L 9 EG 43/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 EG 73/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 43/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Bundeserziehungsgeld (BErzg) nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) für das zweite Lebensjahr (21.02.2001 mit 20.02.2002) des 2000 geborenen Kindes M. streitig.

I.

Der 1963 geborene (bis 20.05.2001 ledige) Kläger ist der Vater des vorgenannten Kindes. Er bezieht seit 01.05.1996 eine Erwerbsunfähigkeitsrente (seit 01.12.2000 auf Dauer) und ist in der B. Straße in M. mit einer Zweizimmerwohnung gemeldet. Sein Sohn M. ist demgegenüber bei der Mutter, M.M. , am S.-Platz in M. gemeldet. Letztere ist von Beruf Verwaltungsfachwirtin und wohnt in einer Zweizimmer-Dienstwohnung, die sie ursprünglich nicht aufgeben wollte.

Bereits im Erstantrag hatte der Kläger angegeben, mit der Mutter des Kindes in keiner eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu leben. "Da die Kündigungsfrist für meine Zweizimmerwohnung ein Jahr beträgt und die Mutter ebenfalls nur eine Zweizimmerwohnung hat, ist das Zusammenziehen erst bis Ende dieses Jahres möglich. Bis dahin betreue ich das Kind in der Wohnung der Mutter."

Der Beklagte hatte daraufhin durch Bescheid vom 16.08.2000 volles Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr ohne Anrechnung des Einkommens der Mutter gewährt.

Im Zweitantrag vom 01.12.2000, Eingang beim Beklagten am 21.12.2000, wurde erneut vorgetragen, eine eheähnliche Lebensgemeinschaft liege nicht vor. "Wie bereits im ersten Antrag ausgeführt, können wir wegen zweier getrennter Wohnungen noch nicht zusammenziehen (Kündigungsfristen!). Ein Zusammenziehen ist aber baldmöglichst geplant." Hinsichtlich der Betreuung und der Haushaltsaufnahme wurde auf die obigen Angaben Bezug genommen. Während des Leistungsbezugs werde keine, auch keine geringsfügige, Erwerbstätigkeit ausgeübt. Die Kindsmutter stimmte dem Bezug der Leistung aufgrund der tatsächlich durchgeführten Betreuung durch den Kläger zu.

Mit Schreiben vom 12.04.2001 gab der Kläger an, die Wohnsituation der Familie habe sich in den letzten Tagen geändert. Eigentlich sei ein Umzug in eine von Bekannten angemietete Wohnung in M. geplant gewesen. Dies habe sich aber kurzfristig zerschlagen. "Für uns ist die jetzige Wohnsituation mit zwei getrennten Wohnungen absolut ungenügend und nicht mehr tragbar. Aus diesem Grunde haben wir beschlossen, uns auch nach einer Kaufimmobilie umzusehen", insbesondere einer kleinen Doppelhaushälfte. Zurzeit liefe das Genehmigungsverfahren nach dem Bayerischen Wohnungsbauprogramm sowie Verhandlungen mit dem Bauträger. Vertragsabschlüsse seien in ca. vier Wochen zu erwarten, der Bezugstermin sei ca. November 2001 geplant. "Wie bereits erwähnt, liegt es sehr in unserem Interesse, diese für uns schlechte Wohnsituation schnellstmöglichst zu verändern. Wir hoffen, dass diese Umzugsverzögerung keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gewährung des Erziehungsgeldes darstellt", auf das wir angewiesen sind. Wegen der Wohnsituation fielen vermehrte Kosten an, wie z.B. Fahrtkosten von einer zur anderen Wohnung, zwei Kinderbetten, zwei Kinderstühle (je einer pro Wohnung) etc.

Daraufhin wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt (Bescheid vom 27.06.2001), bei der Minderung des Erziehungsgeldes im zweiten Lebensjahr des Kindes sei das voraussichtliche gemeinschaftliche Einkommen der eheähnlichen Gemeinschaft maßgebend. Im vorliegenden Fall errechne sich kein Zahlbetrag, da das bereinigte Einkommen der Kindsmutter anzurechnen sei und die Einkommensgrenze um DM 35.042,41 jährlich überschritten werde, wovon 40 v.H. (= DM 14.016,88/monatlich DM 1.168,00) anzurechnen sei. Dieser Betrag übersteige das maximal zu zahlende Bundeserziehungsgeld in Höhe von DM 600,00. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06.09.2001). Eine eheähnliche Gemeinschaft werde vom Bundesverfassungsgericht als eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau angesehen, die auf Dauer angelegt sei, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulasse und sich durch innere Bindungen auszeichne, welche ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen. Hierzu sei ein räumliches Zusammenleben nicht erforderlich. Für das Bestehen einer Gemeinschaft im obigen Sinne spreche eindeutig die Absicht des Klägers und der Kindsmutter, gemeinsam ein Haus zu bauen bzw. zu kaufen. Dadurch zeige sich die innere Bindung und das gegenseitige Einstehen der Partner, welche das Haus kaufen wollen, um in Zukunft ein Zusammenleben der gesamten Familie zu ermöglichen.

II.

Mit der zum Sozialgericht (SG) München erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Das SG ermittelte, dass die Eltern des Kindes am 21.05.2001 geheiratet haben, allerdings weiterhin unter vorgenannten beiden Anschriften getrennt wohnten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme wurde die Mutter des Kindes, die derzeitige Ehefrau des Klägers, uneidlich als Zeugin gehört. Diese bekundete, im Dezember 2000 getrennt gewohnt zu haben. Sie habe eine Dienstwohnung gehabt, die sie nicht habe aufgeben wollen, ein Zusammenleben sei wegen der räumlichen Gegebenheiten schwierig gewesen. Seit der Hochzeit am 21.05.2001 habe sich an dieser Situation nichts geändert. Sie habe im Hinblick auf die Versorgung des Kindes ihre Arbeit nicht aufgeben wollen, ihr (jetziger) Ehemann sei in Rente gewesen, so dass es sich angeboten habe, dass dieser die Versorgung von Montag bis Freitag übernommen habe, am Freitag sei dann der Kindtausch erfolgt. In jeder der beiden Wohnungen sei ein Kinderzimmer eingerichtet worden, so dass nur wenige Gegenstände hätten mitgegeben werden müssen. Diese Tage seien auch erziehungsmäßig im Wesentlichen getrennt gewesen, nur gelegentlich habe sie ihren Sohn auch dann gesehen, wenn dieser beim Kläger gewesen sei. Dies sei im Wesentlichen auch heute noch so. Von der Einkommenssituation her habe der Kläger seine Rente und das Kindergeld gehabt, soweit er das Kind nicht versorge, nehme er Jobs an, und zwar überführe er Autos. Jeder habe sein Geld, sie habe keine Geldzahlungen an den Kläger ge- leistet. Allerdings übernehme sie die Kosten für das Kind und zahle auch, wenn sie gemeinsam ausgingen. Diesbezüglich bestehe ein Unterschied zum Dezember 2000. Dies sei auch bis heute so geblieben. Die Wäsche habe im Dezember 2000 jeder für sich gewaschen, dies sei auch heute noch so. Es koche auch jeder für sich und das anwesende Kind, das gelte noch genauso. Die beiden Wohnungen seien jeweils 39 bzw. 48 qm groß.

Die 29. Kammer wies die Klage durch Urteil vom 29.01.2003 im Wesentlichen mit der Begründung ab, eine eheähnliche Gemeinschaft habe zum Zeitpunkt der Antragstellung im Dezember 2000 vorgelegen. Das Gericht habe sich aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugen können, dass die Bindung der Partner so eng sei, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden könne. Wie die Partner ihre persönliche Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Dezember 2000 ausgestaltet hätten, unterliege im Rahmen oben angeführter Kriterien individuellen Faktoren. Das räumliche Zusammenleben sei daran gescheitert, dass die jeweiligen Wohnungen nur ca. 39 bzw. 48 qm groß und daher zu klein für ein Zusammenleben der gesamten Familie gewesen seien. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Einkommens- und Erwerbssituation sei die Betreuung des Kindes auf die Wohnungen aufgeteilt, und soweit es die beruflichen Aktivitäten erlaubt hätten, auch ein gemeinsames Zusammensein organisiert worden. Auch bezüglich des Essens und Waschens seien die Arbeiten an der Wohnungssituation ausgerichtet, so dass die jeweils anfallenden Arbeiten dort erledigt worden seien, wo sie angefallen seien. Es sei auch Sorge dafür getragen worden, dass der Kläger durch den Erhalt des Kindergeldes die für die verabredete Lebensform unentbehrliche eigene soziale Situation habe stabil halten können. Diese Regelung sei ganz entscheidend durch die Wohnungssituation geprägt worden, die der Kläger und seine Partnerin schon längere Zeit, schon weit vor dem Dezember 2000, zugunsten eines gemeinsamen Wohnens ändern wollten. Auf eine eheähnliche Beziehung hätten diese widrigen Umstände keinen Einfluss, denn der Kläger und die Zeugin hätten am 21.05.2001 geheiratet, ohne dass sich die bestehende Situation neu geregelt hätte. Sie lebten durchgehend bis heute unverändert in derselben Weise weiter, begleitet von den bekannten Bemühungen, die Wohnsituation zu verändern. Bei dieser Sachlage wäre es sinnwidrig, die Situation vor der Ehe, die praktisch 1 zu 1 der Situation nach der Eheschließung entspreche, nicht als eheähnlich einzustufen.

III.

Mit der zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung hält der Kläger daran fest, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft nicht bestanden habe. Zum Zeitpunkt der Antragstellung hätten beide Elternteile des Kindes vielmehr in getrennten Wohnungen gelebt und sich auch völlig unabhängig voneinander versorgt, ihre Vermögensmassen seien vollständig getrennt gewesen. Die Betreuung des Kindes habe montags bis freitags ausschließlich in seinen Händen gelegen, am Wochenende allein in denen der Mutter. Es habe nicht einmal eine Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft vorgelegen, erst recht kein Anhaltspunkt für eine darüber hinausgehende Verantwortungsgemeinschaft im Sinne eines gegenseitigen Füreinander-Einstehens. Zum Antragszeitpunkt habe eine Lebensgemeinschaft definitiv noch nicht bestanden. Die Verhältnisse nach der Eheschließung könnten für den Zeitraum davor nicht herangezogen werden, zumal hinsichtlich einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auf die typischen Merkmale einer Durchschnittsehe abzustellen sei, nicht aber auf die individuelle Lebensführung der späteren Eheleute.

Der Senat hat neben der Erziehungsgeldakte des Beklagten die Streitakte des ersten Rechtszuges beigezogen und den Kläger in der Berufungsverhandlung zu den persönlichen Verhältnissen angehört.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.01.2003 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2001 zu verurteilen, ihm für das zweite Lebensjahr des 2000 geborenen Sohnes M. Bundeserziehungsgeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.01.2003 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Erziehungsgeldakte Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 29.01.2004.

Entscheidungsgründe:

Die mangels einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz SGG) grundsätzlich statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung des Klägers, §§ 143 ff. SGG, erweist sich als in der Sache nicht begründet. Im Ergebnis hat das Erstgericht die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 27.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2001, mit welchem BErzg für das zweite Lebensjahr des 2000 geborenen Kindes M. versagt worden ist.

Anzuwenden ist das BErzGG in der ab dem 01.01.1994 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 31.01.1994 (BGBl.I S.181). Nach § 5 Abs.1 BErzGG beträgt das BErzg monatlich DM 600,00. Es wird nach § 5 Abs.2 Satz 2 BErzGG von Beginn des 7. Monats an gemindert, wenn das Einkommen im Sinne von § 6 BErzGG bei Verheirateten, die von ihrem Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, DM 29.400,00, bei anderen Berechtigten DM 23.700,00 übersteigt. Diese Einkommensgrenze erhöht sich um DM 4.200,00 für jedes weitere Kind des Berechtigten. Maßgebend sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung, Satz 4 der Vorschrift. Leben die Eltern in einer eheähnlichen Gemeinschaft, gilt die Einkommensgrenze für Verheiratete, die nicht dauernd getrennt leben, Satz 5. Wird obige Grenze überschritten, mindert sich das Erzg um den 12. Teil von 40 v.H. des die Grenze übersteigenden Einkommens im Sinne des § 6 BErzGG. Nach § 6 Abs.2 Satz 1 BErzGG in der für Geburten nach dem 01.01.1994 geltenden Fassung ist für die Minderung im 13. bis 24. Lebensmonat des Kindes das voraussichtliche Einkommen des der Geburt folgenden Kalenderjahres (hier 2001) maßgebend. Als Einkommen gilt die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs.1 und 2 EStG abzüglich pauschaler Abzüge im Sinne der Nr.1, von Unterhaltsleistungen im Sinne der Nr.2 und weiterer Abzüge im Sinne der Nr.3. Nach Abs.3 der Vorschrift ist das Einkommen des Berechtigten und seines Ehepartners zu berücksichtigen, soweit diese nicht dauernd getrennt leben. Leben die Eltern in einer eheähnlichen Gemeinschaft, ist auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen.

Zutreffend hat der Beklagte zum Zeitpunkt der Antragstellung eine eheähnliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Mutter des Kindes angenommen und infolge dessen die bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften entsprechend anwendbare erhöhte Einkommensgrenze für Verheiratete zugrunde gelegt, die vorliegend überschritten worden ist.

Das BErzGG definiert den Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft selbst nicht, setzt ihn vielmehr ebenso wie § 122 BSHG oder § 137 Abs.2a AFG bzw. § 193 Abs.2 SGB III voraus. Der Begriff ist deshalb nach seinem Wortsinn, dem Zweck und Zusammenhang der Regelung, in dem er steht, sowie nach Rechtsentwicklung und erkennbaren Absichten des Gesetzgebers zu bestimmen.

Unter dem unbestimmten Rechtsbegriff der oben genannten Lebensgemeinschaft, mit der der Gesetzgeber an den Rechtsbegriff der Ehe anknüpft, unter welchem die Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen ist, wird mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in SozR 3-4100 § 137 AFG Nr.3 S.36 eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau verstanden, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft solcher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (vgl. BVerfGE 87.234 (264)). Ob eine Gemeinschaft von Mann und Frau diese besonderen Merkmale der eheähnlichen Gemeinschaft aufweist, lässt sich in der Verwaltungspraxis nur anhand von Indizien feststellen. Als solche Hinweistatsachen, die sich nicht erschöpfend aufzählen lassen, kommen etwa mit dem BVerfG in Betracht die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen. Insoweit sieht etwa § 122 BSHG vor, dass Personen, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden dürfen als Ehegatten. Die einschlägige Literatur (Fichtner, BSHG, 2. Auflage 2003, Anmerkungen 1 mit 6) nennt als Hinweistatsachen die lange Dauer des Zusammenlebens, z.B. von mehr als einem Jahr, die Versorgung gemeinsamer Kinder im gleichen Haushalt, neben der eheähnlichen Gemeinschaft keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art, die Verfügbarkeit über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners.

Diese Hinweistatsachen müssen nach der herrschenden Auffassung nun nicht kumulativ vorliegen, um die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft zu rechtfertigen. Entscheidend ist vielmehr das gesamte Erscheinungsbild der Gemeinschaft, die nach außen dem einer Ehe entsprechen muss. Von Ausnahmefällen abgesehen, gehört zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft zwar grundsätzlich auch eine Wohngemeinschaft, vgl. BVerwG vom 17.05.1995, 5 C 16/93, jedoch setzt die Annahme eines nichtehelichen Zusammenlebens nicht zwingend voraus, dass die Parteien räumlich zusammenwohnen, leben und einen gemeinsamen Haushalt führen, wenngleich eine solche Form des Zusammenlebens ein typisches Anzeichen hierfür sein dürfte. Letztlich obliegt es aber der verantwortlichen Beurteilung des Tatrichters, ob er den Tatbestand des nichtehelichen Zusammenlebens aus tatsächlichen Gründen für gegeben erachtet oder nicht, vgl. BGH, Urteil vom 25.05.1994, XII ZR 17/93 S.8.

Einen derartigen Ausnahmefall hat das SG in seiner Entscheidung angenommen, indem es darauf abstellte, dass vorrangig die Wohnverhältnisse ein räumlich näheres Zusammenleben der Eltern des Kindes verhindert haben, denn die jeweiligen Wohnungen der Partner mit ca. 39 bzw. 48 qm sind für das Zusammenleben der gesamten "Familie" nicht groß genug gewesen. Aufgrund der persönlichen Situation der Partner (Kläger: Rentner, Mutter: berufstätig) wurde die Kindsbetreung aufgeteilt, wobei die jeweiligen Arbeiten einschließlich des Kochens, Putzens und Waschens dort erledigt wurden, wo sie angefallen sind. Dem Kläger haben zum Antragszeitpunkt offensichtlich neben der Rente das Kindergeld und das Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr zur Verfügung gestanden bei einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen der Mutter des Kindes von DM 5.816,00 monatlich und einer monatlichen Rente des Klägers von DM 1.513,30.

Die vom Sozialgericht gehörte, nur sehr vorsichtig formulierende Zeugin hat zumindest eingeräumt, dass sie die Kosten für das Kind übernommen hat. Sie habe ihren Sohn immerhin gelegentlich auch dann gesehen, wenn dieser beim Kläger gewesen sei. In jeder Wohnung sei ein Kinderzimmer eingerichtet worden, so dass nur wenige Gegenstände beim Tausch am Freitag/Sonntag hin- und hertransportiert werden mussten. Die Versorgung des Kindes durch den Kläger habe sich angeboten, da Letzterer bereits seinerzeit in Rente gewesen sei und sie ihre Arbeit nicht habe aufgeben wollen - und vermutlich aus finanziellen Gründen nicht können.

Zutreffend hat das SG das Gesamtbild der hier vorliegenden Verhältnisse zwischen den Elternteilen des Kindes zum Antragszeitpunkt als eheähnliche Gemeinschaft gewertet, zumal auch in einer eheähnlichen Gemeinschaft die gesamte Bandbreite von Gestaltungsformen möglich ist, wie sie bei zusammenlebenden Ehegatten vorkommt, vgl. bereits Entscheidung des 7. Senates des BSG vom 24.03.1988, 7 RAr 81/86, SozR 4100 § 138 Nr.17, die bereits vor der o.a. Entscheidung des BVerfG ergangen ist und noch maßgeblich auf das Wirtschaften aus einem Topf abgestellt hat. Mit dem BSG, a.a.O., S.86, bleibt es den Partnern nämlich bei einer eheähnlichen Gemeinschaft überlassen, das Zusammenleben weitgehend selbst zu gestalten. Im Einzelfall sind die besonderen Gestaltungen der gemeinsamen Lebensführung festzustellen, wobei es nicht notwendig ist, dass jeweils sämtliche in Betracht kommenden Merkmale oder Indizien vorliegen. Ausreichend ist vielmehr, wenn im Einzelfall genügend Anhaltspunkte vorhanden und festgestellt sind, die trotz des Fehlens anderer Merkmale den Schluss auf das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft rechtfertigen. So haben die Motive der Partner für das Zusammenleben und die Art ihrer persönlichen Beziehungen nur indizielle Bedeutung, es sind jedoch vorliegende Erklärungen der Beteiligten ebenso wie gemeinsame Kinder und eine spätere Eheschließung zu verwerten. In diesem Zusammenhang spricht eher gegen das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft, wenn für das Zusammenleben glaubhaft im Wesentlichen wirtschaftliche Erwägungen oder Kostengründe geltend gemacht werden. Auch die Frage der Dauer bzw. zeitlichen Begrenzung der Gemeinschaft kann insoweit eine Rolle spielen, so etwa wenn eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft von vornherein aus einleuchtenden sachlichen Gründen nur für eine begrenzte Zeit eingegangen wird, wie z.B. bei Studenten während des Studiums aus Gründen der Kostenersparnis.

Insoweit stellt der Senat vorrangig ab auf die Darstellung des Klägers in den Verwaltungsakten, insbesondere in den Leistungsanträgen und den während des Widerspruchsverfahrens verfaßten Schriftsätzen. Darüber hinaus hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dahin eingelassen, dass er zu seiner Ehefrau bereits etwa 1998 eine engere Beziehung unterhalten und seit längerem den Wunsch gehabt habe, ein Kind zu haben. Er habe angesichts seiner Situation als Rentner das Angebot unterbreitet, den Sohn zu betreuen. Als dieser geboren war, habe man beschlossen, zusammenzuziehen, wobei Anfang 2001 auch eine gemeinsame Wohnung in Aussicht gestanden habe. Diese Möglichkeit habe sich wegen Eigenbedarfs jedoch rasch zerschlagen. Er hätte sich - auch in Bezug auf das Kind - etwa Anfang April 2001 wohler gefühlt, wenn er verheiratet wäre. Außerdem wollten sich die Partner zusammenraufen und es gemeinsam probieren. Gemeinsame Unternehmungen wie z.B. Skifahren habe es bis auf einmal nicht gegeben, da seine Partnerin den Sport nicht gemocht habe.

Darüber hinaus habe es auch während der Zeit der eheähnlichen Beziehung etwa einmal monatlich Treffen mit seiner in M. lebenden Mutter gegeben, auch seine Schwiegereltern habe er etwa einmal jährlich zusammen mit seinem Sohn und seiner Partnerin besucht. Man sei mit dem Kind auch gemeinsam ausgegangen, habe vor allem den Sonntag zusammen verbracht und die Betreuung des Kindes miteinander abgesprochen und aufgeteilt. Es hätten relativ selten gemeinsame Treffen mit Freunden stattgefunden und weiterhin habe er zu Hause Feste veranstaltet. Dann habe er es so eingerichtet, dass das Kind bei der Großmutter gewesen sei, oder wenn seine Partnerin nicht teilgenommen habe, bei dieser. Neben seiner Partnerin (und jetzigen Ehefrau) habe er keine ständige Freundin gehabt. Unter der Woche habe man sich nur in Ausnahmefällen getroffen.

Im Erstantrag hat der Kläger, wie im Tatbestand ausgeführt, angegeben, das Zusammenleben sei lediglich wegen der einjährigen Kündigungsfrist für seine Wohnung einerseits und auch wegen der begrenzten Verhältnisse in der Wohnung der Mutter des Kindes andererseits nicht vor Ende des Jahres 2000 möglich. Bis dahin betreue er das Kind in der Wohnung der Mutter. Im Zweitantrag vom 01.12.2000 wurde dieses wiederholt, ein Zusammenziehen sei aber baldmöglichst geplant, wegen zweier getrennter Wohnungen (Kündigungsfristen!) könne man noch nicht zusammenziehen. Im Widerspruchsverfahren wurde insoweit weiter dargelegt, es sei ursprünglich ein Umzug in eine Mietwohnung in M. geplant gewesen, die von Bekannten angemietet werden sollte, dies habe sich zwischenzeitlich kurzfristig zerschlagen. Die jetzige Wohnsituation mit zwei getrennten Wohnungen sei absolut ungenügend und nicht mehr tragbar, so dass man sich auch nach einer Kaufimmobilie umsehe, insbesondere einer kleinen Doppelhaushälfte. Die Ernsthaftigkeit dieses Unternehmens ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Leistungsakten. Lediglich die schwierige Wohnsituation in M. hat ein Zusammenziehen über lange Zeit verhindert.

Ungeachtet der fehlenden Verfügungsbefugnis der Partner über das Vermögen des anderen, hat das SG zutreffend dargelegt, dass hinreichende Indizien für die Einstehensgemeinschaft in den Not- und Wechselfällen des Lebens und genügend Gemeinsamkeiten aus dem Spektrum der gemeinsamen Lebensführung vorgelegen haben, die Hinweistatsachen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft darstellen. Insgesamt sprechen mithin die seit 1998 selbst eingeräumte andauernde engere Beziehung mit der seinerzeitigen Partnerin (und jetzigen Ehefrau), die abgesprochene Versorgung und Erziehung des gemeinsamen Sohnes, das Nichtbestehen einer weiteren Lebensgemeinschaft gleicher Art, die gemeinsam verabredete Durchführung der häuslichen Gemeinschaft in zwei Wohnungen, bis eine gemeinsame Wohnung bezogen werden kann, ein angesichts der Einkommensverhältnisse der Beteiligten angemessener Beitrag des Klägers zur Haushaltsführung, die gemeinsamen Unternehmungen der Partner und des Kindes an Sonntagen, bei Familienfeiern, Verwandtenbesuchen und an Geburtstagen, die zu Recht teilweise eingeräumten Zahlungen der Partner seit der Geburt des Kindes bei gemeinsamem Ausgehen und das reibungslos funktionierende Zahlen der Partner für das Kind indiziell für das Vorliegen einer hinreichenden Vertrauensbasis, für maßgebliche persönliche Bindungen im Sinne einer Lebensgemeinschaft sowie für einen hinreichenden Grad quasi monogamer Ausschließlichkeit, so dass nicht nur prima facie der Schluss auf die vom BVerfG geforderte Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft gerechtfertigt erscheint.

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung, auf den nach dem Recht des Erziehungsgeldes abzustellen ist, eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft vorgelegen hat. Nach dem Gesamtbild der für den streitgegenständlichen Zeitraum feststellbaren Indizien hat eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft der Partner bestanden, so dass die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten zutreffend von einer Anrechnung des Einkommens der nichtehelichen Partnerin des Klägers ausgegangen sind. Rechnerische Unrichtigkeiten hinsichtlich der vorgenommenen Anrechnung sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, so dass dem Begehren des Klägers der Erfolg versagt bleiben muss.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang konnte der Beklagte nicht zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen verpflichtet werden, die dem Kläger zu dessen Rechtsverfolgung entstanden sind.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil nämlich eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich bisher ungeklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
Saved