L 12 AL 32/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AL 218/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 32/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 166/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 30.01.2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Absenkung des Bemessungsentgelts, welches der Arbeitslosenhilfe (Alhi) des Klägers zu Grunde liegt.

Mit Bescheid vom 28.07.2003 bewilligte die Beklagte dem 1942 geborenen Kläger, der nach Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs seit Dezember 1992 Alhi von der Beklagten bezieht, Alhi ab 01.07.2003 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 580.00 Euro, nachdem dieses bis 30.06.2003 595,00 Euro betragen hatte. Auf den dagegen am 05.08.2003 erhobenen Widerspruch gewährte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 29.08.2003 vom 01. bis 31.07.2003 Alhi nach dem unveränderten Bemessungsentgelt von 595 Euro und beließ es für die Zeit ab 01.08.2003 bei der Absenkung des Bemessungsentgelts auf wöchentlich 580,00 Euro. Den aufrechterhaltenen Widerspruch wies die Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2003 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Verringerung des Bemessungsentgelts beruhe auf § 200 Abs. 3 3. Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III, wonach das Bemessungsentgelt für die Alhi jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Entstehen des Anspruchs auf Alhi um 3 % abgesenkt werde.

Am 09.09.2003 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben und dabei die Ansicht vertreten, die Verringerung des Bemessungsentgelts belaste und benachteilige ihn und greife in seine Grund- und Lebensrechte ein. Zwar sei die Herabsetzung des Bemessungsentgelts nicht rechnerisch falsch oder der Bescheid durch falsche Gesetzesanwendung zu Stande gekommen, er halte jedoch bereits das Gesetz für verfassungswidrig.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, Hintergrund für die Herabsetzung des Bemessungsentgelts sei die zunehmende Vermittlungserschwernis durch länger dauernde Arbeitslosigkeit, weshalb die pauschale Absenkung des Bemessungsentgelts rechtlich nichts zu beanstanden sei.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe das Bemessungsentgelt für die Alhi zutreffend um 3 % abgesenkt. Eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse liege darin, dass gem. § 200 Abs. 3 SGB III das Bemessungsentgelt für die Alhi jeweils nach Ablauf eines Jahres seit Entstehen des Anspruchs auf Alhi um 3 % abgesenkt werde. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die pauschale Regelung der Vorschrift beständen nicht, weil die Absenkung des Bemessungsentgelts der zunehmenden Vermittlungserschwernis bei länger dauernder Arbeitslosigkeit Rechnung trage und eine Untergrenze der Herabbemessung dadurch gegeben sei, dass das Bemessungsentgelt durch die Absenkung nicht 50 % der Bezugsgröße unterschreiten dürfe.

Gegen den ihm am 03.02.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.02.2004 Berufung eingelegt. Er vertritt weiterhin die Ansicht, die gesetzlichen Grundlagen der jährlichen Absenkung des Bemessungsentgelts der Alhi seien verfassungswidrig.

Der - im Termin zur mündlichen Verhandlung weder erschienene noch vertreten gewesene - Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 30.01.2004 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 28.07.2003 und des Änderungsbescheides vom 29.08.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2003 zu verurteilen, ihm ab 01.08.2003 Arbeitslosenhilfe nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 595,00 Euro zu gewähren.

Die Beklagte, die den Gerichtsbescheid für zutreffend hält, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Streitsache auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, denn er ist mit der Benachrichtigung über den Termin auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid vom 28.07.2003 und der Änderungsbescheid vom 29.08.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2003 sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Dem Kläger steht für die Zeit ab 01.08.2003 höhere Alhi nicht zu.

Mit den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte eine Entscheidung gem. § 48 Abs. 1 10. Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) getroffen, wonach vorliegend in den rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung dadurch eingetreten ist, dass unter Berücksichtigung des sich aus dem Anpassungsfaktor (3 %) ergebenden neuen Bemessungsentgelts ein neuer Zahlbetrag ergibt. Die Änderung beruht auf § 200 Abs. 3 SGB III (in der Fassung des 1. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.02 [BGBl. I S. 4607] in Kraft ab 01.01.2003). Danach wird gem. Satz 1 der Vorschrift das Bemessungsentgelt für die Alhi, dass sich vor der Rundung ergibt, jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Entstehen des Anspruchs auf Alhi auf 3 % abgesenkt und gem. Satz 2 der Vorschrift darf das Bemessungsentgelt durch die Absenkung nicht 50 % der Bezugsgröße unterschreiten.

Die Beklagte ist für die dem Kläger ab 01.08.2003 zustehende Alhi zu Recht von einem niedrigeren Bemessungsentgelt ausgegangen (580 Euro). Das Bemessungsentgelt von 580 Euro ist richtig errechnet und nach Aufrundung richtig festgestellt und auch ansonsten sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der neue Zahlbetrag der Alhi unrichtig ermittelt worden ist. Dies wird im Übrigen auch vom Kläger nicht gerügt.

Gegen die Regelung des § 200 Abs. 3 SGB III bestehen entgegen der Auffassung des Klägers aber auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar bewirkt die Regelung dieser Vorschrift eine Leistungskürzung, sie verstößt jedoch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG), weil der Alhi-Anspruch nicht der Eigentumsgarantie unterliegt. Denn im Gegensatz zum Arbeitslosengeldanspruch geht der aus Steuermitteln finanzierte Alhi-Anspruch von seiner Konzeption her nicht auf eine eigene Leistung des Anspruchsberechtigten zurück (BSG SozR 3 - 4100, § 118 Nr. 4), was dadurch verdeutlicht wird, dass zuvor erzieltes Arbeitsentgelt gänzlich unberücksichtigt bleibt, wenn das anspruchsbegründende Tatbestandmerkmal der Bedürftigkeit nicht erfüllt ist (BSG SozR 3 - 4100 § 136 Nr. 11 und SozR 4 - 4300, § 434 c Nr. 3).

Der Kläger kann auch keinen Rechtsanspruch auf höhere Alhi aus dem Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 1 GG) ableiten. Dieses gewährt als solches keinen Anspruch auf einen Mindestbetrag (BSG SozR 3 - 4100 § 118 Nr. 4). Zudem steht dem Gesetzgeber im Rahmen des Sozialstaatsprinzips ein weiter Gestaltungsspielraum zu, wie er Sozialleistungen gewähren und ausgestalten will (BVerfGE 94,241,263; BSG Urteil vom 29.04.1998 - B 7 AL 30/97 R -); durch Aufstockung der Alhi um Sozialhilfe wird dem Sozialstaatsprinzip genügt (BSG SozR 3 - 4100 § 118 Nr. 4).

Schließlich kann sich der Kläger nicht auf Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitsgrundsatz) berufen. Dem Senat sind insoweit keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass durch die Regelung des § 200 Abs. 3 SGB III unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Ungleichbehandlung von Personengruppen (BVerfGE 87,234,255 = SozR 3 - 4100 § 137 Nr. 3; BSG SozR 3 - 4100 § 85 Nr. 1 S. 11 m. w. N.) solche Personengruppen betroffen sind, die sich von anderen von der Art her und im Gewicht nur so geringfügig unterscheiden, dass eine ungleiche Behandlung nicht gerechtfertigt wäre. Auf dem Gebiet des Sozialrechts ist zudem wegen der fortwährenden schnellen Veränderungen des Arbeits-, Wirtschafts- und Soziallebens eine besonders weite Gestaltungsfreiheit eingeräumt (vgl. BVerfGE 81,156,204). Dies bedeutet, dass nicht zu überprüfen ist, ob im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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