L 16 B 20/04 KR ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 275/03 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 B 20/04 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 2004 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 10.052,75 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Antragstellerin ist als Krankengymnastin und Physiotherapeutin zur Versorgung der Versicherten der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) [früher Antragsgegnerinnen zu 1) und 3)] zugelassen. Ein Rahmenvertrag sowie eine Vergütungsvereinbarung nach § 125 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) sind zwischen dem Verband, dem die Antragstellerin angehört, bzw. ihr selbst und der Antragsgegnerin zu 3) [früher Antragsgegnerin zu 4)], nicht zustandegekommen. Da die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) wie auch andere Krankenkassen in der Vergangenheit wiederholt die Vergütung von Leistungen der Antragstellerin, die nach den Heilmittel-Richtlinien (HMR) eine besondere Zusatzqualifikation verlangen, mangels Nachweises der entsprechenden Befähigung abgelehnt haben, begehrt die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, ihre Rechte zu einer entsprechenden Versorgung der Versicherten zu regeln.

Sie hat hierzu folgende Anträge gestellt (wörtliche Übernahme):

1. die Antragsgegnerinnen zu 2) und 4) [jetzt Antragsgegnerin zu 3)] zu verurteilen,

ihrem gesetzlichen Kontrahierungszwang, gemäß Urteil des BSG Az. B 3 KR 31/02 R vom 24.07.2003, welches für Zertifikationsleistung einen Kontrahierungszwang impliziert, zu entsprechen und gemäß § 125 Abs. 2 SGB V

Krit. 1: einen "nichtdiskriminierenden" Vertrag, gemäß § 125 Abs. 2 SGB V auf der Basis der "untergesetzlichen Normen",

Krit. 2: den Heilmittelrichtlinien 2001, hier: Zertifikatsleistungen und

Krit. 3: den Rahmenempfehlungen gemäß § 125 Abs. 1 SGB V hier: Richtzeitvorgaben)

einen Vertrag der vorgenannten Kriterien (1 - 3) genügt, bis zum 30.01.2004 vorzulegen, sowie mit der Antragstellerin oder ihrem Berufsverband (s. Vertrag: Anlage 1) bis zum 28.02.2004 abzuschließen.

2. aus Gründen der Existenzsicherung der Antragstellerin,

die Antragsgegnerin zu 1) zu verurteilen, auch für die in der Tabelle s. Anlage 2 genannten Leistungsfälle 1 - 16 die Rechnungsbeträge mit einer derzeitig offenen Forderung von 4.105,05 Euro zzgl. Zinsen und Nebenkosten = 4.380,24 Euro, mindestens jedoch die "unstreitige Summe" von 2.220,53 Euro, die in den November-Abrechnungen der Firma Neumann zu Unrecht abgesetzt worden sind, an die Antragstellerin zu zahlen.

3. aus Gründen der Existenzsicherung der Antragstellerin,

festzustellen, dass die Antragsgegnerinnen zu 1) und 3) [jetzt zu 1) und 2)] verpflichtet sind, wie in der Vergangenheit unter Wahrung des Vertrauensschutzes, die "Zertifikatsleistungen" zumindest in Höhe der unstreitigen Beträge an die Klägerin binnen 14 Tagen nach Rechnungslegung und erfolgter üblicher Rechnungsprüfung, an die Antragstellerin zu zahlen.

4. aus Gründen der Existenzsicherung der Antragstellerin,

die Antragsgegnerinnen zu 2) und 4) [jetzt zu 3)] zu verurteilen, bis zum 15.01.2004 ihre weiteren Mitgliedskassen anzuweisen bzw. zu informieren, dass die Antragstellerin bis zu einem "alles regelnden Vertragsabschlusses" weiterhin berechtigt ist, die seit 27 Jahren erbrachten Leistungen gegenüber den anspruchsberechtigten Patienten nach dem Sachleistungsprinzip zu erbringen, und die Mitgliedskassen die Rechnungen der Antragstellerin innerhalb von 14 Tagen begleichen.

Zur Begründung ihrer Anträge hat die Antragstellerin auf die aus ihrer Sicht unzulässigen Kürzungen ihrer Rechnungen über Heilmittel-Anwendungen sowie auf das insgesamt unwirtschaftliche System der Beziehung der Heilmittel-Erbringer und der gesetzlichen Krankenkassen nach dem SGB V verwiesen. Sie hat des Weiteren die Auffassung vertreten, dass es nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG keiner besonderen Zulassung für die Erbringung sogenannter Zertifikatsleistungen innerhalb der Physiotherapie bedürfe. Daher müsse die Antragsgegnerin zu 3) verpflichtet werden, mit ihr bzw. dem Verband, dem sie angehöre, einen ordnungsgemäßen und für sie wirtschaftlichen Vertrag zu schließen.

Mit Beschluss vom 16.02.2004 hat das SG die Anträge abgelehnt. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Dem Antrag zu 1., der sich allerdings entgegen der Ansicht des SG nur noch gegen die Antragsgegnerin zu 3) richtet, ist nicht zu entsprechen. Der Anspruch der Antragstellerin ist gerichtet auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages im Sinne der §§ 53 ff. SGB X - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -, weil die vertraglichen Beziehungen zwischen den Heilmittel-Erbringern und den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen gemäß § 69 SGB V ausschließlich dem öffentlichen Recht bei lediglich entsprechender Anwendung der Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zuzurechnen sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 69 Nr. 1). In Bezug auf einen derartigen vertraglichen Streitgegenstand kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweiligen Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Der für den Erlass einer solchen Regelungsanordnung erforderliche Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. 920 Zivilprozessordnung - ZPO -) sind jedoch nicht glaubhaft gemacht.

Das einstweilige Rechtsschutzverfahren dient vorläufigen Regelungen. Nur wenn der Antrag in der Hauptsache erkennbar Erfolg haben muss, weil dem Rechtsschutzsuchenden ein bestimmter Anspruch zusteht, ist ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zulässig (vgl. BVerWG, NJW 2000, 160; Kopp/Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung VwGO -, 13. Auflage, Rdn. 14 zu § 123). Da die Antragstellerin die Vorlage eines Vertragsangebotes durch die Antragsgegnerin zu 3) anstrebt, sind, unabhängig von der Frage, inwieweit die Sozialgerichte überhaupt auf den Vertragsschluss zwischen den hier Beteiligten Einfluss nehmen können (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 125 Nr. 7), letztere Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt, weil eine unterschiedliche Vertragslösung und inbesondere Vergütungsvereinbarung denkbar sind. Unabhängig von der von der Antragstellerin behaupteten wirtschaftlichen Notlage ist es ihr auch bis zum Abschluss der Hauptsache zuzumuten, auf der bisherigen Grundlage ihre Leistungen zu erbringen. Zum einen ist sie infolge der fehlenden vertraglichen Vereinbarungen im Rahmen ihrer Zulassung zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte im Rahmen des Kassensystems zu versorgen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 132a Nr. 1). Sie kann daher ihre Leistungen den Versicherten - allerdings nur nach entsprechendem Hinweis - privat in Rechnung stellen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 125 Nr. 7). Sofern sie dies nicht will, stehen ihr Vergütungsansprüche gegen die Krankenkassen in entsprechender Anwendung der §§ 612, 812 ff. BGB zu.

Bezüglich des gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten Antrags zu 2. auf vorläufige Vergütung bestimmter Abrechnungen, dessen Beurteilung sich ebenfalls nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG richtet, ist jedenfalls kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die entsprechenden Rechnungskürzungen beruhen auf dem Einwand der Antragsgegnerin zu 1), dass es entweder an dem Nachweis einer ausreichenden Zusatzqualifikation oder aber an einer hinreichenden ärztlichen Verordnung für die Erbringung der abgerechneten Leistung gefehlt habe. Zwar hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren verschiedene Qualifikationsnachweise ihrer Mitarbeiter/-innen zu den Akten gereicht, diese datieren aber zum einen teilweise zeitlich nach dem jeweiligen Behandlungszeitpunkt und zum anderen hat die Antragstellerin in keiner Weise dargelegt, welche Behandlungen aufgrund welcher Qualifikation welcher Mitarbeiter/-in durchgeführt hat. Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, schon aus Vertrauensschutzgründen müsse sie zur Erbringung und Abrechnung entsprechend qualifizierter Maßnahmen befugt sein, hat der Senat bereits rechtskräftig festgestellt, dass allein der Erwerb anerkannter Zusatzqualifikationen einen Vergütungsanspruch der Antragstellerin auslösen kann (vgl. Beschluss vom 14.07.2003 - L 16 KR 187/01). Ebenso wenig lässt sich aus den vorgelegten ärztlichen Verordnungen erkennen, inwieweit die Antragsgegnerin zu 1) nicht zur Kürzung der Leistungen berechtigt war.

Der Antrag zu 3., der sich gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) richtet, ist unzulässig. Die Antragstellerin hat das erforderliche Feststellungsinteresse nicht glaubhaft gemacht. Die umfänglichen und weitschweifigen Ausführungen der Antragstellerin (vgl. dazu auch BSG Beschl. v. 18.11.2003 - B 3 KR 20/03 B) sind nicht geeignet, konkret bezogen auf die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) zu belegen, dass diese in Zukunft, auf die sich der Feststellungsanspruch nur beziehen kann (vgl. BSG SozR 3-1500 § 55 Nr. 6), berechtigte Vergütungsansprüche zurückweisen werden.

Auch der Antrag zu 4., der sich allein noch gegen die Antragsgegnerin zu 3) richtet, ist unzulässig. Der geltend gemachte Anweisungs- bzw. Informationsanspruch wäre allenfalls unter den Gesichtspunkten der Gleichbehandlung und der Berufsfreiheit (Art. 3, 12 Grundgesetz) denkbar, wenn die Antragsgegnerin zu 3) die ihr angehörenden Krankenkassen davon abhalten sollte, ihre Versicherten durch die Antragstellerin versorgen zu lassen. Ein solches Verhalten der Antragsgegnerin zu 3) hat die Antragstellerin aber nicht einmal im Ansatz behauptet, so dass ein Rechtsschutzinteresse für den Antrag unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu erkennen ist.

Die Beschwerde musste daher mit der auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich bezüglich des Antrages zu 2. nach dem geltend gemachten Zahlungsantrag und bezüglich der Anträge zu 1. und 3. bis 4. nach dem sogenannten Regelstreitwert von 4.000,- Euro (§ 13 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz - GKG -). Letzteres beruht darauf, dass in keiner Weise ersichtlich ist, inwieweit entsprechende Vertragslösungen bzw. Feststellungen zu einem höheren Gewinn der Antragstellerin führen könnten. Bezüglich der Anträge zu 2. bis 4. war die Hälfte der entsprechenden Beträge in Ansatz zu bringen, um der Besonderheit des vorläufigen Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Bezüglich des Antrags zu 1. war der volle Wert zu berücksichtigen, weil der Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache zielt, so dass sich ein Gesamtstreitwert von 10.052,75 Euro errechnet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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