L 4 RA 255/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 9 RA 444/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 255/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 19/04 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 11. Juni 2003 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Zusatzversorgungsträger verpflichtet ist, nach § 8 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) die Zeiten vom 12.10.1964 bis 30.06.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Der am ... geborene Kläger absolvierte an der Bergingenieurschule "G ... A ..." Z ... ein Fachschulstudium in der Fachrichtung Tiefbautechnik, das er mit der Berechtigung zur Führung des Titels "Ingenieur" abschloss (Zeugnis vom 02.10.1964). Ab dem 08.04.1963 bis zum 31.12.1966 war der Kläger als Füller, Steiger und Grubentechnologe beim VEB W ...-Z ... P ... beschäftigt. In der Zeit vom 01.01.1967 bis 31.12.1968 arbeitete der Kläger als Grubentechnologe beim VEB V ... L ... Vom 01.01.1969 bis 15.06.1990 war er als Meister, Leiter der WAO und Abteilungsleiter beim VEB Straßen-, Tief- und Rohrleistungsbau R ... beschäftigt. Am 16.06.1990 übernahm der Kläger die Tätigkeit als Dezernent für Kommunalordnung (Wahlfunktion) beim Rat der Stadt R ... Unter dem 20./26.06.1990 schlossen die Straßen-, Tief- und Rohrleitungsbau R ..., der Rat der Stadt R ... und der Kläger einen Überleitungsvertrag, mit dem gemäß §§ 51, 53 AGB das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem VEB Straßen-, Tief- und Rohrleitungsbau R ... zum 15.06.1990 aufgelöst und ein neues mit dem Rat der Stadt R ... begründet wurde.

Zum 01.05.1976 war der Kläger der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten und entrichtete auf seine monatlichen Verdienste bis 1.200,00 Mark entsprechende Beiträge. Eine Versorgungszusage ist dem Kläger bis zum 30.06.1990 nicht erteilt worden.

Den Antrag des Klägers vom 25.10.2001 auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften in der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.06.2002 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 20.03.2003 ab. Bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 01.08.1991 habe der Kläger keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes gehabt. Er sei weder in ein Versorgungssystem einbezogen worden noch habe er einen Anspruch auf eine Versorgungszusage. Im Juni 1990 habe er als Ingenieur eine seiner Qualifikation entsprechende Beschäftigung beim Rat der Stadt ausgeübt. Es habe sich hierbei jedoch nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) gehandelt und es sei auch kein im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24.05.1951 einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellter Betrieb gewesen. Soweit Regelungen der Versorgungssysteme eine Beitrittserklärung vorsahen, ohne die eine Versorgungsberechtigung nicht eintrat, könnten Zusatzversorgungszeiten ohne eine solche Beitrittserklärung nicht entstanden sein. Anders als in sonstigen Zusatzversorgungssystemen, die eine Zugehörigkeit bei Ausübung einer einschlägigen Beschäftigung ohne weiteres vorsahen, sei hier eine Willenserklärung des Betreffenden (mit Verpflichtung zur Beitragszahlung) zwingend erforderlich gewesen. Ein Beitritt zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates sei nicht nachgewiesen worden.

Mit seiner am 01.04.2003 zum Sozialgericht (SG) Chemnitz erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren zur Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften in der AVItech für die Zeit ten vom 12.10.1964 bis 30.06.1990 weiter. Seine Tätigkeit als Ingenieur im ehemaligen VEB STR R ... habe am 15.06.1990 auf Grundlage eines Überleitungsvertrages zur Stadtverwaltung R ... geendet. Nach der Wiedervereinigung hätten in den Kommunen die neuen Stadtverwaltungen aufgebaut werden müssen. Im Ergebnis der ersten Kommunalwahlen sei er als dritter Beigeordneter in der Stadtverwaltung R ... tätig geworden. Sein gezeigtes Angagement beim Aufbau der neuen Stadtverwaltung ab 16.06.1990 werde ihm hiermit eindeutig zum Nachteil. Der vereinbarte Überleitungsvertrag habe jedoch keinen Vertragspartner benachteiligen sollen.

Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG Chemnitz die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.06.2003 ab. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zusatzversorgung aus der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz wegen seiner Tätigkeit vom 12.10.1964 bis zum 30.06.1990. Dem Kläger sei weder eine Zusage auf zusätzliche Altersversorgung erteilt worden noch habe ein einzelvertraglicher Anspruch auf eine derartige Zusage bestanden. Für den Kläger komme lediglich eine fiktive Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem im Sinne einer gleichgestellten Pflichtbeitragszeit nach § 5 Abs. 1 AAÜG in Betracht. Einschlägig sei das AAÜG nur, wenn aus bzw. nach den Regelungen der Versorgungssysteme die Voraussetzungen hierfür zum 30.06.1990 vorgelegen hätten oder wenn einmal vor dem 30.06.1990 nach den Gegebenheiten der DDR in deren System eine Versorgungsanwartschaft erlangt worden sei, die nach den Regelungen der Versorgungssysteme bei einem Ausscheiden entfallen sei. Da der Kläger zu keinem Zeitpunkt in der DDR eine Versorgungszusage oder einen Einzelvertrag mit der konkreten Aussicht erhalten habe, bei Eintritt des Versorgungsfalls Leistungen zu erhalten, komme eine Anspruchsberechtigung nur nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG in Betracht. Danach hätten nach den bereits genannten Kriterien auch alle diejenigen eine Versorgungsanwartschaft "erworben", denen aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR, d.h. nach den insoweit vom Einigungsvertrag noch partiell übernommenen Regelungen der Versorgungssysteme, wären diese unter Beachtung des Gleichheitsgebotes umgesetzt worden, eine Anwartschaft auf eine Versorgung durch Einzelfallregelung am 30.06.1990 hätte eingeräumt werden müssen. Hierzu zählten alle diejenigen, die, wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten, zum 01.07.1990 im jetzt rechtsstaatlichen Umfeld kraft Gesetzes Leistungen aus dem Versorgungssystem hätten beanspruchen können. Nach diesen Grundsätzen könnten zugunsten des Klägers keine Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech festgestellt werden. Der Kläger sei zum 30.06.1990 nicht mehr in einem volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) oder einem gleichgestellten Betrieb tätig gewesen. Die Stadtverwaltung R ... sei kein volkseigener Produktionsbetrieb und diesem auch nicht gleichgestellt. Der Kläger könne seinen Anspruch auch nicht aus dem Überleitungsvertrag herleiten. Dieser berühre ausschließlich (arbeits-)vertragliche Vereinbarungen zwischen den Beteiligten. Ein Anspruch gegenüber einem Dritten begründe dieser Vertrag nicht.

Gegen den dem Kläger am 28.06.2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich seine am 21.07.2003 beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegte Berufung, mit der er sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 11.06.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 07.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Beschäftigungszeiten vom 12.10.1964 bis 30.06.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) und die erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 144, 151, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, jedoch unbegründet.

Zutreffend hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat kein Recht vom beklagten Versorgungsträger die begehrten Feststellungen zu verlangen. Einzige Anspruchsgrundlage hierfür könnte § 8 Abs. 2, 3 Satz 1 und 4 Nr. 1 AAÜG sein. Danach hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach Abs. 2 a.a.O. durch Bescheid bekannt zu geben. Das sind die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG die sich daraus ergebenden tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer besonderen Beitragsbemessungsgrenze.

§ 8 AAÜG ist jedoch nicht anwendbar. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (vgl. § 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV) erworben worden sind und beim In-Kraft-Treten dieses Gesetzes am 01.08.1991 bestanden. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaft deswegen eingetreten, weil die Regelungen der Versorgungssysteme ihn bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust als nicht eingetreten (Satz 2 a.a.O.), sodass auch in diesen Fällen das AAÜG Geltung beansprucht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. Der Kläger hatte am 01.08.1991 weder auf Grund eines Verwaltungsaktes noch auf Grund eines Gesetzes eine Versorgungsanwartschaft aus Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist das AAÜG auf den Kläger nicht anwendbar, weil er zum 01.08.1991, also beim In-Kraft-Treten dieses Gesetzes, keinen Anspruch und keine Anwartschaft auf Grund der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem im Beitrittsgebiet erworben hatte.

Am 01.08.1991 bestand eine "Zugehörigkeit" zu einem Versorgungssystem grundsätzlich nur, wenn jemand durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EV (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden war. Der EV (Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 [EV Nr. 9] Buchst. a; a.a.O. Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 [EV Nr. 8]) hat Neueinbeziehungen ab 03.10.1990 ausdrücklich untersagt (EV Nr. 9 Buchst. a Satz 1) und durch EV Nr. 8 i.V.m. § 22 des Rentenangleichungsgesetzes (RAnglG) der DDR bekräftigt, dass Neueinbeziehungen seit dem 01.07.1990 (Beginn der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion) nicht wirksam werden konnten. Die Anordnung, bis zum 31.12.1991 "die leistungsrechtlichen Regelungen der jeweiligen Versorgungssysteme weiter anzuwenden", bezog sich daher grundsätzlich nur auf Personen, die am Tag vor dem 01.07.1990 in ein Versorgungssystem konkret einbezogen waren (stRspr. des Bundessozialgerichts [BSG) seit BSGE 72, 50, 61 ff.), ferner auf solche, die an diesem Stichtag in eine "Versorgungsanwartschaft" i.S. von EV Nr. 9 ohne spezifische Versorgungszusage einbezogen waren, weil in dem System ein besonderer Akt der Einbeziehung nicht vorgesehen war (BSG SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr. 9, dort Nr. 2).

§ 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG hat das grundsätzliche Verbot der Neueinbeziehung nicht aufgehoben, aber modifiziert. Dieses Gesetz spricht (anders als EV Nr. 9) nicht von der Einbeziehung in ein Versorgungssystem, die nur durch einen DDR-Akt erfolgt sein konnte, sondern von einer Berechtigung "auf Grund der Zugehörigkeit" zu einem Versorgungssystem. Dies bedeutet eine rechtliche Erweiterung des potenziell vom AAÜG ab 01.08.1991 erfassten Personenkreises. Zum einen wird der möglichen Korrektur von Unrechtsakten durch Art. 19 Satz 2 und 3 EV sowie der Möglichkeit von Rehabilitierungsentscheidungen Rechnung getragen; zum anderen wird dadurch ein Wertungswiderspruch zu § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG vermieden; danach gilt das Gesetz auch für einige Personen, die am maßgeblichen Tag vor der Schließung der Versorgungssysteme am 01.07.1990 in der DDR Nichteinbezogene waren und stellt sie den einbezogenen Anwartschaftsberechtigten unter der Voraussetzung gleich, dass sie früher von der DDR konkret einbezogen worden waren, aber inzwischen nach den Regeln der Systeme ausgeschieden waren.

Wegen dieser bundesrechtlichen Erweiterungen des persönlichen Geltungsbereichs des AAÜG über den EV Nr. 9 hinaus drohte ein Wertungswiderspruch zwischen § 1 Abs. 1 AAÜG und den zu sekundärem Bundesrecht gewordenen, also inhaltlich mit dem originären Bundesrecht gemäß Art. 9 Abs. 2 EV zu vereinbarenden Regelungen der Versorgungssysteme, die auch noch am 31.07.1991 (und bis zum 31.12.1991) galten. Der Wertungswiderspruch hätte in einer nach den bundesrechtlichen Kriterien des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sachlich nicht zu rechtfertigenden, weil die DDR-Willkür in den der bundesrechtlichen Maßstabsnorm fortführenden Unterscheidung innerhalb der Vergleichsgruppe der am 30.06.1990 Nichteinbezogenen bestanden. Nichteinbezogene, die früher einmal einbezogen waren, aber ohne rechtswidrigen Akt der DDR nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden waren, wurden anders behandelt als am 30.06.1990 Nichteinbezogene, welche nach den Regeln zwar alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatten, aber im Regelfall aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürfen (Art. 3 Satz 3 GG) nicht einbezogen waren (BSG, a.a.O.).

§ 1 Abs. 1 AAÜG ist daher verfassungskonform ausdehnend so auszulegen, dass eine Versorgungsanwartschaft "auf Grund der Zugehörigkeit" bei am 30.06.1990 Nichteinbezogenen nicht nur in den Fällen der Gleichstellung durch Abs. 1 Satz 2 a.a.O. und der Versorgungsanwartschaften aus Systemen ohne konkreten Einbeziehungsakt besteht, sondern auch dann, wenn jemand auf Grund der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage nach der am 31.07.1991 gegebenen bundesrechtlichen Rechtslage einen "Anspruch auf Versorgungszusage" nach den bundesrechtlichen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme gehabt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 R).

Im Blick auf die AVItech ergeben sich diese Regeln aus den Texten der Verordnung vom 17.08.1950 (GBl. I Nr. 93 S. 844 - VO-AVItech) und aus der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24.05.1951 (GBl. Nr. 62 S. 487 - 2. DB), während die 1. DB nur historisch-heuristische Bedeutung für die Auslegung hat. Dabei kommt es für das Sprachverständnis auf den staatlichen Sprachgebrauch der DDR grundsätzlich am 02.10.1990 an, an welchen der Bundesgesetzgeber sich angeschlossen hat. Die Regelungen über die Zuteilung von Versorgungszusagen (§ 3 der 2. DB) sind nicht Bundesrecht geworden, weil sie schon wegen des Einbeziehungsverbots gegenstandslos und ferner elementar rechtsstaatswidrig waren. Ebenso wurden alle Regelungen kein Bundesrecht, die eine bewertende oder Ermessensentscheidung eines Betriebes, Direktors, einer staatlichen Stelle der DDR etc. vorsahen, weil die dafür erforderlichen Entscheidungen nur auf der Grundlage des von der SED-Ideologie geprägten Systems getroffen werden könnten. Es ist im Bundesrecht schlechthin ausgeschlossen, solches nachzuholen. Deshalb sind nur solche Regelungen überhaupt am 03.10.1990 Bundesrecht geworden, die bundesrechtlich als zwingende Bestimmungen gebundenen Verwaltungshandelns der Funktionsnachfolger verstanden werden konnten. Hierzu gehören im Blick auf die "Zugehörigkeit" und "Versorgungsanwartschaft" i.S. von § 1 Abs. 1 AAÜG für den Bereich der AVItech im Wesentlichen § 1 der Verordnung vom 17.08.1950 in der Bedeutung, die er durch § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie § 2 der 2. DB gefunden hat. Die anderen Texte haben hierfür nur ergänzende Bedeutung im Zusammenhang mit der "historischen" Auslegung dieses dem Deutschen Bundestag zuzurechnenden Bundesrechts.

Zum 01.08.1991 hatte der Kläger keinen Versorgungsanspruch und auch keine Versorgungsanwartschaft. Eine i.S. von Art. 19 EV bundesrechtlich bindende Einzelfallregelung, durch welche ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden sein könnte (Versorgungszusage, Einzelfallentscheidung, Einzelvertrag), lag nicht vor. Der somit nicht einbezogene Kläger könnte also nur dann bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 01.08.1991 eine Versorgungsanwartschaft i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gehabt haben, wenn auf Grund der zu diesem Zeitpunkt als partielles und sekundäres Bundesrecht weiter anzuwendenden Regelungen der Versorgungssysteme nach der am 30.06.1990 gegebenen Sachlage nur noch der Versorgungsfall (z.B. Invalidität oder Alter) hätte eintreten müssen, sodass ihm aus bundesrechtlicher Sicht Versorgung hätte geleistet werden müssen. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er am 30.06.1990 eine Beschäftigung ausgeübt hätte, auf Grund welcher ihm nach Bundesrecht zwingend eine Versorgungszusage zu erteilen gewesen wäre, die dann - aus bundesrechtlicher Sicht rückschauend - keine rechtsbegründende, sondern nur noch rechtsfeststellende Bedeutung gehabt hätte (vgl. dazu BSG, Urteile vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 41/01 R).

Wie das Sozialgericht bereits zutreffend und in Anlehnung an die ständige Rechtssprechung des BSG ausgeführt hat, wird ein Nichteinbezogener bundesrechtlich auf Grund seiner ausgeübten Beschäftigung nur dann von dem Zusatzversorgungssystem der AVItech (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) erfasst, wenn am Stichtag "30.06.1990" seine Beschäftigung sich nach Inhalt, Qualität und Umfang im Wesentlichen als Betätigung einer der in § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten herausgehobenen beruflichen Qualifikationen erweist, wenn er ferner die entsprechende Berufsbezeichnung auf Grund einer erfolgreich abgeschlossen Ausbildung führen durfte und wenn die Beschäftigung für einen Arbeitgeber erfolgte, der ein eingetragener volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder ein diesem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellter Betrieb war.

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist nicht näher darauf einzugehen, ob der Kläger mit seiner beruflichen Ausbildung zum Ingenieur und seiner zuletzt bis zum 15.06.1990 tatsächlich ausgeübten Tätigkeit als Abteilungsleiter die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für eine Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech erfüllt hatte. In jedem Falle fehlt es ihm für einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech am Bestehen eines nach § 2 Abs. 1 der 2. DB geforderten Angestelltenverhältnis zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb zum Stichtag "30.06.1990".

Der Kläger war, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist, am Stichtag "30.06.1990" nicht in einem eingetragenen volkseigenen Produktionsbetrieb der DDR, sondern beim Rat der Stadt R ... tätig. Am 30.06.1990 hatte der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis zum VEB Straßen-, Tief- und Rohrleitungsbau R ... bereits beendet, denn er hatte mit Überleitungsvertrag vom 20./26.06.1990 sein Arbeitsverhältnis mit dem VEB Straßen-, Tief- und Rohrleitungsbau gemäß §§ 51, 53 AGB-DDR zum 15.06.1990 aufgelöst und ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Rat der Stadt R ... begründet. Er war nach eigenem Vortrag ab 16.06.1990 auch tatsächlich für den Rat der Stadt R ... tätig. Da ihm bis zur Schließung des Zusatzversorgungssystems zum 30.06.1990 eine Versorgungszusage nicht erteilt worden war, er zu diesem Stichtag auch nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis mit einem volkseigenen Produktionsbetrieb stand, konnte ein fiktiver bundesrechtlicher Anspruch auf Einbeziehung in die AVItech somit nicht mehr entstehen. Der Kläger wird vom Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG nicht erfasst.

Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf § 2 Abs. 4 der 2. DB berufen. Zwar bestimmt § 2 Abs. 4 der 2. DB, dass der Anspruch auf Rente für die Dauer von Berufung in "öffentliche Ämter" oder in "demokratische Institutionen (Parteien, Freier Deutscher Gewerkschaftbund usw.)" nicht erlischt. Da der Kläger vor dem 01.07.1990 aber keinen Versicherungsschein erhalten hat (nicht einbezogen war), hatte er auch keinen "Anspruch" auf Versorgung, der wegen seiner Beschäftigung beim Rat der Stadt R ... hätte erlöschen können (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2002 -B 4 RA 31/01 R).

Damit hatte der Kläger am 30.06.1990 in der AVItech keine Versorgungsanwartschaft i.S. des § 1 AAÜG erworben; ihm kann bereits aus diesem Grund kein Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach § 5 AAÜG zustehen. Bei dieser gegebenen Sachlage ist nicht maßgeblich, ob der Kläger vor dem 16.06.1990 eine, von § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB obligatorisch erfasste Tätigkeit ausgeübt und die dazu erforderliche berufliche Qualifikation erworben hatte. Entscheidend ist, dass er bei Beendigung seiner versicherungspflichtigen Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb des Bauwesens, dem VEB Straßen-, Tief- und Rohrleitungsbau R ..., zum 15.06.1990 keine Versorgungszusage erhalten hatte und bei Schließung der Zusatzversorgungssysteme zum 30.06.1990 aus bundesrechtlicher Sicht keine fiktive Anwartschaft mehr entstehen konnte.

Der Kläger hat auch auf Grund seiner Tätigkeit als Dezernent bzw. dritter Beigeordneter beim Rat der Stadt R ... nicht etwa Versorgungsanwartschaften in der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates erworben. Denn - wie die Beklagte schon zu Recht in ihrem Widerspruchsbescheid vom 20.03.2003 ausgeführt hat - war für die Einbeziehung in dieses Zusatzversorgungssystem ein ausdrücklicher Beitritt des Klägers und eine entsprechende Beitragszahlung erforderlich. Beides hat der Kläger nicht nachgewiesen. Die insoweit relevanten Vorschriften ergeben sich aus der "Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates" gemäß dem Beschluss des Ministerrates vom 29.01.1971. Nach § 1 der vorgenannten Ordnung wurde für Leiter und Mitarbeiter des Staatsapparates eine freiwillige zusätzliche Altersversorgung eingeführt. Gemäß § 2 Abs. 1 der Ordnung konnten der Versorgung alle Mitarbeiter des Staatsapparates beitreten, die (a) ab Aufnahme der Tätigkeit im Staatsapparat bis zum Rentenalter mindestens 15 Jahre ununterbrochen im Staatsapparat tätig sein konnten, (b) ab Aufnahme der Tätigkeit im Staatsapparat bis zum Rentenalter mindestens fünf Jahre ununterbrochen im Staatsapparat tätig sein konnten, wenn sie bei Einführung der Versorgung bereits im Staatsapparat tätig waren. Gemäß § 2 Abs. 2 der Ordnung erfolgte der Beitritt zur Versorgung durch Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung des Mitarbeiters gegenüber dem Staatsorgan. Der Mitarbeiter erhielt vom Staatsorgan einen Nachweis über den Beitritt. Wie sich somit bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Ordnung ergibt, erfolgte der Beitritt zur Versorgung durch Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung, wobei der Mitarbeiter vom Staatsorgan einen Nachweis über den Beitritt erhielt. Ohne schriftliche Beitrittserklärung konnte daher eine Versorgungsberechtigung bereits nach den Bestimmungen der Versorgungsordnung der ehemaligen DDR nicht eintreten, sodass eine einer Versorgungsanwartschaft gleichstehende Rechtsposition ohne Beitrittserklärung auch nicht entstanden ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.1998 - B 4 RA 11/98 R; SächsLSG, Urteil vom 21.05.2001 - L 4 RA 182/00). Da eine entsprechende Beitrittserklärung durch den Kläger nicht nachgewiesen ist, scheidet bereits aus diesem Grund ein "fiktiver Anspruch" auf Erteilung einer Versorgungszusage aus.

Andere Rechtsgrundlagen, auf die der Kläger sein Begehren stützen könnte, sind nicht ersichtlich. Der vom Gesetzgeber gewählte Stichtag "30.06.1990", also der Tag der Schließung der Zusatzversorgungssysteme und die damit zusammenhängende Stichtagsregelung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Diese Verfassungsnorm verwehrt es dem Gesetzgeber nicht, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Die Wahl des Zeitpunktes muss sich allerdings am gegebenen Sachverhalt orientieren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urteil vom 07.07.1992, BVerfGE 87, 1, 43).

Da alle Personen, die vor dem 30.06.1990 keine Zusatzversorgungsanwartschaft erworben hatten, gleich behandelt werden, liegt eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor. Eine solche Verletzung lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Gesetzgeber es gleichheitswidrig unterlassen habe, den Besonderheiten des Personenkreises, dem der Kläger angehört, durch Erlass einer Sonderregelung Rechnung zu tragen. Der EV hat - wie bereits dargelegt - nur die Übernahme damals bestehender Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften von Einbezogenen in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten. Die Vorschriften sind in sich verfassungsgemäß. Der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung dieser Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkürverstoß anknüpfen. Art. 3 GG gebietet nicht, von jenen historischen Fakten, aus denen sich Ungleichheiten ergeben könnten, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen. Die Begünstigung der damals Einbezogenen hat der Deutsche Bundestag als ein Teilergebnis der Verhandlungen im EV angesichts der historischen Bedingungen hinnehmen dürfen (vgl. BVerfGE 100, 138, 190 f. = SozR 3-8570 § 7 Nr. 1). Der Bundesgesetzgeber hat in § 1 Abs. 1 AAÜG in begrenztem Umfang DDR-Willkür ausgeschaltet (vgl. zur Modifikation von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG: BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2, 8). Zu einer Totalrevision des mit Beginn des 31.12.1991 in das Rentenversicherungsrecht des Beitrittsgebiets überführten, aus der DDR stammenden Versorgungsrechts war er nicht verpflichtet, weil er diesen gesamten Rechtsbereich ab 01.01.1992 einem rechtsstaatlichen Grundsätzen im Wesentlichen genügenden Gesetz, dem SGB VI, unterstellt hat (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 2).

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass der Kläger auch ohne Anwendung vom § 6 Abs. 1 AAÜG die selben Rangstellenwerte (Entgeltpunkte) im SGB VI wie bei Anwendung des AAÜG hätte erreichen können. Ab Einführung der FZR hängt dies allerdings davon ab, ob er von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, sich auch in der FZR in dem dort vorgesehenen "Höchstumfang" zu versichern. Da der Kläger von der DDR niemals eine Versorgungszusage erhalten hat, konnte er auch zu keinem Zeitpunkt die FZR-Sicherung wegen eines Vertrauens auf Zusatzversorgung im Alter hintanstellen. Es lag allein in seiner Entscheidungskompetenz, entsprechende FZR-Beiträge zur rentenrechtlichen Absicherung im Alter zu entrichten.

Aus den genannten Gründen blieb die Berufung ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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