L 3 AL 290/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AL 254/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 290/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 29/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Soweit Vermögensbestandteile und Verbindlichkeiten bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Einheit bilden ist die Verwertung nach § 6 Abs. 3 S. 1 Alhi-VO unzumutbar. Dies ist gegeben, wenn Entstehung und beabsichtigte Tilgung miteinander verknüpft sind. Ein solcher Umstand kann vorliegen, wenn ein Bausparguthaben zur Ablösung eines bestimmten Darlehens nach dem Ende der Zinsbindung vorgesehen ist.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. November 2001 wird zurückgewiesen. II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 26.08.1997 bis zum 30.09.1997.

Die am ...1942 geborene Klägerin ist verheiratet. Nach einer beitragspflichtigen Beschäftigung vom 01.01.1977 bis zum 02.02.1993 als Geschäftsbereichsleiterin der R ...-GmbH, Rechtsnachfolgerin der D ... D ... GmbH, meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 03.02.1993 arbeitslos und beantragte Arbeitlosengeld (Alg).

Hierauf bewilligte die Beklagte antragsgemäß Alg ab dem 03.02.1993 in Höhe von wöchentlich 274,20 DM (BE 650,00 DM; Leistungsgruppe F entsprechend der Steuerklasse IV/allgemeiner Leistungssatz).

Fortan bezog die Klägerin Alg, unterbrochen durch eine berufliche Fortbildungsmaßnahme vom 27.09.1993 bis zum 26.09.1994 sowie mehrere Beschäftigungsverhältnisse, zuletzt bis 25.08.1997 i. H. v. 342,00 DM wöchentlich (Bescheid vom 03.06.1997).

Mit Ablauf des 25.08.1997 war danach der Anspruch erschöpft. Daher beantragte die Klägerin mit einem auf den 15.09.1997 datierten Formular die Zahlung von Alhi. Laut ihren Angaben gestalteten sich ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse wie folgt:

Durch notariellen Vertrag vom 28.11.1995 hatten die Klägerin und ihr Ehemann die von ihnen selbst bewohnte Wohnung mit einer Wohnfläche von 65 m² erworben.

Zur Deckung der Anschaffungskosten von insgesamt 123.139,00 DM hatten die Eheleute B ... bei der SAB am 29.11.1995 zwei Finanzierungsdarlehen aufgenommen. Das erste, ein auf fünf Jahre zinsverbilligtes Darlehen (Z5-Darlehen) mit der Konto-Nr.: 266.00.2881.2 belief sich auf eine Darlehenssumme von 104.700,00 DM mit Zinsbindung bis zum 30.11.2001. Das weitere Darlehen aus dem Ergänzungsfinanzierungsprogramm der SAB mit der Konto-Nr.: ...2 belief sich auf 22.000,00 DM mit einer Zinsfestschreibung bis zum 30.11.2001. Darüber hinaus hatte die TLG der Klägerin im Dezember 1995 ein Restkaufgeld-Darlehen von 7.359,00 DM gewährt, für welches in einem detaillierten Zins- und Tilgungsplan ab 30.04.2001 ein Zinssatz von 6% vorgesehen war.

Die Eheleute B ... hatten darüber hinaus zwei - später zusammengeführte - Bausparverträge abgeschlossen: - Vertrag mit der Nr.: ...8 (auf den Namen des Ehemannes der Klägerin), Vertragsbeginn 30.12.1990; monatliche Einzahlungssumme 100,00 DM Bausparsumme 40.000,00 DM Kontostand am 31.12.1996: 15.635,25 DM Kontostand im August 1997: 16.435,25 DM - Zweiter Vertrag mit der Nr.: ...1 (auf den Namen der Klägerin), Vertragsbeginn am 30.09.1996; monatliche Ansparsumme 500,00 DM Bausparsumme 60.000,00 DM Kontostand am 31.12.1996: 892,49 DM Kontostand im August 1997: 4.892,49 DM.

Entsprechend einem Schreiben des Finanzierungsberaters K ..., vom 03.09.1996 erfolgte die Ansparung der Bausparverträge im Hinblick auf die Rückführung der SAB-Darlehen zum Zeitpunkt des Endes der Zinsfestschreibung, also zum 01.12.2001.

Nach Auskunft der Bausparkasse vom 30.09.1997 wären die Bausparverträge grundsätzlich jederzeit kündbar gewesen. Die Rückzahlung des Guthabens wäre dann nach Ablauf von sechs Monaten fällig, eine sofortige Verfügung über das Guthaben wäre nicht möglich gewesen. Die gezahlte Abschlussgebühr in Höhe von jeweils 600,00 DM könnte nicht zurückerstattet werden und der Darlehensanspruch sei verloren.

Mit Schreiben vom 16.10.2001 teilte die W ...-Bausparkasse mit, dass für die Eheleute B ... aus den zusammengeführten und aufgestockten Bausparverträgen nunmehr 130.000,00 DM bereitstünden. Diese wurden sodann im Treuhandwege an die Sächsische Aufbaubank bzw. die LBS (betreffend Darlehen der TLG) ausgezahlt. Für das sich hieraus ergebende Bauspardarlehen in Höhe von 70.929,47 DM, mit dessen Tilgung am 01.01.2002 zu beginnen sei, ergebe sich eine monatliche Rate von 780,00 DM.

Bezüglich der SAB-Darlehen ergeben sich folgende Kapitalbestände und Kontobewegungen: - Z5-Darlehen mit der Nummer ...2 Kontostand am 01.01.2001: noch Kapitalschuld in Höhe von 100.766,60 DM; am 30.11.20001 Einzahlung in Höhe von 122.624,98 DM; am 12.12.2001 Umbuchung von 23.370,74 DM

- Ergänzungsfinanzierungsdarlehen mit der Konto-Nr.: ...2: Kontostand am 01.01.2001: noch Kapitalschuld in Höhe von 20.924,69 DM; am 12.12.2001 Umbuchung von 23.370,74 DM; daher erfolgte am 14.12.2001 noch eine Rückzahlung von 875,32 DM.

Auch das Restkaufgeld-Darlehen der TLG wurde von den Eheleuten B ... am 29.11.2001 mit einer Einzahlung von 7.175,02 DM vollständig zurückgezahlt.

Die monatlichen finanziellen Belastungen setzten sich aus drei Krediten zusammen: 413,90 DM und zusätzlich 228,94 DM Betriebskosten aus der gemeinsamen selbstbewohnten Eigentumswohnung, insgesamt 642,84 DM.

Als Vermögen gab die Klägerin Guthaben auf den Girokonten von 9.303,46 DM (Konto der Klägerin) sowie 3.953,36 DM (Konto ihres Ehemannes, P ... B ...) an.

Das monatliche Bruttoeinkommen des Ehemannes betrug zum damaligen Zeitpunkt brutto 3.413,50 DM, netto 2.095,76 DM.

Einkommensmindernd wurden folgende Versicherungen/Gebühren angegeben: - Haftpflichtversicherung, Hausratversicherung und Gebäudeversicherung: insgesamt 31,60 DM monatlich - Kfz-Versicherung: 714,90 DM halbjährlich - Rechtsschutz- und Unfallversicherung: 82,70 DM - Lebensversicherung 1: 26,30 DM monatlich, - Lebensversicherung 2: 16,10 DM monatlich - Unfallversicherung: 26,20 DM monatlich.

Ab dem 01.10.1997 hatte die Klägerin wieder ein Beschäftigungsverhältnis.

Mit Bescheid vom 30.10.1997 lehnte die Beklagte die Zahlung von Alhi wegen fehlender Bedürftigkeit ab. Es sei ein Vermögen der Klägerin sowie ihres Ehemannes in Höhe von 13.692,07 DM zu berücksichtigen, so dass die Klägerin für 13 Wochen ihren Lebensunterhalt ohne Alhi bestreiten könne.

Dem widersprach die Klägerin am 28.11.1997, weil die Bausparverträge bei der Berechnung des Vermögens berücksichtigt worden seien, obwohl diese zur Ablösung des Kredits der Sächsischen Aufbaubank im Jahr 2001 benötigt würden. 1995 habe sie gemeinsam mit ihrem Ehemann die Betriebswohnung gekauft und hierfür zwei Kredite der SAB in Höhe von 104.700,00 DM und von 22.000,00 DM sowie einen Kredit der TLG von 7.359,00 DM in Anspruch genommen. Zinsbindung bestehe (lediglich) bis zum 30.11.2001.

Durch Widerspruchsbescheid vom 20.02.1989 wies die Beklagte diesen Widerspruch als unbegründet zurück. Es mangele an der erforderlichen Bedürftigkeit. Gemäß § 137 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei der Arbeitslose dann nicht bedürftig im Sinne des § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG, so lange mit Rücksicht auf sein Vermögen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt sei. Das Vermögen sei nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn seine Verwertung unzumutbar oder unwirtschaftlich sei. Zumindest die Verwertung des Bausparvertrages der Klägerin sei nicht unwirtschaftlich. Somit ergebe sich insgesamt ein Vermögen von 29.692,07 DM. Abzüglich des Freibetrages von 16.000,00 DM verbliebe noch ein zu berücksichtigendes Vermögen von 13.692,07 DM.

Hiergegen hat sich die Klägerin am 23.03.1998 an das Sozialgericht Dresden gewandt. Auf Grund von § 6 Abs. 3 Nr. 7 der Alhi-VO sei die Verwertung des Vermögens nicht zumutbar. Die Zweckbindung beider Bausparverträge ergäbe sich insbesondere aus dem Schreiben des Finanzierungsberaters K ... vom 03.09.1996. Die Bausparguthaben hätten ausschließlich zur Finanzierung der Eigentumswohnung gedient. Eine andere Verwertung wäre unwirtschaftlich. Zudem dienten die Bausparverträge auch der Alterssicherung: Die Klägerin habe zusammen mit ihrem Ehemann den Kauf der Wohnung nur deshalb getätigt, um durch die eingesparte Miete den Verlust an Einkommen durch die niedrigere Rente gegenüber dem Netto-Gehalt im Alter auszugleichen. Dies dürfe nicht anders gewertet werden, als wenn zur Alterssicherung Wertpapiere, Anteile an Wertpapierfonds bzw. eine Lebensversicherung genutzt würden. Die Eigentumswohnung diene durch die Einsparung von Mietaufwendungen nach dem Eintritt in den Ruhestand der Bestreitung des Lebensunterhaltes. Dadurch, dass die Bausparverträge für die Tilgung der Kredite abgeschlossen seien, sei auch eine entsprechende Vermögensdisposition vorgenommen worden. Die Bausparverträge seien mit dem Ziel der besseren Renditeerzielung abgeschlossen worden, da sonst die Eheleute B ... die Belastungen, die mit dem Kauf der Eigentumswohnung verbunden waren, nicht hätten tragen können. In einem Schreiben der W ...-Finanzservice-H ... von 24.08.2001 wurde bestätigt, dass die Bausparguthaben pünktlich zur Kreditablösung am 30.11.2001 zur Verfügung stehen.

Demgegenüber hat die Beklagte im SG-Verfahren im Wesentlichen ausgeführt, Ausgangspunkt der Prüfung, ob Vermögen für die Alterssicherung bestimmt sei, sei die vom Vermögensinhaber getroffene (subjektive) Zweckbestimmung. Diese müsse durch objektive Begleitumstände nachgewiesen sein. Es müsse unter Einbeziehung der Gesamtumstände überwiegend wahrscheinlich sein, dass der Arbeitslose das Vermögen erst nach dem Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung des Lebensunterhaltes verwenden wolle.

Mit Urteil vom 22. November 2001 hat das SG dem Begehren der Klägerin entsprochen und die Beklagte für den Zeitraum vom 26.08. bis zum 30.09.1997 zur Zahlung von Alhi in Höhe von 202,82 DM wöchentlich verurteilt. Die Bausparguthaben seien von der Berücksichtigung als Vermögen ausgenommen. Es handele sich hierbei um Vermögen, das bei wirtschaftlicher Betrachtung mit der Belastung aus dem Finanzierungsdarlehen der SAB verknüpft sei. Die Verwertung sei nicht zumutbar im Sinne von § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 7 Alhi-VO. Danach sei die Verwertung von Vermögen, das nachweislich zum baldigen Erwerb einer Eigentumswohnung in angemessener Größe bestimmt sei, nicht zumutbar. Das Gleiche müsse in Bezug auf Vermögen gelten, das zur Finanzierung bereits erworbenen Wohnungseigentums bestimmt sei. Sowohl die Verknüpfung von Guthaben und Verbindlichkeit als auch die Privilegierung von Vermögen zum Erwerb von selbstgenutztem Wohnungseigentum setze voraus, dass der Inhaber eine entsprechende Zweckbestimmung getroffen habe und die behauptete Zweckbestimmung durch objektive Begleitumstände nachgewiesen sei. Dabei müsse sich in erster Linie aus der rechtlichen Ausgestaltung der Anlage ergeben, dass der Antragsteller sie zur Tilgung einer Verbindlichkeit bzw. dem vom Gesetzgeber privilegierten Zweck zuführen werde. Diesen Nachweis habe die Klägerin erbracht: Die Bausparguthaben eigneten sich objektiv nach Art der Anlage weniger zur allgemeinen Vermögensvermehrung, weil bei Abschluss eine Gebühr zu entrichten sei und das Guthaben relativ niedrig verzinst werde. Demgegenüber bestehe die Möglichkeit der Inanspruchnahme des zweckgebundenen zinsbegünstigten Bauspardarlehens nach Zuteilungsreife, weshalb sich Bausparverträge bevorzugt zur Umschuldung langfristiger Wohnungskredite nach Auslaufen der Zinsbindungsfristen eigneten. Auch wenn die Klägerin keinen genauen Tilgungs-/Verwendungsplan vorgelegt habe, in dem verbindlich festgelegt sei, wann und wie die Bausparguthaben zur Ablösung der SAB-Kredite eingesetzt werden sollen, sei die erwartete subjektive Zweckbestimmung glaubhaft. Die Höhe der aufgenommenen Kredite decke sich größenordnungsmäßig mit der Gesamtbausparsumme bei Antragstellung. Aus der Höhe der Bausparguthaben und der monatlich an die Bausparkasse eingezahlten Raten werde darüber hinaus ersichtlich, dass die Anlage von den Eheleuten so bedient wurde, dass nach drei bzw. vier Jahren die Hälfte der Bausparsumme eingezahlt sei und der Zeitpunkt der Zuteilungsreife damit dem Auslaufen der fünfjährigen Zinsbindungsfrist aus den Darlehensverträgen vorausgehe. Aus dem Schreiben des Finanzberaters K ... vom 03.09.1996 ergebe sich, dass sich die Eheleute mit Rücksicht auf die geplante Ablösung der Kredite bei der Ausgestaltung der Anlage hätten beraten lassen und diese Beratung praktisch umgesetzt hätten. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei es nicht erforderlich, die Guthaben zur Sicherung ihrer Zweckbindung abzutreten oder zu verpfänden. Die Vermögensprivilegierung von Anlagen könne sich aus ihrer wirtschaftlichen Verknüpfung mit Verbindlichkeiten und aus dem privilegierten Zweck der Anlage ergeben. Der Inhaber müsse in seiner Verfügungsbefugnis über die Anlage nicht zusätzlich rechtsgeschäftlich beschränkt sein. Denn bei Einschränkungen der Verfügungsbefugnis sei das Vermögen ohnehin von der Berücksichtigung nach § 6 Abs. 2 Alhi-VO ausgenommen. § 6 Abs. 3 Alhi-VO wäre überflüssig.

Gegen dieses - ihr am 28.11.2001 zugegangene - Urteil hat die Beklagte am 18.12.2001 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Die Verwertung von Vermögen im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-VO sei nur dann nicht zumutbar, wenn sie offensichtlich unwirtschaftlich sei und unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebensführung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise nicht erwartet werden könne. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt, denn zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Alhi habe keine Konkurrenz zwischen den jeweiligen Verwendungszwecken Tilgung einer Verbindlichkeit und Bestreiten des Lebensunterhaltes bestanden. Soweit eine solche Konkurrenz nicht aktuell sei, gehe es nicht darum, ob der Lebensunterhalt ohne Alhi nicht sichergestellt werden könne, sondern letztlich um die Wahrung einer Vermögenssituation für die Zukunft. Dies sei nicht Aufgabe der bedürftigkeitsabhängigen Alhi. Die vom SG angenommene und auf § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 7 Alhi-VO gestützte Zweckbestimmung liege gerade nicht vor, da das verfügbare Vermögen nicht für den Erwerb von selbstgenutztem Wohnungseigentum verwendet werde. Der Erwerb des Wohnungseigentums sei bereits vorher erfolgt. Darüber hinaus ergebe sich kein sachlicher Zusammenhang zwischen der Tilgung des Kredits (Ende der Zinsfestschreibung) und dem Zeitpunkt der Verfügung über die Bausparverträge (Zuteilungsreife). Sachlich und rechtlich zu beurteilen sei nur die Bedürftigkeit für den Zeitraum vom 26.08. bis zum 30.09.1997. In diesem Zeitraum habe Vermögen in Form von Bausparguthaben bestanden. Diese seien auch verwertbar gewesen. Die verwertbaren Mittel seien auch nicht privilegiert, weil es hier um zukünftige Vermögensdispositionen gehe. Die Auffassung der Gegenseite mache deutlich, dass weiteres nicht privilegiertes Vermögen von der Verwertbarkeit ausgeschlossen werden solle. Dies führe zu einer Ausuferung der Unverwertbarkeitsvorschriften. Mangels unmittelbarer Verknüpfung der Sparguthaben mit der Eigentumswohnung bleibe es bei deren Verwertbarkeit. Zwar werde nicht bestritten, dass die Sparguthaben mit der Wohnung unmittelbar im Zusammenhang stehen; dies reiche jedoch nicht aus, um eine Unverwertbarkeit anzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. November 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wenn es zutreffend sei, das selbstgenutztes Wohnungseigentum zum Schonvermögen gehöre, müssten auch die dafür schon fest verplanten Mittel berücksichtigt werden. Eine Anrechnung auch dieses Vermögens würde letztlich dazu führen, dass hier eine Verwertung stattfinden müsste, was unwirtschaftlich wäre. Die Auffassung der BA führe letztlich dazu, dass nach Verbrauch der Bausparverträge die Kredite nicht getilgt werden könnten und es zu einer Kündigung derselben käme. Dies führe letztlich dazu, dass das Schonvermögen durch Zwangsversteigerung - und i. d. R. mit Verlust - doch zu verwerten sei.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat dem Begehren der Klägerin auf Zahlung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für den Zeitraum vom 26.08.1997 bis zum 30.09.1997 zu Recht entsprochen.

Der Klägerin steht für den genannten Zeitraum ein Anspruch auf Alhi zu, weil sie nach dem Ergebnis der im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren durchgeführten Überprüfung in dieser Zeit bedürftig im Sinne von §§ 134 Abs. 1 Nr. 3, 137 Abs. 1 und 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i. V. m. § 6 Abs. 1, 2 und 3 Alhi-VO war.

Vor der im vorliegenden Verfahren für das Begehren der Klägerin im Vordergrund stehenden Frage der Bedürftigkeit ist nach Sachlage zunächst festzustellen, dass das SG für den Streitzeitraum von einem zutreffenden (Grund-)Anspruch der Klägerin auf Alhi gemäß §§ 136, 138 Satz 1 und 2 AFG ausgegangen ist. Insbesondere hat das SG dabei auf Grund des vorausgegangenen Alg-Vorbezuges zu Recht das für die Bemessung des Arbeitslosengeldes (Alg) herangezogene Bemessungsentgelt (§ 136 Abs. 2 Nr. 1 AFG), die Leistungsgruppe A/0 sowie einen Vomhundertsatz von 250 v.H. (§ 36 Abs. 2, 3 AFG) zu Grunde gelegt hat. Ausgehend von einem BE von 990,00 DM errechnete sich hieraus bei einem Anrechnungsbetrag von wöchentlich 99,58 DM ein Alhi-Zahlungsanspruch der Klägerin von wöchentlich 202,82 DM.

Auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen lagen nach dem aktenkundigen Sachverhalt vor: Die Klägerin war arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung und hatte Alhi beantragt, § 134 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Bereits mit dem vorausgegangenen Antrag auf Alg hatte der Kläger - hilfsweise - für die Zeit nach der Erschöpfung des Alg-Anspruchs die Zahlung von Alhi (Anschluss-Alhi) beantragt (Ebsen in Gagel: AFG, Rdnr. 68 zu § 134). Zudem hatte die Klägerin auch keinen Anspruch auf Alg gemäß § 134 Abs. 1 Nr. 2 AFG, jedoch hatte sie vor dem Tag, an dem alle Voraussetzungen für Alhi erfüllt waren, Alg bezogen, § 134 Abs. 1 Nr. 4 AFG.

Die Klägerin war für den genannten Zeitraum auch bedürftig.

Nach § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG haben Anspruch auf Alhi nur Arbeitnehmer, die u.a. bedürftig sind. Als bedürftig im Sinne von § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG ist nach § 137 Abs. 1 AFG ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Nicht bedürftig ist nach § 137 Abs. 2 AFG ein Arbeitsloser so lange mit Rücksicht auf sein Vermögen, seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Zu den Fragen, wie lange und mit Rücksicht auf welches Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist, hat das AFG der Regelung durch Rechtsverordnung überlassen. Insofern finden im Streitfall die auf der Ermächtigung des § 137 Abs. 3 AFG beruhenden Regelungen (der §§ 6 ff. Alhi-VO vom 07.08.1997, BGBl. I 1929) Anwendung.

Bei der Berechnung des Anrechnungsbetrages ist das SG zutreffend von einem monatlichen Nettoeinkommen des Ehemannes von 2.095,76 DM abzüglich Aufwendungen von Versicherungen in Höhe von insgesamt 302,05 DM, eines Freibetrages in Höhe der hypothetischen Arbeitslosenhilfe von 1.110,20 DM und des Erwerbstätigenpauschbetrages von 251,98 DM ausgegangen.

Zutreffend hat die Beklagte auf den Bestand des bei der Klägerin und ihrem Ehemann vorhandenen Vermögens bezogen auf den 26.08.1997 abgestellt. Die Prüfung der Vermögensverhältnisse bezogen auf einen bestimmten Stichtag entspricht der Systematik der §§ 6 bis 9 Alhi-VO und wird § 8 Abs. 2 Alhi-VO ausdrücklich angeordnet. Hierbei ist maßgebender Stichtag der erste Tag, für den Alhi beantragt ist und an dem die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind. Dieser Tag ist zugleich der Ausgangspunkt für die Berechnung des Zeitraumes für den nach § 9 Alhi-VO Bedürftigkeit nach dem - gegebenenfalls - zu berücksichtigenden Vermögen entfällt.

Hierbei hat die Beklagte die von der Klägerin und ihrem Ehemann in Anspruch genommenen Darlehen von 104.700,00 DM, 22.000,00 DM und 7.359,00 DM bei der Feststellung des "Vermögens" im Sinne von § 137 Abs. 2 AFG und § 6 Abs. 1 Alhi-VO nicht in Ansatz gebracht und somit auch die zustehenden Vermögenswerte nicht um die Schulden bereinigt. Diese Vorgehensweise entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG, nach welcher als Vermögen im Sinne der Alhi-Vorschriften der gesamte Bestand an Sachen oder Rechten, Geld oder Geldeswert in der Hand des Berechtigten anzusehen ist (BSGE 41, 187, 188; BSGE 46, 271, 273; BSG SozR 4100 § 138 Nr. 25; SozR 3-4100 § 137 Nr. 4). Das Vermögen i. S. der Alhi-Vorschriften ist somit die Summe der gesamten aktiven Vermögenswerte, während die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten grundsätzlich erst bei der Frage der Verwertbarkeit (§ 6 Abs. 2 Alhi-VO) bzw. der Zumutbarkeit der Verwertung (§ 6 Abs. 3 Alhi-VO) erfolgt. Diesen Grundsätzen folgt der Senat, denn für die Berücksichtigung sämtlicher Vermögensgegenstände i. S. aller Aktiva spricht entscheidend der besondere Zweck der Bedürftigkeitsprüfung. Die Bedürftigkeitsprüfung verwirklicht den Grundsatz der Subsidiarität der Alhi, wonach jemandem ein Anspruch auf Alhi nicht zusteht, solange und soweit er für sich und seine Angehörigen aktuell selbst sorgen kann (BSG SozR 4100 § 137 Nr. 12). Im Hinblick darauf, dass die Alhi aus allgemeinen Steuermitteln bezahlt wird, kann nicht bereits ein Bestehen anderweitiger Verbindlichkeiten des Arbeitslosen ohne nähere Prüfung auf eine Unbilligkeit des Vermögenseinsatzes geschlossen werden. Vielmehr wird grundsätzlich jedes Vermögen ohne Rücksicht auf die näheren Umstände des Erwerbs erfasst (BSG 49, 30, 32 f.). Gegen ein Verständnis des Vermögens im Sinne der Alhi-VO als Differenzbetrag zwischen Aktiva und Passiva spricht zudem die Systematik der Vorschriften über die Berücksichtigung von Vermögen bei der Bedürftigkeitsprüfung, die ersichtlich auf eine gesonderte Beurteilung der einzelnen Vermögensgegenstände abzielen (vgl. insbesondere den Katalog in § 6 Abs. 3 Satz 2 Alhi-VO).

Der Ansatz von Verbindlichkeiten ist allerdings bereits auf der Stufe der Feststellung der vorhandenen Vermögensgegenstände geboten, soweit die Verbindlichkeiten unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand lasten. Hiervon geht auch der 7. Senat des BSG in seinem Urteil vom 25.03.1999 - B 7 AL 28/98 R - (BSGE 84, 48) aus, wenn er den Abzug von Hypothekenschulden und eines Wohnrechts vom Wert des Haus- und Grundvermögens zulässt. Ein solcher Zusammenhang zwischen den Bausparguthaben und den Darlehensschulden ist im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich.

Gleichwohl kann sich die Unzumutbarkeit der Vermögensverwertung für den konkreten Einzelfall aus der Generalklausel des § 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-VO ergeben. Nach dieser Vorschrift ist die Verwertung von Vermögen zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwarten werden kann. Die in § 6 Abs. 3 Alhi-VO vorgesehene Billigkeitsprüfung ermöglicht es bestimmten Vermögensgegenständen Verbindlichkeiten zuzuordnen und auch dann in Ansatz zu bringen, wenn ein Abzug der Verbindlichkeit bei der Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens nicht möglich ist, weil der erforderliche Zusammenhang nicht besteht (vgl. auch Ebsen in: Gagel, SGB III Rdnr. 123 bis 126 zu § 193). Für eine einheitliche Betrachtung von unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verknüpften Ansprüchen und Verbindlichkeiten spricht schon der Wortlaut des Grundtatbestandes für das Vorliegen von Unzumutbarkeit der Vermögensverwertung, denn es werden als Maßstab der Billigkeitsprüfung nicht nur eine angemessene Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen, sondern auch die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung benannt. Zudem kommt § 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-VO die Funktion einer Härteklausel für die Beantwortung der Frage zu, in welchen Fällen die Verwertung eines Vermögensgegenstandes auch außerhalb der ausdrücklich geregelten Spezialtatbestände oder wegen seiner Benötigung für eine angemessene Lebenshaltung im Übrigen unbillig ist (Ebsen in: Gagel SGB III, Rdnr. 238 zu § 93). Schließlich hat das BSG in anderem Zusammenhang ausgesprochen, dass bei der Bedürftigkeitsprüfung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten sei. Entsprechend sind darlehensweise zufließende Geldmittel, die von Anfang an mit einer entsprechenden Rückzahlungspflicht verbunden sind, vom Einkommensbegriff ausgenommen, weil sie dem Arbeitslosen nicht endgültig zur Verwendung zur Verfügung stehen und deshalb nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes herangezogen werden können (BSGE 58, 67, 160, 162; BSG SozR 3-4100 § 137 Nr. 12).

Nach der Auffassung des BSG, der sich der Senat anschleißt, entspricht es der im § 6 Abs. 3 Alhi-VO zugrunde liegenden Konzeption und der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung, die Zumutbarkeit dann zu verneinen, wenn und soweit Vermögensbestandteile und Verbindlichkeiten bei wirtschaftlicher Betrachtung als eine Einheit anzusehen sind. Die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise erforderliche Verbindung von Vermögensbestandteilen und Verbindlichkeiten, die zur Unzumutbarkeit der Verwertung in Höhe der Verbindlichkeit führen, ist gegeben, wenn diese nach Entstehung und beabsichtigter Tilgung miteinander verknüpft sind. Erforderlich ist insoweit ein zeitlicher und ein ursächlicher Zusammenhang, der die Beurteilung erlaubt, Vermögensbestandteil und Verbindlichkeit würden eine wirtschaftliche Einheit bilden. Zudem muss das zur Tilgung der Verbindlichkeiten bereit gestellte Vermögen seiner Art nach geeignet sein, die Tilgung der Verbindlichkeit sicherzustellen (Urteil des BSG vom 02.11.2000 - B 11 AL 35/00 R - in: SozR 3-4220 § 6 Nr. 8 und BSGE 87, 143 ff). Die Beurteilung, ob Vermögensbestandteile und Verbindlichkeiten in der Art mit einander verknüpft sind, dass sie eine wirtschaftliche Einheit bilden, setzt voraus, dass entsprechende objektive Umstände den Schluss auf eine entsprechende Absicht der Mittelverwendung rechtfertigen.

Solche Umstände sind hier bezüglich der Bausparguthaben gegeben. Aus subjektiver Sicht der Eheleute B ... war nach deren glaubhaftem Vorbringen von Anfang an eine entsprechende Verknüpfung gegeben. Mit der zugeteilten Bausparsumme sollten die SAB-Darlehen nach dem Ende der Zinsbindung abgelöst werden, um so nunmehr nur noch durch das zinsgünstige Bauspardarlehen weiterhin belastet zu sein. Zudem wird die wirtschaftliche Verknüpfung auch objektiv manifestiert. Bereits in dem Schreiben des Finanzberaters K ... vom 03.09.1996 wurde eine entsprechende Umschuldung durch die Bausparguthaben angeraten und in der Folge auch praktiziert. Verdeutlicht wird dies damit, dass die Bausparguthaben so angespart wurden, dass sie zum Zeitpunkt des Wegfalls der Zinsbindung zuteilungsreif wurden und eine Übereinstimmung der erforderlichen Beträge bestand.

Da somit bereits nach der Generalklausel des § 6 Abs. 3 Satz 1 Alhi-VO von einer Unzumutbarkeit der Verwertung auszugehen war, kam es auf die Anwendung der weiteren Nummern von § 6 Abs. 3 Satz 2 Alhi-VO - insbesondere Nr. 3 und/oder 7 - nicht mehr an.

Der Zweck der Nrn. 3 und 7 unterstützt jedoch hier die Unbilligkeit der Verwertung. § 6 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 Alhi-VO greift unmittelbar nicht ein, denn einer angemessenen Alterssicherung sollten nach den Planungen der Eheleute B ... nicht direkt die Bausparguthaben, sondern die erworbene Eigentumswohnung durch Mietersparnis dienen. Diese ist auch nach Auffassung der Beklagten von der Verwertung ausgenommen. Dieser Verwertungsschutz wäre jedoch tatsächlich wirtschaftlich wertlos, wenn die zur Begleichung der aus der Eigentumswohnung erwachsenen Schulden vorgesehenen Mittel zu verwerten wären. Entsprechendes gilt auch für Nr. 7: Auch diese Norm greift nicht unmittelbar ein, da hiernach nur das Hausgrundstück/die Eigentumswohnung oder das Vermögen geschützt ist. Allerdings unterstützt der Rechtsgedanke von Nr. 7 - der Schutz der privaten Wohnung - die Unbilligkeit der Vermögensverwertung dann, wenn dieses speziell mit der Tilgung einer Verbindlichkeit verknüpft ist, die aus dem Erwerb einer Wohnung resultiert; so dass dieses erst das private Wohnungseigentum tatsächlich in wirtschaftlicher Hinsicht absichert.

Schließlich führt auch der Umstand, dass das Guthaben an die Bank hätte verpfändet werden können, nicht zu einer Verwertbarkeit. Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich bereits aus § 6 Abs. 2 S. 2 Alhi-VO, dass bei Einschränkungen der Verfügungsbefugnis keine Verwertbarkeit gegeben ist. § 6 Abs. 3 S. 1 Alhi-VO wäre dann insofern überflüssig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil zu einer Konstellation, wie der vorliegenden, noch keine abschließende höchstrichterliche Entscheidung vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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