Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 1061/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 47/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen von der Beklagten erlassenen Widerspruchsbescheid und verfolgt die vollständige Auszahlung eines entstandenen Nachzahlungsbetrages nach rückwirkender Rentengewährung.
Das Sozialgericht Magdeburg verurteilte die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 8. Dezember 2014, der - im Gerichtsverfahren anwaltlich vertretenen - Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1. April 2011 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Der Gerichtsbescheid wurde rechtskräftig. Mit Ausführungsbescheid vom 26. Januar 2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin Rente wegen voller Erwerbsminderung und wies darauf hin, dass die entstandene Nachzahlung vorläufig einbehalten werde.
Bereits am 6. November 2014 hatte das Jobcenter Salzlandkreis mit Schreiben vom 3. November 2014 einen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) angemeldet und diesen mit Schreiben vom 23. Februar 2015 für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 28. Februar 2015 in Höhe von insgesamt 27853,24 EUR und am 4. März 2015 in Höhe von 30027,81 EUR beziffert.
Unter dem 5. März 2015 sandte die Beklagte folgendes Schreiben an die Klägerin:
Sehr geehrte Frau D,
die einbehaltene Rentennachzahlung beträgt 26743,32 EUR.
Darauf hat Erstattungsanspruch erhoben:
Jobcenter Salzlandkreis Regionalstelle Sch. 24808,64 EUR Es verbleibt mithin ein Restbetrag in Höhe von 1934,68 EUR.
Zuzüglich der Zinsen in Höhe von 159,47 EUR
- Anlage 11 - beträgt der Gesamtbetrag 2094,15 EUR.
Dieser Betrag wird auf das angegebene Konto überwiesen.
Falls Sie während des Abrechnungszeitraumes noch weitere Leistungen von anderen ersatz- bzw. erstattungsberechtigten Stellen erhalten haben, bitten wir Sie, diese Abrechnungsmitteilung den entsprechenden Stellen unverzüglich vorzulegen.
Mit freundlichen Grüßen
Deutsche Rentenversicherung
Mitteldeutschland
In der Anlage sind die Zinsen mit insgesamt 159,47 EUR berechnet worden.
Am 13. April 2015 nahm die Klägerin - vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - im Schriftsatz vom 8. April 2015 Bezug auf "Ihr Schreiben vom 5.3.2015" und teilte mit, sie erhebe Widerspruch gegen den "o.g. Bescheid". Der Erstattungsanspruch des Jobcenters sei nicht in der angegebenen Höhe rechtmäßig. Die Beklagte handele rechtswidrig, wenn sie ihr - der Klägerin - zustehende Leistungen einbehalte und sie - die Beklagte - werde gebeten, den Auszahlungsbetrag zu korrigieren. Mit Schreiben vom 16. April 2015 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, soweit "gegen den Bescheid vom 05.03.2015 Widerspruch eingelegt" worden sei, hätte der Widerspruch bis spätestens zum 10. April 2015 vorliegen müssen; er sei jedoch erst am 13. April 2015 eingegangen. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht ersichtlich. Zudem werde darauf hingewiesen, dass die Abrechnung der Nachzahlung gemäß § 104 SGB X entsprechend der Bezifferung des Erstattungsanspruchs vom Jobcenter Salzlandkreis vom 23. Februar 2015 bzw. 4. März 2015, die als Anlagen beigefügt seien, erfolgt sei. Beanstandungen seien beim Jobcenter Salzlandkreis vorzutragen. Am 28. April 2015 teilte die Klägerin mit, den Widerspruch aufrecht zu erhalten. Daraufhin erließ die Beklagte unter dem 10. Juni 2015 folgenden Widerspruchsbescheid:
Ihr Widerspruch vom 13.04.2015 gegen den Bescheid vom 05.03.2015 wird zurückgewiesen.
Die Ihnen entstanden Kosten des Widerspruchsverfahrens werden nicht erstattet.
Zur Begründung ist ausgeführt, das Schreiben vom 5. März 2015 stelle keinen Verwaltungsakt dar, da ein Regelungswille - eine rechtliche Situation verbindlich zu begründen oder zu verändern - nicht erkennbar sei. Die Höhe des zustehenden Nachzahlungsbetrages ergebe sich, indem sie - die Beklagte - als erstattungspflichtiger Leistungsträger den geltend gemachten Erstattungsanspruch des Jobcenters Salzlandkreis vom Nachzahlungsbetrag unter Beachtung des Erstattungsrechtes in Abzug bringe. Die durchgeführte Maßnahme stelle lediglich ein sogenanntes schlichtes Verwaltungshandeln dar. Soweit die im Rahmen des Erstattungsanspruchs bezifferte Leistungshöhe des Jobcenters bemängelt werde, seien entsprechende Einwände dort geltend zu machen. Die dem Schreiben vom 5. März 2015 zu Grunde liegende Entscheidung sei bereits mit dem Bescheid vom 26. Januar 2015 bindend festgestellt worden. Der Widerspruch sei daher inhaltlich nicht zu überprüfen.
Am 13. Juli 2015 hat die Klägerin beim Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben und schriftsätzlich ausdrücklich beantragt,
Den Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2015 aufzuheben und zur erneuten Entscheidung in der Sache an die Beklagte zurückzuverweisen;
der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Es werde eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben. Denn sie - die Klägerin - habe Widerspruch gegen die Festsetzung der Rentennachzahlung unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach die Rentennachzahlung nicht rückwirkend angerechnet werden dürfe, da das Zuflussprinzip gelte. Aus diesem Grund sei die Erstattungsforderung des Jobcenters unrechtmäßig. Mit der Begründetheit ihres Widerspruchs habe sich die Beklagte nicht auseinandergesetzt, da sie meine, der Widerspruch sei schon unzulässig, weil kein Verwaltungsakt vorliege. Diese Auffassung sei unzutreffend. Die Festsetzung der Rentenhöhe sei ebenso wie die Festsetzung der Nachzahlung und der Verzinsung jeweils ein Verwaltungsakt und kein schlichtes Verwaltungshandeln. Sie diene zur "Regelung" des Einzelfalls, da nur der konkrete Nachzahlungsanspruch betroffen sei (Hinweis auf Sozialgericht Cottbus vom 12. Oktober 2009 - S 5 R 920/08 -).
Mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2016 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 10. Juni 2015 sei rechtmäßig. Das Schreiben der Beklagten vom 5. März 2015 stelle keinen Verwaltungsakt dar. Insoweit werde auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid verwiesen. Einwände gegen die Höhe der Nachzahlungsforderungen müsse die Klägerin gegenüber dem Jobcenter geltend machen.
Gegen den ihr am 4. Februar 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 8. Februar 2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat sie zum einen ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt. Zum anderen hat sie in Frage gestellt, ob der Gerichtsbescheid den Begründungsanforderungen eines solchen genüge. Denn das Sozialgericht habe sich auf die Feststellung, es liege kein Verwaltungsakt vor, beschränkt. Auf die gegenteilige Rechtsprechung des Sozialrechts Cottbus sei nicht eingegangen worden. Die Rechtsauffassung der Klägerin werde auch von der obergerichtlichen Rechtsprechung geteilt (Hinweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurteil vom 10. Dezember 2014 - L 2 R 494/13 - und LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. September 2014 - L 4 R 457/14 -). Auch das BSG (Hinweis auf Urteil des BSG vom 21. Juni 1983 - 4 RJ 29/82 -) und das LSG Sachsen-Anhalt (Hinweis auf Urteil vom 12. Februar 2014 - L 1 R 137/11 -) hätten in einem anderen Zusammenhang die Verwaltungsqualität einer Nachzahlungsfeststellung nicht infrage gestellt und als selbstverständlich angenommen.
Die Klägerin, die im Verhandlungstermin weder erschienen noch vertreten gewesen ist, beantragt ausdrücklich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. Januar 2016 aufzuheben und gemäß den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihren Bescheid für rechtmäßig. Sie hat darauf hingewiesen, dass jeder Verwaltungsakt eine Ermächtigungsgrundlage voraussetze und auf die ständige Rechtsprechung des BSG (u.a. Urteil vom 17. Dezember 1997 - 11 RAr 103/96 -) Bezug genommen. Die Rentenversicherungsträger träfen bei der Mitteilung der Höhe des dem Rentenempfänger zustehenden Nachzahlungsbetrages keine Regelung. Die Höhe des dem Rentenempfänger zustehende Nachzahlungsbetrages ergebe sich durch in Abzug bringen des Erstattungsanspruchs vom Zahlungsbetrag unter Beachtung des Erstattungsrechts. Mit der Mitteilung der zustehenden Nachzahlungen werde lediglich das Ergebnis einer Rechenoperation dargelegt. Schließlich könne sie für jeden Monat nur den Betrag bis zur maximalen Höhe der monatlichen Rente erstatten.
Im Berufungsverfahren ist ein Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 86, 87 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtstreit verhandeln und entscheiden, obwohl die Klägerin weder erschienen noch vertreten gewesen ist. Hierauf ist die Klägerin mit der ihr zugestellten Ladung hingewiesen worden. Sie hat sich auch ausdrücklich mit einer Entscheidung in Abwesenheit einverstanden erklärt.
Die Berufung ist unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Die Klage ist bereits unzulässig. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat mit dem im Tatbestand wiedergegebenen Antrag lediglich eine sogenannte isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2015 erhoben.
Diese isolierte Anfechtungsklage ist unzulässig, da die Voraussetzungen für die mögliche Anfechtung allein des Widerspruchsbescheides nicht vorliegen. Die Klage gegen einen Widerspruchsbescheid ist nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse hierfür besteht (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen: B. Schmidt in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt § 95 RdNr. 3a bis f; Urteil des erkennenden Senats vom 1. Juni 2017 - L 3 R 197/16 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Hier ist ein solches berechtigtes Interesse nicht erkennbar. Ausgehend vom Rechtsstandpunkt der Klägerin hätte diese Klage gegen den Bescheid vom 5. März 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2015 erheben können. Aus ihrer Sicht war sie durch die unter dem 5. März 2015 (in der Rechtsform des Bescheides) angekündigte nur teilweise Auszahlung des Nachzahlungsbetrages und die fehlende sachliche Bescheidung des dagegen erhobenen Widerspruchs beschwert. Für die alleinige Anfechtung des Widerspruchsbescheides besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Denn mit der Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2015 konnte die Klägerin ihr erklärtes Ziel einer Korrektur des errechneten Auszahlungsbetrages nicht erreichen. Die Auszahlung des vollständigen Nachzahlungsbetrages hätte die Klägerin mit der Leistungsklage auf Auszahlung der einbehaltenen Nachzahlung verfolgen müssen (so auch Sächsisches LSG, Urteil vom 15. März 2016 - L 5 R 463/13 -, juris RdNr. 14, 15).
Dem stand das Schreiben der Beklagten vom 5. März 2015 nicht entgegen. Denn dieses ist nicht als Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X anzusehen. Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Hier hatte die Beklagte mit dem Bescheid vom 26. Januar 2015 in Ausführung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Dezember 2014 der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. April 2011 nach den gesetzlichen Bestimmungen bewilligt. Rechtsgrund für die Rentengewährung ist damit der Bescheid vom 26. Januar 2015. In diesem ist zudem darauf hingewiesen worden, dass die laufende Zahlung der Rente erst ab März 2015 erfolge und die errechnete Nachzahlung zunächst nicht ausgezahlt werde. Mit dem in Rede stehenden Schreiben vom 5. März 2015 hat die Beklagte das Rechtsverhältnis zur Klägerin in Bezug auf den Bewilligungszeitraum und die Höhe des monatlichen Rentenzahlbetrages nicht neu geregelt. Sie hat lediglich die einbehaltene Nachzahlung in Höhe von 26743,32 EUR mit dem erhobenen Erstattungsanspruch des Jobcenters Salzlandkreis in Höhe von 24808,64 EUR verrechnet, den verbleibenden Restbetrag in Höhe von 1934,68 EUR errechnet sowie die Höhe der Zinsen in Höhe von 159,47 EUR bestimmt und mitgeteilt, den Gesamtbetrag in Höhe von 2094,15 EUR zu überweisen. Dem Mitteilungsschreiben fehlt - jedenfalls in Bezug auf die Abrechnung der Nachzahlung - der Verwaltungsaktcharakter (vgl. Urteile des BSG vom 15. Februar 1966 - 11 RA 289/65 -, juris RdNr. 14 und vom 25. Januar 2011 - B 5 R 14/10 R -, juris RdNr. 14; Sächsisches LSG, a.a.O., juris RdNr. 14, 15; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurteil vom 10. Dezember 2014, a.a.O., RdNr. 26 ff.).
Eine Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers, über die Errechnung des Nachzahlungsbetrages durch Verwaltungsakt zu entscheiden, besteht nicht. Insbesondere die Rechtsfolge der Verrechnung, die im Erlöschen der Forderung (soweit die Verrechnung reicht und wirksam ist) besteht, zeigt den maßgebenden Unterschied zur Mitteilung über die Errechnung des Nachzahlungsbetrages. Der Rentenanspruch ist weder dem Grunde noch der Höhe nach betroffen. Mit der Berechnung der Nachzahlung wird lediglich mitgeteilt, in welcher Höhe dieser Anspruch bereits durch einen anderen Leistungsträger erbracht worden und von der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X betroffen ist. Soweit das LSG Niedersachsen-Bremen in der o.g. Entscheidung (RdNr. 29) gerade die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 107 SGB X als Begründung für seine Rechtsauffassung anführt und darüber hinaus auf § 117 SGB VI verweist (a.a.O. RdNr. 28), teilt der Senat diese Auffassung nicht. Denn § 117 SGB VI bezieht sich auf den Abschluss eines eingeleiteten Verfahrens - hier des Rentenantrags - gemäß § 115 SGB VI, das einer Entscheidung durch Schriftform bedarf. Hier ist über den Rentenantrag durch Verwaltungsakt zuletzt mit dem Ausführungsbescheid vom 26. Januar 2015 entschieden worden.
Das Schreiben vom 5. März 2015 stellt schließlich auch keinen Formalverwaltungsakt dar, da es weder von der äußeren Form noch durch das Anfügen einer Rechtsmittelbelehrung den Eindruck einer Regelung eines Rechts vermittelt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2011, a.a.O., RdNr. 20). Soweit die Beklagte im Tenor des Widerspruchsbescheides den Widerspruch gegen "den Bescheid vom 05.03.2015" zurückgewiesen hat, hat sie in den Entscheidungsgründen klargestellt, nicht vom Verwaltungsaktcharakter des Schreibens vom 5. März 2015 auszugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen von der Beklagten erlassenen Widerspruchsbescheid und verfolgt die vollständige Auszahlung eines entstandenen Nachzahlungsbetrages nach rückwirkender Rentengewährung.
Das Sozialgericht Magdeburg verurteilte die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 8. Dezember 2014, der - im Gerichtsverfahren anwaltlich vertretenen - Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1. April 2011 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Der Gerichtsbescheid wurde rechtskräftig. Mit Ausführungsbescheid vom 26. Januar 2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin Rente wegen voller Erwerbsminderung und wies darauf hin, dass die entstandene Nachzahlung vorläufig einbehalten werde.
Bereits am 6. November 2014 hatte das Jobcenter Salzlandkreis mit Schreiben vom 3. November 2014 einen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) angemeldet und diesen mit Schreiben vom 23. Februar 2015 für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 28. Februar 2015 in Höhe von insgesamt 27853,24 EUR und am 4. März 2015 in Höhe von 30027,81 EUR beziffert.
Unter dem 5. März 2015 sandte die Beklagte folgendes Schreiben an die Klägerin:
Sehr geehrte Frau D,
die einbehaltene Rentennachzahlung beträgt 26743,32 EUR.
Darauf hat Erstattungsanspruch erhoben:
Jobcenter Salzlandkreis Regionalstelle Sch. 24808,64 EUR Es verbleibt mithin ein Restbetrag in Höhe von 1934,68 EUR.
Zuzüglich der Zinsen in Höhe von 159,47 EUR
- Anlage 11 - beträgt der Gesamtbetrag 2094,15 EUR.
Dieser Betrag wird auf das angegebene Konto überwiesen.
Falls Sie während des Abrechnungszeitraumes noch weitere Leistungen von anderen ersatz- bzw. erstattungsberechtigten Stellen erhalten haben, bitten wir Sie, diese Abrechnungsmitteilung den entsprechenden Stellen unverzüglich vorzulegen.
Mit freundlichen Grüßen
Deutsche Rentenversicherung
Mitteldeutschland
In der Anlage sind die Zinsen mit insgesamt 159,47 EUR berechnet worden.
Am 13. April 2015 nahm die Klägerin - vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - im Schriftsatz vom 8. April 2015 Bezug auf "Ihr Schreiben vom 5.3.2015" und teilte mit, sie erhebe Widerspruch gegen den "o.g. Bescheid". Der Erstattungsanspruch des Jobcenters sei nicht in der angegebenen Höhe rechtmäßig. Die Beklagte handele rechtswidrig, wenn sie ihr - der Klägerin - zustehende Leistungen einbehalte und sie - die Beklagte - werde gebeten, den Auszahlungsbetrag zu korrigieren. Mit Schreiben vom 16. April 2015 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, soweit "gegen den Bescheid vom 05.03.2015 Widerspruch eingelegt" worden sei, hätte der Widerspruch bis spätestens zum 10. April 2015 vorliegen müssen; er sei jedoch erst am 13. April 2015 eingegangen. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht ersichtlich. Zudem werde darauf hingewiesen, dass die Abrechnung der Nachzahlung gemäß § 104 SGB X entsprechend der Bezifferung des Erstattungsanspruchs vom Jobcenter Salzlandkreis vom 23. Februar 2015 bzw. 4. März 2015, die als Anlagen beigefügt seien, erfolgt sei. Beanstandungen seien beim Jobcenter Salzlandkreis vorzutragen. Am 28. April 2015 teilte die Klägerin mit, den Widerspruch aufrecht zu erhalten. Daraufhin erließ die Beklagte unter dem 10. Juni 2015 folgenden Widerspruchsbescheid:
Ihr Widerspruch vom 13.04.2015 gegen den Bescheid vom 05.03.2015 wird zurückgewiesen.
Die Ihnen entstanden Kosten des Widerspruchsverfahrens werden nicht erstattet.
Zur Begründung ist ausgeführt, das Schreiben vom 5. März 2015 stelle keinen Verwaltungsakt dar, da ein Regelungswille - eine rechtliche Situation verbindlich zu begründen oder zu verändern - nicht erkennbar sei. Die Höhe des zustehenden Nachzahlungsbetrages ergebe sich, indem sie - die Beklagte - als erstattungspflichtiger Leistungsträger den geltend gemachten Erstattungsanspruch des Jobcenters Salzlandkreis vom Nachzahlungsbetrag unter Beachtung des Erstattungsrechtes in Abzug bringe. Die durchgeführte Maßnahme stelle lediglich ein sogenanntes schlichtes Verwaltungshandeln dar. Soweit die im Rahmen des Erstattungsanspruchs bezifferte Leistungshöhe des Jobcenters bemängelt werde, seien entsprechende Einwände dort geltend zu machen. Die dem Schreiben vom 5. März 2015 zu Grunde liegende Entscheidung sei bereits mit dem Bescheid vom 26. Januar 2015 bindend festgestellt worden. Der Widerspruch sei daher inhaltlich nicht zu überprüfen.
Am 13. Juli 2015 hat die Klägerin beim Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben und schriftsätzlich ausdrücklich beantragt,
Den Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2015 aufzuheben und zur erneuten Entscheidung in der Sache an die Beklagte zurückzuverweisen;
der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Es werde eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben. Denn sie - die Klägerin - habe Widerspruch gegen die Festsetzung der Rentennachzahlung unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach die Rentennachzahlung nicht rückwirkend angerechnet werden dürfe, da das Zuflussprinzip gelte. Aus diesem Grund sei die Erstattungsforderung des Jobcenters unrechtmäßig. Mit der Begründetheit ihres Widerspruchs habe sich die Beklagte nicht auseinandergesetzt, da sie meine, der Widerspruch sei schon unzulässig, weil kein Verwaltungsakt vorliege. Diese Auffassung sei unzutreffend. Die Festsetzung der Rentenhöhe sei ebenso wie die Festsetzung der Nachzahlung und der Verzinsung jeweils ein Verwaltungsakt und kein schlichtes Verwaltungshandeln. Sie diene zur "Regelung" des Einzelfalls, da nur der konkrete Nachzahlungsanspruch betroffen sei (Hinweis auf Sozialgericht Cottbus vom 12. Oktober 2009 - S 5 R 920/08 -).
Mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2016 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 10. Juni 2015 sei rechtmäßig. Das Schreiben der Beklagten vom 5. März 2015 stelle keinen Verwaltungsakt dar. Insoweit werde auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid verwiesen. Einwände gegen die Höhe der Nachzahlungsforderungen müsse die Klägerin gegenüber dem Jobcenter geltend machen.
Gegen den ihr am 4. Februar 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 8. Februar 2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat sie zum einen ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt. Zum anderen hat sie in Frage gestellt, ob der Gerichtsbescheid den Begründungsanforderungen eines solchen genüge. Denn das Sozialgericht habe sich auf die Feststellung, es liege kein Verwaltungsakt vor, beschränkt. Auf die gegenteilige Rechtsprechung des Sozialrechts Cottbus sei nicht eingegangen worden. Die Rechtsauffassung der Klägerin werde auch von der obergerichtlichen Rechtsprechung geteilt (Hinweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurteil vom 10. Dezember 2014 - L 2 R 494/13 - und LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. September 2014 - L 4 R 457/14 -). Auch das BSG (Hinweis auf Urteil des BSG vom 21. Juni 1983 - 4 RJ 29/82 -) und das LSG Sachsen-Anhalt (Hinweis auf Urteil vom 12. Februar 2014 - L 1 R 137/11 -) hätten in einem anderen Zusammenhang die Verwaltungsqualität einer Nachzahlungsfeststellung nicht infrage gestellt und als selbstverständlich angenommen.
Die Klägerin, die im Verhandlungstermin weder erschienen noch vertreten gewesen ist, beantragt ausdrücklich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. Januar 2016 aufzuheben und gemäß den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihren Bescheid für rechtmäßig. Sie hat darauf hingewiesen, dass jeder Verwaltungsakt eine Ermächtigungsgrundlage voraussetze und auf die ständige Rechtsprechung des BSG (u.a. Urteil vom 17. Dezember 1997 - 11 RAr 103/96 -) Bezug genommen. Die Rentenversicherungsträger träfen bei der Mitteilung der Höhe des dem Rentenempfänger zustehenden Nachzahlungsbetrages keine Regelung. Die Höhe des dem Rentenempfänger zustehende Nachzahlungsbetrages ergebe sich durch in Abzug bringen des Erstattungsanspruchs vom Zahlungsbetrag unter Beachtung des Erstattungsrechts. Mit der Mitteilung der zustehenden Nachzahlungen werde lediglich das Ergebnis einer Rechenoperation dargelegt. Schließlich könne sie für jeden Monat nur den Betrag bis zur maximalen Höhe der monatlichen Rente erstatten.
Im Berufungsverfahren ist ein Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 86, 87 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtstreit verhandeln und entscheiden, obwohl die Klägerin weder erschienen noch vertreten gewesen ist. Hierauf ist die Klägerin mit der ihr zugestellten Ladung hingewiesen worden. Sie hat sich auch ausdrücklich mit einer Entscheidung in Abwesenheit einverstanden erklärt.
Die Berufung ist unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Die Klage ist bereits unzulässig. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat mit dem im Tatbestand wiedergegebenen Antrag lediglich eine sogenannte isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2015 erhoben.
Diese isolierte Anfechtungsklage ist unzulässig, da die Voraussetzungen für die mögliche Anfechtung allein des Widerspruchsbescheides nicht vorliegen. Die Klage gegen einen Widerspruchsbescheid ist nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse hierfür besteht (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen: B. Schmidt in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt § 95 RdNr. 3a bis f; Urteil des erkennenden Senats vom 1. Juni 2017 - L 3 R 197/16 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Hier ist ein solches berechtigtes Interesse nicht erkennbar. Ausgehend vom Rechtsstandpunkt der Klägerin hätte diese Klage gegen den Bescheid vom 5. März 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2015 erheben können. Aus ihrer Sicht war sie durch die unter dem 5. März 2015 (in der Rechtsform des Bescheides) angekündigte nur teilweise Auszahlung des Nachzahlungsbetrages und die fehlende sachliche Bescheidung des dagegen erhobenen Widerspruchs beschwert. Für die alleinige Anfechtung des Widerspruchsbescheides besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Denn mit der Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2015 konnte die Klägerin ihr erklärtes Ziel einer Korrektur des errechneten Auszahlungsbetrages nicht erreichen. Die Auszahlung des vollständigen Nachzahlungsbetrages hätte die Klägerin mit der Leistungsklage auf Auszahlung der einbehaltenen Nachzahlung verfolgen müssen (so auch Sächsisches LSG, Urteil vom 15. März 2016 - L 5 R 463/13 -, juris RdNr. 14, 15).
Dem stand das Schreiben der Beklagten vom 5. März 2015 nicht entgegen. Denn dieses ist nicht als Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X anzusehen. Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Hier hatte die Beklagte mit dem Bescheid vom 26. Januar 2015 in Ausführung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Dezember 2014 der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. April 2011 nach den gesetzlichen Bestimmungen bewilligt. Rechtsgrund für die Rentengewährung ist damit der Bescheid vom 26. Januar 2015. In diesem ist zudem darauf hingewiesen worden, dass die laufende Zahlung der Rente erst ab März 2015 erfolge und die errechnete Nachzahlung zunächst nicht ausgezahlt werde. Mit dem in Rede stehenden Schreiben vom 5. März 2015 hat die Beklagte das Rechtsverhältnis zur Klägerin in Bezug auf den Bewilligungszeitraum und die Höhe des monatlichen Rentenzahlbetrages nicht neu geregelt. Sie hat lediglich die einbehaltene Nachzahlung in Höhe von 26743,32 EUR mit dem erhobenen Erstattungsanspruch des Jobcenters Salzlandkreis in Höhe von 24808,64 EUR verrechnet, den verbleibenden Restbetrag in Höhe von 1934,68 EUR errechnet sowie die Höhe der Zinsen in Höhe von 159,47 EUR bestimmt und mitgeteilt, den Gesamtbetrag in Höhe von 2094,15 EUR zu überweisen. Dem Mitteilungsschreiben fehlt - jedenfalls in Bezug auf die Abrechnung der Nachzahlung - der Verwaltungsaktcharakter (vgl. Urteile des BSG vom 15. Februar 1966 - 11 RA 289/65 -, juris RdNr. 14 und vom 25. Januar 2011 - B 5 R 14/10 R -, juris RdNr. 14; Sächsisches LSG, a.a.O., juris RdNr. 14, 15; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurteil vom 10. Dezember 2014, a.a.O., RdNr. 26 ff.).
Eine Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers, über die Errechnung des Nachzahlungsbetrages durch Verwaltungsakt zu entscheiden, besteht nicht. Insbesondere die Rechtsfolge der Verrechnung, die im Erlöschen der Forderung (soweit die Verrechnung reicht und wirksam ist) besteht, zeigt den maßgebenden Unterschied zur Mitteilung über die Errechnung des Nachzahlungsbetrages. Der Rentenanspruch ist weder dem Grunde noch der Höhe nach betroffen. Mit der Berechnung der Nachzahlung wird lediglich mitgeteilt, in welcher Höhe dieser Anspruch bereits durch einen anderen Leistungsträger erbracht worden und von der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X betroffen ist. Soweit das LSG Niedersachsen-Bremen in der o.g. Entscheidung (RdNr. 29) gerade die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 107 SGB X als Begründung für seine Rechtsauffassung anführt und darüber hinaus auf § 117 SGB VI verweist (a.a.O. RdNr. 28), teilt der Senat diese Auffassung nicht. Denn § 117 SGB VI bezieht sich auf den Abschluss eines eingeleiteten Verfahrens - hier des Rentenantrags - gemäß § 115 SGB VI, das einer Entscheidung durch Schriftform bedarf. Hier ist über den Rentenantrag durch Verwaltungsakt zuletzt mit dem Ausführungsbescheid vom 26. Januar 2015 entschieden worden.
Das Schreiben vom 5. März 2015 stellt schließlich auch keinen Formalverwaltungsakt dar, da es weder von der äußeren Form noch durch das Anfügen einer Rechtsmittelbelehrung den Eindruck einer Regelung eines Rechts vermittelt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2011, a.a.O., RdNr. 20). Soweit die Beklagte im Tenor des Widerspruchsbescheides den Widerspruch gegen "den Bescheid vom 05.03.2015" zurückgewiesen hat, hat sie in den Entscheidungsgründen klargestellt, nicht vom Verwaltungsaktcharakter des Schreibens vom 5. März 2015 auszugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
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