L 9 AL 53/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 1321/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 53/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. November 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung zu Unrecht zur Beklagten entrichteter Beiträge streitig.

I.

Der 1937 geborene Kläger ist aufgrund eines Anstellungsvertrages vom 03.12.1979 zum Geschäftsführer der G.- Finanz Geld- und Wertpapier Vermittlungs-GmbH bestellt worden. Nachdem deren ursprüngliches Stammkapital von DM 100.000,00 am 23.11.1979 um DM 50.000,00 aufgestockt worden war, übernahm er im November 1979 diesen Anteil. Die GmbH meldete den Kläger zum 01.01.1980 als Geschäftsführer bei der seinerzeitigen Einzugsstelle (AOK München) an.

Laut notarieller Urkunde vom 21.02.1980 trat der Gesellschafter H. mit Wirkung vom 01.12.1979 seinen Anteil in Höhe von DM 50.000,00 an den Kläger ab, welcher den Kaufpreis verabredungsgemäß an die Treugeberin des Veräußerers (seine eigene Ehefrau) bezahlte. Die Gesellschafter stimmten der Abtretung zu. Aufgrund vorgelegter Unterlagen (Gesellschaftsvertrag vom 02.11.1978, notarielle Urkunde vom 23.11.1979, Teilabtretung vom 21.02.1980, drei Geschäftsführerverträge) stellte die AOK durch Schreiben vom 08.05.1980 fest, dass die drei Geschäftsführer, u.a. der Kläger, ab 01.01.1980 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis standen und damit der Versicherungspflicht unterlagen. Aufgrund der Abtretung vom 21.02.1980 habe der Kläger allerdings weitere DM 50.000,00 Stammkapital übernommen, was zu einer maßgeblichen Beteiligung von 66 v.H. geführt habe. Er unterliege daher ab diesem Zeitpunkt nicht mehr der Versicherungspflicht. Die Anmeldung der drei Geschäftsführer sei zum 02.01.1980 gebucht worden. Es wurde gebeten, für den Kläger eine Abmeldung zum 20.02.1980 einzureichen. Es war beabsichtigt, einen Bescheid zu erlassen, in dem festgestellt werden sollte, dass jener ab 21.02.1980 in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH stehe, damit nicht mehr der Versicherungspflicht unterliege. Es sei für ihn eine Abmeldung zum 20.02.1980 einzureichen. Insoweit wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß § 34 Abs.1 SGB I gegeben. Sofern ein rechtsbehelfsfähiger Bescheid über die Ablehnung der Versicherungspflicht gewünscht werde, wurde gebeten, dies innerhalb von 14 Tagen anzugeben. Nach Aktenlage ist dieses nicht erfolgt.

Am 30.05.1980 trat der Kläger an seine Ehefrau mit Wirkung vom 01.06.1980 aus dem infolge der Kapitalerhöhung erworbenen Geschäftsanteil DM 30.000,00 ab. Mit weiteren Abtretungsurkunden vom 30.05.1980 trat er von seinem am 21.02.1980 erworbenen Geschäftsanteil je DM 12.500,00 an die Mitgesellschafter L. und S. ab. Diese Abtretung wurde der zuständigen Einzugsstelle nicht bekannt gegeben.

Der Kläger ist seit 1955 Mitglied der Beigeladenen zu 2) und seit Jahren freiwillig versichert gewesen. Bis zum In-Kraft- Treten des Gesundheitsreformgesetzes am 01.01.1989 wurden von der Beigeladenen zu 2) lediglich freiwillige Krankenversicherungsbeiträge vereinnahmt, während die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung an die Beigeladene zu 1) als zuständige Einzugsstelle abgeführt wurden. Ab 01.01.1989 wurde die Beigeladene zu 2) die zuständige Einzugsstelle für die Gesamt- sozialversicherungsbeiträge. Auf Antrag der GmbH stellte diese bestandskräftig fest (Bescheid vom 10.07.1995), dass der Kläger der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht unterliege.

Durch Bescheid der Beklagten vom 09.11.1995 wurden die für den Zeitraum 01.12.1990 mit 30.06.1995 in Höhe von jeweils DM 12.407,10 entrichteten Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile erstattet, hinsichtlich der vor dem 01.12.1990 entrichteten Beiträge wurde die Einrede der Verjährung erhoben, § 27 Abs.2 SGB IV, welche in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nur im Fall einer besonderen Härte nicht geltend gemacht werde. Unter Berücksichtigung der bekannten Verhältnisse lägen Gründe nicht vor, die es rechtfertigen würden, hiervon abzusehen. Im gerichtlichen Vorverfahren wurde dagegen eingewandt, es sei der Beklagten verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Bei den von den Einzugsstellen mehrfach durchgeführten Betriebsprüfungen hätte ohne weiteres festgestellt werden können, dass der Kläger nicht beitragspflichtig gewesen sei. Insoweit wurde auf Betriebsprüfungen vom 19.04.1984, 04.08.1988, 05.01.1993, 20.11.1989 und 23.07.1993 hingewiesen. Der Rechtsbehelf wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 09.08. 1996). Die Ansprüche auf Erstattung der vor dem 01.12.1990 entrichteten Beiträge seien zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits verjährt gewesen. Man habe jedoch geprüft, ob von der Einrede der Verjährung Gebrauch gemacht werden sollte. Hierbei sei zu berücksichtigen gewesen, dass die zuständige Einzugsstelle bei der Anmeldung des Klägers nicht darüber unterrichtet worden sei, dass jener als Gesellschafter-Geschäftsführer tätig gewesen sei. Damit beruhe die irrtümliche Annahme der Versicherungspflicht ausschließlich auf den Angaben der Firma G.- Finanz GmbH. Angesichts dieses Umstandes stelle die Erhebung der Einrede der Verjährung keine unzulässige Rechtsausübung dar.

II.

Mit der zum Sozialgericht (SG) München erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Zu Beginn des Jahres 1980 habe die seinerzeitige Einzugsstelle eine Prüfung der Versicherungspflicht zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung bei sämtlichen Gesellschafter-Geschäftsführern der Firma durchgeführt. Es seien der GmbH-Vertrag einschließlich der Satzung sowie der Geschäftsführervertrag angefordert und vorgelegt worden. Aus dem Schreiben der Beigeladenen zu 1) vom 08.05.1980 gehe ausdrücklich hervor, dass sämtliche Gesellschafter-Geschäftsführer ab 01.01.1980 der Versicherungspflicht unterlägen. Vorgelegt wurden Schreiben vom 19.09.1984 über eine rechnerische unbeanstandete stichprobenhafte Prüfung der Lohn- und Gehaltsaufzeichnungen für den Zeitraum 01.01.1980 mit 31.05.1984 sowie vom 04.08.1988, welche den Zeitraum 01.06.1984 mit 31.07.1988 betrifft. Diese hätten keine abweichende Beurteilung der Beitragspflicht und Berechnung ergeben. Für den Fall, dass sich Probleme ergeben sollten, wurde die Unterstützung der Einzugsstelle angeboten.

Die Beklagte hielt eine fehlerhafte Beurteilung der zuständigen Einzugsstellen nicht für gegeben. Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen sei jedenfalls nicht zu entnehmen, dass eine Beitragspflicht zur BA nicht bestanden habe. Im Übrigen habe die Beigeladene zu 1) die GmbH bereits mit Schreiben vom 08.05. 1980 darauf hingewiesen, dass der Kläger nach den vorgelegten Unterlagen nicht als beitragspflichtiger Arbeitnehmer angesehen werden könne, weil er ab 21.02.1980 die Mehrheit an der Gesellschaft gehalten habe.

Der Kläger habe daran festgehalten, aufgrund seines Einkommens als Arbeitnehmer anzusehen zu sein. Die fehlerhafte Beurteilung der Beitragspflicht gehe letztlich auf ihn selbst zurück, der seinerzeit das Schreiben an die AOK vom 17.03.1980 unterzeichnet habe. Im Übrigen sei die nach dem 08.05.1980 erfolgte Veränderung der Beteiligungsverhältnisse nicht mitgeteilt worden. Das SG hat die AOK Bayern und die Barmer Ersatzkasse beigeladen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung wurden Unterlagen der Steuerkanzlei der GmbH vorgelegt, auf die inhaltlich Bezug genommen wird. Der Kläger gab an, hinsichtlich der Zeit nach dem Schreiben der AOK von Anfang Mai 1980 über keine weitere Korrespondenz betreffend seine Versicherungspflicht zu verfügen. Er könne nicht sagen, weshalb er im Mai 1980 Anteile an seine Ehefrau abgetreten habe. Die Überprüfung seiner Arbeitnehmereigenschaft durch die Beigeladene zu 2) im Jahre 1995 sei auf seine Anregung hin erfolgt.

Die 7. Kammer wies die Klage durch Urteil vom 17.11.1998 im Wesentlichen mit der Begründung ab, es seien seit 01.01.1980 unstreitig zu Unrecht Beitragsleistungen erbracht worden, die Beklagte habe jedoch zu Recht und unter Ausübung ihres Ermessens, das keineswegs auf Null geschrumpft sei, die Einrede der Verjährung erhoben. Denn weder seitens der Beklagten noch der Einzugsstelle habe ein fehlerhaftes Verhalten vorgelegen. Die Meldepflicht und die Prüfung des Vorliegens einer beitragspflichtigen Beschäftigung obliege primär dem Arbeitgeber. Einzugsstelle und Beklagte könnten im Lohnabzugsverfahren grundsätzlich davon ausgehen, dass jener die Versicherungspflicht richtig beurteilt und bei Zweifelfällen den zuständigen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle wegen einer konkreten Auskunft gezielt angehen würde. Zwar habe die Beigeladene zu 1) im Frühjahr 1980 auch Feststellungen zur Beitragspflicht des Klägers getroffen, jedoch nur für den Zeitraum 01.01. mit 20.02. 1980. Selbst wenn das Schreiben vom 08.05.1980 hinsichtlich der Versicherungspflicht mitarbeitender Gesellschafter zum Teil unzureichende Ausführungen enthalte, ändere dies nichts daran, dass der Kläger im Anschluss an dieses Schreiben eine Veränderung seiner Beteiligung an der GmbH vorgenommen habe und hierüber keine Korrespondenz vorliege. Eine erneute Überprüfung der Versicherungspflicht wäre jedoch naheliegend gewesen, zumal er am 30.05.1980 20 % seiner Anteile an seine Ehefrau abgetreten habe. Es spreche einiges dafür, dass der Kläger auf diese Weise seine Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung habe absichern wollen. Er habe in Bezug auf das Schreiben vom 08.05. 1980 eine schützenswerte Vertrauensposition hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Beitragsentrichtung nicht entwickeln können. Im Übrigen habe er in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich selbst Zweifel an seiner Versicherungspflicht gehabt habe. Insoweit wäre es ihm unbenommen geblieben, eine Überprüfung bereits zu einem früheren Zeitpunkt durchführen zu lassen.

III.

Mit der zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung begehrt der Kläger die Erstattung der Beiträge auch für den Zeitraum 01.01.1980 mit 30.11.1990. Das SG überspanne die Anforderungen an den Kläger einerseits und berücksichtige die Fehlerhaftigkeit des Schreibens der Beigeladenen zu 1) vom 08.05.1980 andererseits nicht hinreichend. Im Übrigen verlange das BSG nur in Zweifelsfällen, dass sich ein Beteiligter an die Einzugsstelle wende. Der angefochtene Bescheid der Beklagten gebe darüber hinaus keine Anhaltspunkte für eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens her. Vielmehr habe die Beklagte überhaupt nicht erkannt, dass ihr ein Ermessen eingeräumt worden sei. Zumindest sei nicht in die Erwägungen eingeflossen, dass eine unzulässige Rechtsausübung geprüft worden sei. Im Übrigen halte der Kläger nicht die Vierjahresfrist des § 27 Abs.2 SGB IV für anwendbar, sondern die regelmäßige 30-jährige Verjährungsfrist.

Die Einzugsstelle habe mit Schreiben vom 23.07.1993 mitgeteilt, dass die Beitragsüberwachung sich unter anderem auf die Beurteilung der Versicherungsflicht bezogen habe. Dasselbe gelte für ein Schreiben der Beigeladenen zu 2) an die Steuerkanzlei der GmbH vom 23.07.1993. Demgegenüber hält die Beklagte die Erhebung der Einrede der Verjährung weiterhin für zulässig. Auf ihrer Seite liege weder ein eigenes noch ein ihr zurechenbares Fehlverhalten vor. Der Kläger habe im Übrigen in den Folgejahren widerspruchslos Beiträge entrichtet.

Der Senat hat neben den Akten der Beklagten die Unterlagen der Beigeladenen zu 1) und 2) sowie die Streitakte des ersten Rechtszuges beigezogen, auf deren Inhalt im Einzelnen verwiesen wird.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.11.1998 so- wie den Bescheid vom 09.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.1996 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch die in der Zeit vom 01.01.1980 mit 30.11.90 gezahlten Arbeitnehmer-Beitragsanteile zur Arbeitslosenversicherung zu erstatten.

Die Beklagte stellt den Antrag, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.11.1998 zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) schließen sich dem Antrag der Beklagten an.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie der Akten der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) und 2) Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 13.11.2003.

Entscheidungsgründe:

Die mangels einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung des Klägers, §§ 143 ff. SGG, erweist sich als in der Sache nicht begründet.

Zutreffend hat das SG die gegen die streitgegenständlichen Bescheide gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage abgewiesen. Denn die Beklagte hat die Erstattung der für den Zeitraum 01.01.1980 bis 30.11.1990 entrichteten Arbeitne- merbeiträge zu Recht verweigert. Die von ihr getroffene Entscheidung, insoweit die Einrede der Verjährung zu erheben, ist zur Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die Erstattung zu Unrecht enrichteter Beiträge ist § 185a AFG i.V.m. § 26 Abs.3 Satz 1 SGB IV, denn aufgrund des am 09.11.1995 verbeschiedenen Erstattungsantrages des Klägers ist noch das am 01.01.1998 außer Kraft getretene AFG in Verbindung mit dem SGB IV anwendbar. Danach kann derjenige, der die Beiträge getragen hat, grundsätzlich die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge verlangen. Für die Erstattung ist gemäß § 185 a Abs.3 Nr.1 AFG das Arbeitsamt zuständig, in dessen Bezirk die Stelle ihren Sitz hat, an welche die Beiträge entrichtet worden sind.

Zwar sind die für den Kläger gezahlten Beiträge zur BA im Sinne von § 185a Abs.1 Satz 1 AFG zu Unrecht entrichtet worden, denn jener war seit 1. Januar 1980 als geschäftsführender Gesellschafter der GmbH nicht abhängig beschäftigt und damit nicht beitragspflichtig (jetzt versicherungspflichtig). Der Kläger ist angesichts der im Lohnabzugsverfahren (im Gegensatz zur Beitragsentrichtung nach § 171 AFG) entrichteten Beiträge grundsätzlich auch zur Geltendmachung der Erstattung berechtigt. Die Beklagte beruft sich jedoch insoweit zutreffend auf die Einrede der Verjährung und darf daher die Erstattung der vor dem 01.12.1990 entrichteten Beiträge verweigern. Nach § 185 a Abs.1 Satz 2 AFG i.V.m. § 27 Abs.2 Satz 1 SGB IV verjährte der Erstattungsanspruch grundsätzlich in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. § 27 Abs.2 Satz 2 SGB IV, der die Verjährung erst mit Ablauf des Kalenderjahres der Beitragsbeanstandung beginnen lässt, findet in der Arbeitslosenversicherung keine Anwendung, vgl. für die neue Rechtsgrundlage § 351 Abs.1 Satz 2 SGB III. Der Erstattungsanspruch der strittigen Beiträge war mithin Ende 1994 verjährt.

Wie der für Beitragsangelegenheiten zuständige 12. Senat des BSG zuletzt in seinen Entscheidungen vom 29.07.2003, B 12 AL 1/02 R, B 12 AL 3/03 R und B 12 KR 27/03 R in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, bedürfen die Verjährungsvorschriften für den besonderen Zusammenhang des Beitragsrechts im AFG keiner Modifikation. Ihr Zweck ist es im allgemeinen, dem Schuldner die Abwehr unbegründeter Ansprüche zu erleichtern, zumal die Aufklärung der tatsächlichen Umstände im Laufe der Zeit erfahrungsgemäß immer schwieriger wird. Die Verjährung konkretisiert Maximen von Treu und Glauben in Gestalt der allgemeinen Rücksichtnahmepflichten und erspart zugleich Beweiserhebungen. Darüber hinaus dient sie der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Diese Erwägungen treffen auch für die Beitragserstattungsansprüche Beschäftigter zu. Sie setzen voraus, dass die tatsächlichen Umstände einer Beschäftigung gegen Entgelt für den gesamten Erstattungsstreitraum ermittelt werden. Derartige Umstände lassen sich für die Vergangenheit jedoch erfahrungsgemäß nur unter erheblichen Schwierigkeiten nachweisen.

Auch dort, wo wie vorliegend über die tatsächlichen Verhältnisse keine Zweifel bestehen und die Verjährung begründete Ansprüche betrifft, ist das Rechtsinstitut der Verjährung durch die Gedanken des Schuldnerschutzes und des Rechtsfriedens gerechtfertigt, hier der Freiheit der Versichertengenmeinschaft vor unvorhergesehenen Belastungen. Tatsächliche Umstände, die lange Zeit unangefochten bestanden haben, sollen im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit als bestehend anerkannt werden. Die Kenntnis des Berechtigten von seinem Anspruch und damit die Möglichkeit, diesen rechtzeitig geltend zu machen, ist auch im Bereich der Beitragserstattung ohne Bedeutung, vgl. BSG, a.a.O. Die im neuen Schuldrecht für nach dem 31. Dezember 2001 begründete Schuldverhältnisse nunmehr eingeführten Erfor- nisse (Gläubiger muss von den den Anspruch begründenden Um- ständen und von der Person des Schuldners Kenntnis erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen können) sind mit dem BSG auf die Beitragserstattungsansprüche nicht übertragbar. Der Verjährungseinrede kann schließlich auch nicht entgegengehalten werden, Beiträge müssten entweder insgesamt erstattet oder aber leistungsrechtlich so behandelt werden, als wären sie zu Recht entrichtet worden. Letzteres liefe im Ergebnis auf eine Formalversicherung hinaus, die der Arbeitslosenversicherung seit 1929 fremd ist, vgl. BSG, a.a.O. Im Übrigen haben vor der Rahmenfrist liegende Beitragsleistungen vom System der Arbeitslosenversicherung her grundsätzlich ihren Wert verloren. Wird bei der Prüfung eines Anspruchs auf Alg das Bestehen der Versicherungs-/Beitragspflicht verneint, besteht für den Zeitraum der Rahmenfrist in aller Regel ein noch nicht verjährter Erstattungsanspruch nach § 185 a AFG. Soweit Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigungen für den Erwerb von Leistungsansprüchen beachtlich sind, besteht damit auch ein durchsetzbarer Erstattungsanspruch. Lediglich für Zeiten, die leistungsrechtlich außerhalb der Rahmenfrist liegen und damit für den Leistungserwerb unbeachtlich sind, vgl. BSG, a.a.O, kann der Erstattungsanspruch verjährt sein.

Die Einrede der Verjährung wurde zur Überzeugung des Senats auch rechtsfehlerfrei erhoben. Entgegenstehende Anhaltspunkte etwa unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Den streitbefangenen Bescheiden ist eindeutig zu entnehmen, dass die Beklagte den ihr eingeräumten Ermessensspielraum erkannt hat und dass sie das Ermessen pflichtgemäß ausüben wollte. Hierbei hat sie sich an ihre Verwaltungsanweisungen zu § 27 SGB IV gehalten, welche vorsehen, in Fällen einer "unbilligen Härte" von der Verjährungseinrede abzusehen. Ein solcher Fall der unbilligen Härte ist nach den Umständen nicht gegeben. Sonstige ermessensrelevante Gesichtspunkte im Sinne einer groben Unbilligkeit oder besonderen Härte, die ausnahmsweise hätten Anlass geben können, das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Freiheit von unvorhersehbaren Belastungen hintanzustellen, vermag der Senat nicht festzustellen.

Gemäß § 28 p Abs.1 Satz 1 SGB IV prüfte die Einzugsstelle bis 31. Dezember 1995 bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV ordnungsgemäß erfüllen, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen. Sie prüfte insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen.

Durch die Entscheidungen vom 29.07.2003 hat der 12. Senat des BSG auch klargestellt, dass Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV kein der Beklagten zurechenbares fehlerhaftes Verwaltungshandeln im Sinne der Ermessensrichtlinien nach § 27 SGB IV darstellen. Betriebsprüfungen im vorgenannten Sinn haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt ihnen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa Entlastungen zu erteilen. Auch den Prüfberichten kommt keine andere Bedeutung zu. Deren Adressat ist nicht der Arbeitgeber. Sie halten das Ergebnis der Prüfung vielmehr nur für den zuständigen, die Betriebsprüfung durchführenden Träger fest und haben nicht etwa die Funktion eines Entlastungsnachweises mit Außenwirkung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben jedoch das Recht, in Zweifelsfällen gemäß § 28a Abs.2 Satz 1 SGB IV rechtzeitig eine Entscheidung der Einzugsstelle über die Versicherungspflicht in Form eines Vewaltungsaktes herbeizuführen. Hieran sind die Versicherungsträger nach Maßgabe der §§ 44 ff. SGB X gebunden. Auch soweit Beschäftigte aus den Ergebnissen früherer Prüfungen Rechte herleiten wollen, kann sich eine materielle Bindungswirkung nur dann und insoweit ergeben, wenn bzw. als die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe durch gesonderten Verwaltungsakt personenbezogen für bestimmte Zeiträume festgestellt worden sind. Eine gesteigerte Prüfungspflicht der Einzugsstelle ist mit dem BSG, a.a.O., insoweit nicht ersichtlich, auch wenn durch die Vorlage von Verträgen und sonstigen Unterlagen eine entsprechende Feststellung hätte erfolgen können.

Im Prüfungsverfahren vorgelegte Mitteilungen der Einzugsstelle an die GmbH enthalten zur Überzeugung des Senats keine Feststellung einer personenbezogenen Versicherungspflicht und Beitragshöhe für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt. Der bloße Umstand, dass eine durchgeführte Arbeitgeberprüfung ohne Beanstandung geblieben ist, später aber die Beitragsfreiheit des Klägers festgestellt worden ist, ist insgesamt nicht als fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Prüfbehörde zu werten. Das gleiche gilt mit dem BSG, a.a.0., auch für kleinere Betriebe.

Insgesamt weicht der vom Senat zu beurteilende Sachverhalt, der aufgrund der durchgeführten Beweiserhebung hinreichend aufgeklärt ist, nicht von denjenigen der vom BSG, a.a.O., entschiedenen Fallgestaltungen ab, so dass dem Rechtsmittel des Klägers ein Erfolg nicht beschieden sein kann.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang konnte die Beklagte, welche für das Berufungsverfahren keine Veranlassung gegeben hat, nicht zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen verpflichtet werden, die dem Kläger zu dessen Rechtsverfolgung entstanden sind.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil nämlich eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich bisher ungeklär- te Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
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