L 3 U 365/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 23 U 268/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 365/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 167/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.07.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 05.11.1997 über den 31.08.2000 Rente zu gewähren hat.

Der 1943 geborene Kläger - zum Unfallzeitpunkt Zimmerer - stürzte am 05.11.1997 bei Wandschalungsarbeiten von einer Leiter. Nach dem Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. K. , Krankenhaus M. , vom 24.11.1997 zog er sich dabei eine komplette offene Unterarmfraktur rechts zu, die operativ versorgt wurde. Im Bericht vom 11.12.1997 bescheinigte Prof. Dr. K. darüber hinaus auch eine Gesichtsschädelprellung und eine Brustwandprellung links infolge des Unfalls. Im ersten Rentengutachten vom 28.06.1999 bewertete Prof. Dr. K. den Unfallfolgezustand ab der am 05.05.1999 wieder hergestellten Arbeitsfähigkeit mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. Auf Vorschlag des Beratungsarztes, der dieser Einschätzung nicht folgen wollte, veranlasste die Beklagte eine weitere Begutachtung durch Prof. Dr. Z ... Dieser bewertete am 01.09.1999 die Folgen des Unterarmbruchs mit noch liegendem Material nach einer MdE um 20 v.H ... Mit Bescheid vom 06.10.1999 gewährte die Beklagte ab dem 05.05.1999 bis auf weiteres eine vorläufige Rente nach einer MdE um 20 v.H. Im Widerspruchsbescheid vom 24.11.1999 bestätigte sie diese Entscheidung.

Der Kläger erhob dagegen Klage zum Sozialgericht München (Az.: S 24 U 940/99) mit dem Antrag, ihm höhere Rente als nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Ein in diesem Verfahren von dem Orthopäden Dr. F. erstattetes Gutachten vom 26.05.2000 zeigte eine Besserung in der Beweglichkeit des rechten Handgelenks und führte zu einer Einschätzung des Unfallfolgezustandes nach einer MdE unter 20 v.H. Dies veranlasste den Kläger, seine Klage am 10.08.2000 zurückzunehmen.

Noch während des Klageverfahrens entzog die Beklagte - nach Anhörung - mit Bescheid vom 02.08.2000 die vorläufige Rente mit Ablauf des 31.08.2000 und versagte Rente auf unbestimmte Zeit mit der Begründung, über diesen Zeitpunkt hinaus würden die Unfallfolgen kein rentenberechtigendes Ausmaß mehr erreichen. Als Unfallfolgen wurden anerkannt: geringe Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk, geringer Kalksalzmangel im Bruchbereich bei noch liegendem Fremdmaterial. Zur Begründung dieser Entscheidung stützte sich die Beklagte auf eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. P. , der sich seinerseits im Wesentlichen dem Begutachtungsergebnis des Dr. F. anschloss. Der Bescheid vom 02.08.2000 enthielt den Hinweis auf § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG). In der mündlichen Verhandlung vom 10.08.2000 im vorerwähnten Klageverfahren erklärte der Bevollmächtigte des Klägers auf den Hinweis der Vorsitzenden, er wolle den Bescheid mit Widerspruch anfechten.

Zur Begründung seines Widerspruchs brachte der Kläger vor, die Beklagte habe den ihm zur Auswahl gestellten und von ihm als Gutachter ausgewählten Dr. G. nicht mit einer Untersuchung beauftragt und sich vollständig auf das Gutachten des Dr. F. gestützt. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie habe sich auf das von einem unabhängigen Sachverständigen erstattete Gutachten, nämlich auf das Gutachten des Dr. F. stützen dürfen und dessen Befundung ihrer Entscheidung zugrunde legen können.

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht München Klage erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03. 2001 zu verurteilen, ihm über den 31.08.2000 hinaus Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 05.11.1997 zu gewähren.

Das Sozialgericht hat Befundberichte des behandelnden Neurologen Dr. C. und der Orthopädin Dr. L. , darunter einen Kernspin-Befund der linken Schulter vom 08.07.1999, beigezogen. Es hat den Unfallchirurgen Dr. L. zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat am 26.06.2002 ausgeführt, beim Kläger habe sich ein ausgesprochen günstiges Behandlungsergebnis eingestellt. Die verbliebene Funktionseinschränkung, nämlich eine kaum messbare Bewegungsbehinderung am rechten Handgelenk, sei derart gering, dass die MdE ab 01.09.2000 unter 10 v.H. betrage.

Mit Urteil vom 18.07.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ist der Beurteilung des Dr. L. gefolgt.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das Sozialgericht habe sich zu Unrecht auf die Gutachten der Dres. F. und L. gestützt. Die Schlussfolgerung des Sozialgerichts, mit Ablauf des August 2000 hätten die Unfallfolgen kein rentenberechtigendes Ausmaß mehr zurückgelassen, begegne größten Bedenken. Das Gericht hätte ein weiteres Gutachten einholen müssen und habe, weil es dies unterließ, gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen.

Den Antrag des Klägers, ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, hat der Senat mit Beschluss vom 12.01.2004, dem Kläger am 20.01.2004 zugestellt, abgelehnt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 18.07.2003 und Abänderung des Bescheides vom 02.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2001 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 05.11.1997 über den 31.08.2000 Rente zu gewähren; hilfsweise ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.07.2003 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten (Az.: U 0097128201) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Zutreffend hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil festgestellt, dass der Kläger über den 31.08.2000 hinaus aus Anlass seines Unfalls vom 05.11.1997 keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach § 56 Abs.1 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII), welcher gemäß der §§ 212, 214 SGB VII anzuwenden ist, hat. Denn seine Erwerbsfähigkeit ist ab diesem Zeitpunkt wegen verbliebener Unfallfolgen nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 02.08.2000, der infolge der Erklärung des Klägers am 10.08.2000 nicht nach § 96 SGG Gegenstand des damaligen sozialgerichtlichen Verfahrens zu dem Az:S 24 U 940 /99 geworden war. Auf die Frage, ob die Wirkung des § 96 SGG, nach der ein Verwaltungsakt, der nach Klageerhebung durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird, auch Gegenstand des Verfahrens wird, im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24.06.2003; Az: B 2 U 21/02 R) überhaupt eintreten konnte, kommt es nicht an. Denn der Kläger konnte aufgrund der ihm zukommenden Parteihoheit den Bescheid dem Verfahren entziehen und mit dem Widerspruch angreifen (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 96 SGG, Anm. 11 a).

In der Sache selbst führt die Berufung nicht zu dem vom Kläger angestrebten Erfolg. Aufgrund der Berichte des Prof. Dr. K. vom 24.11.1997 und 11.12.1997 steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sich der Kläger bei dem streitgegenständlichen Unfall neben einer Fraktur des rechten Unterarms eine Gesichtsschädelprellung und eine Brustwandprellung links zugezogen hat. Darüber hinausgehende Gesundheitsstörungen sind nicht auf den Unfall zurückzuführen. Dies entnimmt der Senat - wie auch das Sozialgericht im vorangegangenen Verfahren - den bereits erwähnten fortlaufenden Befundberichten des Prof. Dr. K. und dem Gutachten des Dr. L. vom 26.06.2002. Da das Sozialgericht die von Dr. L. festgestellten Befunde eingehend beschrieben hat, sieht der Senat insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs.2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen ab. Er folgt der weiteren Beurteilung des Sozialgerichts hinsichtlich der Bewertung der MdE und hält eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß von mindestens 20 v.H. nicht für begründet. Im Wesentlichen handelt es sich beim Kläger um einen in guter Stellung verheilten Knochenbruch. Die seitengleich kräftig entwickelte Muskulatur der Arme und die Betrachtung des Zustands der Handflächen lassen keinen Schluss auf einen Mindergebrauch zu. Auch messtechnisch ließ sich keine bedeutsame Bewegungseinschränkung verifizizieren.

Die Rüge des Klägers, das Sozialgericht hätte sich nicht auf das Gutachten des Dr. L. und auch nicht auf das Gutachten des Dr. F. stützen dürfen und habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, weil es kein weiteres Gutachten eingeholt habe, greift nicht durch. Denn ebenso wie das Sozialgericht hält auch der Senat den Sachverhalt durch das Gutachten des Dr. L. für hinreichend aufgeklärt. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen sieht er keinen Grund. Dies gilt um so mehr, als der Kläger nicht darlegt, in welchen Punkten eine weitere Sachaufklärung notwendig wäre bzw. aus welchen Gründen das Gutachten des Dr. L. nicht als schlüssig und/ oder plausibel anzusehen ist.

Dem erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, war nicht zu entsprechen. Das Recht aus § 109 SGG richtet sich auf Anhörung eines - vom Kläger - bestimmten Arztes. Ob der hier gestellte Antrag ohne Benennung eines bestimmten Arztes diesen Anforderungen entspricht, hält der Senat für zweifelhaft. Er kann jedoch eine Entscheidung dazu dahingestellt sein lassen. Denn der erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag muss als verspätet i.S.d. § 109 Abs.2 SGG angesehen werden. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach freier Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Grobe Nachlässigkeit ist anzunehmen, wenn jede nach sorgfältiger Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde (Meyer-Ladewig, a.a.O. § 109 Nr.11). Dass der erst in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte, bedarf keiner Erörterung. Diese Folge liegt offen zutage. Dass grobe Nachlässigkeit vorliegt, folgt daraus, dass der Kläger seit der Zustellung des ablehnenden Prozesskostenhilfebeschlusses an ihn am 20.01.2004 wissen musste, dass das Gericht kein weiteres Gutachten mehr einholen werde. Denn in dieser Entscheidung ist wörtlich ausgeführt, dass der Senat das Gutachten des Dr. L. für schlüssig hält und durch dieses die Beweisfragen erschöpfend beantwortet sind. Es wird zudem darauf hingewiesen, der Kläger habe nicht dargelegt, in welchen Punkten die Gutachten aus den Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unschlüssig oder ergänzungsbedürftig seien. Daraus und aus der negativen Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag konnte der Kläger zweifelsfrei erkennen, dass der Senat keine weitere Beweiserhebung beabsichtigte. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ging ihm ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 03.03.2000 zu. Es war ihm zuzumuten, in der Zeit zwischen der Zustellung des Beschlusses vom 12.01.2004 und dem Zugang der Ladung zumindest einen Antrag nach § 109 SGG anzukündigen, um damit eine Ladung und das Abhalten der mündlichen Verhandlung zu verhindern. Sein Verhalten lässt somit jede nach sorgfältiger Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht und muss als grob fahrlässig gewertet werden. Dem Antrag war daher nicht zu entsprechen.

Nach den vorliegenden Gutachten hält der Senat einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente über den 31.08.2000 aus Anlass seines Arbeitsunfalles vom 05.11.1997 nicht für begründet. Seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.07.2003 war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da sich hierfür kein Anhalt im Sinne des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG bietet.
Rechtskraft
Aus
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