakte/Versichertenrente), wonach sich die Beklagte verpflichtete, der Klägerin ausgehend von einem Leistungsfall im August 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 01.03.2010 bis einschließlich Mai 2013 zu gewähren (vgl. dazu den Bescheid vom 08.05.2012, Blatt 339 der Beklagtenakte/Versichertenrente).
Die Klägerin, die seit 01.11.2012 eine ordentliche Invalidenrente (Drei-Viertel Rente) aus der eidgenössischen Invalidenversicherung der Schweiz i.H.v. ursprünglich monatlich 262,00 CHF bezieht (Blatt 449/467 der Beklagtenakte/Versichertenrente), beantragte am 18.01.2013 (Blatt 385/395 der Beklagtenakte/Versichertenrente) bei der Beklagten die Rente wegen voller Erwerbsminderung über Mai 2013 hinaus weiter zu zahlen.
Die Beklagte zog einen Befundbericht des Orthopäden Dr. B. vom 14.01.2013 (Blatt 191/237 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) bei und holte ein Gutachten beim Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. S. ein. Dieser gab in seinem Gutachten vom 19.02.2013 (Blatt 243/257 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) einen Zustand nach Bandscheibenprothesenimplantation L5/S1 im Jahr 2009, einen Zustand nach CT-gesteuerter Infiltration in den Bereichen L4/5 und L5/S1 im August 2009, eine ISG-Denervierung rechts im August 2011, ein Asthma bronchiale seit 1990, eine chronisch rezidivierende Migräne mit Aura und Lähmungen seit 2007, eine Gonalgie beidseits mit beginnender Kniegelenksarthrose sowie eine Neurodermitis, ohne Symptomatik, mit. Die Klägerin könne unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten.
Des Weiteren holte die Beklagte ein Gutachten beim Neurologen und Psychiater Dr. H. ein. Dieser gab in seinem Gutachten vom 14.03.2013 (Blatt 263/299 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) als Erkrankungen der Klägerin somatoforme Schmerzen, Anpassungsstörungen - zum Untersuchungszeitpunkt ohne depressive Symptomatik mit Relevanz für das Leistungsvermögen -, eine behandelte Migräne und einen Zustand nach Operation im unteren LWS-Bereich an. Er hielt diese für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch für sechs Stunden und mehr leistungsfähig.
Mit Bescheid vom 05.04.2013 (Blatt 437 der Beklagtenakte/Versichertenrente) lehnte die Beklagte die (Weiter-)Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab dem 01.06.2013 ab; die Klägerin könne nach medizinischer Beurteilung wieder mindestens 6 Stunden arbeitstäglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein und sei daher nicht erwerbsgemindert.
Hiergegen erhob die Klägerin am 25.04.2013 Widerspruch (Blatt 3 der Beklagtenakte/RMG Widerspruch). Der Zustand habe sich gegenüber 2009 nicht geändert (Blatt 17 der Beklagtenakte/RMG Widerspruch). Soweit Dr. H. Aggravation und Demonstration feststelle, handele er nach dem Motto "Jeder Bittsteller ist ein Simulant". Wenn Dr. S. feststelle, der Zustand habe sich gegenüber 2009 nicht geändert, dann solle weiterhin volle Erwerbsminderung gewährt werden. Zu ihrem Widerspruch legte die Klägerin verschiedene ärztliche Unterlagen vor (Attest Dr. B. vom 04.02.2013, Bericht der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie des Kreiskrankenhauses L. vom 05.08.2013, Blatt 303/311 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil).
Der Entlassbericht zu der in der Zeit vom 18.09.2013 bis zum 09.10.2013 auf Kosten der Beklagten durchgeführten stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation vom 09.10.2013 (Blatt 313/329 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) der St. G. Vorsorge- und Rehabilitationskliniken, H. , sah die Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter drei Stunden leistungsfähig.
Nach sozialmedizinischer Beurteilung durch Dr. St. am 10.02.2014 (Blatt 331/335 der Beklagtenakte/Medizinischer Aktenteil) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 (Blatt 55/57 der Beklagtenakte/RMG Widerspruch) den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat hiergegen am 08.04.2014 beim SG Klage erhoben. Nach den Berichten lägen bei ihr seit dem Unfall starke Schmerzen trotz einliegender Bandscheibenprothese vor, mit Miktions- und Defäktionsstörungen. Es bestünden Sensibilitätsstörungen der Beine sowie ein Schwächegefühl. Aufgrund der langandauernden Schmerzen leide sie unter rezidivierender depressiver Verstimmung. Der Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Die Klägerin hat verschiedene ärztliche Berichte vorgelegt (dazu vgl. Blatt 24/33, 38/43 der SG-Akte).
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung des behandelnden Orthopäden der Klägerin, Dr. B. , als sachverständigen Zeugen. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 24.06.2014 (Blatt 49/71 der SG-Akte) u.a. angegeben, das Restleistungsvermögen betrage weniger als 3 Stunden.
Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Schmerztherapie u.a., Prof. Dr. S ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 23.04.2015 (Blatt 98/143 der SG-Akte) unter Berücksichtigung einer psychologischen Evaluation durch Dipl.-Psych. M. vom 22.04.2015 (Blatt 144/155 der SG-Akte) bei der Klägerin Rückenschmerzen mit erheblichen Muskelhartspann trotz Morphintherapie und Einbau einer Bandscheibenprothese L5/S1 bei abgewehrtem innerpsychischem Konflikt, sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei ängstlich vermeidender Persönlichkeitsstörung beschrieben. Die Schmerzstörung und die Beziehungsstörung seien Ausdruck eines primär psychosomatischen Krankheitsbildes, da im Schmerz und in der Körperspannung unerfüllte psychische Bedürfnisse abgewehrt würden. Unter der Voraussetzung, dass die Klägerin dies nicht abwehre, könne eine psychosomatisch orientierte Rehabilitationsmaßnahme oder eine nochmalige multimodale Schmerztherapie in einem Akutkrankenhaus hilfreich sein. Notwendig wäre begleitend eine Entwöhnung von der hochdosierten Morphintherapie. Bei Therapiebereitschaft sei von einer Besserung binnen sechs Monaten auszugeben. Die Klägerin sei in der Lage in ihrem Beruf als Lageristin nur noch weniger als drei Stunden zu arbeiten. Körperlich leichte bis zuweilen mittelschwere (bis 10 kg) körperliche Tätigkeiten könne die Klägerin bevorzugt unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Ein beruflicher Austausch, insbesondere mit männlichen Arbeitskollegen, sollte nicht notwendig sein.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit Schreiben vom 27.07.2015 (Blatt 146/149 der SG-Akte) unter Vorlage eines Berichts der Klinik L. vom 03.06.2015 gewandt.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Anwesenheit der Klägerin (zu deren Angaben vgl. die Niederschrift vom 20.11.2015, Blatt 161/163 der SG-Akte) hat das SG die Klage mit Urteil vom 20.11.2015 abgewiesen. Die Klägerin könne eine Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.05.2013 hinaus nicht, auch nicht auf Zeit, beanspruchen. Die Klägerin sei zwar in ihrem Leistungsvermögen durch die bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen deutlich eingeschränkt. Die sich hieraus ergebenden Beeinträchtigungen erreichten aber kein Ausmaß, das körperlich leichte Tätigkeiten in einem Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich nicht mehr zulasse. Die bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen begründeten allenfalls eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit, die aber durch therapeutische Maßnahmen, nämlich einer Entwöhnung von den hochdosierten Morphingaben und der Durchführung einer multimodalen Schmerztherapie sowie einer – von der Klägerin bereits in Angriff genommenen – Psychotherapie binnen eines Zeitraums von sechs Monaten verbessert werden könnten.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 21.12.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.01.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Ihr Restleistungsvermögen liege unter drei Stunden. Neben den körperlichen Leiden, insbesondere der schweren Schmerzstörung, bestünden auch die psychischen Leiden. Bedauerlicherweise seien diese infolge des fehlerhaften Gutachtens von Prof. Dr. S. nicht gewürdigt. Der Gutachter hätte als behandelnder Arzt schon nicht als Gerichtsgutachter beauftragt werden dürfen. Sie sei bei Prof. Dr. S. in Behandlung und habe als Patientin einen Behandlungsvorschlag abgelehnt. Bei dieser Sachlage hätte dem SG auffallen müssen, dass seine Unabhängigkeit gefährdet erscheinen dürfte. Über die Bedenken der Klägerin habe sich das Gericht auch noch mit dem Hinweis hinweggesetzt, es sei für die Klägerin vorteilhaft, wenn der Gutachter sie kennte. Eine wohlwollende Arzt-Patienten-Beziehung möge vielleicht vorteilhaft erscheinen, eine gescheiterte jedenfalls sei keine Basis für eine unabhängige und vor allem zutreffende Beurteilung. Das Gutachten lese sich, als wenn der Gutachter ihr jetzt mittels Gerichtsgutachten nochmals vorschreiben wolle, was sie aus seiner Sicht als behandelnder Arzt tun solle - allerdings auf einem Gebiet, das nicht seinen fachlichen Schwerpunkt bilde. Wenn sie sich daran nicht halte, benötige sie offenbar diese Behandlung nicht und könne dann ja arbeiten. Der darin enthaltene Vorwurf, den sich das SG zu Eigen mache, sei in zweifacher Hinsicht unzutreffend. Ein Patient, der nach einem Unfall und mehreren Operationen mit dauernden starken körperlichen Schmerzen zum Arzt (Orthopäde) gehe, darf "unerfüllte psychische Bedürfnisse" als Ursache für Körperspannung und Schmerzen zunächst als esoterisch empfinden. Zum anderen könne mangelnde Krankheitseinsicht bei psychischen Beeinträchtigungen auch Teil der Erkrankung sein. Statt auf Vorwürfe und eine vorgefasste Meinung hätte man sich eher auf den tatsächlichen Zustand konzentrieren sollen. Dies hätte dazu geführt, dass die körperlichen Beeinträchtigungen nicht vernachlässigt und die psychischen richtig erfasst worden wären. Auch das SG sehe Hinweise für eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit und führe dann auf, was sie noch alles tun müsse, damit die Erwerbsfähigkeit wieder hergestellt werden könne. Ebenso bringe der Gutachter seine Behandlungsvorstellungen nochmals zum Ausdruck. Ob sie etwas tun könne - oder eben nicht, weil sie psychisch dazu nicht in der Lage sei – sei kein Grund, die Rente zu versagen. Hier müsse bis zur Wiederherstellung die mangelnde Erwerbsfähigkeit ausgeglichen werden. Im Hinblick auf die Psyche sei sie derzeit bei Prof. Dr. R. in W. und ab Ende Mai im Klinikum W. in Behandlung. Sie sei zumindest derzeit noch und bis auf weiteres vollständig erwerbsgemindert. Die Klägerin hat zunächst vorgelegt - einen Bericht der V. -Klinik Bad R. vom 10.03.2016 (Blatt 21/31 der Senatsakte). - ein Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Bu. vom 04.02.2016 (Blatt 33 der Senatsakte), Die Klägerin hat am 15.04.2016 bei der Beklagten erneut die Weiterzahlung der Rente beantragt (Blatt 35, 36 der Senatsakte).
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.11.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 05.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 31.05.2013 hinaus auf Zeit befristet bis 31.05.2019 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie hat eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. L. vom 03.06.2016 (Blatt 37 der Senatsakte) vorgelegt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädisch-traumatologischen Gutachtens beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. W ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 14.08.2016 (Blatt 43/1099 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 09.08.2016) einen Zustand nach Bandscheibenimplantat L5/S1 mit chronischer Lumboischialgie und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Komponenten beschrieben. Anlässlich der Begutachtung hätten sich im Vergleich zu den mehrfach erhobenen Vorbefunden keine weiteren Erkenntnisse ergeben. Es bestehe nach wie vor eine erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule aufgrund einer ausgeprägten Verspannungsproblematik der paravertebralen Muskulatur. Weiterhin würden linksseitig entsprechend des Dermatoms S1 Sensibilitätsabschwächung an der Unterschenkelaußenseite und am Fußaußenrand beschrieben. Motorische Defizite lägen nicht vor. An der subjektiven Wahrnehmung der Schmerzempfindungen und der körperlichen Einschränkungen hätten sich anlässlich der Begutachtung und Befragung ebenfalls keine Abweichungen zu Vorbefunden und anamnestischen Angaben bei früheren Untersuchungen ergeben. Insbesondere könne der ausführliche orthopädisch-körperlichen Befund als auch die wohl eindeutig im Vordergrund stehenden psychopathologischen Veränderungen, die im Gutachten von Prof. S. beschrieben worden seien, bezüglich des orthopädisch-klinischen Befundes voll umfänglich bestätigt werden. Jedoch ergebe der körperliche Befund einen lumbalen Muskelhartspann, der seit Jahren bestehend nachvollziehbar dokumentiert und vorhanden sei. Aufgrund der Gesamtsituation halte er die Klägerin aktuell nicht in der Lage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine Erwerbstätigkeit von mehr als 3 Stunden sei ebenfalls nicht möglich, da durch Willenskraft eine Überwindung der Lendenwirbelsäulenfixierung nicht möglich erscheine und die psychischen Faktoren durch die laufende ambulante Psychotherapie bisher nicht ansatzweise aufgearbeitet werden konnten.
Die Beklagte hat die Gutachten von Dr. S. vom 19.10.2016 und Dr. H. vom 17.11.2016, die sie im Auftrag der Schweizer Ausgleichskasse erstellen hat lassen, sowie eine sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. B.-K. vom 27.01.2017 (Blatt 116/117 der Senatsakte) vorgelegt.
Der Unfallchirurg/Orthopäde Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 19.10.2016 (Blatt 118/157 der Senatsakte; Untersuchung der Klägerin am 11.10.2016) ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom nach Bandscheibenprothesenimplantation L5/S1 2/2009, Infiltration L4/5 + L5/S1 8/2009, ISG-Denervierung rechts 2011, eine beginnende Retropatellararthrose rechts ) links ohne wesentliche Funktionseinschränkung, Sprunggelenksbeschwerden links ohne wesentliche Funktionsstörung, eine somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine Opiatabhängigkeit angegeben und die Klägerin für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen für vollschichtig leistungsfähig gehalten.
Der Neurologe und Psychiater Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 17.11.2016 (Blatt 158/175 der Senatsakte; Untersuchung am 16.11.2016) eine Somatisierung, insbesondere mit somatoformen Schmerzen, Hinweise auf eine Anpassungsstörung (DD: Dysthymie), eine berichtete spezifische Phobie und Angaben von Wirbelsäulenbeschwerden dargestellt und die Klägerin für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten für vollschichtig leistungsfähig erachtet.
Die Sozialmedizinerin Dr. B.-K. hat in ihrer Stellungnahme auf vergleichbare orthopädische Befunde verwiesen, jedoch ausgeführt, die Klägerin habe selbst eher große Zeitabstände zu ambulanter nervenärztlicher Behandlung sowie auch in der ambulanten Psychotherapie angegeben. Weiterhin sei der beschriebene Leidensdruck bzw. die Therapietreue zusätzlich zu hinterfragen, da die Medikamenteneinnahme z.T. eher unregelmäßig beschrieben werde, was auch die durchgeführte Spiegelkontrolle zeige. Dort sei z.B. für das Antidepressivum Duloxetin und Citalopram ein deutlich kaum nachweisbarer Spiegel festgestellt worden, Duloxetin sei nur unterhalb des Talspiegels nachweisbar gewesen. Ebenfalls habe der Serumspiegel für Gabapentin deutlich unterhalb des therapeutischen Bereiches gelegen.
Die Klägerin hat sich mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 09.05.2017 (Blatt 181/190 der Senatsakte) geäußert und u.a. ausgeführt, in psychiatrischer Hinsicht werde aktuell eine anhaltende Erwerbsunfähigkeit durch Dr. Bu. und das Klinikum W. bestätigt. Eine empfohlene stationäre Psychotherapie (nach Möglichkeit unter Mitbehandlung der körperlichen Einschränkungen) werde seitens Dr. Bu. verfolgt, scheitere aber derzeit immer noch am laufenden Rentenverfahren bzw. den Vorbehalten der Kliniken deswegen. Das schweizerische Invalidenrentenamt folge dem Gutachten Dr. W. und willige weiterhin Invaliditätsrente zu. Es erscheine fast so, als habe die Beklagte bewusst in Erwartung eines Ergebnisses der Begutachtung durch Dr. W. die beiden Gutachter anlässlich der Amtshilfe für die schweizerische Invalidenversicherungsstelle für den vorliegenden Rechtsstreit erneut, aber mit aktuellem Datum einbringen wollen. Insbesondere in Bezug auf Dr. H. könne man sich zwischenzeitlich des Eindrucks nicht erwehren, als stelle dieser formularmäßig Aggravation und Demonstration fest. Die Klägerin hat vorgelegt - einen Bericht des Orthopäden Dr. N. vom 17.03.2017 (Blatt 183/184 der Senatsakte), - einen Kurzbrief des Klinikums am W. vom 03.02.2017 (Blatt 185/186 der Senatsakte), - eine Stellungnahme von Dr. Bu. vom 12.04.2017 (Blatt 187/188 der Senatsakte), - den Rentenbescheid der Invalidenversicherungsstelle vom 06.03.2017 (Blatt 189/190 der Senatsakte). Im Übrigen hat die Klägerin sich mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 10.05.2017 (Blatt 191/195 der Senatsakte) mit dem Gutachten von Dr. H. auseinandergesetzt und diesen als aggressiv, an seinem Vorgutachten festhaltend und sie falsch einschätzend beschrieben. Auch hat sie sich zum Gutachten von Dr. S. geäußert. Für eine Besserung der gesundheitlichen Situation benötige sie die Entlastung von ihren finanziellen Sorgen und die dadurch ermöglichte Zeit für eine diesmal vielleicht richtige und umfassende Behandlung, die ihr nach den bisherigen Ablehnungen erst nach Abschluss des Verfahrens offenstehen werde. Eine Besserung innerhalb eines halben Jahres dürfe dabei nach dem bisherigen Verlauf als ausgeschlossen gelten.
Die Beklagte ist dem unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. N. vom 03.07.2017 (Blatt 197/198 der Senatsakte) entgegengetreten.
Die Klägerin hat sich nunmehr erneut geäußert (Schreiben vom 01.09.2017, Blatt 202/223 der Senatsakte). Urkundbeweislich und aktenkundlich seien Dr. S. und Dr. H. "vorbefasst" gewesen hinsichtlich der neuerlichen Untersuchung. Aufgrund deren vormaliger Begutachtung, des Inhalts der neuerlichen Gutachten und der Art und Weise der Begutachtung werde diesen Voreingenommenheit und Befangenheit unterstellt. Nach dem vorliegenden prozessualen Material sei dies geboten. Es frage sich auch, weshalb im deutschen Rentenverfahren zwei Gutachten verwendet würden, die für das Schweizer Rechtssystem bzw. die Schweizer Rentenversicherung erstellt worden seien. Es bleibe bei dem Vorwurf, dass die Beklagte die Schweizer Anfrage als prozessualen Glücksfall für das eigene, deutsche Verfahren benutze und die Gutachter H. und S. im Hinblick darauf strategisch ausgewählt habe. Aufgrund ihrer starken Beeinträchtigungen sei sie in mehrfacher Hinsicht nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Wolle man ihr die Heilung ermöglichen – sofern dies möglich sei – dann müsse man ihr auch in finanzieller Hinsicht die Zeit dafür geben. Dass der Kampf um die Rente, die immer weiteren Begutachtungen und die ständige Ungewissheit eine sehr große (zusätzlich) psychische Belastung darstelle, erschließe sich auch dem medizinischen Laien ohne weiteres. Die Klägerin hat nun vorgelegt - einen Bericht der V. -Kliniken vom 10.03.2016 (Blatt 204/214 der Senatsakte), - ein Schreiben von Dr. M.-W. (Klinikum am W. ) vom 28.07.2017 (Blatt 215/216 der Senatsakte), - einen Bericht des Lungenfacharztes Dr. St. vom 23.05.2017 (Blatt 217 der Senatsakte), - einen Bericht der S. -Kliniken H. vom 12.05.2017 (Blatt 218/219 der Senatsakte), - ein Schreibendes Klinikums am W. vom 13.05.2017 (Blatt 220 der Senatsakte), - einen Bericht des Klinikums G. vom 12.06.2017 (Blatt 221 der Senatsakte) - einen Laborbefund (Blatt 222/223 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und in der Sache auch begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.05.2013 hinaus auf Zeit bis zum 31.05.2019. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 05.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 ist daher rechtswidrig. Auch das die Klage abweisende Urteil des SG vom 20.11.2015 verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Der Senat konnte feststellen, dass die Klägerin am 01.06.2013 nicht in der Lage war und seither ununterbrochen nicht in der Lage ist, wegen ihrer Erkrankungen einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch hinsichtlich leichter Tätigkeiten und auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen im Umfang von mindestens 3 Stunden arbeitstäglich (mithin an 5 Tagen pro Woche) nachzugehen. Sie ist daher voll erwerbsgemindert.
Befristete Renten wegen Erwerbsminderung können verlängert werden. Dabei verbleibt es nach § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Mit dieser durch Art 1 N. 32 Buchst a) Doppelbuchst aa) RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554) mit Wirkung ab 01.05.2007 (Art 27 Abs. 7 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) eingefügten Regelung wird bestimmt, dass lediglich eine Verlängerung der anfänglichen Befristung erfolgt, es beim ursprünglichen Rentenbeginn verbleibt und eine Folgerente ohne Neuberechnung im Umfang der bisherigen Rente weiterzuzahlen ist (BT-Drs. 16/3794 S 37).
Bei einem Antrag, eine befristet bewilligte Rente wegen Erwerbsminderung weiterzuzahlen, bedarf es keines Nachweises, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen im Sinne von § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegenüber denen, die der Bewilligung zugrunde lagen, eingetreten ist. Die Entscheidung, ob dem Versicherten nach Ablauf des Bewilligungszeitraums der Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit zusteht, ist nicht bloß die Verlängerung einer früher bereits dem Grunde nach anerkannten Sozialleistung, sondern stellt die eigenständige und vollinhaltlich erneute ("wiederholte") Bewilligung der beantragten Rente dar. Bei der Zuerkennung einer Rente auf Zeit richtet sich der Wille des Versicherungsträgers von vornherein nur auf die Gewährung von Rente für diese Zeit und es fehlt infolgedessen für die darüber hinausreichende Zeit an jeder für den Versicherten positiven Regelung durch den Versicherungsträger (BSG 26.6.1990 - 5 RJ 62/89 -, juris, Rn. 17).
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann und er damit nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage an sich nur teilweise erwerbsgemindert ist (sog abstrakte Betrachtungsweise), ihm aber der Teilzeitarbeitsmarkt tatsächlich verschlossen ist (sog konkrete Betrachtungsweise).
Der Eintritt einer rentenberechtigenden Leistungsminderung muss im Wege des Vollbeweises festgestellt sein, vernünftige Zweifel am Bestehen der Einschränkungen dürfen nicht bestehen. Gemessen daran konnte der Senat mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin über den 31.05.2013 hinaus weiterhin rentenrechtlich relevant vermindert ist. Sie ist auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens 3 Stunden auszuüben.
Vorliegend konnte der Senat feststellen, dass bei der Klägerin ein Zustand nach Bandscheibenimplantat L5/S1 mit chronischer Lumboischialgie und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Komponenten besteht. Das konnte der Senat den Gutachten von Prof. Dr. S. und dem Gutachten von Dr. W. entnehmen. Auch die Gutachter Dr. S. und Dr. H. haben nichts mitteilen können, was dieser Diagnosestellung entgegen steht. Da bereits diese Erkrankungen dazu führen, dass die Klägerin in ihrer Erwerbsfähigkeit auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter 3 Stunden arbeitstäglich begrenzt ist, kommt es nicht darauf an, ob die Erkrankung der Klägerin (auch) als Depression bzw. depressive Episode zu bewerten ist.
Mit dem Gutachter des Senats, Dr. W. , konnte der Senat feststellen, dass Erkrankung der Lendenwirbelsäule und die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Komponenten sich funktionell auf die Erwerbsfähigkeit auswirken. So resultieren die Funktionsbeeinträchtigungen der Lendenwirbelsäule aus einer in mehrfachen Befunderhebungen – selbst der sozialmedizinische Dienst der Beklagten spricht von vergleichbaren Befunden (vgl. Blatt 116/117 der Senatsakte) – dokumentierter schmerzhafter dauernder Hartspannbildung und Bewegungseinschränkungen. Diese bedingen im Alltag eine dauerhafte Einschränkung der Belastbarkeit des Achsenorgans. Daraus konnte der Senat mit dem Gutachter Dr. W. den Schluss ziehen, dass der Klägerin in dem Zustand, der sich bei der Begutachtung gezeigt hatte und der auch in Voruntersuchungen, z.B. bei Prof. Dr. S. , mehrmals festgestellt wurde, auch leichte Tätigkeiten, insbesondere ohne die Möglichkeit des häufigen Wechsels der Körperhaltung nur sehr eingeschränkt möglich sind. Insoweit konnte der Senat feststellen, dass eine zeitliche Beschränkung auf unter 3 Stunden arbeitstäglich besteht. Diese zeitliche Limitierung der Erwerbsfähigkeit ist auch nicht durch die Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen, wie sie Prof. Dr. S. , Dr. S. und Dr. H. angegeben haben, oder durch besondere Arbeitsbedingungen zu verändern.
Zwar spricht mit den Gutachten von Prof. Dr. S. , der – wie die Klägerin zuletzt zutreffend ausgeführt hat – erstmals auf die Verknüpfung des organischen mit dem psychischen Befund hingewiesen hatte, und Dr. W. viel dafür, dass nur die durch die Erkrankung der Wirbelsäule hervorgerufenen Funktionsbeeinträchtigungen alleine nicht ausreichen, um die Erwerbsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht auf unter 3 Stunden arbeitstäglich zu limitieren. Vielmehr ergibt sich diese zeitliche Beschränkung aus dem von Dr. W. beschriebenen Zusammenwirken der orthopädischen Bewegungseinschränkungen der Lendenwirbelsäulenerkrankung mit den somatischen Auswirkungen der chronischen Schmerzerkrankung. Dies hat Dr. W. dahingehend beschrieben, dass es sich um eine Überschneidung zwischen orthopädischen und psychiatrischen Ursachen handelt. Die Schmerzproblematik im Bereich der Lendenwirbelsäule lässt sich alleine durch somatische Veränderungen, nämlich den Zustand nach Implantation einer künstlichen Bandscheibe mit regelrechtem Bandscheibensitz und bildgebend unauffälligem Befund bei in jüngerer Vergangenheit vielfach durchgeführter und kontrollierter Diagnostik nicht erklären. Wie sowohl im Gutachten von Prof. Dr. S. als auch anlässlich der psychosomatisch und psychiatrischen Befundung beschrieben, besteht ein chronisches Schmerzsyndrom auf Grundlage somatischer und wohl überwiegend psychischer Faktoren. Dies führt bei der Klägerin dazu, dass ein dauerhafter Muskelhartspann mit Bewegungseinschränkungen besteht, der in den Auswirkungen vergleichbar mit einer akuten – bei der Klägerin aber dauerhaft bestehenden –Lumbago ist und daher auch leichte Tätigkeiten unmöglicht macht, da auch solche Tätigkeiten weder im Sitzen, noch im Stehen, noch im Gehen aufgrund der bestehenden Schmerzen in zumutbarer Weise möglich sind. Dieser Zustand besteht bei der Klägerin als somatische Ausprägung der chronischen Schmerzerkrankung aber auf Dauer und bedarf auch nicht – anders als bei der akuten Lumbago – grds. keiner Behandlung, noch handelt es sich um einen bloß vorübergehenden Zustand. Vielmehr besteht dieser Zustand bei der Klägerin solange die chronische Schmerzerkrankung nicht entscheidend therapiert ist. So hat die mit Prof. Dr. S. begutachtende und insoweit ausreichend fachkundige Dipl.-Psychologin M. ausgeführt, die Klägerin habe ihren Körper mit extremer körperlicher Anspannung zu einem "Schutzpanzer" verhärtet und vermeide zwar aktiv, aber nicht (ganz) bewusst Behandlungen, die zu – als belastend befürchteten – Emotionen, Erinnerungen und Schmerzen führen könnten (Blatt 154 der SG-Akte = Seite 11 des Berichts). Diese fehlende Bereitschaft, sich einer solchen spezifischen, aber medizinisch indizierten Therapie zu unterziehen, ist für den Senat damit nachvollziehbar als Symptom der psychischen Erkrankung, der Schmerzstörung, beschrieben. Diese Symptomatik kann nur durch die Einbeziehung in ein Therapiekonzept überwunden werden; keinesfalls ist nach den insoweit überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. S. , Dipl.-Psychologin M. und Dr. W. davon auszugehen, dass die Klägerin ohne therapeutische Unterstützung die durch ihre psychosoziale Disposition verursachte Muskelverspannung der Wirbelsäule als Ausdruck ihres psychischen "Panzers" sowie die der psychologischen Dynamik zu Grunde liegenden psychischen Strukturen allein überwinden kann.
Der Senat konnte mit Dr. W. feststellen, dass eine Therapie – anders als von Prof. Dr. S. angenommen – nicht in nur sechs Monaten zu einer rentenrechtlich relevanten Besserung der Beschwerden und der Erwerbsfähigkeit führen wird. Vielmehr konnte Dr. W. , was auch durch die Beurteilung der V. -Kliniken, des Dr. Bu. und der Rehaklinik St. G. , H. , bestätigt ist, für den Senat überzeugend darlegen, dass eine solche Therapie bei einem derart chronifizierten und durch die besondere psychisch/soziale Konstellation verursachten Schmerzzustand deutlich über sechs Monate dauert, wobei die vielfachen vorausgegangenen, auch mehrfach stationären Behandlungsversuche, die ohne Erfolg geblieben sind, dies auch nahelegen. So hat die mit Prof. Dr. S. begutachtende Dipl.-Psychologin M. ausgeführt, es sei eine längerfristige ambulante Psychotherapie erforderlich (Blatt 155 der SG-Akte = Seite 12 des Berichts). Eine psychosomatisch orientierte Rehabilitationsmaßnahme oder eine nochmalige multimodale Schmerztherapie in einem Akutkrankenhaus, jeweils mit fortgeführter ambulanter Psychotherapie kann insoweit hilfreich sein und eine Lockerung der angespannten Rückenmuskulatur bewirken. Begleitend sei eine Entwöhnung von der hochdosierten Morphintherapie notwendig. Diese Vorschläge von Prof. Dr. S. wurden mittlerweile in der V. Klinik Bad R. sowie anschließend in ambulanter Behandlung fortgesetzt. So nimmt die Klägerin ambulante psychiatrische, psychotherapeutische bzw. schmerztherapeutische Behandlungen bei der Therapeutin Dr. M.-W. (Klinikum am W. ) und bei Dr. Bu. in Anspruch, ebenso wie vorübergehende stationäre Therapien in der V.-Klinik Bad R ...
Die weitergehenden Ansätze zu einer multimodalen Schmerztherapie in der Universitätsklinik H. waren bisher im Hinblick auf das Rentenverfahren von den Behandlern abgelehnt worden; klare diesbezügliche Behandlungsempfehlungen waren zweimal durch Ablehnung der ins Auge gefassten Klinik gescheitert. So hat auch u.a. die Abteilung von Prof. S. der Orthopädischen Universitätsklinik H. selbst aufgrund des laufenden Rentenverfahrens eine Behandlung abgelehnt. Mit der derzeitigen Therapie verfolgt die Klägerin daher in ausreichendem Umfang die ihr möglichen Behandlungsansätze weiter.
Damit handelt es sich bei der Erkrankung der Klägerin, wie auch den daraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen, nicht um eine nur vorübergehende oder innerhalb von sechs Monaten therapierbare bzw. rentenrelevant besserbare Erscheinung. Vielmehr bedarf die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin einer sechs Monate überdauernden Therapie. Dass einzelne Therapeuten die Klägerin im Hinblick auf das Zusammentreffen von Therapie und Rentenverfahren als austherapiert bzw. weitere Therapieansätze als ohne Nutzen, Sinn oder Gewinn bezeichnet haben, steht dem nicht entgegen. Denn nach Wegfallen des – von der Universitätsklinik H. so bezeichneten – Zielkonflikts kann die bereits 2012 als indiziert angesehene weitere Schmerztherapie durchgeführt werden. Andererseits erwartet der Gesetzgeber aber von der Klägerin auch, dass sie sich – auch mittels Unterstützung durch die Beklagte (§§ 9 ff. SGB VI) – im Rahmen der zugänglichen Behandlungen allen Ansätzen hingibt, die dazu führen, dass ihre Erwerbsfähigkeit wieder gebessert werden kann. Denn anders als von der Klägerin vorgetragen, ist eine Erwerbsminderungsrente gesetzlich nicht vorgesehen, um die zur Besserung der gesundheitlichen Situation benötigte Entlastung von finanziellen Sorgen und die dadurch ermöglichte Zeit für eine umfassende Behandlung zu ermöglichen. Vielmehr geht der Gesetzgeber bei befristeten Renten wegen Erwerbsminderung davon aus (vgl. § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB IV), dass der Erwerbsminderungsrentner an einer Besserung der Erwerbsfähigkeit ernsthaft mitwirkt. Lediglich dann, wenn diese Besserung unwahrscheinlich ist, kommt ausnahmsweise eine Dauerrente in Betracht. Vorliegend konnte der Senat mit Dr. W. und Prof. Dr. S. aber feststellen, dass eine Behebung der Erwerbsfähigkeit möglich aber zeitaufwändig langfristig ist. Daher ist eine Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegend auch im Hinblick auf die von Dr. Bu. angegebenen Persönlichkeitszüge nicht unwahrscheinlich.
Vor diesem Hintergrund konnte der Senat feststellen, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin über den 31.05.2013 hinaus weiterhin rentenrechtlich relevant vermindert ist. Sie ist nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auch nicht unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen, in einem Umfang von mindestens 3 Stunden arbeitstäglich auszuüben. Zwar ist diese Reduzierung der Erwerbsfähigkeit behebbar, doch kann die Klägerin auch bei der von ihr zu erwartenden Willensanstrengung dies nicht innerhalb eines Zeitraumes von bis zu sechs Monaten erreichen.
Damit hat die Klägerin auch über den 31.05.2013 hinaus Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Diese Rente war nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zu befristen. Die Befristung erfolgt für längstens 3 Jahre nach Rentenbeginn, sie kann wiederholt werden (§ 102 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VI). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von 9 Jahren auszugehen (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI). Weder liegt bereits eine Befristung von 9 Jahren vor, noch ist es aus den oben dargestellten Gründen unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Damit war die Rente der Klägerin vorliegend wiederholend zu befristen bis zum 31.05.2019. Das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen konnte der Senat vorliegend im Anschluss an die bis 31.05.2013 bezogene Rente feststellen.
Vor diesem Hintergrund war der Senat nicht gehalten, der Frage nachzugehen, ob die von Prof. Dr. S. angegebene qualitative Leistungseinschränkung ("keine Notwendigkeit zum beruflichen Austausch insbesondere mit männlichen Arbeitskollegen") eine seltene oder ungewöhnliche Leistungseinschränkung darstellt. Auch war er nicht gehalten, den weiteren Erkrankungen der Klägerin nachzugehen, die diese u.a. in einer Migräne, Depression, einem Tinnitus und Kniebeschwerden angegeben hatte. Denn der Senat konnte auf Grundlage der vorliegenden ärztlichen Unterlagen feststellen, dass sich insoweit keine weitergehenden Beeinträchtigungen der zeitlichen Erwerbsfähigkeit ergeben und sich hieraus auch nicht die Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ergibt.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den Gutachten von Dr. W. und Prof. Dr. S. dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung zur Feststellung der Erwerbsminderung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO).
Das Gutachten von Prof. Dr. S. war vorliegend verwertbar. Der Senat konnte nicht feststellen, dass der Gutachter Anlass für die Besorgnis der Befangenheit gegeben hat. Zwar hat die Klägerin zumindest angegeben, in den Äußerungen des Gutachters manifestiere sich eine Voreingenommenheit wegen ihrer Ablehnung von Behandlungsansätzen. Ein ausdrücklicher Antrag auf Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit (§§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 ZPO, § 202 SGG) wurde durch die Klägerin jedoch nicht gestellt. Ein solcher wäre im Übrigen auch im Berufungsverfahren unzulässig. Der Ablehnungsantrag ist nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO iVm § 202 SGG vor der Vernehmung des Sachverständigen zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur zulässig, wenn die Antragstellenden glaubhaft machen, dass sie ohne Verschulden verhindert waren, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn erst aus dem schriftlich abgefassten Gutachten der Ablehnungsgrund ersichtlich wird. In diesem Fall endet die Frist für den Ablehnungsantrag mit dem Ablauf der Frist, die das Gericht den Beteiligten zur Stellungnahme zum Gutachten eingeräumt hat. Ansonsten ist der Ablehnungsantrag unverzüglich, d.h. innerhalb einer angemessenen Überlegungszeit zu stellen (zum Ganzen Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 118 RdNr. 12l). Auch dass Prof. Dr. S. die Klägerin behandelt hat, bedeutet nicht, dass er grds. als Gutachter voreingenommen wäre oder bei einem neutralen und verständigen Beobachter bzw. Verfahrensbeteiligten der Anschein bestünde, der Arzt werde sich nicht objektiv, sachlich und neutral verhalten. Vielmehr ist in einem solchen Fall lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung eine kritische Prüfung der Befunderhebung und Beurteilung des Arztes erforderlich, aber keine grds. anzunehmende Unsachlichkeit. Insoweit konnte der Senat aber hinsichtlich der Begutachtung und Bewertung des Prof. Dr. S. die Besorgnis der Befangenheit nicht entnehmen. Weder hat er sich parteilich oder voreingenommen verhalten noch ist solches seiner Befunderhebung und Beurteilung zu entnehmen.
Darauf, ob die Gutachten von Dr. S. und Dr. H. , die auf Veranlassung der Schweizer Invaliditätskasse von der Beklagten eingeholt worden waren, im vorliegenden Verfahren aus datenschutzrechtlichen Gründen oder wegen der Besorgnis der Befangenheit unverwertbar waren – der Senat neigt zu keinem der beiden –, konnte vorliegend offen bleiben, da der Senat diese Gutachten nicht zur Stützung seiner Argumentation herangezogen hat. Auch soweit sich die Beklagte auf die Beurteilung durch Dr. S. und Dr. H. stützt, konnte der Senat aus diesen Gutachten keine Schlüsse ziehen, die – abgesehen von einer bloß anderen Beurteilung im wesentlich desselben Sachverhalts, worauf auch der sozialmedizinische Dienst der Beklagten hingewiesen hat (vgl. Blatt 216/217 der Senatsakte) – gegen die Bewertung von Dr. W. und den Ärzten der V. Kliniken sprechen bzw. diesen gegenüber vernünftige Zweifel begründen.
So kann aus den Umständen der Benutzung der Unterarmgestützen bei Dr. H. nicht auf deren Nichtnotwendigkeit geschlossen werden. Auch kann aus dem Verhalten der Klägerin bei den verschiedenen Begutachtungen nicht geschlossen werden, dass diese bei Dr. W. übertrieben, aggraviert, demonstriert, simuliert o.ä. hätte. Vielmehr haben Prof. Dr. S. und Dr. W. solches Verhalten nicht beschrieben bzw. ausdrücklich verneint.
Dass Prof. Dr. S. und die mit ihm begutachtende Dipl.-Psychologin M., wie auch Dr. W. und schon zuvor Prof. Dr. D. ein Auseinanderfallen von Befund und Beschwerden, sowohl objektiver als auch subjektiver Art, angegeben haben, bedeutet nicht, dass dies zwingend mit Aggravation, Demonstration oder Simulation zu erklären wäre. Vielmehr konnte der Senat dem Bericht der mit Prof. Dr. S. begutachtenden Dipl.-Psychologin M. entnehmen, dass dies gerade in der Persönlichkeitsstruktur im Zusammenhang mit der Schmerzerkrankung begründet ist. Die bei der Klägerin zu beobachtende psychosoziale Konstellation ist nach dem psychologischen Bericht von Dipl.-Psychologin M. geprägt von der ambivalenten Einstellung, die einerseits zu einem starken Rückzug in die eigene Wohnung und Verzicht auf Sozialkontakte führte (Gutachten von Prof. Dr. S. Seite 28= Bl. 125 SG-Akte) und andererseits eine erkennbare Sehnsucht nach Zuneigung und Akzeptiertwerden verbunden mit einer Überempfindlichkeit gegenüber Zurückweisung und Kritik bei eingeschränkter Beziehungsfähigkeit erkennen lässt (Dipl.-Psych. M. , Seite 11 ihres Berichts= Bl. 154 der SG-Akte). In diesem chronischen Nähe-Distanz-Konflikt (so Dipl.-Psych. M. , Seite 12 ihres Berichts= Bl. 155 der SG-Akte) dienen Schmerzen nach dem Verständnis des Senats funktionell dieser ambivalenten psychosozialen Konstellation folgend der "Panzerung" zur Abwehr der gefürchteten eigenen Emotionen und äußerer Einflüsse - nach Dipl.-Psych. M. sollen die Schmerzen "beschützen"- und wohl auch zur Rechtfertigung für den Rückzug und andererseits sind die Schmerzen Vehikel für das Streben nach Schutz und Fürsorge. Für den Senat hat Prof. Dr. S. nachvollziehbar dargelegt, dass diese abgewehrten Ängste den steifgehaltenen Rücken der Klägerin erklären. Die bei den unterschiedlichen orthopädischen Untersuchung demonstrierten unterschiedlichen, sich teilweise widersprechenden Bewegungseinschränkungen sind nach Prof. Dr. S. nicht einer Aggravation zuzurechnen, sondern sind letztlich Ausdruck der Schwierigkeit in der Bewertung somatoformer Störungen, die von unbewusst aufrechterhaltenen, innerpsychisch bedingten Krankheitsbildern unterhalten werden (vgl. sein Gutachten Seite 31= Bl. 128 der SG-Akte). Gerade die Krankengeschichte der Klägerin, worauf auch Prof. Dr. S. hinweist, mit mehrfachen belastenden stationären und ambulanten Behandlungsversuchen belegt auch für den Senat überzeugend, dass von einem fehlenden oder übertriebenen Leidensdruck nicht auszugehen ist.
Auch aus dem Umstand, dass die Klägerin in den V. Kliniken nur mit niedrigdosierten Schmerz- und antidepressiven Medikamenten versorgt wurde und im Blutserum ein zum Teil nur geringer, teilweise unter der Therapiegrenze liegender Nachweis von solchen Mitteln, sichtbar geworden ist, ändert entgegen der von Dr. B.-K. vertretenen Auffassung an dieser Einschätzung, dass gleichwohl ein Leidensdruck besteht, nichts.
Die Ausführungen von Dr. B.-K. in ihrer Stellungnahme vom 27.01.2017 sind bereits hinsichtlich der Aussagekraft der erhobenen Serumspiegel zu den Wirkstoffen der verabreichten Medikamente nicht ganz schlüssig. Der Gutachter Dr. H. hatte ausweislich seines Gutachtens vom 17.11.2016 eine Serumspiegelkontrolle für die Medikamente Duloxitin, Gabapentin, Citalopram und Targin veranlasst. Der Laborbefund zu dieser Wirkstoffkontrolle befindet sich nicht in der beigezogenen Beklagtenakte, gleichwohl muss er Dr. B.-K. vorgelegen haben, da sie hierauf in ihrer Stellungnahme vom 27.01.2017 Bezug nimmt. Dann ist aber für den Senat nicht verständlich, dass sie den Serumspiegel unterhalb eines therapeutisch wirksamen Bereichs für Duloxitin, Gabapentin, Citalopram und Oxicodon zum Beleg für ihre Auffassung, dass kein ausreichender Leidensdruck besteht, anführt. Oxicodon hatte der Gutachter Dr. H. gar nicht testen lassen. Dieses Medikament hatte die Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. H. auch gar nicht angegeben. Andererseits hatte Dr. H. auch Targin, ein synthetisches Opioid, das seit März 2014 anstelle des Opioidpräparats Oxygesic verabreicht wird (vgl. Gutachten von Dr. S. , Seite 4 und 28=Bl. 101 u.125 der SG-Akte), testen lassen. Der Laborbefund zu diesem Medikament wird in der Stellungnahme von Dr. B.-K. überhaupt nicht erwähnt, geschweige denn wird ein für Targin zu niedriger Serumspiegel berichtet. Außerdem wird auch zu dem Umstand, dass während der stationären Behandlung der Klägerin im Juni 2016 in den S. Kliniken in H. begonnen wurde, das Medikament Gabapentin ausschleichend durch Lamotrigin zu ersetzen (Entlassungsbericht der S. -Kliniken vom 07.06.2016), nicht Stellung genommen. Weder im Gutachten von Dr. H. noch in der Stellungnahme vom 27.01.2017 von Dr. B.-K. finden sich Ausführungen dazu, wann die stufenweise begonnene Absetzung von Gabapentin vor der Untersuchung durch Dr. H. im November 2016 beendet worden ist und der niedrige Serumspiegel für dieses Medikament nicht mit dieser therapeutischen Maßnahme im Zusammenhang steht. Letztlich hätte die von Dr. H. gutachterlich veranlasste Beschwerdenvalidierung durch die Bestimmung des Medikamentenspiegels der Vollständigkeit halber auch Ausführungen zu einer immerhin mit 5-10 % in der Bevölkerung verbreiteten normabweichenden Stoffwechselverarbeitung enthalten müssen, was leitliniengerecht gewesen wäre (vgl. Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen, AWMF-Leitlinie, Registernummer 051 - 029), um die Klägerin aus dem Kreis der "ultrarapid metabolizer" (vgl. Leilinie "Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen") auszuschließen. Über diese Ungereimtheiten hinaus ist die Schlussfolgerung von Dr. B.-K. auch aus anderen Gründen nicht überzeugend. Nach Prof. Dr. S. und Dr. W. ist bei der Klägerin als therapeutische Maßnahme eine multimodale Schmerztherapie medizinisch angezeigt. Beide Sachverständigen haben zu Recht darauf verwiesen, dass die vorangegangene medikamentöse Therapie wirkungslos geblieben ist, so dass auch nach Verständnis des Senats eine vorrangige oder schwerpunktmäßig verabreichte medikamentöse Therapie nicht zielführend ist. Auf die Notwendigkeit verhaltens- und einstellungsändernder Therapieoptionen ist in den Gutachten überzeugend hingewiesen worden. Dies ist auch deshalb überzeugend, da es leitliniengerecht ist. In der DEGAM S1-Handlungsempfehlung "Chronischer Schmerz", ebenso eine AWMF-Leitlinien (Registriernummer 053/036, Stand 9/2013, gültig bis 9/2018) und somit derzeitiger Stand der Wissenschaft und herrschende Meinung, sind im Kapitel "Therapie" mehrere Therapieformen aufgeführt, wobei die medikamentöse Therapie ausdrücklich als individuelle Dosistitration angegeben wird, was auch ihre grundsätzliche Verzichtbarkeit beinhaltet (vgl. insbesondere Leitlinie "Chronischer Schmerz", Kapitel "Schmerz und Psyche", wonach unter bestimmten Bedingungen die medikamentöse Therapie keinen Nutzen hat). Ein Hinweis für die begonnene Einleitung eines solchen Therapiekonzepts ergibt sich für den Senat aus dem Entlassungsbericht der V. Klinik, Bad R. , vom 10.03.2016. Nach Dr. N. (Stellungnahme vom 03.07.2017, Bl. 197ff der Senats-Akte) ist nach dem dort angeführten Medikamentenplan eine Minimaldosierung ärztlicherseits vorgenommen worden, was aus Sicht des Senats die medizinische Einschätzung der Sachverständigen Prof. Dr. S. und Dr. W. bestätigt, dass im Falle der Klägerin der medikamentösen Therapie allenfalls unterstützende Funktion zukommt. Entgegen der von Dr. N. vertretenen Auffassung, diese Medikamentierung widerspräche üblichen therapeutischen Standards und sollte nach "den Leitlinien" vermieden werden, ist dies nach der einschlägigen Leitlinie, wie der Senat auch den Gutachten von Prof. Dr. S. und Dr. W. entnehmen kann und oben dargelegt ist, lege artis.
Damit konnte der Senat weder feststellen, dass die Klägerin keine Schmerzen hat, noch dass ihr Vortrag der subjektiven Beschwerden alleine auf Aggravation, Demonstration oder Simulation beruht. Vielmehr konnte der Senat auch den Gutachten von Dr. S. und Dr. H. – wie es auch die Schweizer Invaliditätskasse getan hat – Umstände entnehmen, die die Einschätzung von Dr. W. stützen. So hat Dr. S. die von Dr. W. beschriebenen Sensibilitätsstörungen der Beine nachvollziehen können. Auch hat er Beeinträchtigungen beim Gehen beschrieben. Dafür konnte Dr. H. das Auseinanderfallen von objektiven und subjektiven Befunden bzw. Beschwerden bestätigen. Mit der mehrfach aber schon von Vorgutachtern angesprochenen krankheitsbedingten Erklärung setzt er sich nicht auseinander und geht pauschal von Aggravation aus. Alleine die Ergebnisse des SFSS-Test können diese Einschätzung aber nicht belastbar begründen. Ein langjähriger opioidhaltiger Schmerzmittelgebrauch ist nach den Ausführungen von Prof. Dr. S. (Seite 30 seines Gutachtens) unter Berücksichtigung der typischen, sogar behandlungsbedürftigen Nebenwirkungen, wie z.B. Obstipation, belegt. Auch Dr. W. stellt die Auswirkungen der opiathaltigen Medikamenteneinnahme in dem von ihm wiedergegebenen anamnestischen Krankheitsverlauf mit Behandlungen wegen Obstipation in den Jahren 2013 bis 2015 im Diakonieklinikum S. H. nicht infrage. Die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln und damit ein hinreichender Leidensdruck ist aus Sicht des Senats auch für diesen Zeitraum hinreichend belegt. Damit konnte der Senat den Einschätzungen von Dr. S. und Dr. H. nicht folgen.
Die Berufung der Klägerin war daher im tenorierten Umfang erfolgreich und begründet.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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