L 18 R 1140/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 15 R 2221/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 R 1140/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 101/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Mit Urteil zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an LSG zurückverwiesen !!! Neues Az.= L 18 R 572/19 ZVW
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 1.9.2015 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Regelaltersrente.

Der 1930 in X (damals Polen heute Litauen) geborene Kläger wurde während der nationalsozialistischen Herrschaft wegen seines jüdischen Glaubens verfolgt. Vom 1.9. 1941 bis zum 27.9.1943 hielt er sich auf nationalsozialistische Anordnung zwangsweise im jüdischen Ghetto in Wilna auf, wo er, um zu überleben, einer Beschäftigung gegen Entgelt nachging. Anschließend wurde er bis zum 8.7.1944 zu Zwangsarbeit im Arbeitslager Heereskraftfahrpark (HKP) 562 in Wilna (einer großen Reparaturwerkstätte für Radfahrzeuge und anderes Gerät der deutschen Wehrmacht) verwendet. Danach musste er Zwangsarbeit im Zwangsarbeitslager (ZAL) Raudon Pline bei Koslova-Ruda/Litauen leisten. Im August 1944 konnte er von dort entfliehen und gelangte über Polen, Tschechien, Österreich, Bayern (E, wo er zeitweilig eine DP-Schule der United Nations Relief and Rehabilitation Administration besuchte), erneut Österreich und Zypern im September 1947 in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina, wo er seitdem als israelischer Staatsangehöriger im (späteren) Staat Israel lebt. Auf der Basis seiner in Israel zurückgelegten Versicherungszeiten bezieht der Kläger dort seit dem 1.9.1995 (also ab Vollendung des 65. Lebensjahres) Altersrente.

Sein unter dem 30.6.2003 gestellter Antrag auf Gewährung von Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung unter Berücksichtigung der Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) ging am 29.7.2003 beim Israelischen Nationalversicherungsinstitut ein, das ihn an die Beklagte weiterleitete. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil eine freiwillige entgeltliche Beschäftigung im Ghetto Wilna nicht glaubhaft gemacht sei (Bescheid vom 21.9.2004; Widerspruchsbescheid vom 3.5.2005). Während des sich anschließenden Klageverfahrens bot die Beklagte dem Kläger im Juli 2009 an, "unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes vom 2.6.2009 und 3.6.2009 zur vollständigen Erledigung des Rechtsstreits [ ...] eine Beitragszeit nach dem ZRBG für die Zeit vom 1.9.1941 bis 27.9.1943 und Ersatzzeiten wegen Verfolgung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen auch unter Berücksichtigung der Urteile des Bundessozialgerichts vom 19.5.2009 anzuerkennen" und für die Zeit ab dem 1.7.2003 (Antragstellung) Rente zu bewilligen. Nachdem der Kläger das Angebot angenommen hatte, erteilte die Beklagte einen entsprechenden (Ausführungs-)Bescheid. Dabei legte sie die Zeit vom 1.9.1941 bis zum 27.9.1943 als Ghettobeitragszeit und die Zeiten vom 14.9.1944 bis zum 31.12.1946 sowie vom 1.2.1947 bis zum 31.12.1949 als Ersatzzeiten zugrunde. Der Zugangsfaktor betrug wegen des späten Rentenbeginns 1,465. Ab dem 1.11.2009 ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag von 270,31 EUR, für die Zeit vom 1.7.2003 bis zum 31.10.2009 eine Nachzahlung in Höhe von 22.159,90 EUR (Bescheid vom 6.10.2009).

Auf sein Schreiben vom 6.12.2009, mit dem der Kläger höhere Rente geltend machte, teilte ihm die Beklagte mit, die Rente sei zutreffend berechnet (Schreiben vom 26.4. und 15.6.2010). Mit weiterem Schreiben vom 12.10.2010 machte er unter anderem geltend, er habe auch im Lager HKP und im Lager Raudon Pline bei Koslova-Ruda/Litauen gearbeitet und von Anfang 1946 bis Anfang 1947 in einer im DP-Lager E eingerichteten deutschen Mittelschule gelernt. Das könne hoffentlich zu einer Rentenerhöhung führen.

Die Beklagte bearbeitete das Schreiben vom 12.10.2010 als Antrag auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 6.10.2009 und Gewährung höherer Regelaltersrente und lehnte den Antrag ab: Die Arbeitszeiten im Ghetto Wilna seien aufgrund des vom Kläger angenommenen Anerkenntnisses vom 22. 7. 2009 erfolgt. Die weiteren Zeiten bis August 1944 seien in Zwangsarbeitslagern zurückgelegt worden und deshalb rentenrechtlich nicht zu berücksichtigen. Das gleiche gelte für die Schulzeiten im DP-Lager, weil diese vor Vollendung des 17. Lebensjahres lägen (Bescheid vom 17.11.2010 und Widerspruchsbescheid vom 31.5.2011, gestützt auf § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)).

Dagegen hat der Kläger am 1.7.2011 Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte den Kläger im August 2014 darüber informiert, dass aufgrund der Änderung des ZRBG durch das "Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto- 1. ZRBG-Änderungsgesetz vom 15.7.2014 (BGBl I S. 952f) ab dem 1.7.2014 die Möglichkeit bestehe, unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung die Regelaltersrente aufgrund von Ghettobeitragszeiten bereits ab dem 1.7.1997 zu erhalten. In seinem Fall ergebe sich für diesen Fall eine (weitere) Nachzahlung in Höhe von 4.634,32 EUR, allerdings wegen der dann früheren Inanspruchnahme laufend nur noch ein monatlicher Zahlbetrag von 214,46 EUR. Falls er einen solchen Antrag nicht stelle, verbleibe es beim Zahlbetrag von derzeit 284,33 EUR. Nachdem der Kläger auf dem beigefügten Vordruck angekreuzt hatte, er bitte, die Rente ab dem 1.7.1997 neu festzustellen, hat die Beklagte die Rente mit einem Beginn am 1.7.1997 und einem Zugangsfaktor von (nur noch) 1,105 neu festgestellt: Ab dem 1.12.2014 würden monatlich 214,46 EUR gezahlt, der Nachzahlungsbetrag belaufe sich einschließlich Zinsen auf 8.211,51 EUR. Den Bescheid vom 6.12.2009 hob sie auf. Der Bescheid sei Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden (Bescheid vom 20.10.2014). Der Kläger hat - auf Nachfrage - das Verfahren nicht für erledigt erklärt, sondern vorgetragen, die Nachzahlung müsse mindestens 22.160 EUR betragen und der monatliche Zahlbetrag bei 284 EUR verbleiben.

Dem schriftlichen Vorbringen des Klägers hat das Sozialgericht (SG) als Begehren des Klägers entnommen,

"die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2011 und unter Abänderung des Bescheides vom 20. Oktober 2014 zu verurteilen,

I. im Rahmen der Berechnung der ihm gewährten Regelaltersrente

1. die Zeit vom 28. September 1943 bis August 1944 als eine weitere Ghettobeitragszeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG),

2. die Zeit von Anfang 1946 bis Anfang 1947 als Anrechnungszeit der Schulausbildung gemäß § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI),

3. eine verfolgungsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit rentensteigernd zu berücksichtigen,

4. nach wie vor den in dem so genannten Ausführungsbescheid vom 6. Oktober 2009 angewandten Zugangsfaktor im Sinne des § 77 SGB VI zugrunde zu legen,

5. ihm eine Zulage in Höhe von 0,5 % zu gewähren,

6. eine Einstufung in den höheren Dienst des deutschen Beamtenrechtes vorzunehmen,

7. von einer Aufhebung seiner Sozialansprüche abzusehen,

und

II. Ihm

1. eine Nachzahlung der Regelaltersrente von mindestens 22.160 EUR und

2. eine Regelaltersrente in Höhe von monatlich 284 EUR auszuzahlen."

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten.

Das SG hat die Klage (mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung) abgewiesen: Mit Ausnahme der unter I.1. und 2. gestellten Anträge sei die Klage unzulässig. Es fehle hinsichtlich der Ansprüche nach I. 3 bis 7 und II. an einer (ablehnenden) Entscheidung der Beklagten, die das Gericht überprüfen könne. Im Bescheid vom 17.11.2010 habe die Beklagte insoweit keine Entscheidungen getroffen. Die Klage sei auch nicht mit der Erteilung des Bescheides vom 20.10.2014 zulässig geworden. Dieser sei nur insoweit Gegenstand des Klageverfahrens geworden, als er den angefochtenen Bescheid vom 17.11.2010 abgeändert oder ersetzt habe, d.h. nur insoweit, als auch darin abgelehnt werde, die Zeit vom 28.9.1943 bis August 1944 als weitere Ghettobeitragszeit und die Zeit von Anfang 1946 bis Anfang 1947 als Anrechnungszeit der Schulausbildung zu berücksichtigen. Soweit die Klage darauf gerichtet sei, die Zeit vom 28.9.1943 bis August 1944 als weitere Ghettobeitragszeit und die Zeit von Anfang 1946 bis Anfang 1947 als Anrechnungszeit der Schulausbildung rentensteigernd zu berücksichtigen (I.1. und 2.), sei sie unbegründet (Urteil vom 1.9.2015, abgesandt am 28.9.2015).

Gegen das ihm nach eigenen Angaben am 29.10.2015 zugegangene Urteil hat der Kläger am 30.12.2015 Berufung eingelegt, eine eigene Berechnung zur Höhe seiner Rente ab dem 1.7.1997 vorgelegt und vorgetragen, er habe eine zu kleine Nachzahlung erhalten. Nach seiner Berechnung betrage die Nachzahlung für die Zeit vom 1.7.1997 bis zum 30.6.2003 mindestens 28.982 EUR. Außerdem müsse es bei der früheren Rentenhöhe von 284 EUR verbleiben; es sei unglaublich, dass der monatliche Zahlbetrag um etwa 70 EUR gesunken sei.

Der Kläger ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung per Einschreiben und Rückschein mit dem Hinweis geladen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Er hat von der Ladung ausweislich des bei den Akten befindlichen Rückscheins am 30.10.2017 Kenntnis erhalten und anschließend mitgeteilt, er werde nicht kommen, das sei zu schwer für ihn. Er verlasse sich darauf, dass das Urteil richtig sein werde (Schreiben vom 5.11.2017).

Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts Düsseldorf (Az S 15 R 75/09 ZVW; Az beim LSG NRW L 18 R 96/08 und L 18 R 1021/12 B) verwiesen. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs. 1 und 2 SGG, 175 Zivilprozessordnung iVm Art 26 Satz 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit vom 17.12.1973, BGBl 1975 II, 246, idF des Änderungsabkommens vom 7.1.1986, BGBl 1986 II, 863 - DISVA) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG.

Die Berufung ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausweislich des gesamten Berufungsvorbringens des Klägers nur noch die Höhe der mit Bescheid vom 20.10.2014 ab dem 1.7.1997 neu festgestellten Regelaltersrente sowohl im Hinblick auf den laufenden Zahlbetrag als auch hinsichtlich der für die Vergangenheit zu leistenden Nachzahlung. Im Kern wendet sich der Kläger dabei dagegen, dass sich bei dem 6 Jahre früheren Rentenbeginn (1.7.1997 statt 1.7.2003) eine niedrigere Rentenhöhe und damit ein geringerer monatlicher Rentenzahlbetrag ergeben. Das bedeutet, dass der Kläger im zweiten Rechtszug nur noch die vom SG als "Anträge zu II.1. und 2." bezeichneten Begehren weiterverfolgt. Dies entnimmt der Senat (im Umkehrschluss) auch daraus, dass der Kläger die (frühere) Rentenhöhe von ca. 284 EUR nunmehr für richtig hält und sich nur noch gegen die Kürzung derselben um etwa 70 EUR wendet.

Das SG hat die Klage insoweit zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil sie als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) nicht statthaft ist und eine andere Klageart für das Begehren des Klägers nicht zur Verfügung steht. Es fehlt an einer Entscheidung der Beklagten, die Gegenstand des Verfahrens (geworden) ist.

Das sozialgerichtliche Verfahrensrecht enthält einen Numerus clausus von Klagearten. In Verfahren, in denen ein Versicherter und eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen des allgemeinen Gewaltverhältnisses miteinander streiten und deshalb zunächst immer ein Verwaltungsakt ("Bescheid") zu ergehen hat, sind (nur) Anfechtungs-, Anfechtungs- und Verpflichtungs- und/oder Leistungsklage oder Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft. Die Anfechtungs- und Leistungsklage ist eine spezifische Klageart, die in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten den Besonderheiten des Subordinationsverhältnisses Rechnung trägt. In diesem (allgemeinen oder besonderen) Gewaltverhältnis zwischen staatlichem Hoheitsträger und (seiner Gewalt unterworfenem) Staatsbürger ist jener befugt, das Rechtsverhältnis einseitig durch Verwaltungsakt (§ 31 SGB X) zu regeln. Der gerichtliche Rechtsschutz ist so ausgestaltet, dass erst nach Abschluss eines solchen Verwaltungsverfahrens eine Klage statthaft ist, die dann (auch) darauf gerichtet ist, den das streitige Begehren regelnden Verwaltungsakt zu ändern und die begehrte Leistung zuzusprechen. Daran fehlt es hier, weil der streitige Bescheid vom 17.11.2010 keine entsprechende Regelung enthält, sondern gegenstandlos geworden ist, und der spätere Bescheid vom 20.10.2014 mit der Klage vom 1.7.2011 weder angefochten ist und noch als angefochten gilt.

Der mit der Klage vom 1.7.2011 angefochtene Bescheid vom 17.11.2010 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.5.2012, § 95 SGG) verhält sich nicht über das Berufungsbegehren. Er lehnt vielmehr ab, den Bescheid vom 6.10.2009 teilweise zurückzunehmen und höhere Regelaltersrente zu gewähren. Mit der Aufhebung des Bescheids vom 6.10.2009 durch den Bescheid vom 20.10.2014 ist dem Bescheid vom 17.11.2010 das Regelungssubstrat entzogen worden. Er hat sich dadurch auf andere Weise erledigt, § 39 Abs 2 SGB X. Eine Regelung zur Höhe der Regelaltersrente (durch Verwaltungsakt) findet sich nunmehr ausschließlich im Bescheid vom 20.10.2014, der erst während des laufenden Klageverfahrens ergangen ist. Diesen Bescheid hat der Kläger - der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung folgend - bisher nicht separat mit einem Rechtsbehelf (Widerspruch) angefochten. Dieser Bescheid ist - entgegen der Auffassung der Beklagten und der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung - nicht, auch nicht teilweise kraft gesetzlich angeordneter Klageerweiterung Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden, § 96 Abs 1 SGG.

Nach § 96 Abs 1 SGG wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Zwar ist der Bescheid vom 20.10.2014 mit den darin getroffenen Regelungen (Verwaltungsakten) nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 31.5.2011 und nach der Klageerhebung vom 1.7.2011 ergangen, er ändert den angefochtenen Verwaltungsakt vom 17.11.2010 jedoch weder ab, noch ersetzt er ihn. Das folgt aus den gänzlich unterschiedlichen Regelungen der beiden Bescheide, die keine Schnittmenge aufweisen, also in ihren Verfügungssätzen (Verwaltungsakten) völlig differieren und gänzlich unterschiedliche Anordnungen treffen. Der Bescheid vom 17.11.2010 befasst sich mit dem Begehren des Klägers, den ersten, bindenden Rentenbescheid vom 6.10.2009 zur Höhe der Rente teilweise zurückzunehmen und ihm unter Berücksichtigung der Zeiten der Zwangsarbeit und der Schulzeit zwischen 1944 und Anfang 1947 höhere Regelaltersrente zu gewähren. Der Bescheid vom 20.10.2014 regelt dagegen den Rentenbeginn und - wegen des geänderten Rentenbeginns - gleichzeitig auch die Rentenhöhe neu. Diese Neuregelung erfolgt durch originären (Zweit-)Bescheid auf der Grundlage der zum 1.7.2014 (mit Inkrafttreten des 1. ZRBG-Änderungsgesetzes) geänderten rechtlichen Verhältnisse und hebt gleichzeitig den Bescheid vom 6.10.2009 (vollumfänglich) auf. Der Bescheid vom 20.10.2014 ersetzt den Bescheid vom 6.10.2009, nicht jedoch denjenigen vom 17.11.2010. Die neuen, vom Kläger jetzt angegriffenen Regelungen werden erstmalig und ausschließlich im Bescheid vom 20.10.2014 getroffen, der genau deshalb nicht Gegenstand des im Zeitpunkt seines Erlasses anhängigen Klageverfahrens werden konnte.

Regelt aber der mit der Klage angefochtene Bescheid vom 17.11.2010 das Begehren des Klägers nicht und ist der - das Begehren des Klägers regelnde - Bescheid vom 20.10.2014 nicht Gegenstand des zu diesem Zeitpunkt bereits anhängigen Klageverfahrens geworden, ist - wie das SG zu Recht erkannt hat - die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage unstatthaft. Auch andere Klagearten kommen nicht in Betracht. Die allgemeine (=direkte) Leistungsklage iS von § 54 Abs 5 SGG ist nicht statthaft, weil sie nur für Gleichordnungsverhältnisse vorgesehen ist, in denen eine Entscheidung durch Verwaltungsakt gerade nicht vorgesehen ist. Eine Feststellungsklage ist nicht statthaft, weil ein Feststellunginteresse regelmäßig fehlt, wenn (sofort) auf Leistung geklagt werden kann. Andere Klagearten kommen ersichtlich von vorneherein nicht in Betracht.

Zur Vervollständigung und Vermeidung weiterer unnötiger Rechtsstreitigkeiten (etwa nach Bearbeitung des Schriftsatzes vom 7.12.2014 als Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.10.2014) weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte die Höhe der Regelaltersrente - entgegen der Auffassung des Klägers - mit Bescheid vom 20.10.2014 richtig festgestellt haben dürfte. Die Reduzierung des monatlichen Rentenzahlbetrags ergibt sich zwangsläufig aus dem mit dem früheren Rentenbeginn verknüpften niedrigeren Zugangsfaktor. Dieser ist ein Faktor für die Berechnung der Rentenhöhe (vgl §§ 64 Nr 1, 77 SGB VI) und beträgt bei Inanspruchnahme einer Rente mit Eintritt der regulären Altersgrenze (beim Kläger: Vollendung des 65. Lebensjahres) 1,0 (= 100 %). Wird die Altersrente früher in Anspruch genommen, erfolgen Abschläge (um 0,003 = 0,3% pro Monat, § 77 Abs 2 Nr 2 a), wird sie später in Anspruch genommen, erfolgen Zuschläge (um 0,005 = 0,5% pro Monat, § 77 Abs 2 Nr 2 b). Genau das ist beim Kläger erfolgt. Bei Rentenbeginn am 1.7.2003 wird der Zugangsfaktor um 0,465 auf 1,465 (= 146,5 %) erhöht, bei 6 Jahre früherem Beginn nur um 0,105 auf 1,105 (= 110,5 %). Diese 6 Jahre reduzieren den Zugangsfaktor um 72 Monate x 0,005 = 0,36, also von 1,465 auf 1,105. Die Beklagte hatte den Kläger über diese Rechtsfolgen vorab informiert, der Kläger hat sich danach für die Alternative des früheren Rentenbeginns entschieden. Die vom Kläger gewünschte Optimierungsstrategie in Form der Kombination beider Varianten (Rentenbeginn 1.7.1997 bei gleichbleibender Rentenhöhe von etwa 287 EUR) sieht das Gesetz nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Rechtskraft
Aus
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