L 7 KA 18/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 247/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 18/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 1/18 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Verfahrensrechts gelten auch für untergesetzliche Normgebung.
2. Eine Kassenärztliche Vereinigung war im Jahre 2015 nicht befugt, den Honorarverteilungsmaßstab für das Quartal I/2009 nur im Benehmen mit den Krankenkassen zu ändern.
3. Zum Vorliegen von Praxisbesonderheiten (hier verneint im Falle einer Orthopädin mit Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie, bei der keiner der geltend gemachten Leistungsbereiche für sich genommen einen signifikanten Anteil – mindestens 12 % – am gesamten Leistungsgeschehen ausmacht).
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts vom 29. Januar 2014 und der Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2009 in der Gestalt des Bescheides vom 10. März 2011, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2011, geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten für das Quartal I/2009 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3/4 und die Beklagte 1/4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt ein höheres Regelleistungsvolumen (RLV) für die Quartale I/2009 bis IV/2009.

Die Klägerin nimmt seit Oktober 2000 als Fachärztin für Orthopädie im Berliner Verwaltungsbezirk P an der vertragsärztlichen Versorgung und seit 2006 als "Schwerpunkt-Rheumatologe" an der zwischen der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der AOK Berlin (heute: AOK Nordost) abgeschlossenen "Vereinbarung zur Förderung der ambulanten medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Rheumatologie" teil. Die Beklagte erteilte ihr ferner eine Abrechnungsgenehmigung für die Behandlung eines Patienten mit Funktionsstörung der Hand im Rahmen des Fachgebietes Orthopädie gemäß EBM-Nr. 18330. Außerdem ist sie berechtigt, die Zusatzbezeichnungen "Chirotherapie", "Rehabilitationswesen" und "Spezielle Schmerztherapie" zu führen. Sie macht im hiesigen Rechtsstreit insbesondere geltend, überdurchschnittlich viele Rheuma-, Osteoporose- und Patienten mit chronischen Schmerzen zu versorgen und in diesem Zusammenhang die Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) deutlich häufiger als ihre Arztgruppe abzurechnen: GOP Leistungsbeschreibung (hier in der in IV/2009 geltenden Fassung) 18310 Zusatzpauschale Behandlung und ggf. Diagnostik von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates (angeboren, traumatisch, posttraumatisch, perioperativ) und/oder von (einer) entzündlichen Erkrankung(en) des Stütz- und Bewegungsapparates und/oder von (einer) Skelettanomalie(n) bei Neugeborenen, Säuglingen, Kleinkindern und Kindern 18311 Zusatzpauschale Behandlung und ggf. Diagnostik von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates (angeboren, erworben, degenerativ, posttraumatisch, perioperativ) und/oder einer entzündlichen Erkrankung des Stütz- und Bewegungsapparates bei Jugendlichen und bei Erwachsenen (außer degenerativen und funktionellen Erkrankungen der Wirbelsäule) 18320 Zusatzpauschale Orthopädische oder orthopädisch-rheumatologische Funktionsdiagnostik bzw. Assessment mittels Untersuchungsinventaren 18330 Zusatzpauschale Diagnostik und/oder orthopädische Therapie eines Patienten mit einer Funktionsstörung der Hand 18331 Zusatzpauschale Diagnostik und/oder Behandlung von degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule bei Jugendlichen und bei Erwachsenen 18700 Zusatzpauschale Behandlung eines Patienten mit mindestens einer der nachfolgend genannten Indikationen (Rheumatoide Arthritis, Seronegative Spondylarthritis, Kollagenose, Myositis) 30200 Chirotherapeutischer Eingriff 30201 Chirotherapeutischer Eingriff an der Wirbelsäule 30712 Anleitung des Patienten zur Selbstanwendung der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) 30721 Sympathikusblockade (Injektion) am zervikalen Grenzstrang 30722 Sympathikusblockade (Injektion) am thorakalen oder lumbalen Grenzstrang 30724 Analgesie eines oder mehrerer Spinalnerven und der Rami communicantes an den Foramina intervertebralia 30760 Dokumentierte Überwachung im Anschluss an die Gebührenordnungsposition 30710 oder nach Eintritt des dokumentierten vegetativen, ggf. sensiblen Effektes im Anschluss an die Gebührenordnungspositionen 30721, 30722, 30724 und 30730

Nach den einschlägigen Bestimmungen des EBM dürfen die o.g. Leistungen - des Kapitels 18 (Orthopädische GOP) nur von Fachärzten für Orthopädie bzw. für Orthopädie und Unfallchirurgie, - nach der GOP 18700 nur von Fachärzten für Orthopädie mit Schwerpunkt Rheumatologie bzw. Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie mit der Zusatzbezeichnung Orthopädische Rheumatologie, - des Abschnitts 30. 2 (Chirotherapie) nur bei besonderer ärztlicher Qualifikation – bei Erstantrag die Zusatzbezeichnung Chirotherapie – und aufgrund einer Genehmigung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung - des Abschnitts 30.7.2 ohne weitere arztbezogene Voraussetzungen erbracht werden.

Nach den Daten der Beklagten entfielen, bezogen auf das Gesamtpunktzahlvolumen der Klägerin, auf die Leistungsbereiche "Rheumatologie" "Chirotherapie" und "Schmerz-the¬rapie" im Jahre 2008 folgende Anteile (in %): Quartal Rheumatologie (GOP 18320, 18330, 18700) Chirotherapie (GOP 30200, 30201) Schmerztherapie (GOP 30712, 30721, 30722, 30724) I/08 9,36 9,11 7,70 II/08 9,68 9,10 5,64 III/08 9,41 9,23 6,36 IV/08 10,23 9,68 6,82

Unter Einbeziehung auch der GOP 18310, 18311, 18331 betrug der Anteil rheumatologischer Leistungen im Quartal I/08 bei der Klägerin 42,09 % und in ihrer Arztgruppe (Fachärzte für Orthopädie) 16,16 %.

Das RLV der Klägerin setzte die Beklagte für die Quartale I/2009 bis IV/2009 wie folgt fest: Quartal Bescheid vom Fallzahl Klägerin Vorjahresquartal Fallwert Arztgruppe Vorjahresquartal RLV I/09 01.12.08 1065 40,64 44.783,47 II/09 27.02.09 1237 30,32 38.926,90 III/09 29.05.09 1138 33,46 39.826,07 IV/09 28.08.09 1172 29,20 35.622,82

Gegen die RLV-Zuweisungsbescheide für die Quartale I/2009 bis III/2009 legte die Klägerin Widerspruch ein. Außerdem beantragte sie am 17. März 2009 die Anerkennung von Praxisbesonderheiten, weil sie die o.g. GOP in einer Häufigkeit erbringe und abrechne, die diejenige ihrer Fachgruppe um ein vielfaches übersteige: GOP Häufigkeit Klägerin Häufigkeit Klägerin in % ihrer Abrechnungsfälle Häufigkeit Arztgruppe in % der Abrechnungsfälle Über-/Unterschreitung in % 18310 4 0,38 0,18 + 111 18311 506 47,78 17,19 + 178 18320 145 13,69 0,37 + 3.600 18330 44 4,15 0,56 + 641 18331 720 67,99 27,61 + 146 18700 157 14,83 0,35 + 4.137 30200 511 48,25 19,27 + 150 30201 528 49,86 30,65 + 63 30712 249 23,51 5,59 +321 30721 29 2,74 0,63 + 335 30722 37 3,49 1,09 + 220 30724 133 12,56 7,06 + 78 30760 65 6,14 2,25 + 173

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2009 lehnte die Beklagte diesen Antrag für die Quartale I/2009 bis IV/2009 ab, weil der jeweilige arztindividuelle RLV-relevante Fallwert der Klägerin in den einzelnen Quartalen nicht mindestens 30 bzw. 15 % über dem RLV-Fallwert ihrer Arztgruppe liege.

Dem hiergegen gerichteten Widerspruch half die Beklagte teilweise ab, indem sie den RLV-Fallwert der Klägerin für das Quartal IV/2009 um 22,50 % auf 35,77 Euro anhob (Bescheid vom 10. März 20119. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2011 zurück. Hinsichtlich des Vergleichs der Fallwerte der Klägerin einerseits und ihrer Arztgruppe andererseits ging die Beklagte dabei von folgenden Daten aus: Quartal Fallwert Klägerin in EUR Fallwert Arztgruppe in EUR Abweichung der Fallwerte in % Abweichung abzüglich 30 % bzw. 15 % I/09 40,52 40,64 - 0,30 II/09 33,52 30,52 10,55 III/09 33,46 33,46 0,00 IV/09 40,15 29,20 37,50 22,50

Auf der Grundlage unbudgetierter Fallwerte ergeben sich demgegenüber folgende Daten: Quartal Fallwert Klägerin in Punkten Fallwert Arztgruppe in Punkten Abweichung der Fallwerte in % Abweichung abzüglich 30 % bzw. 15 % I/09 1.822,13 1.022,25 78,25 48,25 II/09 1.731,71 1.012,60 71,02 56,02 III/09 1.795,13 1.067,44 68,17 53,17 IV/09 1.837,99 1.082,18 69,84 54,84

Mit Urteil vom 29. Januar 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Bei der Klägerin liege keiner der Beispielsfälle vor, die in § 5 Abs. 9 der Anlage 1 zum Honorarvertrag (HV) vom 21. November 2008 (in der ab 01. April 2009 geltenden Fassung) genannt würden. Praxisbesonderheiten kämen auch nicht nach der in Satz 2 dieser Vorschrift genannten allgemeinen Regel in Betracht. Zwar fänden sich in den streitbefangenen Quartalen Fallwertüberschreitungen gegenüber der Fachgruppe von 78,25 % in I/2009, 71,02 % in II/2009, 66,17 % in III/2009 und 54,84 % in IV/2009. Es fehle jedoch an einem besonderen Versorgungsauftrag und/oder einer besonderen für die Versorgung bedeutsamen Spezialisierung als weiterer Voraussetzung für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten. Bezüglich der Frage, ob im rheumatologischen Bereich eine Spezialisierung vorliege, dürfe nicht auf die GOP 18310, 18311 und 18330 abgestellt werden, weil diese nur arztgruppentypische Leistungen umfassten, die zum Leistungsspektrum jedes Orthopäden zählten. Maßgeblich seien insoweit nur die GOP 18700 und 18320. Diese machten – zusammen mit der GOP 18330 – jedoch durchschnittlich nur einen Anteil von 9,67 %, bezogen auf das von der Klägerin erbrachte Gesamtleistungsvolumen, aus. Der Anteil der schmerztherapeutischen Ziffern des Kapitels 30 EBM (GOP 30712, 30721, 30722 und 13724) mache im Durchschnitt lediglich einen Anteil von 6,63 % aus, wobei mit den GOP 30712 und 30724 auch Leistungen eingeflossen seien, die nach Angaben der Beklagten im Quartal I/08 von 80,28 bzw. 62,84 % der Orthopäden erbracht worden seien. Eine Zusammenrechnung der schmerztherapeutischen und rheumatologischen Anteile sei nicht sachgerecht, weil Orthopäden erfahrungsgemäß eine Vielzahl von Erkrankungen aus ihrem Fachgebiet behandelten, die mit Schmerzen einhergingen und einer Schmerztherapie bedurften. Schmerzbehandlungen bei Rheumapatienten machten hiervon nur einen Teil aus. Im Übrigen ergäbe sich auch bei Zusammenziehung der schmerztherapeutischen Leistungen und der Ziffern zur Behandlung von Rheumaerkrankungen nur ein Prozentsatz von weniger als 20 % des Gesamtpunktzahlvolumens. Der Anteil der chirotherapeutischen Leistungen am Gesamtpunktzahlvolumen der Klägerin betrage im Durchschnitt 9,28 %, wobei die Leistungen nach GOP 30200 und 30201 nach Angaben der Beklagten im Quartal I/08 von 84,4 bzw. 86,24 % aller Orthopäden erbracht worden seien, so dass es sich um typische Leistungen der Fachgruppe handele.

Gegen dieses ihr am 17. Februar 2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 17. März 2014, zu deren Begründung sie vorträgt: In Bezug auf das Quartal I/2009 enthalte der HV der Beklagten keinerlei Regelung zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten. Für die Quartale II/2009 bis IV/2009 habe die Beklagte trotz Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in der gesamtvertraglichen Regelung darauf verzichtet, das Erfordernis eines prozentualen Mindest¬anteils der als Praxisbesonderheiten geltend gemachten Leistungen am Gesamtleistungsvolumen im HV zu verankern. Die Beklagte dürfe die Anerkennung von Praxisbesonderheiten nicht von zusätzlichen, im HV nicht genannten Voraussetzungen abhängig machen. Das Sozialgericht habe die umfangreichen, von ihr – der Klägerin – eingereichten Auswertungen überhaupt nicht thematisiert. Es sei zwar richtig, dass nicht stets von der häufigeren Erbringung bestimmter Leistungen auf eine Praxisbesonderheit geschlossen werden könne. Das Sozialgericht habe jedoch verkannt, dass die o.g. Leistungen in Bezug auf die Behandlung von Rheuma-, Osteoporose- und chronisch schmerzkranken Patienten eine Einheit bildeten. Für die Prüfung der Praxisbesonderheiten sei ein Vergleich mit der Arztgruppe der Orthopäden insgesamt vorzunehmen, da für die Orthopäden mit Schwerpunkt-/Zusatzbezeichnung Rheumatologie anders bei den Internisten keine gesonderten RLV zugewiesen würden. Die Rechtsprechung des BSG zum Erfordernis eines prozentualen Mindestanteils der als Praxisbesonderheiten geltend gemachten Leistungen am Gesamtleistungsvolumen finde auf die Rechtslage seit der Honorarreform 2009 keine Anwendung mehr. Für Osteoporose-Patienten würden typischerweise Leistungen nach den GOP 18331, 18311, 18330, 18320, 18700 und 30712 sowie 34600 (Knochendichtemessung) bzw. 32068 und 32082 (Labordiagnostik) des EBM erbracht. Bei 95 % der Rheuma-Patienten sei die Hand betroffen, der Hand-Komplex (GOP 18330) sei jedoch neben der GOP 18311 (Gelenk-Komplex) bzw. den Rheuma-Komplexen (GOP 18700 und 18320) nicht abrechenbar. Dieser Patientenkreis schlage mit 3,5 bis 4,1 Konsultationen pro Quartal zu Buche, die zu einem Großteil nur durch die rheumatologischen Komplexziffern abgegolten seien. Entscheidend seien folgende Daten: I/08 II/08 III/08 IV/08 GOP Fallzahl Überschreitung ggü FG in % Fallzahl Überschreitung ggü FG in % Fallzahl Fallzahl

18700 168 202 202 239 18320 147 164 137 151

18330 44 200 46 163 37 48 18311 506 167 542 154 518 488 18331 720 136 805 137 903 910 30200 511 125 649 162 557 582 30712 249 261 216 176 167 193

Osteoporo-sepatienten 406 467 474 491

Der zwischen der Beklagten und den Krankenkassen(-verbänden) vereinbarte Honorarvertrag enthielt zunächst für das Quartal I/09 keine Regelungen zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten. Entsprechende Regelungen wurden erstmals durch die Vertreterversammlung der Beklagte am 23. April 2015 beschlossen. Mit Schreiben vom 24. April 2015 bat die Beklagte die Krankenkassen(-verbände) um die Herstellung des Benehmens bis zum 11. Mai 2015 und wies zugleich darauf hin, dass sie von einer solchen ausgehe, wenn bis zum Ablauf der Frist keine Stellungnahme eingegangen sei. Nachdem sich die Krankenkassen(-verbände) nicht geäußert hatten, wurde diese Änderung des Honorarvertrags 2009 u.a. im KV-Blatt für Juli 2015 veröffentlicht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2014 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2009 in der Gestalt des Bescheides vom 10. März 2011, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2011, zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Erhöhung der Regelleistungsvolumina für die Quartale I/2009 bis IV/2009 infolge von Praxisbesonderheiten erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor: Sie sei weder gesetzlich noch durch die Vorgaben des Bewertungsausschusses gehalten gewesen, eine eigene Fachgruppe für die rheumatologisch orientierten Orthopäden zu bilden. Darüber hinaus würde es nach der Rechtsprechung des BSG dem Konzept des RLV mit seiner Anknüpfung an fachgruppenbezogene Durchschnittswerte, die alle fachgruppentypischen Leistungen abbildeten, widersprechen, wenn ein Teil der Fachgruppe ausschließlich die niedriger bewerten Leistungen erbringe und abrechne, während ein anderer Teil ausschließlich die hochbewerteten Leistungen erbringe und abrechne und dafür eine individuelle Erhöhung des RLV erhielte. Letztlich mache die Klägerin geltend, dass das Honorar für die von ihr erbrachten Leistungen unzureichend sei. Für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten könne sich die Klägerin nicht auf Leistungen berufen, die im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung abgesetzt worden seien. Hinsichtlich der im Jahre 2015 erfolgten Änderung des Honorarverteilungsmaßstabs für das Quartal I/09 habe das Benehmen mit den Krankenkassen ausgereicht, weil der Wille des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung 2012 dahin gegangen sei, die Beteiligung der Krankenkassen wegen deren geringen Interesses an der Honorarverteilung einzuschränken.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Bezüglich der Quartale II/2009 bis IV/2009 hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig, weil der Klägerin unter dem Gesichtspunkt möglicher Praxisbesonderheiten keine höhere RLV in diesen Quartalen zustehen. Dies gilt indes nicht, soweit die Anerkennung von Praxisbesonderheiten für das Quartal I/2009 streitbefangen ist. Insoweit mangelt es nach wie vor an einer Rechtsgrundlage für die Entscheidung über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten und eine daraus folgende Erhöhung des RLV.

I. Die rechtlichen Grundlagen für die Berechnung der für die Honorarverteilung ausschlaggebenden RLV in den Jahren 2009 bis 2011 ergeben sich aus dem SGB V, den Vorgaben des (erweiterten) Bewertungsausschusses und den von den Gesamtvertragspartnern geschlossenen Honorarverträgen.

1. Die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen erfolgte ab dem 01. Januar 2009 im gesamten Bundesgebiet für die große Mehrzahl der Arztgruppen auf der Grundlage von RLV gemäß § 87b Abs. 2 Satz 2 SGB V (in der bis zum 23. September 2011 geltenden, hier maßgeblichen alten Fassung – aF). Nach § 87b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V aF sind zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen, die die im Quartal abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen erfassen, welche mit den in der regionalen Euro-Gebührenordnung (§ 87a Abs. 2 SGB V) enthaltenen Preisen vergütet werden. Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist abgestaffelt zu vergüten (§ 87b Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 SGB V aF). Nach § 87b Abs. 3 Satz 1 SGB V aF sind die Werte für die RLV nach Absatz 2 morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen; bei der Differenzierung der Arztgruppen ist die nach § 87 Abs. 2a SGB V zugrunde zu legende Definition der Arztgruppen zu berücksichtigen. Nach § 87 Abs. 2a SGB V sind die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen entsprechend der in § 73 Abs. 1 SGB V festgelegten Einteilung der vertragsärztlichen Versorgung in Leistungen der hausärztlichen und Leistungen der fachärztlichen Versorgung zu gliedern mit der Maßgabe, dass unbeschadet gemeinsam abrechenbarer Leistungen Leistungen der hausärztlichen Versorgung nur von den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Leistungen der fachärztlichen Versorgung nur von den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten abgerechnet werden dürfen; die Leistungen der fachärztlichen Versorgung sind in der Weise zu gliedern, dass den einzelnen Facharztgruppen die von ihnen ausschließlich abrechenbaren Leistungen zugeordnet werden. Bei der Bestimmung der Arztgruppen nach Satz 1 ist der Versorgungsauftrag der jeweiligen Arztgruppe im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu Grunde zu legen. Soweit dazu Veranlassung besteht, sind bei der Ermittlung der RLV auch Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen (§ 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V aF). Nach § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V aF bestimmt der Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina nach den Absätzen 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten. Nach § 87b Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB V aF obliegt die Zuweisung der RLV an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der RLV vergütet werden, sowie der jeweils geltenden regionalen Preise der Kassenärztlichen Vereinigung; die Zuweisung erfolgt erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV.

2. Entsprechend diesem Auftrag des parlamentarischen Gesetzgebers beschloss der erweiterte Bewertungsausschuss (EBA) in seiner 7. Sitzung vom 27./28. August 2008 in Teil F. Nr. 3.6 u.a.:

Die Praxisbesonderheiten werden zwischen den Partnern der Gesamtverträge geregelt. Praxisbesonderheiten ergeben sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30% vorliegt. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge.

Diese Regelung ergänzte der EBA durch Teil A Nr. 3 seines Beschlusses in seiner 9. Sitzung vom 15.01.2009, wonach die Partner der Gesamtverträge aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung abweichend von dem vorgenannten Beschluss vom 27./28. August 2008 zur Vorgabe eines Grenzwertes zur Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe in Höhe von mindestens 30 % im Einzelfall eine Praxisbesonderheit feststellen können, obwohl die so vorgegebene Überschreitung nicht vorliegt. Anzuwenden ist diese Ergänzung im Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 31. Dezember 2010 (Teil A. Nr. 1 Satz 2 dieses Beschlusses).

3. Während der im Bereich der Beklagten geltende Honorarvertrag für das Quartal I/2009 zunächst keine Regelungen zu Praxisbesonderheiten vorsah, vereinbarte sie mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen mit Wirkung ab dem 1. April 2009 im Rahmen der 1. Änderungsvereinbarung vom 31. März 2009 folgende Regelung zu den Praxisbesonderheiten (§ 5 Abs. 9 HVV):

Gemäß Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in der Fassung vom 23. Oktober 2008 und Teil A des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 15. Januar 2009 (Konvergenzbeschluss) in der Fassung vom 27. Februar 2009 kann die KV Berlin auf Antrag eines Arztes Praxisbesonderheiten feststellen. Diese liegen in der Regel vor, wenn - ein besonderer Versorgungsauftrag und/oder eine besondere, für die Versorgung bedeutsame fachliche Spezialisierung besteht und - zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen RLV-Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 15 % vorliegt, wobei die morbiditätsbezogene Differenzierung des Regelleistungsvolumens nach Beschlussteil F Anlage 2 Nr. 6 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 23.10.2008 zu berücksichtigen ist. Ein besonderer Versorgungsauftrag bzw. eine besondere, für die Versorgung bedeutsame Spezialisierung können z.B. sein: - Durchführung von Leistungen nach GOP 01410, 01413; - Durchführung von Leistungen nach GOP 20330, 20331, 20335, 20336, 20351, 20352; - Durchführung von Leistungen nach GOP 34502, 34503 bei akuter oder chronischer Schmerzsymptomatik; - Durchführung von Leistungen nach GOP 30130 EBM durch Allergologen oder - Durchführung von Leistungen des Kapitels 4.4 und 4.5 durch Kinderärzte.

Nachdem der Senat in mehreren Urteilen vom 30. April 2014 (L 7 KA 154/11, L 7 KA 155/11, L 7 KA 140/11; jeweils juris) das Fehlen von honorarvertraglichen Regelungen zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten bezüglich des Quartals I/2009 beanstandet hatte, beschloss die Vertreterversammlung der Beklagten am 23. April 2015 die o.g. Regelung auch für das Quartal I/2009, wobei die Fallwertüberschreitung allerdings nicht 15 %, sondern 30 % betragen musste.

II. Für die Zulässigkeit der Klage kommt es nicht darauf an, ob die RLV-Zuweisungsbescheide für die streitigen Quartale bestandskräftig sind oder nicht.

1. Die Beklagte hat – wie sich aus dem hiesigen und zahlreichen weiteren, auch den vom Senat am 30. April 2014 entschiedenen Verfahren L 7 KA 80/11, L 7 KA 155/11, L 7 KA 154/11 und L 7 KA 140/11 (juris) ergibt – bezüglich der Höhe des RLV eines Vertragsarztes für ein bestimmtes Quartal mehrere Verwaltungsverfahren unabhängig voneinander durchgeführt. So hat sie in Verfahren, in denen Widerspruch gegen den RLV-Zuweisungsbescheid (§ 87b Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB V aF) erhoben wurde, nur bestimmte Einwände der Vertragsärzte (z.B. zur Arztgruppenzuordnung, Rechtmäßigkeit der Beschlüsse des EBewA) berücksichtigt; alle Umstände, die wegen der Anerkennung von Praxisbesonderheiten zu einem höheren RLV führen können, hat sie demgegenüber – auf Antrag – in einem separaten Verwaltungsverfahren geprüft.

2. Die Ursachen für diese Vorgehensweise liegen einerseits in § 87b Abs. 5 SGB V aF sowie andererseits in § 5 Abs. 9 HV 2009. Insoweit ist es sachgerecht, dass die für eine Spezialisierung sprechenden Umstände bei der Ermittlung des RLV nur antragsabhängig Beachtung finden können, denn sie sind der KV typischerweise nicht bekannt. Dies gilt gleichermaßen für nach § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V aF zwingend zu berücksichtigende Praxisbesonderheiten.

a. Die Praxis der Beklagten begegnet gleichwohl rechtlichen Bedenken, weil die identische Regelung (Höhe des RLV eines Vertragsarztes in einem bestimmten Quartal) Gegenstand zweier Verwaltungs- bzw. Vorverfahren und sogar unterschiedlicher Rechtsstreite wurde, was zu divergierenden bestandskräftigen Festsetzungen zur Höhe des RLV führen könnte. Außerdem könnte die Frage, welcher Fachgruppe ein Vertragsarzt zuzuordnen ist, Voraussetzung für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten sein (da diese vor allem durch eine wesentliche Abweichung vom Leistungsverhalten der Fachgruppe gekennzeichnet sind), sodass bei einem Streit auch um die Arztgruppenzugehörigkeit vor der Bestandskraft des RLV-Zuweisungsbescheids wegen Vorgreiflichkeit nicht abschließend über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten entschieden werden dürfte. Werden daher die beiden Verwaltungsverfahren völlig unabhängig voneinander geführt, bleibt unbeachtet, dass es nicht um unterschiedliche Lebenssachverhalte geht, sondern nur um unterschiedliche Begründungen für ein und dieselbe Regelung.

Deshalb spricht einiges dafür, dass die Beklagte nicht hinsichtlich desselben Regelungsgegenstandes mehrere Widerspruchsverfahren durchführen, sondern im Hinblick auf § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur einen Widerspruchsbescheid erlassen darf, in dem sie auf die Einwände sowohl gegen den RLV-Zuweisungsbescheid als auch wegen nicht oder nur teilweise anerkannter Praxisbesonderheiten eingeht (BSG, Urteile vom 02. August 2017 – B 6 KA 7/17 R und B 6 KA 3/17 R –; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 08. November 2016 – L 4 KA 44/14 –; jeweils juris).

b. Über die Tragweite dieser Bedenken muss der Senat indes nicht abschließend befinden. Er verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die gesetzliche Vorgabe, das RLV zur Gewährleistung von Kalkulationssicherheit (vgl. den Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD für das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drs. 16/3100, S. 216) rechtzeitig vor Beginn eines Quartals dem Vertragsarzt zuzuweisen, mit der aus § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V aF und Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des EBA vom 27./28. August 2008 resultierenden Pflicht der KV, ihr bis dato in der Regel unbekannte und daher nur auf Antrag berücksichtigungsfähige Umstände als mögliche Praxisbesonderheiten einer Prüfung zu unterziehen und in Folge dessen ggf. ein höheres RLV festzusetzen, kollidiert.

Angesichts dessen dürfte einiges dafür sprechen, § § 5 Abs. 9 der Anlage 1 zum HV 2009 nF dahin auszulegen, dass die – zwingend vor Quartalsbeginn vorzunehmende – RLV-Zuweisung unter dem Vorbehalt einer späteren antragsabhängigen RLV-Erhöhung infolge der Anerkennung von Praxisbesonderheiten steht. Bei dieser Auslegung wäre gewährleistet, dass einerseits die RLV-Zuweisung rechtzeitig vor Quartalsbeginn erfolgen kann und andererseits Praxisbesonderheiten antragsabhängig geltend gemacht werden und zu einer RLV-Erhöhung noch für dieses Quartal führen können, ohne dass – etwa durch die Aufspaltung in zwei voneinander unabhängige Verwaltungsverfahren – geltendes Verwaltungsverfahrens- oder Prozessrecht verletzt wird.

Auf der Umsetzungsebene hätte dies zur Folge, dass alle RLV-Zuweisungsbescheide unter dem nicht ausdrücklich aufgenommenen Vorbehalt stehen, dass das darin festgesetzte RLV nur solange Wirkung entfaltet, bis infolge eines Antrags nach § 5 Abs. 9 der Anlage 1 zum HV 2009 nF ein höheres RLV festgesetzt wird. Ein solcher Vorbehalt wäre gemäß § 32 Abs. 1, 2. Alt. SGB X zulässig, da auf diese Weise eine RLV-Festsetzung unter Wahrung der o.g. kollidierenden normativen Vorgaben sichergestellt ist. Dieser Vorbehalt dürfte im Übrigen auch die Verwaltungspraxis der Beklagten widerspiegeln, da dem Senat – zumindest derzeit – kein Fall bekannt ist, in dem die Beklagte trotz anerkannter Praxisbesonderheiten und daraus resultierender RLV-Erhöhung das geringere RLV aus dem Zuweisungsbescheid der Honorarberechnung zugrunde gelegt hat.

III. Gemessen an den o.g. Rechtsgrundlagen hat die Beklagte für die Quartale II/2009 bis IV/2009 die Anerkennung von Praxisbesonderheiten zu Recht abgelehnt (hierzu 2.). Bezüglich des Quartals I/2009 hat die Klage hingegen Erfolg, weil die Beklagte bzw. ihre Vertreterversammlung zum o.g. Beschluss vom 23. April 2015 nicht befugt war, sondern diese Regelung mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen hätte vereinbaren müssen (hierzu 1.).

1. Die Vertreterversammlung war für eine nur das Quartal I/2009 betreffende Regelung der unzuständige untergesetzliche Normgeber.

a. Nach § 85 Abs. 4 Satz 1, 1. Halbs. und Satz 2, 1. Halbsatz SGB V in der im Quartal I/2009 geltenden alten Fassung (aF) verteilt die KV die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte und wendet dabei den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an. Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 22. Dezember 2011 (GKV-VStG, BGBl. I, 2893) wurde der Geltungsbereich dieser Vorschrift – bei gleichzeitiger inhaltlicher Änderung – auf Kassenzahnärztliche Vereinigungen beschränkt; zugleich sieht § 87b Abs. 1 Satz 2 SGB V seither vor, dass die KV bei der Verteilung der vereinbarten Gesamtvergütungen den Verteilungsmaßstab anwendet, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Soweit die Beklagte – offenbar im Hinblick auf diese Gesetzesänderung – im April 2015 den Honorarverteilungsmaßstab für das Quartal I/2009 nur durch einen Beschluss ihrer Vertreterversammlung rückwirkend änderte, ohne insoweit gemeinsam und einheitlich eine Vereinbarung mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen zu treffen, hat sie die Grundsätze der intertemporalen (Verfahrens-)Rechts verkannt und höherrangiges Recht (§ 85 Abs. 4 Satz 2, 1. Halbs. SGB V aF) verletzt. Der Beschluss vom 23. April 2015 ist daher rechtswidrig.

b. Nach einem allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Verwaltungsverfahrensrechts, wie er auch in § 96 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zum Ausdruck kommt, erfasst – wenn Übergangs- oder Überleitungsvorschriften als vorrangige Sonderregelungen (wie vorliegend) fehlen – neues Verfahrensrecht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an regelmäßig auch bereits anhängige Verfahren, erstreckt sich aber nicht mehr auf bereits abgeschlossene Verwaltungsverfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90 –; BSG, Urteil vom 23.6.2015 – B 1 KR 26/14 R –; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03. März 2016 – L 5 KA 25/15 KL –; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 18. Oktober 2006 – 13 S 192/06 – und vom 28. Mai 1991 – A 16 S 2357/90 –; alle juris; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. A., § 96 Rn. 1 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Daher richtet sich die Beurteilung eines Sachverhalts grundsätzlich nach dem Recht, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände (hier: der vertragsärztlichen Leistungserbringung) gegolten hat, soweit nicht später in Kraft getretenes Recht ausdrücklich oder stillschweigend etwas anderes bestimmt (BSGE 58, 243; 70, 31; BSG, Urteile vom 24. März 2009 – B 8 SO 34/07 R – und vom 27. August 2008 – B 11 AL 11/07 R –; alle juris). Ein Rechtssatz ist grundsätzlich nicht auf solche Sachverhalte anwendbar, die bereits vor seinem Inkrafttreten verwirklicht waren (BSG, Urteile vom 24. März 2009 – B 8 SO 34/07 R und B 8/9b SO 17/07 R –, juris; Kopp, Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts, SGb 1993, 593), weil im Zweifel anzunehmen ist, dass er nur die Zukunft, nicht aber die Vergangenheit regeln will (Kopp, a.a.O.). Diese Regel des intertemporalen Verwaltungsverfahrensrechts beruht wie das intertemporale Recht insgesamt auf allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die nicht nur im deutschen Recht, sondern auch in anderen Rechtsordnungen, insbesondere auch im Unionsrecht, Geltung beanspruchen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Oktober 2006, a.a.O.; Kopp, a.a.O.). Der Grundsatz, dass neues Recht nicht zurückwirkt, wird somit ergänzt durch den Grundsatz "tempus regit actum", wonach sich die Beurteilung eines Sachverhalts grundsätzlich, insbesondere für in der Vergangenheit liegende Umstände, nach dem damals geltenden Recht richtet. Dieses Zusammenspiel betrifft nicht nur einzelne Rechtsakte, sondern gilt auch, wenn die Rechtmäßigkeit von Rechtsvorschriften zu beurteilen ist (Kopp, a.a.O.).

c. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die Beklagte nicht befugt, Regelungen zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten im Quartal I/2009 anstelle einer Vereinbarung mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen nur im – hier zu unterstellenden – Benehmen mit diesen zu treffen. Zwar galt zum Zeitpunkt der entsprechenden Beschlussfassung, d.h. im April 2015, nicht mehr § 85 Abs. 4 Satz 2, 1. Halbs. SGB V aF, sondern § 87b Abs. 1 Satz 2 SGB V. Mangels einschlägiger Übergangsvorschriften will diese Vorschrift jedoch nach dem o.g. Grundsatz nur solche Honorarverteilungsregelungen erfassen, die nach dem 1. Januar 2012 getroffen werden und ab diesem Zeitpunkt eintretende Sachverhalte regeln wollen. Letzteres trifft auf die rückwirkende Änderung der Honorarverteilung im Quartal I/2009 nicht zu.

Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Gesetzesmaterialien zum GKV-VStG. Ausweislich der Gesetzesbegründung (Bundesrats-Drs. 456/11, S. 59, 94) sollte die KV die Honorarverteilung künftig (Hervorhebung nur hier) nur noch im Benehmen mit den Krankenkassen festlegen.

Dass im vorliegenden Fall die untergesetzliche Normgebungskompetenz durch Parlamentsgesetz geändert wurde, rechtfertigt nach dem oben Gesagten kein Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen.

d. Ist somit die Ergänzung der Honorarverteilungsregelungen für das Quartal I/2009 durch den Beschluss vom 23. April 2015 wegen fehlender Normsetzungskompetenz der Beklagten rechtswidrig, fehlt es für dieses Quartal nach wie vor – wie vom Senat bereits in seinen Urteilen vom 30. April 2014 (L 7 KA 140/11, L 7 KA 154/11, L 7 KA 155/11, alle juris) entschieden – an einer honorarvertraglichen Regelung zu Praxisbesonderheiten, ohne die die Beklagte nicht über einen Anspruch der Klägerin auf Anerkennung derselben entscheiden durfte.

2. Bezüglich der übrigen Quartale ist das Urteil des Sozialgerichts indes nicht zu beanstanden. Im Ergebnis zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, in weiterem Umfang als bislang geschehen Praxisbesonderheiten anzuerkennen.

a. Die Rechtsprechung des BSG zu Praxisbesonderheiten und vergleichbaren Kategorien lässt sich wie folgt zusammenfassen:

aa. Das BSG hat für den Begriff "Praxisbesonderheiten" einerseits auf schon vorhandene Beschreibungen funktionsähnlicher Begriffe wie "Versorgungsschwerpunkt" und "Praxisschwerpunkt" zurückgegriffen (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 – B 6 KA 26/08 R –, juris; BSGE 87, 112, 116 ff; BSG USK 2001-143 S 866 f), andererseits diese zugleich von Begriffen wie "Versorgungsbedarf" und "Sicherstellung der Versorgung" abgegrenzt: Während ein "Versorgungsschwerpunkt" in erster Linie aus der besonderen Struktur einer einzelnen Praxis abzuleiten ist, stellt das Merkmal "Versorgungsbedarf" stärker auf objektive Kriterien in dem Sinne ab, dass ein bestimmtes Leistungsangebot einer Praxis unter Sicherstellungsaspekten erforderlich ist (BSG, Urteil vom 16. Mai 2001 – B 6 KA 53/00 R –, juris, m.w.N.) Ferner hat es Praxisbesonderheiten im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine andere Bedeutung beigemessen als im Bereich der Honorarverteilung, weil sie in beiden Bereichen grundlegend unterschiedliche Funktionen erfüllen (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R –, juris, m.w.N.).

bb. Im Hinblick auf die Voraussetzungen von Praxisbesonderheiten reicht zunächst allein der Hinweis, dass weitere Ärzte im Planungsbereich der klägerischen Praxis die gleichen Leistungen erbringen, zur Verneinung einer Praxisbesonderheit nicht aus (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 20/10 R –, juris). Durch die mit Praxisbesonderheiten verbundene höhere Vergütung soll vielmehr die Deckung eines besonderen Versorgungsbedarfs berücksichtigt werden, der zu einer Verengung des Leistungsspektrums infolge einer Spezialisierung geführt hat. Eine solche Praxisausrichtung, bei der nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass die am Durchschnitt orientierte Fallpunktzahl das Leistungsgeschehen adäquat abbildet, kann nur bei einer überdurchschnittlichen Konzentration auf einen speziellen Leistungsbereich vorliegen (BSG, Beschluss vom 28. August 2013 – B 6 KA 24/13 B –, juris, m.w.N.). Rückschlüsse auf eine solche Praxisausrichtung kann ein besonders hoher Anteil der in einem speziellen Leistungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl erlauben. Zur Begründung einer versorgungsrelevanten Besonderheit genügt es allerdings nicht, lediglich ein "Mehr" an fachgruppentypischen Leistungen abzurechnen. Die Überschreitung des praxisindividuellen RLV muss vielmehr darauf beruhen, dass in besonderem Maße spezielle Leistungen erbracht werden. Dabei wird es sich typischerweise um arztgruppenübergreifend erbrachte spezielle Leistungen handeln, die eine besondere (Zusatz-)Qualifikation und eine besondere Praxisausstattung erfordern. Deutliches Indiz für einen solchen speziellen Leistungsbereich ist die entsprechende Ausweisung dieser Leistungen im EBM-Ä. Zusätzlich ist erforderlich, dass die Honorierungsquote für die speziellen Leistungen überdurchschnittlich gering ist, was voraussetzt, dass das Gesamtleistungsvolumen insgesamt signifikant überdurchschnittlich hoch ist. Erhebliches Gewicht kann dem Gesichtspunkt zukommen, dass das durchschnittliche Punktzahlvolumen je Patient in dem Spezialisierungsbereich die Budgetgrenze übersteigt (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 20/10 R –, juris, m.w.N.; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31 S. 178).

Als überdurchschnittlich ist jeweils eine Überschreitung des Durchschnitts bzw. ein Anteil der Spezialleistungen von mindestens 20 % anzusehen (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 26 und 31; SozR 4-2500 § 87 Nr. 19). Aber auch einen Anteil von nur 15 % (BSG, Beschluss vom 28. August 2013 – B 6 KA 24/13 B –, juris) bzw. 12 % (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 – B 6 KA 26/08 R –, juris) hat das BSG nicht beanstandet.

cc. Ferner sind Fälle denkbar, in denen eine Arztpraxis einen Versorgungsschwerpunkt im Sinne einer fachgruppenuntypischen Praxisausrichtung bzw. Spezialisierung aufweist, wobei vermehrt Begleitleistungen erbracht werden müssen und die (zu strenge) Budgetierung dieser Leistungen zur Folge hat, dass die Erbringung der Hauptleistung aus wirtschaftlichen Gründen unattraktiv wird und hierdurch die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung berührt sein könnte. Diese besonders gelagerte Konstellation kommt nur in Betracht, wenn die den Leistungen im eigentlichen Versorgungsschwerpunkt zuzuordnenden, normativ zwingend vorgegebenen Begleitleistungen ihrerseits mindestens 20 % der angeforderten Gesamtpunktzahl der Praxis ausmachen. Es wäre nicht zu rechtfertigen, für einen Versorgungsschwerpunkt einen Anteil von 20 % am Gesamtleistungsvolumen zu fordern, für die nur im Hinblick auf diesen Versorgungsschwerpunkt von der Budgetierung auszunehmenden Begleitleistungen dagegen eine niedrigere Grenze ausreichen zu lassen (BSG, Urteil vom 06. September 2000 – B 6 KA 40/99 R –, juris).

dd. Da in die Berechnung der RLV auch die speziellen Leistungen eingeflossen sind, ist nicht zu beanstanden, dass die Grenze für die Anerkennung einer RLV-relevanten Praxisbesonderheit für jeden Leistungsbereich gesondert bestimmt wird. Werden spezielle Leistungen aus unterschiedlichen Bereichen erbracht, führt dies gerade nicht zu einer im Vergleich zum Durchschnitt signifikant anderen Ausrichtung der Praxis mit der Folge, dass sie in besonderem Maße von Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern in Anspruch genommen wird. Ansonsten wäre infolge einer Addition verschiedener Leistungsbereiche in vielen Fällen eine Praxisbesonderheit anzunehmen, die tatsächlich nur aus der besonders häufigen – möglicherweise aber auch nur durchschnittlichen – Erbringung von arztgruppenübergreifenden speziellen Leistungen bestehen würde. Da diese Leistungen aber nicht notwendig in einem versorgungsrelevanten Zusammenhang stehen, wäre ein Rückschluss auf einen besonderen Versorgungsbedarf nicht gerechtfertigt. Das gilt auch für Leistungsbereiche, die z.B. bei Behandlungen von Erkrankungen des Bewegungsapparates nebeneinander zur Anwendung gelangen können, aber nicht notwendig eine Einheit bilden (BSG, Beschluss vom 28. August 2013 – B 6 KA 24/13 B –, juris).

ee. Um einerseits von einem dauerhaften Versorgungsbedarf ausgehen zu können, andererseits aber auch Schwankungen zwischen den Quartalen aufzufangen, ist nicht auf jedes einzelne Quartal abzustellen. Ausreichend ist, dass sich die Überschreitungen als Durchschnittswert in einem Gesamtzeitraum von vier aufeinander folgenden Quartalen ergeben (BSG, Urteile vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R – und vom 18. August 2010 – B 6 KA 14/09 R –; jeweils juris und m.w.N.).

ff. Diese Kriterien sind auch unter Geltung der RLV geeignet, das Merkmal der Sicherstellung der Versorgung zu konkretisieren (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 20/10 R –, juris).

gg. Bei der Prüfung, ob Praxisbesonderheiten vorliegen, steht der KV kein – der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher – Beurteilungsspielraum zu. Denn die Beantwortung der hier zu beurteilenden Frage, ob eine einzelne Praxis einen Versorgungsschwerpunkt aufweist, hängt von ermittel- und feststellbaren Umständen wie der Struktur des Leistungsangebots dieser Praxis, der Analyse der Abrechnungen in der Vergangenheit sowie einem Vergleich mit den entsprechenden Daten anderer Praxen ab. Ein Erkenntnis- oder Einschätzungsvorrang der KV, der eine Rücknahme der gerichtlichen Kontrolle der Rechtsanwendung legitimieren könnte, besteht insoweit nicht (BSG, Urteil vom 06. September 2000 – B 6 KA 40/99 R –, vom 31. Januar 2001 – B 6 KA 11/99 R – und vom 16. Mai 2001 – B 6 KA 53/00 R –; jeweils juris und m.w.N.).

b. Darüber hinaus sind zusätzliche Aspekte zu berücksichtigen:

aa. Die Haltung der Beklagten ist nicht zu beanstanden, soweit die Klägerin die Berücksichtigung von solchen Leistungen bei der Prüfung von Praxisbesonderheiten fordert, die sie nicht abrechnen durfte und die daher von der Beklagten im Rahmen der Abrechnungsprüfung sachlich-rechnerisch richtiggestellt und nicht vergütet wurden. Maßgeblich für jede Art von vertragsarztrechtlichen Vergünstigungen können immer nur solche Leistungen sein, die ein Vertragsarzt rechtmäßig erbracht hat. Andernfalls würde er aus rechtswidrigem Verhalten finanzielle Vorteile erlangen (zur unzulässigen Perpetuierung rechtswidriger Verhältnisse: BSG, Urteil vom 29. August 2007 – B 6 KA 2/07 R –, juris, Rn. 26). Dies ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar. Irrelevant ist hierbei, warum die Abrechnung der Leistungen rechtswidrig ist. Ob sie auf einer – klägerseitig offenbar nicht angefochtenen – sachlich-rechnerischen Richtigstellung beruht oder darauf, dass die Beklagte einen Antrag der Klägerin auf Erteilung einer ggf. erforderlichen Abrechnungsgenehmigung abgelehnt hat, kann daher dahin stehen.

bb. Desweiteren kommt es für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten nicht auf das Leistungsgeschehen in dem Quartal an, für das ein höheres RLV (gerade wegen anzuerkennender Praxisbesonderheiten) begehrt wird. Denn weil das RLV zukunftsbezogen (BSG, Urteil vom 2. August 2017 – B 6 KA 7/17 R –, juris) zwingend schon vor Beginn des jeweiligen Quartals zuzuweisen war (§ 87b Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. SGB V aF), können auch nur bis dahin bekannte Umstände als Praxisbesonderheit berücksichtigt werden (insoweit wohl a.A.: BSG, a.a.O., Rd. 62).

cc. Wie der Senat bereits entschieden hat, begegnet es grundsätzlich keinen Bedenken, dass der (erweiterte) Bewertungsausschuss oder die Partner der Honorarverträge die Anerkennung von Praxisbesonderheiten von Fallwertüberschreitungen eines bestimmten Ausmaßes abhängig machen (im Ergebnis ebenso: BSG, a.a.O.). In einem seiner Urteile vom 30. April 2014 (L 7 KA 80/11, juris) hat er das Erfordernis einer 15-prozentigen Überschreitung ab dem Quartal II/2009 nicht beanstandet. Aus denselben Gründen war der EBA auch befugt, im Rahmen seines weiten, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Gestaltungsspielraums für das Quartal I/2009 eine 30-prozenti¬ge Fallwertüberschreitung zu fordern. c. In seinen o.g. Urteilen vom 30. April 2014 hat der Senat aus dieser Rechtsprechung u.a. folgende Schlüsse gezogen:

aa. Die Anerkennung von Praxisbesonderheiten ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil zum Zeitpunkt der RLV-Zuweisung erst für weniger als vier aufeinanderfolgende Quartale die Daten vorlagen, die eine Spezialisierung des Vertragsarztes nahe legten. Der Rechtsprechung des BSG lässt sich nicht entnehmen, dass in diesem Zusammenhang stets mindestens vier aufeinanderfolgende Quartale untersucht werden, vielmehr hat es diesen Zeitraum als "ausreichend" bezeichnet (BSG, Urteile vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R – und vom 18. August 2010 – B 6 KA 14/09 R –; jeweils juris und m.w.N.). Entscheidend ist vielmehr, dass erst eine Analyse des Abrechnungsverhaltens des Vertragsarztes über einen längeren Zeitraum dazu beiträgt, die z.B. durch stärkere Schwankungen bei der Abrechnung bestimmter Leistungsziffern entstehenden Zweifel am Vorliegen einer Praxisbesonderheit, die nach dem Vortrag des Vertragsarztes seine Behandlungsweise dauerhaft und nachhaltig prägen soll, auszuräumen (BSG, Urteil vom 15. November 1995 – 6 RKa 4/95 –, juris). Insoweit steht der Beklagten ein Entscheidungsspielraum zu, welchen Mindestzeitraum sie bei der Prüfung von Praxisbesonderheiten zugrunde legt und ob sie ggf. für Vertragsärzte, deren Spezialisierung auf einer erst kürzlich erlangten Abrechnungsgenehmigung beruht, aber Dauerhaftigkeit, etwa wegen eines besonderen Versorgungsbedarfs (hier: im Bereich der Neuropädiatrie) verspricht, erleichterte Voraussetzungen schafft.

bb. Welche Fallwerte dem Vergleich mit der Fachgruppe zu Grunde zu legen sind, ist mangels ausreichender Präzisierung im Beschluss des EBA vom 27./28. August 2008 auf gesamtvertraglicher Ebene zu konkretisieren (Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, EL 10/09, § 87b Rd. 53). Insbesondere besteht die Möglichkeit, entweder sämtliche Leistungen zu Grunde zu legen oder aber nur die RLV-relevanten Leistungen (Engelhard, a.a.O.). Weil der Umfang des Behandlungsbedarfs je Behandlungsfall im Vergleich zur Fachgruppe zu ermitteln ist, sind jedoch sowohl auf Seiten des zu beurteilenden Arztes als auch auf Seiten der Fachgruppe die unbudgetierten Fallwerte zu Grunde zu legen, d.h. die Fallwerte der abgerechneten Leistungen vor der RLV-Ab-staffelung bzw. (für die Zeit vor dem 1. Januar 2009) vor der Individualbudgetierung. Legte man den individuellen Auszahlungspunktwert (Punktwert des Arztes nach der Anwendung mengenbegrenzender Regelungen) zugrunde, hätte dies z.B. zur Folge, dass bei gleichem prozentualen Anteil spezialisierter Leistungen ein Vertragsarzt, der bei geringer Fallzahl das Individualbudget nicht ausgeschöpft hat, einen deutlich höheren Fallwert hätte als ein Arzt derselben Fachgruppe mit hoher Fallzahl und deutlicher Überschreitung seines Individualbudgets. Allein die hohe Fallzahl des Letzteren im Bemessungsquartal würde nach Berücksichtigung der Mengenbegrenzung durch das Individualbudget bei identischem Leistungsspektrum und identischem unbudgetierten Fallwert zu einem erheblich geringeren Fallwert nach der Mengenbegrenzung und somit zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen im Hinblick auf die Anerkennung von Praxisbesonderheiten führen. Es ist daher bei dem Vergleich eines Vertragsarztes mit seiner Fachgruppe ein identischer Punktwert zu Grunde zu legen; alternativ kann auch die durchschnittliche Fallpunktzahl des Arztes und seiner Fachgrup¬pe verglichen werden (SG Berlin, Urteile vom 30. November 2011 – S 83 KA 159/10 und S 83 KA 199/10 –, juris).

d. Unter Beachtung dieser Vorgaben lassen sich für die Quartale II/2009 bis IV/2009 keine Praxisbesonderheiten feststellen.

aa. Die o.g. erheblichen Überschreitungen der klägerischen Fallwerte in den Quartalen I/2008 bis IV/2008 im Vergleich zu ihrer Fachgruppe sind zwar ein gewichtiges Indiz, das für sich genommen allerdings – abweichend offenkundig von dem bei der Beklagten üblichen Vorgehen – noch keine Praxisbesonderheit begründet, sondern nur Anlass für weitere Prüfungen sein kann.

bb. Zutreffend geht die Klägerin auch davon aus, dass die Bereiche "Schmerztherapie" und "Chirotherapie" als fachgruppenübergreifende Leistungen einer Anerkennung als Praxisbesonderheit zugänglich sind. Dafür spricht schon, dass für diese Leistungsbereiche ab dem 1. Juli 2010 qualifikationsgebundene Zusatzvolumen (QZV) gewährt werden konnten (Teil F Ziffer 3.3 des Beschlusses des Bewertungsausschusses (zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V) in seiner 218. Sitzung am 26. März 2010 i.V.m. dem HV ab dem 1. Juli 2010, Anlage 1, Anhang 2b). Dass demgegenüber Leistungsbereiche, die speziell der Versorgung von Rheumapatienten dienen, für die Fachgruppe der Orthopäden nicht als QZV ausgewiesen wurden, kann als gewichtiges Indiz dafür gewertet werden, dass es sich hierbei um fachgruppentypische Leistungen handelt.

cc. Die klägerische Praxis zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass sie in unterschiedlichen Bereichen einige Leistungen häufiger abgerechnet hat als der Fachgruppendurchschnitt, keiner dieser Leistungsbereiche hingegen für sich genommen einen signifikanten Anteil am gesamten Leistungsgeschehen ausmacht.

(1) Auch wenn insoweit der Beklagten grundsätzlich ein Gestaltungsspielraum bei der Festlegung dieses signifikanten Anteils und der Zahl der mindestens zu berücksichtigenden Quartale eingeräumt ist (Senat, Urteile vom 30. April 2014, a.a.O.), entnimmt der Senat – in Weiterentwicklung seiner bisherigen o.g. Rechtsprechung – der Rechtsprechung des BSG gleichwohl, dass für die Prüfung von Praxisbesonderheiten nur solche Leistungsanteile berücksichtigungsfähig sind, die einerseits mindestens 12 % des Gesamtleistungsvolumens betragen und andererseits in typischerweise mindestens vier, in Sonderkonstellationen mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen festzustellen sind. Dies schließt nicht aus, dass die Beklagte einen höheren Anteil im Rahmen der Honorarverteilung bestimmt. Solange sie dies nicht tut, kann allenfalls bei Erreichen der beiden o.g. Kriterien von einer Praxisbesonderheit ausgegangen werden.

(2) Die klägerische Praxis hat in den Quartalen I/2008 bis IV/2008 für keinen der geltend gemachten Leistungsbereiche einzeln einen Anteil von mindestens 12 % erreicht. Soweit das Sozialgericht den einzelnen Leistungsbereichen nicht sämtliche klägerseitig geltend gemachte GOP zugeordnet hat, folgt ihm der Senat aus den im angefochtenen Urteil genannten Gründen.

Angesichts dessen erübrigt sich eine Prüfung, ob der klägerseitig in Anspruch genommenen Spezialisierung auch eine gewisse Dauerhaftigkeit innewohnt.

dd. Eine Summierung aller von der Klägerin reklamierten Leistungsbereiche (Rheuma-, Osteoporose- und Patienten mit chronischen Schmerzen) scheidet aus. Sie käme als Praxisbesonderheit nur dann in Betracht, wenn diese Krankheitsbilder in einem inneren Zusammenhang stünden. Zwar mag es sein, dass viele Rheuma- und Osteoporosepatienten auch wegen chronischer Schmerzen behandelt werden müssen. Chronische Schmerzen treten aber darüber hinaus auch bei vielen anderen Leiden auf. Außerdem handelt es sich bei Osteoporose und bei Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis um grundsätzlich unterschiedliche Krankheitsbilder. Im Falle der Klägerin werden somit bestimmte Leistungen aus unterschiedlichen Bereichen ohne versorgungsrelevanten Zusammenhang häufiger erbracht. Dies genügt nach der Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 28. August 2013 – B 6 KA 24/13 B –, juris) indes gerade nicht für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit.

ee. Im Kern macht die Klägerin letztlich die unzureichende Vergütung gerade rheumatologischer Leistungen geltend, u.a. weil spezielle Leistungen durch Komplexziffern abgegolten seien. Unzulänglichkeiten des EBM können jedoch nicht durch die Anerkennung von Praxisbesonderheiten ausgeglichen werden.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechts-streites.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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