L 9 EG 69/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 EG 7/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 69/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Erziehungsgeld (BErzg) nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) für den Zeitraum 18.12.2000 mit 06.06.2001 streitig, in dem eine Aufenthaltserlaubnis nicht vorgelegen hat.

I.

Die 1974 geborene verheiratete Klägerin ist die Mutter des 2000 in N. geborenen Kindes N. und eines weiteren Kindes (H. , geb. 1997). Sie ist Bosnierin und hält sich seit 1991 in Deutschland auf, seit 22.12.1998 mit einer bis 08.12.2000 befristeten Aufenthaltserlaubnis, welche mit der Gültigkeitsdauer ihres bosnischen Reisepasses korreliert. Von der zuständigen Krankenkasse, bei der sie familienversichert ist, hat sie ein Entbindungsgeld erhalten.

Mit dem am 15.01.2001 gestellten Erstantrag legte sie eine Bescheinigung des Ausländeramtes der Stadt N. vom 11.12.2000 vor, derzufolge die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung beantragt war. Bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über diesen Antrag gelte der Aufenthalt im Bundesgebiet als erlaubt, § 69 Abs.3 Ausländergesetz. Nach mehrfacher Anforderung verschiedener Unterlagen, unter anderem der Aufenthaltserlaubnis, gab die Klägerin an, ein neuer Pass sei noch nicht ausgestellt worden.

Durch Bescheid vom 24.04.2001 gewährte der Beklagte daraufhin BErzg für den Zeitraum 18.08. mit 17.12.2000 in Höhe von monatlich je DM 600,-. In den ersten sechs Monaten stehe Erzg in Höhe von DM 600,- dem Grunde nach zu, aufgrund der bis 08.12.2000 befristeten Aufenthaltsgenehmigung jedoch konkret nur bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes am 17.12.2000. Wenn innerhalb des möglichen Bezugszeitraumes eine über den vorgenannten Zeitpunkt hinaus gültige Aufenthaltsgenehmigung vorgelegt werde, könne über den weiteren Anspruch entschieden werden. Am 14.05.2001 reichte die Klägerin neben einer Bescheinigung des Generalkonsulates über einen beantragten Reisepass eine erneute Bescheinigung des Ausländeramtes ein, derzufolge der Aufenthalt bis 10.06.2001 als genehmigt gelte, längstens bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde.

Diese Zuleitung wurde als Antrag auf Weitergewährung von BErzg angesehen, welcher durch Bescheid vom 21.05.2001 abgelehnt wurde. Die Klägerin verfüge nicht über einen der erforderlichen qualifizierten Aufenthaltstitel im Sinne des § 1 Abs.1 a Satz 1 BErzGG. Nach Vorlage einer am 07.06.2001 ausgestellten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gewährte der Beklagte durch Bescheid vom 13.06.2001 BErzg für die Zeiträume 07. mit 17.06. sowie 18.06. mit 17.08.2001 in voller Höhe weiter. Vom 18.12.2000 mit 06.06.2001 bestehe kein Anspruch, denn die Klägerin sei insoweit nicht im Besitz eines einschlägigen Aufenthaltstitels, sondern lediglich einer Bescheinigung im Sinne des § 69 Abs.3 Ausländergesetz.

Im gerichtlichen Vorverfahren wandte die Klägerin insoweit ein, sich seit 1991 berechtigt in Deutschland aufzuhalten, ihr letzter bosnischer Pass sei zwar nur bis Dezember 2000 gültig gewesen, jedoch habe sie seit August 1998 ein Anrecht auf eine befristete Aufenthaltserlaubnis gehabt. Das Konsulat habe von Dezember 2000 bis Juni 2001 keine Pässe ausgestellt. Der Rechtsbehelf wurde durch Widerspruchsbescheid vom 11.01.2002 mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägerin sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Besitz eines erforderlichen qualifizierten Aufenthaltstitels gewesen, welcher erst ab 07.06.2001 erneuert worden sei. Mit der Rechtsprechung des BSG sei eine Bescheinigung nach § 69 Abs.3 Ausländergesetz nicht einem der Aufenthaltstitel im Sinne des § 1 Abs.1 a BErzGG gleichzustellen. Das gelte auch dann, wenn zuvor ein befristeter Titel vorgelegen habe, dessen Verlängerung rechtzeitig beantragt worden sei.

II.

Mit der zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Aufgrund mündlicher Verhandlung wies die 9. Kammer die Klage durch Urteil vom 28.10.2002 im Wesentlichen mit der Begründung ab, für Geburten vor dem 01.01.2001 sei nach dem BErzGG i.d.F. des FKPG vom 23.06.1993 bei Ausländern ein qualifizierter Aufenthaltstitel erforderlich, ein materielles Aufenthaltsrecht stehe dem nicht gleich und führe insbesondere nicht zu einer Rückwirkung. Im Erziehungsgeldrecht sei der für den streitgegenständlichen Zeitraum fehlende Aufenthaltstitel wegen der Tatbestandswirkung zu berücksichtigen, und zwar auch im Rahmen sogenannter Lückenfälle.

III.

Mit der über das Ausgangsgericht eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, sie habe dem Amt einen Brief mit einer Kopie des Reisepasses zugeleitet, welcher nur bis Dezember 2000 gültig gewesen sei, und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihr ab August 2000 eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zustehe. Hieran habe sich die zuständige Bearbeiterin erinnern können. Sie wolle nicht unterstellen, dass letztere es bewusst unterlassen habe, sie auf die Vorlage einer Bestätigung über das grundsätzliche Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis hinzuweisen.

Der Beklagte trägt in seiner Erwiderung vor, die Klägerin bereits im Bescheid vom 24.04.2001 darauf hingewiesen zu haben, dass über eine Weiterbewilligung von BErzg erst nach der Vorlage einer Aufenthaltserlaubnis/-berechtigung entschieden werden könne. Eine Bescheinigung nach § 69 Abs.3 Ausländergesetz oder eine Bestätigung darüber, dass eine Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis bereits ab einem bestimmten Zeitpunkt zustehen würde oder zugestanden hätte, reiche für den Bezug von BErzg nicht aus. Diese seit vielen Jahren bestehende Rechtslage sei den Mitarbeitern der Erziehungsgeldstellen bekannt. Ein Anspruch auf BErzg habe daher im streitbefangenen Zeitraum nicht bestanden.

Der Senat hat neben den Streitakten des ersten Rechtszuges die Erziehungsgeldakte des Beklagten beigezogen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.10.2002 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 13.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2002 zu verurteilen, ihr für den am 18.08.2000 geborenen Sohn N. Bundeserziehungsgeld auch für die Zeit vom 18.12.2000 mit 06.06.2001 zu gewähren.

Der Antrag des Beklagten lautet,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.10.2002 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Erziehungsgeldakte Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 26.02.2004.

Entscheidungsgründe:

Die mangels des Vorliegens einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung der Klägerin erweist sich als in der Sache nicht begründet. Wie das SG überzeugend dargelegt hat, steht der Klägerin der streitgegenständliche Anspruch auf BErzg nicht zu.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 13.06. 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2002, mit welchem BErzg für die Zeit vom 18.12.2000 mit 06.06.2001 versagt worden ist.

Rechtsgrundlage für die Gewährung der Leistung ist das BErzGG in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung. Anspruch auf Leistungen hat danach gemäß § 1 Abs.1 BErzGG, wer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat (Nr.1), mit dem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt (Nr.2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr.3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr.4). Für den Anspruch einer Ausländerin ist nach Abs.1 a darüber hinaus Voraussetzung, dass diese im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. Nach § 2 BErzGG wird eine nicht volle Erwerbstätigkeit ausgeübt, wenn die wöchentliche Arbeitszeit 19 Stunden nicht übersteigt. Gem. § 4 wird die Leistung vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 24. Lebensmonats gewährt (bei Geburten nach dem 31.12.1992). Das BErzg ist schriftlich für jeweils ein Lebensjahr zu beantragen (Abs.2). Rückwirkend wird es höchstens für sechs Monate vor der Antragstellung bewilligt (Abs.2 Satz 3).

In der vorliegenden Streitsache erfüllt die Klägerin nach dem Sachverhalt auch im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig die Voraussetzungen des § 1 Abs.1 Satz 1 Nrn.1, 2 mit 4 BErzGG, jedoch verfügt sie nicht über eine Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis im Sinne des Abs.1 a in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des BErzGG vom 31.01.1994 (BGBl. I S.180). Ungeachtet dessen läßt sich ein Anspruch auch weder aus dem Diskriminierungsverbot der EWG-Verordnung 1408/71 noch aus dem deutsch-jugoslawischen Abkommen über soziale Sicherheit herleiten.

Mit Recht hat der Beklagte ebenso wie das SG darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber eine Anspruchsberechtigung bei Ausländern davon abhängig machen durfte, dass deren Aufenthalt in Deutschland auf Dauer gesichert ist, vgl. BSGE 70.197 (205). Das Erfordernis einer Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis gilt mit dem BSG, vgl. Urteil vom 29.01.2002, B 10 EG 7/01 R, selbst dann, wenn die Klägerin dem Personenkreis der anerkannten Asylberechtigten angehören würde. Für den hier maßgeblichen Zeitraum kommt es auf eine erst am 01.01.2001 durch § 1 Abs.6 Satz 2 ff. BErzGG in der Fassung des Gesetzes vom 12.10.2000, BGBl. I S.1226, eingetretene Rechtsänderung nicht an. § 1 Abs. 1a des Gesetzes in der hier anzuwendenden Fassung ist nach der Rechtsprechung des BSG mit dem Grundgesetz vereinbar, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, verstößt auch nicht gegen vorrangiges zwischen- oder überstaatliches Recht, vgl. BSG SozR 3-7833 § 1 Nr.16.

Ein Anspruch ergibt sich ferner nicht aus Art.2 Abs.1 und Art.3 der EWG-Verordnung 1408/71, denn das Diskriminierungsverbot ist auf die Klägerin nicht anzuwenden. Wie der EuGH in seiner Entscheidung vom 11.10.2001, C-95/99, ausgeführt hat, können Arbeitnehmer sowie deren Familienangehörige, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen, die von der vorbezeichneten Verordnung gewährten Rechte nicht geltend machen, wenn sie sich in einer Situation befinden, die mit keinem Element über die Grenzen dieses Mitgliedstaates hinausweist. Dies trifft für die Klägerin deshalb zu, da sie direkt aus dem ehemaligen Jugoslawien in die Bundesrepublik eingereist und vor ihrem Aufenthalt in Deutschland innerhalb der Gemeinschaft weder zu- noch noch abgewandert ist.

Schließlich ist ein Anspruch auch nicht über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit begründet, BGBl. II 1969 Nr.50 S.1438. Denn der sachliche Geltungsbereich dieses Abkommens, das für die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien entsprechend gilt, erstreckt sich nach Art.2 Abs.1 b nur auf die deutschen Vorschriften über das Kindergeld für Arbeitnehmer, nicht aber auf das Erziehungsgeld, eine nach Bezeichnung, Zweckbestimmung und Höhe unterschiedliche Leistung. Dementsprechend fehlt auch eine dem Art.28 des Abkommens (Reduzierung auf Abkommens-Kindergeld) entsprechende Vorschrift für Erziehungsgeld.

Mit der Rechtsprechung des BSG, SozR 3-7833 § 1 Nr.18, ist bei Ausländern grundsätzlich ein qualifizierter Aufenthaltstitel zu fordern. Aufgrund der Tatsbestandswirkung dieses Titels bzw. des Fehlens desselben ist dem Beklagten ein etwaiges Fehlverhalten der deutschen Ausländerbehörde bzw. des ausländischen Konsulats nicht zurechenbar. Zutreffend hat das SG darüber hinaus darauf abgestellt, dass der erforderliche qualifizierte Aufenthaltstitel zu Beginn eines jeden Leistungszeitraums vorliegen muss. Die vorgelegte Bescheinigung über die vorläufige Erlaubnis gemäß § 69 Abs.3 Ausländergesetz ist insoweit kein Titel im Sinne des § 1 BErzGG, welcher im Übrigen nur für die Zukunft wirkt, vgl. BSG SozR 3-7833 § 1 Nr.12 Seite 89 m.w.N. Das SG hat schließlich mit Recht darauf hingewiesen, dass sich hinsichtlich der Fallgestaltungen nichts anderes ergibt, in denen ein Aufenthaltstitel nur in bestimmten Zeiträumen nicht gegeben ist (Lückenfälle), vgl. BSG SozR 3-7833 § 1 Nr.17 S.87.

Das erstinstanzielle Urteil, dessen zutreffenden Darlegungen sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen im Übrigen anschließt, sowie die zugrunde liegenden Bescheide des Beklagten sind nach allem nicht zu beanstanden.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang konnte der Beklagte, welcher für das Berufungsverfahren keine Veranlassung gegeben hat, nicht zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet werden, die der Klägerin zu ihrer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil nämlich eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich bisher ungeklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
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