S 18 U 253/17 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 253/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 253/17 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Der zulässige Antrag

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin rückwirkend ab dem 13.08.2014 Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 2 BKV nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu leisten, hilfsweise vorläufig festzustellen, dass die Antragsgegnerin dem Grunde nach verpflichtet ist, der Antragstellerin rückwirkend ab dem 13.08.2014 Übergangsleistung gemäß § 3 Abs. 2 BKV nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu leisten, hilfsweise die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden

ist unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anord¬nungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der An¬tragsgegner im Wege des Einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, dass die Anforderungen an den Anord¬nungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und An¬ordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegli¬ches System (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, "SGG", 11. Auflage, § 86 b, Rdnrn. 27 und 29 m.w.N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05). Dabei darf es regelmäßig allerdings nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache kommen (Keller, a.a.O., Rdnr. 31).

Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 Zivil¬prozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Die Glaub¬haftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruches und des Anordnungsgrundes (Keller, a.a.O., Rdnrn. 16 b, 16 c und 40.).

Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, unabhängig von der Frage, ob bei Übergangsleistungen als nicht unmittelbar existenzerhaltenden Leistungen überhaupt ein Anordnungsgrund vorliegen kann und ab welcher Abweichung des vor der begehrten Leistung bestehenden status quo ein wesentlicher Nachteil gegeben ist.

Ein Anspruch auf die begehrte Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV besteht unter Berücksichtigung des im Eilverfahren zu berücksichtigenden Prüfungsumfanges nicht.

Nach § 3 Abs. 2 BKV haben Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr der Entstehung, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer Berufskrankheit fortbesteht, zum Ausgleich hierdurch verursachte Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen.

Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) genannten Tätigkeiten erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).

Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art, Dauer und Stärke der tätigkeitsbezogenen schädigenden Einwirkung und das Vorliegen der (Listen-)Erkrankung voll beweisen sein – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Für die Kausalität zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung reicht die Wahrscheinlichkeit (Bereiter-Hahn/Mehrtens in "Gesetzliche Unfallversicherung", Stand März 2017, § 9 Rdnr. 3.2). Für eine wahrscheinliche Kausalität sind eine hinreichende (langjährige) Exposition sowie ein kongruenter Krankheitsverlauf bei zurücktretenden außerberuflichen Einflussfaktoren nachzuweisen. Bei einigen BKen muss zudem noch die weitere Voraussetzung des objektiven Zwangs zur Unterlassung aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, gegeben sein.

Denknotwendig ist für das Entstehen eines Anspruchs gemäß § 3 Abs. 2 BKV demnach, dass das Entstehen, das Wiederaufleben oder die Verschlimmerung der Berufskrankheit überhaupt noch möglich ist. Bei den Berufskrankheiten, die als weiteres versicherungstechnisches Merkmal haben, dass der Betroffene die gefährdende Tätigkeit wegen des objektiven Zwangs zur Aufgabe wegen der Folgen der Berufskrankheit unterlassen hat, kann der Anspruch auf Übergangsleistungen nicht mehr entstehen, wenn der Betroffene die gefährdende Tätigkeit aufgrund anderer Ursachen aufgegeben hat. Im Übrigen kommt die Gefahr der Entstehung einer Berufskrankheit nach dieser Norm dann in Betracht, wenn das tatbestandlich geforderte Krankheitsbild zwar noch nicht - vollständig - erfüllt ist, aber Symptome vorliegen, die nach medizinischen Erkenntnissen unter Berücksichtigung der festgestellten gefährdenden Einwirkung das Risiko des Eintritts diese Erkrankung im Vergleich zu anderen Versicherten bei einer vergleichbaren Beschäftigung erhöhen (Mehrtens/Brandenburg "Die Berufskrankheitenverordnung (BKV)", Stand 1/17, G § 3 Rdnr. 2.2).

Die Klägerin hat die bisherige Tätigkeit nicht wegen eines objektiven Zwangs zur Aufgabe aufgrund der Folgen der Berufskrankheit Nr. 2109 oder 2108 und auch nicht wegen der Gefahr des Entstehens einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 oder einer Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII aufgegeben.

Der objektive Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit aufgrund der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anl. 1 zur BKV nicht schon deshalb nicht vor, weil keine bedeutsame Exposition im Sinne dieser Berufskrankheit vorliegt, aber auch, weil die konkreten Wirbelsäulenveränderungen gegen eine Kausalität sprechen.

Die BK Nr. 2109 der Anlage 1 der BKV schafft die Möglichkeit für die Anerkennung und Entschädigung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der HWS durch berufliches, langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Nach dem dieser BK zu Grunde liegenden Merkblatt ist es für eine hinreichende Exposition erforderlich, dass über eine Zeit von mindestens 10 Jahren mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten Lasten von mindestens 50 Kilogramm auf der Schulter getragen werden ("Merkblatt für die ärztliche Untersuchung" in der Bekanntmachung des BMA, BarbBl. 3/93, S. 53, zitiert nach Mehrtens/Brandenburg "Die Berufskrankheitenverordnung", Stand September 2012, M 2109 S. 1). Grund für das Erfordernis eines getragenen Gewichts von 50 Kilogramm ist der Umstand, dass sich die BK an dem Beruf des Fleischträgers orientierte. Hierbei sind Tierhälften oder –viertel dieses Gewichts auf dem Kopf bzw. auf dem Schultergürtel zu tragen.

In der Rechtsprechung liegt kein Fall einer Anerkennung der BK 2109 bei pflegendem Personal vor. Das Umgreifen der Schulter-/Nackenpartie des Pflegenden durch den zu Pflegenden erfüllt nicht die erforderliche Belastung. Das Lastgewicht von 50 kg stellt bei der BK-typischen Belastung lediglich ein notwendiges Kriterium dar. Als hinreichendes Kriterium sind aber die konkreten Belastungsumstände zu deuten. Diese sind bei der pflegerischen Tätigkeit nicht gegeben (so zu Krankenschwestern: LSG Berlin, Urteil vom 25.03.2003, AZ.: L 2 U 104/01).

Aber auch das konkrete Leidensbild, welches sich aus der Gesamtheit der zur Akte gelangten medizinischen Berichte ergibt, spricht gegen eine Kausalität. So lassen sich an der gesamten Halswirbelsäule Veränderungen finden. Dies steht einer Anerkennung bedeutsam entgegen, da sich die degenerative Veränderung in den besonders beanspruchten zervicalen Bewegungssegmenten mit entsprechenden neurologischen Störungen manifestieren muss, um als BK-Folge angesehen werden zu können (Schönberger/Mehrtens/Valentin, "Arbeitsunfall und Berufskrankheit", 9. Auflage, S. 545). Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Umstand, dass die Klägerin an einem Segment besonders schwere Veränderungen in Form eines Bandscheibenersatzes C6/7 nach entsprechenden OP-indizierenden Beschwerden hat. Die anderen Texturveränderungen an der HWS werden so nicht erklärt. Zudem bestehen bei der Klägerin an allen Abschnitten der Wirbelsäule Veränderungen. Dieser Umstand weist eher auf eine systematische Ursache hin, zumal die Wirbelsäulenveränderungen an sich grundsätzlich unspezifisch sind und Wirbelsäulenleiden aus verschiedenen Ursachen und Kombinationen verschiedener Ursachen entstehen können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Veränderungen an den anderen Wirbelsäulenabschnitten nicht auf berufliche Einwirkungen zurückgeführt werden können: In Bezug auf die Brustwirbelsäule ist festzustellen, dass für diesen Abschnitt gar keine BK existiert. Hinsichtlich der Veränderungen der Lendenwirbelsäule wird auf die nachfolgenden Ausführungen zur BK 2108 verwiesen.

Die berufliche Tätigkeit wurde auch nicht wegen der Folgen einer BK nach Nr. 2108 aufgegeben.

Für das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 muss der Versicherte infolge seiner versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben oder getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Dies muss bei ihm zu einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und zum Unterlassenszwang aller gefährdenden Tätigkeiten geführt haben.

Das Gericht kann – unter Berücksichtigung des eingeschränkten Prüfungsumfangs im Eilverfahren – nicht erkennen, dass bei der Klägerin eine Erkrankung der LWS vorliegt, die einen Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und körperlicher Veränderung als wahrscheinlich erscheinen lässt.

In medizinischer Hinsicht verweist das Gericht auf die insoweit überzeugenden Ausführungen der Gutachter der Antragsgegnerin, Prof. Dr. F und Dr. T, deren Einschätzungen im gerichtlichen Verfahren im Wege des Urkundsbeweises nach §§ 128, 118 SGG i. V. m. §§ 415 bis 444 Zivilprozessordnung (ZPO) berücksichtigt werden können. Die Ausführungen der Mediziner lassen Unrichtigkeiten oder Fehlschlüsse nicht erkennen. Sie sind erkennbar nach einer umfassenden Untersuchung der Antragstellerin und in Kenntnis der Akten auf der Grundlage der heutigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft erstattet worden und haben sich mit den erhobenen Befunden, mit den aktenkundigen Befunden und dem Vorbringen der Beteiligten differenziert auseinandergesetzt.

Überzeugend verweist der Gutachter darauf, dass bei der Antragstellerin – wenn man wegen der fehlenden klinischen Befunde insbes. in Form von Bewegungseinschränkungen der LWS überhaupt von einem BK-typischen Bandscheibenschaden an der LWS ausgeht – eine Konstellation B5 der Konsensempfehlungen vorliegt, nach der bei klinischen Befunden an der HWS kein Zusammenhang zwischen Einwirkung und Leiden gesehen wird. Für die Konstellation B 5 müssen die Voraussetzungen der Konstellation B 2 in Form von mindestens zweitgradigen Chondrosen oder Protrusionen an den Segmenten L4/5 und/oder L5/S1 ohne eine Begleitspondylose vorliegen, wobei zusätzlich mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt sein muss: Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben – bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/5 "black disc" im Magnetresonanztomogramm in mindestens 2 angrenzenden Segmenten, eine besonders intensive Belastung (Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwerts für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren) oder besonderes Belastungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen (Anhaltspunkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tages-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen). Zusätzlich muss für die Konstellation B 5 aber noch ein Bandscheibenschaden an der HWS bestehen, der größer ist als der an der LWS. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin vor. So besteht eine zweitgradige Chondrose am Segment L4/5 ohne Begleitspondylose und das Zusatzkriterium der hohen Belastungsspitzen ist nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin erfüllt. Allerdings sind die Veränderungen an der HWS nach den nachvollziehbaren Darstellungen der von der Antragsgegnerin beteiligten Mediziner ausgeprägter als die an der LWS. Hier ist bedeutsam auf die deutlichen Texturveränderungen in den bildgebenden Befunden aber auch auf die klinischen Befunde mit deutlichen Funktionsbeeinträchtigungen in der HWS bei frei beweglicher LWS zu verweisen.

Neben diesem Ergebnis nach den Konsensempfehlungen sprechen auch folgende Punkte gegen einen Kausalzusammenhang:

Zum Zeitpunkt des Prolaps im Jahr 1999 war die Antragstellerung erst 28 Jahre und zu diesem Zeitpunkt waren auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen noch nicht erfüllt. Dieser Umstand spricht deutlich für eine Neigung der Antragstellerin, BK-unabhängig Wirbelsäulenveränderungen auszubilden. Auf die entsprechenden Darstellungen in den Verwaltungsentscheidungen der Antragsgegenerin wird hier verwiesen, § 136 Abs. 3 SGG.

Die Aufgabe der bisherigen Tätigkeit war aber auch nicht wegen der Gefahr der Entstehung einer BK nach Nr. 2102 erforderlich.

Für das Vorliegen der BK nach Nr. 2102 muss bei dem Versicherten ein Meniskusschaden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten vorliegen.

Auf die umfangreichen Ausführungen der Beklagten zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen und deren Nichtvorliegen wird hier grundsätzlich verwiesen, § 136 Abs. 3 SGG. Es sprechen deutliche Argumente gegen eine hinreichende Exposition. Darüber hinaus ist hier auch darauf hinzuweisen, dass keine Rechtsprechung zur geeigneten Exposition für diese BK bei pflegendem Personal vorliegt.

Gegen einen Ursachenzusammenhang sprächen bei einer geeigneten beruflichen Einwirkung aber auch folgende Umstände: Das Übergewicht der Antragstellerin mit einem BMI von 32, was einer Adipositas Grad 1 entspricht (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 661) und die Einseitigkeit der Meniskusveränderungen, da eine einseitige berufliche Belastung im Sinne der BK 2102 bisher nicht nachvollziehbar gemacht wurde (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.11.2015, AZ.: L 6 U 2782/15). Zudem ist bisher auch noch nicht eindeutig geklärt, ob es sich um eine primäre Meniskopathie handelt.

Letztlich ist auch die Aufgabe der bisherigen Tätigkeit wegen der Gefahr der Entstehung einer sog. Wie-BK nach § 9 Abs. 3 SGB VII nicht nachvollziehbar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und der herrschenden Literatur ist die Liste der Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 1 SGB VII grundsätzlich abschließend. Anders als bei Arbeitsunfällen ist nicht jede körperliche Veränderung von der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigen, die aufgrund von Einflüssen durch eine berufliche Tätigkeit entstanden ist. Der Gesetzgeber hat vielmehr geregelt, dass nur solche Krankheiten entschädigt werden können, die in die Berufskrankheitenliste aufgenommen wurden.

Dieses oben genannte System wird nicht durch den § 9 Abs. 2 SGB VII durchbrochen. Eine so genannte Wie-BK ist nicht jede Krankheit, die nicht in die Liste aufgenommen wurde durch die berufliche Tätigkeit hervorgerufen wurde. Bei der Berufskrankheitenliste handelt es sich insofern nicht um eine beweiserleichternde Regelvermutung. Die Berufskrankheitenliste stellt auch kein antizipiertes Sachverständigengutachten dar.

§ 9 Abs. 2 SGB VII lässt nur die Anerkennung von Krankheiten zu, die noch nicht in der Liste aufgenommen sind, deren Aufnahme in die Liste mit der nächsten Novellierung der Liste allerdings schon sicher absehbar ist.

Mit der Antragsbegründung wurde nicht vorgetragen, dass die körperlichen Belastungen der Antragstellerin während ihrer beruflichen Tätigkeit und eine Verursachung der geklagten Beschwerden hieraus in der nächsten Novellierung der Berufskrankheitenverordnung aufgenommen werden sollen. Eine solche Entwicklung im Bereich der Rechtsetzung ist dem Gericht auch nicht bekannt. Damit ist keine Entstehung einer sog. Wie-BK bei der Antragstellerin absehbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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