L 5 RJ 528/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 14 RJ 363/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 528/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20. August 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1943 in Ex-Jugoslawien geborene und derzeit in Serbien wohnhafte Kläger hat dort zwischen 1959 und 1961 den Beruf des Kellners erlernt. In der Zeit vom 27.06. bis 19.08.1974 absolvierte er die Prüfung als qualifizierter Kraftfahrer. In seiner Heimat hat er Versicherungszeiten von Juni 1961 bis März 1982, von September 1984 bis April 1985 und von November 1985 bis Mai 1996 zurückgelegt. Zwischen März 1982 und September 1984 war er nach eigenen Angaben arbeitslos, 1985 arbeitete er mehrere Monate in Libyen. Seit 13.12.1995 erhält er in seiner Heimat Invalidenpension.

In Deutschland war er zwischen Juli 1968 und März 1974 versicherungspflichtig beschäftigt. Laut eigenen Angaben war er hier als angelernter Mechaniker nach einer Anlernzeit von drei Monaten tätig. Entsprechend den Aufzeichnungen der AOK war er als Kellner, Hilfsschlosser, Hilfsarbeiter, Verkäufer, Kraftfahrer und Metallarbeiter bei verschiedenen Arbeitgebern tätig.

Sein erster Rentenantrag vom 03.11.1995 wurde von der Beklagten am 02.10.1996 abgelehnt. Die nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 06.05.1997 erhobene Klage wurde mit Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.09.1998 abgewiesen. Das Urteil stützte sich auf das Gutachten Dr.Z. vom 07.09.1998, das dieser nach persönlicher Untersuchung unter Berücksichtigung eines neurologischen Zusatzgutachtens von Dr.P. vom 08.09.1998 erstellt hat. Der Sachverständige hat folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:

Bluthochdruck ohne Rückwirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem, Wirbelsäulenbeschwerden bei Abnutzungserscheinungen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich ohne neurologische Ausfallserscheinungen, phobischer Schwankschwindel, Migräne. Er hat den Kläger noch für fähig gehalten, leichte körperliche Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne große Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit und an die Schwindelfreiheit vollschichtig zu verrichten. Das darauf beruhende Urteil ist rechtskräftig.

Zusammen mit dem am 14.03.2001 gestellten zweiten Rentenantrag wurde vom Versicherungsträger in Belgrad das Formblatt-Gutachten JU 207 vom 25.06.2001 übersandt. Darin heißt es, der Kläger sei wie bisher seit 13.12.1995 für alle Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr arbeitsfähig. Als Diagnosen wurden genannt: Insuffitientia vertebrobasiliaris, Depressia reaktiva, Hypertensio arterialis, Struma nodosa, Spondylosis cervikolumbalis, Ischialgia dex.

Der Beratungsarzt der Beklagten hielt demgegenüber leichte Arbeiten zu ebener Erde, ohne erhöhte Verletzungsgefahr und besonderen Zeitdruck für sechs Stunden und mehr für zumutbar. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag am 29.11.2001 mit der Begründung ab, es liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vor.

Dem hat der Kläger mit einem beim Sozialgericht Landshut am 7. März 2002 eingegangenen Schreiben widersprochen und geltend gemacht, als Invalide der ersten Kategorie sei er unfähig, anderweitige Tätigkeiten auszuüben. Die Entscheidung widerspreche dem Abkommen zwischen Deutschland und der Bundesrepublik Jugoslawien. Als Invaliden sei ihm die Ausübung einer Tätigkeit neben Rentenbezug untersagt. Zudem habe sich sein Gesundheitszustand sehr verschlechtert. Nach der Aussetzung des Klageverfahrens erließ die Beklagte am 28.11.2002 einen Widerspruchsbescheid. Darin heißt es, ein Anspruch gemäß den §§ 43, 240 SGB VI bestehe nicht.

Im Klageverfahren hat die Beklagte mitgeteilt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig bei einem Versicherungsfall im Juni 1998 erfüllt waren. Der Kläger hat wiederholt, dass sich sein Gesundheitszustand verschlimmert habe, und auf seine schwierige finanzielle Situation hingewiesen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20.08. 2003 abgewiesen. Es bestehe weder ein Anspruch nach altem noch nach dem ab 01.01.2001 gültigen Recht. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils vom 09.09.1998 und der bis dahin getroffenen Ermittlungen stehe fest, dass der Versicherungsfall jedenfalls nicht bis September 1998 eingetreten sei. Medizinische Sachverhaltsaufklärung sei aufgrund der versicherungsrechtlichen Situation nicht notwendig.

Gegen den am 04.09.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30.09.2003 Berufung eingelegt. Die fehlende Unterschrift hat der Kläger am 22.10.2003 nachgeholt. Er hat seine Ansicht wiederholt, als Invalide in Belgrad müsse ihm auch in Deutschland ein Rentenanspruch zustehen. Er frage, wo die Menschenrechte seien. Er müsse mit netto 50,- Euro auskommen und verstehe nicht, weshalb ihm der Rentenanteil aus Deutschland nicht gewährt werde. Es sei offensichtlich, dass er in seinem Alter und mit seinem Gesundheitszustand keine Arbeit finde.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20.08. 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2002 zu verurteilen, ihm ab 14.03.2001 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Landshut vom 20.08.2003 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut S 11 Ar 640/97 A, der Klageakten sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20.08.2003 ist im Ergebnis ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 29.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2002. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Als Anspruchsgrundlage kommen allein § 43 und § 240 SGB VI in Betracht. Wenngleich die Antragstellung im März 2001 auch die Anspruchsprüfung in Bezug auf das bis 31.12.2000 geltende Recht nahegelegt hätte, ist Klagegegenstand allein der Anspruch nach neuem Recht. Gemäß § 95 SGG ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Im Widerspruchsbescheid ist aber allein über Rente wegen Erwerbsminderung und Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit entschieden worden.

Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 SGB VI). Es mag sein, dass der Kläger derzeit nicht mehr in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Seine Behauptung, sein Gesundheitszustand habe sich gegenüber 1998 verschlechtert, ist nicht entscheidungserheblich. Für einen nach Juni 1998 liegenden Leistungsfall sind jedenfalls die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Wegen der zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil des Sozialgerichts wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe Abstand genommen (§ 153 Abs.2 SGG). Die erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hindern auch eine Anspruchsentstehung gemäß §§ 240, 241 SGB VI. Wegen der zutreffenden Darstellung und Begründung dieser durch die Gesetzesänderung zum 01.01.2001 nicht tangierten besonderen Regelungen, deren Tatbestände der Kläger nicht erfüllt, wird ebenfalls auf die Gründe des Ersturteils Bezug genommen.

Keinesfalls ist der Versicherungsfall vor Juni 1998 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt, als die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt waren, war der Kläger weder in seinem zeitlichen Leistungsvermögen eingeschränkt noch berufsunfähig. Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das überzeugende und rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 9. September 1998. Es erging auf der Grundlage eines neutralen Sachverständigengutachtens, das von Dr.Z. unter Berücksichtigung eines neurologischen Zusatzgutachtens von Dr.P. nach jeweiliger persönlichen Untersuchung am 07. bzw. 08.09.1998 erstellt worden ist. Auch vom Kläger selbst wurden keinerlei Gründe dafür vorgetragen, dass die Einschätzung dieser Ärzte angreifbar wäre. Sie haben schlüssig begründet, dass der Kläger in seinem zeitlichen Leistungsvermögen nicht eingeschränkt war. Die zweifellos vorhandenen Gesundheitsstörungen am Herz-Kreislauf-System und an der Wirbelsäule bedingten ebenso wie der objektivierte phobische Schwankschwindel und die Migräne lediglich qualitative Einschränkungen. Der Kläger konnte lediglich leichte körperliche Arbeiten verrichten, die kein schweres Heben und Tragen erforderten, keine großen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit stellten und keine Schwindelfreiheit erforderten. Zutreffend hat das Sozialgericht dargestellt, dass bei diesem Restleistungsvermögen der allgemeine Arbeitsmarkt nicht verschlossen ist. Berufsschutz genießt der Kläger aber nach den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts nicht.

Im Gerichtsbescheid vom 20.08.2003 ist der Kläger auch darauf hingewiesen worden, dass die in Jugoslawien getroffene Einstufung als Invalide keinerlei Bindungswirkung für den deutschen Rentenversicherungsträger entfaltet. Wenn der Kläger die damit verbundene Einschränkung seiner Handlungsfreiheit und die ungenügende finanzielle Versorgung beklagt, so ist hieraus kein Anspruch auf Kompensation mittels des deutschen Rentenversicherungsträgers ableitbar. Die Ausgestaltung des jugoslawischen Rentenversicherungssystems obliegt ebenso wie die Grundsicherung seiner Staatsangehörigen dem Heimatstaat. Der deutsche Rentenversicherungsträger ist lediglich gehalten, im Fall einer relevanten Erwerbsminderung beitragsadäquate Leistungen zu erbringen. Dabei hat er das zusätzliche Erfordernis der 3/5 Belegung zu berücksichtigen, das auch für deutsche Versicherte gilt. Dass die Regelungen des Haushaltbegleitgesetzes 1984, welche die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Berufs-/ Erwerbsunfähigkeitsrente erschwerten, mit Art.14 Abs.1 und Art.3 Abs.1 Grundgesetz vereinbart sind, hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 08.04.1987 begründet (SozR 2200 § 1246 RVO Nr.142).

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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