Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 58 AL 256/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 209/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 61/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 8. Mai 2014.
Die 1968 geborene, ledige Klägerin ist Musikwissenschaftlerin. Sie ist seit 2003 im sog akademischen Mittelbau an Hochschulen in Forschung und Lehre tätig. Von 2003 bis Oktober 2008 war sie bei der Universität der Künste B als wissenschaftliche Mitarbeiterin, von September 2009 bis Dezember 2009 als Gastprofessorin in H K und vom 28. September 2010 bis 27. September 2013 - befristet - bei der Universität L als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Nach eigenen Angaben arbeitete die Klägerin daneben seit 1. Oktober 2006 fortlaufend bei der Technischen Universität D als Hochschullehrerin vier Stunden pro Woche und erhielt dafür eine Aufwandsentschädigung. Im Wintersemester 2013/14 hatte sie zwei und im Sommersemester 2014 drei Lehraufträge an der TU D und der H-U zu B inne. (Stunden im Wintersemester 2013/2014 insgesamt 44, im Sommersemester 2014 insgesamt 84).
Sie meldete sich am 13. Juni 2013 persönlich bei der Beklagten mit Wirkung zum 28. September 2013 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Durch ihre Unterschrift bestätigte sie dabei, das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Bereits anlässlich ihrer Meldung als Arbeit suchend am 13. Juni 2013 hatte die Klägerin Folgendes mitgeteilt:
Mit Bescheid vom 30. September 2013 bewilligte die Beklagte Alg ab 28. September 2013 für 360 Kalendertage bis zum 27. September 2014 mit einem täglichen Leistungssatz iHv 48,92 EUR.
In der Folgezeit kam die Klägerin mehrfach den Aufforderungen der Beklagten zur Wahrnehmung von Meldeterminen nicht nach, und zwar zu Meldeterminen am 31. Oktober 2013, 7. November 2013, 14. April 2014, 22. April 2014 und 30. April 2014, jeweils mit der Begründung, die Aufforderungen zur Meldung seien rechtswidrig, weil darin kein Zweck angegeben gewesen sei, der gemäß § 309 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) mit der Aufforderung zur Meldung habe verfolgt werden sollen. Sie arbeite in Forschung und Lehre weiter wie bisher, jedoch ohne Vergütung, ihre reguläre Arbeitswoche betrage 60 bis 65 Stunden, zu Spitzenzeiten auch 70 Stunden. Auf den Inhalt der Meldeaufforderungen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Nachdem die Klägerin den ersten Meldeaufforderungen zu den Meldeterminen am 31. Oktober 2013 und am 7. November 2013 nicht nachgekommen war, teilte die Beklagte durch Änderungsbescheid vom 19. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2013 den Eintritt von zwei Sperrzeiten mit, und zwar vom 1. November 2013 bis 7. November 2013 und vom 8. November bis zum 14. November 2013. Wegen Meldeversäumnissen der Klägerin ruhe ihr Anspruch auf Alg in diesen Zeiträumen, ihr Anspruch auf Alg mindere sich jeweils um sieben Tage. Die Klage hiergegen blieb erfolglos (Sozialgericht (SG) Berlin - S 52 AL 5632/13 -).
Mit der Meldeaufforderung vom 19. März 2014 forderte die Beklagte die Klägerin erneut auf, sich bei ihr zu einem Meldetermin am 14. April 2014 einzufinden, um mit der Klägerin deren "aktuelle berufliche Situation" zu besprechen. Erneut widersprach die Klägerin dieser Aufforderung und verwies darauf, dass die Begründung keinem der in § 309 Abs. 2 SGB III genannten Zwecke diene. Sie befinde sich auch weiterhin in Bewerbungsverfahren für universitäre wissenschaftliche Stellen.
Mit Schreiben vom 15. April 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Leistungen vorläufig eingestellt würden, weil die Klägerin der Einladung zum Meldetermin am 14. April 2014 nicht nachgekommen sei. Gleichzeitig lud die Beklagte die Klägerin zu einem Folgetermin am 22. April 2014 ein, um mit der Klägerin über ihre "Leistungsangelegenheiten" zu sprechen. Auch dieser Folgeeinladung kam die Klägerin nicht nach. Auch der Folgeeinladung vom 24. April 2014 zu einem Termin am 30. April 2014 kam die Klägerin nicht nach. Die Meldeaufforderungen seien willkürlich und enthielten keinen ausreichenden, einen konkreten Zweck betreffenden Grund zum Erscheinen. Erneut wies die Klägerin darauf hin, dass sie ihre Arbeit in Forschung und Lehre wie während ihrer Anstellung bis Ende September 2013 fortführe und dabei unter anderem Lehraufträge an Universitäten in B und D absolviere, die im Rahmen ihrer Eigenbemühungen um eine Arbeitsstelle dazu dienten, ihre Chancen einer Anstellung in Forschung und Lehre zu erhöhen. Da diese Lehrveranstaltungen üblicherweise vor Ort, also in D oder B, stattfänden, sei der Beklagten bekannt, dass sie dort vor Ort sein müsse. Sie würde den Vermittlungsbemühungen der Beklagten trotzdem zur Verfügung stehen, wenn die Beklagte Vermittlungsbemühungen zeigen würde.
Mit Bescheid vom 5. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 hob die Beklagte die Alg-Bewilligung mWv 8. Mai 2014 wegen fehlender Verfügbarkeit der Klägerin auf. Da die Klägerin den Meldeaufforderungen ohne wichtigen Grund nicht nachgekommen sei, stünde sie den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung. Sie habe deshalb keinen Anspruch auf Alg.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, sie stehe objektiv den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung. Sie sei auch arbeitsbereit und damit subjektiv für Vermittlungsversuche verfügbar. Denn ihre unvergütete Tätigkeit zeige, dass sie arbeitswillig sei. Diese Tätigkeit habe ihre intensiven Bemühungen gezeigt, ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Dies sei in ihrem Berufsfeld notwendig, um von potentiellen Arbeitgebern wahrgenommen zu werden. Sie habe keine Meldeversäumnisse verletzt, denn die Meldeaufforderungen hätten nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen, insbesondere sei darin ein konkreter Zweck nicht genannt worden. Jedenfalls könne aus Meldeversäumnissen nicht auf die fehlende Verfügbarkeit der Klägerin geschlossen werden.
Durch Urteil vom 4. November 2016 hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 6. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 aufgehoben. Die Klägerin habe dem Arbeitsmarkt zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung gestanden, weshalb die Bewilligung durch Bescheid vom 5. Mai 2014 nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 45 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) nach vorheriger Anhörung der Klägerin hätte aufgehoben werden können. Die von der Beklagten verlautbarte Aufhebung der Bewilligung nach § 48 SGB X sei deshalb fehlerhaft und könne auch nicht nach § 43 SGB X in eine Aufhebung nach § 45 SGB X umgedeutet werden. Um eine sachgerechte Vermittlungsarbeit zu leisten, seien Gespräche zwischen dem Arbeitslosen und einem Vermittler der Beklagten unerlässlich. Auch könnten intensive Eigenbemühungen die gesetzlich geschuldete Vermittlungsarbeit nicht ersetzen. Vor einem derartigen Gespräch könne schon denklogisch kein spezifischer Meldezweck genannt werden. Der Klägerin hätte zumindest aus dem Merkblatt für Arbeitslose ihre Verpflichtung zur Teilnahme an einem Vermittlungsgespräch entnehmen können. Auch sei die Einladungsdichte nicht zu beanstanden. Da mithin feststehe, dass die Klägerin mit den entschiedenen Zurückweisungen der Meldetermine zweifelsfrei erklärt habe, sich im Rahmen des § 138 SGB III nicht zur Verfügung zu stellen, sei die Bewilligung von Alg zwar rechtswidrig, aber fehlerhaft nach § 48 SGB X aufgehoben worden.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei das dreimalige Nichterscheinen zu einem Meldetermin nach Meldeaufforderungen iSd § 309 SGB III ein gewichtiges Indiz dafür, dass es an der subjektiven Verfügbarkeit des Arbeitslosen fehle. Da bereits kein Erstgespräch stattgefunden habe, habe die Klägerin bei ihrer Arbeitsuche nicht unterstützt werden können. Denn die persönlichen Daten der Klägerin hätten nicht erfasst werden können. Es sei deshalb davon auszugehen gewesen, das die Klägerin nicht arbeitsbereit sei. Entgegen der Ansicht des SG sei die Bewilligung von Alg auch zunächst rechtmäßig erfolgt, weil die Klägerin bei Antragstellung noch erklärt habe, sie würde alle Möglichkeiten nutzen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. § 45 SGB X komme deshalb nicht zur Anwendung, eine Ermessensentscheidung über die Rücknahme sei nicht erforderlich. Dass die Klägerin der Arbeitsvermittlung nicht weiter zur Verfügung stehen würde, sei erst nach den drei Meldeaufforderungen im April 2014 und nach ihren schriftlichen Zurückweisungen der Aufforderungen offenkundig geworden, weshalb eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, nämlich der Wegfall der Verfügbarkeit, eingetreten sei und mithin die Bewilligung von Alg mit Wirkung für die Zukunft ab dem 8. Mai 2014 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufgehoben werden konnte. Soweit davon ausgegangen würde, dass die Bewilligung von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, weil die Klägerin zu keinem Zeitpunkt verfügbar gewesen sei, lägen zudem die Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligung auch für die Vergangenheit nach § 45 SGB X vor, wobei ebenfalls kein Ermessen auszuüben gewesen wäre.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei seit der Arbeitslosmeldung am 28. September 2013 keine Änderung eingetreten. Denn sie habe bereits bei ihrer Arbeitslosmeldung erklärt, dass sie dabei sei, eine wissenschaftliche Anschlussstelle in der Forschung zu organisieren und die Hilfe der Beklagten dabei nicht benötige. Vielmehr benötige sie ihre gesamte Energie, um Forschungsprojekte als anschließende Arbeitsstelle vorzubereiten und Hilfe hierbei komme nur von Personen in Betracht, die ebenfalls in der Wissenschaft tätig seien. Die Meldetermine seien für sie deshalb von Anfang an zwecklos gewesen, eine Vermittlung durch die Beklagte nicht möglich. Sie habe sich auch seit ihrer Meldung als Arbeit suchend konsistent verhalten, weshalb eine Änderung im Sinne des § 48 SGB X nicht eingetreten sei. Sie sei vielmehr ihrer Verpflichtung nachgekommen, alle Möglichkeiten zu nutzen, um ihre Arbeitslosigkeit zu beenden. Sie sei deshalb nicht verpflichtet gewesen, den Meldeaufforderungen der Beklagten Folge zu leisten. Sie hätte jedenfalls eine etwaige Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Alg nicht erkennen können. Der Beklagten sei von Anfang an bekannt gewesen, dass die Klägerin bereits über eine selbst ausgearbeitete Strategie zur Beendigung ihrer Beschäftigungslosigkeit verfügt habe. Die Einladungen zu Gesprächen seien deshalb zwecklos und willkürlich gewesen.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2017 hörte Beklagte die Klägerin nachträglich zur Aufhebung der Bewilligung von Alg wegen fehlender Verfügbarkeit an.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung geworden sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der vorliegend allein streitgegenständliche Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 5. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 ist rechtmäßig. Die Beklagte durfte ihre Entscheidung über die Bewilligung von Alg für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 8. Mai 2014 bis 28. September 2014 (Ende der Bewilligung) aufheben. Das Urteil des SG vom 4. November 2016 ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hatte ab dem 8. Mai 2014 (wie auch bereits ab 28. September 2013) keinen Anspruch auf Alg. Nach § 136 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 137 Abs. 1 SGB III (idF des Gesetzes vom 20. Dezember 2011, BGBl. I. S 2854) hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Zwar hatte sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und auch die Anwartschaftszeit erfüllt (vgl § 137 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB III), was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht gemäß § 138 Abs. 5 SGB III aber nur zur Verfügung, wer ua eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (Nr. 1 – objektive Verfügbarkeit), Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (Nr. 2) und bereit ist, jede Beschäftigung im vorstehenden Sinne anzunehmen und auszuüben (Nr. 3 – subjektive Verfügbarkeit). Dies war bei der Klägerin bereits seit dem Zeitpunkt des Vorliegens der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen am 28. September 2013 nicht der Fall (vgl § 137 Abs. 2 SGB III). Denn ihren im Rahmen des Antragsverfahrens und im gerichtlichen Verfahren gemachten Angaben ist zu entnehmen, dass sie selbst den Kreis der für sie potentiell in Betracht kommenden Tätigkeiten von vornherein auf solche in Lehre und Forschung an einer Universität bzw wissenschaftlichen Einrichtung verengt hat, ohne die Vermittlungstätigkeit bzw –fähigkeit der Beklagten in ihrem konkreten Einzelfall mangels Mitwirkung überhaupt aussagekräftig beurteilen zu können, und zu keiner Zeit bereit war, Vermittlungsbemühungen der Beklagten auch nur im Ansatz in Anspruch zu nehmen bzw sich dem gesetzlichen Vermittlungsauftrag der Beklagten folgend solchen Bemühungen überhaupt zur Verfügung zu stellen. Ihre Erklärung, sie müsse ihre gesamte verfügbare Arbeitszeit zur Vorbereitung wissenschaftlicher Arbeiten als Grundlage einer erneuten Anstellung im wissenschaftlichen Bereich aufwenden, weshalb sie keine Zeit für persönliche Beratungsgespräche bei der Beklagten habe, lässt nur den Schluss zu, dass für sie nur eine derartige Beschäftigung in Betracht kam und sie nicht wünschte, mit ihr nicht genehmen Vermittlungsbemühungen der Beklagten behelligt zu werden, ja nicht einmal bereit war, die für eine erfolgversprechende Vermittlungstätigkeit der Beklagten, die ein gemeinschaftliches Vorgehen von Arbeitslosem und Behörde voraussetzt, erforderlichen persönlichen Angaben zu machen. Beispielhaft wird auf ihre insoweit deutliche Einlassung bereits anlässlich ihrer Meldung als Arbeit suchend im Juni 2013 verwiesen. Damit einher gehen die wiederholten Einlassungen der Klägerin, durch ihre wissenschaftliche Tätigkeit im Umfang von 60 bis 70 Wochenstunden ohnehin zeitlich gebunden zu sein und die Tatsache, dass sie den bezeichneten Meldeaufforderungen nicht nachkam, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Ob dadurch auch die objektive Verfügbarkeit bereits bei der Alg-Antragstellung ebenfalls nicht vorgelegen hatte, kann dahinstehen.
Ob die Klägerin selbst eine Beratung durch die Beklagte für sinnlos hielt, da sie, ohne dies nur ansatzweise plausibel machen zu können, davon ausging, dass die Beklagte sie bei der Bewerbung um eine wissenschaftliche Stelle ohnehin nicht fachkundig unterstützen könne, ist ohne Belang, und zwar schon deshalb, weil der in Betracht kommende Arbeitsmarkt sich fachlich auf alle Arbeitsplätze bezieht, die für den Arbeitslosen nach seinen beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten und seiner körperlichen Eignung in Betracht kommen. Welche Beschäftigungen zumutbar sind, hat der Gesetzgeber in § 140 SGB III in der ab dem 1. April 2012 geltenden Fassung normiert. Danach sind dem Arbeitslosen alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe nicht entgegenstehen (Abs. 1). Solche allgemeine Gründe können insbesondere Verstöße gegen gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen sein (Abs. 2). Nach § 140 Abs. 5 SGB III ist eine Beschäftigung auch nicht deshalb unzumutbar, weil sie nicht zum Kreis der Beschäftigten gehört, für die der Arbeitslose ausgebildet ist oder die er bisher ausgeübt hat. Bei Leistungsbezieherin hat die Beklagte dabei nicht nur den Vermittlungswunsch, sondern auch Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und die Interessen der Gesamtheit der Beitragszahler zu berücksichtigen (vgl BSG, Urteil vom 25. Juli 1985 – 7 Rar 33/84 = BSGE 58, 291-302 – Rn 34).
Als Musikwissenschaftlerin waren der Klägerin zudem ohne weiteres auch Berufe außerhalb des Wissenschaftsbetriebs zumutbar:
"Berufsperspektiven für Musikwissenschaftler Das Studium der Musikwissenschaft bildet nicht gezielt auf einen bestimmten Beruf hin aus, sondern vermittelt vielfältige Kompetenzen, die in verschiedenen professionellen Bereichen zur Anwendung kommen können. Generell arbeiten Musikwissenschaftlerinnen und Musikwissenschaftler überall dort, wo es gilt, Musik zu erklären und angemessen zu kontextualisieren: als Dramaturgen in Opernhäusern, als Redakteure bei Rundfunk, Fernsehen und in den Printmedien, als Konzertkritiker, in der Organisation von Musikfestivals oder in den Presseabteilungen der Konzerthäuser. Überdies besorgen Musikwissenschaftler in Verlagen und freien Forschungsinstituten die Edition der vorliegenden Quellen, auf deren Basis ein verlässlicher Notentext entstehen kann. Die im Studium erworbenen Fertigkeiten können jedoch auch in breiteren beruflichen Kontexten eingebracht werden - Musikwissenschaftler lassen sich in so unterschiedlichen Sparten wie der Musikindustrie, der Werbebranche oder der Unternehmensberatung antreffen." (Quelle: Institut für Musikwissenschaft der Goethe Universität Frankfurt am Main)
Es steht damit fest, dass die Klägerin zu keiner Zeit bereit war, jede ihr zumutbare Beschäftigung anzunehmen und auch auszuüben; sie war bereits bei Bekanntgabe des Alg-Bewilligungsbescheides jedenfalls nicht subjektiv verfügbar. Ihre dem entgegen stehenden Erklärungen sind angesichts des von ihr gezeigten Verhaltens im Übrigen nicht ansatzweise glaubhaft.
Ausgehend hiervon war die Beklagte berechtigt und verpflichtet, die Bewilligung von Alg jedenfalls auch für den streitgegenständlichen Zeitraum aufzuheben. Rechtsgrundlage hierfür ist § 330 Abs. 2 SGB III iVm § 45 SGB X.
Nach § 45 SGB X iVm § 330 Abs. 2 SGB III ist ohne Ausübung von Ermessen ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, (auch) für die Vergangenheit ua dann zurückzunehmen, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Verlangt wird damit eine Sorgfaltspflichtverletzung in einem besonders hohen Maße, dh eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Subjektiv unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn also nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl etwa BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 42). Dabei ist grundsätzlich ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen, dh es kommt wesentlich darauf an, ob der Arbeitslose unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit hätte erkennen müssen, dass die betreffenden Angaben zu machen waren (vgl etwa BSGE 35, 108, 112).
Die subjektiven Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin hat bei ihrer Antragstellung mit ihrer Unterschrift bestätigt, dass sie das Merkblatt 1 für Arbeitslose ("Ihre Rechte - Ihre Pflichten") in der seinerzeit gültigen Fassung erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen hat. Das Merkblatt weist eindeutig darauf hin, dass Arbeitslosigkeit nur dann besteht, wenn der Betreffende den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht und bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen (S 18 unter Nr 4). Weiter heißt es dort: "Bei der Zumutbarkeit ist zu bedenken, dass die neue Beschäftigung nicht unbedingt ihrer Ausbildung und ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit entsprechen muss ..." Dem Merkblatt ist somit zwanglos zu entnehmen, dass eine Beschränkung der Arbeitsbereitschaft auf bestimmte Arten von Tätigkeiten (hier auf die einer Musikwissenschaftlerin in Forschung und Lehre) für die Verfügbarkeit und damit auch für den Leistungsbezug schädlich ist. Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit in der Lage gewesen ist, diesen Hinweis zu verstehen. Mehr noch: Aufgrund des Inhalts ihrer umfangreichen und durchaus pointierten Schriftsätze und des persönlichen Eindrucks, den das Gericht von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, steht fest, dass sie über eine beträchtliche Intelligenz und Kenntnisse des Arbeitsförderungsrechts verfügte und verfügt, die über die eines durchschnittlichen Leistungsbeziehers weit hinausgehen. Ihr waren und sind sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen wie auch die Begrifflichkeit der subjektiven Verfügbarkeit bekannt, wie sie eindrucksvoll während ihres umfangreichen Vortrags unter Beweis gestellt hat. Dennoch war sie nur bereit, weiter im wissenschaftlichen Bereich als Dozentin tätig zu werden und hat aufgrund dessen - mit Ausnahme der beantragten Alg-Gewährung - bereits jeden Versuch der Beklagten "abgeblockt", eine dem gesetzlichen Auftrag zumindest nahekommende Beratungs- und Vermittlungstätigkeit zu entfalten. Die Klägerin hat damit nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste.
Ermessen war bei der Entscheidung der Beklagten über die Rücknahme der Bewilligung nach § 330 Abs. 2 SGB III nicht auszuüben. Dass die Beklagte die Aufhebung auf § 48 SGB X gestützt hat, ist unschädlich, da gemäß § 330 Abs. 3 SGB III auch im Rahmen des § 45 SGB X kein Ermessen der Beklagten besteht. Der Austausch der Bescheidbegründung ist in einem solchen Fall zulässig, denn die beiden Rechtsgrundlagen, §§ 45 und 48 SGB X, sind auf dasselbe Ziel, nämlich die (gebundene) Aufhebung eines Verwaltungsakts gerichtet (vgl BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 48/07 R – juris- Rn 17,18).
Der Bescheid ist auch formell rechtmäßig. Zwar war die Klägerin vor dessen Erlass anzuhören, weil ein Ausnahmefall, in dem von einer Anhörung abgesehen werden kann, nicht vorlag. Dieser Anhörungsmangel wurde jedoch im Gerichtsverfahren geheilt. Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Anhörung war nach der allein in Betracht kommenden Ausnahmeregelung des § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X nicht entbehrlich. Im Rahmen einer Anhörung muss demjenigen, der von dem beabsichtigten Erlass des belastenden Verwaltungsaktes betroffen ist, Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Entscheidungserheblich sind dabei alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dass heißt auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (vgl BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 37/09 R - juris). Für die Frage, ob ein Anhörungsfehler vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Rechtsansicht der handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen, mag sie auch falsch sein (vgl BSG, Urteil vom 26. September 1991, 4 RK 4/91 - juris; Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R - juris).
Eine unterbliebene Anhörung kann im Widerspruchsverfahren (vgl hierzu BSG, Urteil vom 27. März 1984 - 5a RKn 2/83 = SozR 1200 § 34 Nr 18) und nach § 41 Abs. 2 SGB X noch während des Gerichtsverfahrens in einem formalisierten Verfahren nachgeholt werden (vgl hierzu und zu den Anforderungen an ein formalisiertes Verfahren nur BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 - B 4 AS 47/15 R = BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2 - Rn 19). Der Anhörungsmangel ist zwar nicht durch eine Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt worden. Denn die bloße Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung allein bewirkt nicht die Heilung des Mangels. Vielmehr wird ein Anhörungsmangel im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nur dann geheilt, wenn der Bescheid selbst alle wesentlichen Tatsachen enthält (vgl BSG, Urteil vom 17. Juli 1994 - 7 RAr 104/93 - juris). Der Anhörungsmangel ist vorliegend jedoch im gerichtlichen Verfahren geheilt worden. Eine Nachholung der Anhörung parallel zum gerichtlichen Verfahren, welche gemäß § 41 Abs. 2 SGB X grundsätzlich bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist, setzt nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG ein eigenständiges, nicht notwendigerweise formelles Verwaltungsverfahren voraus, in dessen Rahmen die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gegeben hat und an dessen Ende sie zu erkennen gibt, ob sie nach erneuter Prüfung am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (vgl zB BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 37/09 R - juris). Ein solches Anhörungsverfahren ist durch das gesonderte Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 1. Juni 2017 im Berufungsverfahren erfolgt, das eine angemessene Äußerungsfrist (14 Tage, vgl zur "Regelanhörungszeit" von 2 Wochen BSG, Urteil vom 23. Au-gust 2005 - B 4 RA 29/04 R = SozR 4-2600 § 313 Nr 4 - Rn 18) vorgibt. Die abschließende Äußerung der Beklagten zum Ergebnis der Überprüfung erging mit Schreiben vom 23. August 2017. Unschädlich ist weiterhin, dass die Beklagte im Anhörungsschreiben vom 1. Juni 2017 als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung § 48 SGB X genannt hat. Denn nach § 24 Abs. 1 SGB X ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die erheblichen Tatsachen in diesem Sinne sind alle Umstände, auf die es nach der materiell-rechtlichen Ansicht der Behörde ankommt. Hierbei ist es unerheblich, ob die Rechtsansicht der Behörde zutrifft, ob also die Rechtsgrundlage, auf die sie sich stützen will, tatsächlich eingreift. Hieraus folgt zum einen, dass die Behörde nicht mitteilen muss, welche Rechtsgrundlage bzw Rechtsnorm sie heranziehen will. Aus § 24 Abs. 1 SGB X folgt deutlich, dass die Anhörungspflicht nur Tatsachen betrifft, nicht aber Rechtsansichten. Zum anderen liegt eine ordnungsgemäße Anhörung auch vor, wenn sich zwar die spätere Entscheidung der Behörde tatsächlich auf eine andere als die zunächst angenommene Rechtsgrundlage stützt, die Anhörung aber auch alle Tatsachen umfasst hat, die für jene Rechtsgrundlage relevant sind. Wie detailliert die Anhörung des Betroffenen ausgestaltet sein muss, kann nur individuell nach den konkreten Umständen und der damit verbundenen wechselseitigen Darlegungslast entschieden werden. Geht es um äußere, objektiv feststellbare Tatsachen, muss die Behörde womöglich auch diese konkret benennen, damit der Betroffene sachgerecht Stellung nehmen kann. Geht es dagegen um subjektive Umstände aus der Sphäre des Betroffenen oder stärker noch um innere Umstände auf seiner Seite, reicht ein Hinweis auf die Natur dieser Umstände aus.
Da die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Alg-Bewilligung bereits mWv 28. September 2013 mittels einer gebundenen Entscheidung vorgelegen haben, ist auch die von der Beklagten verlautbarte Aufhebungsentscheidung (erst) mWv 8. Mai 2014 rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 8. Mai 2014.
Die 1968 geborene, ledige Klägerin ist Musikwissenschaftlerin. Sie ist seit 2003 im sog akademischen Mittelbau an Hochschulen in Forschung und Lehre tätig. Von 2003 bis Oktober 2008 war sie bei der Universität der Künste B als wissenschaftliche Mitarbeiterin, von September 2009 bis Dezember 2009 als Gastprofessorin in H K und vom 28. September 2010 bis 27. September 2013 - befristet - bei der Universität L als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Nach eigenen Angaben arbeitete die Klägerin daneben seit 1. Oktober 2006 fortlaufend bei der Technischen Universität D als Hochschullehrerin vier Stunden pro Woche und erhielt dafür eine Aufwandsentschädigung. Im Wintersemester 2013/14 hatte sie zwei und im Sommersemester 2014 drei Lehraufträge an der TU D und der H-U zu B inne. (Stunden im Wintersemester 2013/2014 insgesamt 44, im Sommersemester 2014 insgesamt 84).
Sie meldete sich am 13. Juni 2013 persönlich bei der Beklagten mit Wirkung zum 28. September 2013 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Durch ihre Unterschrift bestätigte sie dabei, das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Bereits anlässlich ihrer Meldung als Arbeit suchend am 13. Juni 2013 hatte die Klägerin Folgendes mitgeteilt:
Mit Bescheid vom 30. September 2013 bewilligte die Beklagte Alg ab 28. September 2013 für 360 Kalendertage bis zum 27. September 2014 mit einem täglichen Leistungssatz iHv 48,92 EUR.
In der Folgezeit kam die Klägerin mehrfach den Aufforderungen der Beklagten zur Wahrnehmung von Meldeterminen nicht nach, und zwar zu Meldeterminen am 31. Oktober 2013, 7. November 2013, 14. April 2014, 22. April 2014 und 30. April 2014, jeweils mit der Begründung, die Aufforderungen zur Meldung seien rechtswidrig, weil darin kein Zweck angegeben gewesen sei, der gemäß § 309 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) mit der Aufforderung zur Meldung habe verfolgt werden sollen. Sie arbeite in Forschung und Lehre weiter wie bisher, jedoch ohne Vergütung, ihre reguläre Arbeitswoche betrage 60 bis 65 Stunden, zu Spitzenzeiten auch 70 Stunden. Auf den Inhalt der Meldeaufforderungen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Nachdem die Klägerin den ersten Meldeaufforderungen zu den Meldeterminen am 31. Oktober 2013 und am 7. November 2013 nicht nachgekommen war, teilte die Beklagte durch Änderungsbescheid vom 19. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2013 den Eintritt von zwei Sperrzeiten mit, und zwar vom 1. November 2013 bis 7. November 2013 und vom 8. November bis zum 14. November 2013. Wegen Meldeversäumnissen der Klägerin ruhe ihr Anspruch auf Alg in diesen Zeiträumen, ihr Anspruch auf Alg mindere sich jeweils um sieben Tage. Die Klage hiergegen blieb erfolglos (Sozialgericht (SG) Berlin - S 52 AL 5632/13 -).
Mit der Meldeaufforderung vom 19. März 2014 forderte die Beklagte die Klägerin erneut auf, sich bei ihr zu einem Meldetermin am 14. April 2014 einzufinden, um mit der Klägerin deren "aktuelle berufliche Situation" zu besprechen. Erneut widersprach die Klägerin dieser Aufforderung und verwies darauf, dass die Begründung keinem der in § 309 Abs. 2 SGB III genannten Zwecke diene. Sie befinde sich auch weiterhin in Bewerbungsverfahren für universitäre wissenschaftliche Stellen.
Mit Schreiben vom 15. April 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Leistungen vorläufig eingestellt würden, weil die Klägerin der Einladung zum Meldetermin am 14. April 2014 nicht nachgekommen sei. Gleichzeitig lud die Beklagte die Klägerin zu einem Folgetermin am 22. April 2014 ein, um mit der Klägerin über ihre "Leistungsangelegenheiten" zu sprechen. Auch dieser Folgeeinladung kam die Klägerin nicht nach. Auch der Folgeeinladung vom 24. April 2014 zu einem Termin am 30. April 2014 kam die Klägerin nicht nach. Die Meldeaufforderungen seien willkürlich und enthielten keinen ausreichenden, einen konkreten Zweck betreffenden Grund zum Erscheinen. Erneut wies die Klägerin darauf hin, dass sie ihre Arbeit in Forschung und Lehre wie während ihrer Anstellung bis Ende September 2013 fortführe und dabei unter anderem Lehraufträge an Universitäten in B und D absolviere, die im Rahmen ihrer Eigenbemühungen um eine Arbeitsstelle dazu dienten, ihre Chancen einer Anstellung in Forschung und Lehre zu erhöhen. Da diese Lehrveranstaltungen üblicherweise vor Ort, also in D oder B, stattfänden, sei der Beklagten bekannt, dass sie dort vor Ort sein müsse. Sie würde den Vermittlungsbemühungen der Beklagten trotzdem zur Verfügung stehen, wenn die Beklagte Vermittlungsbemühungen zeigen würde.
Mit Bescheid vom 5. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 hob die Beklagte die Alg-Bewilligung mWv 8. Mai 2014 wegen fehlender Verfügbarkeit der Klägerin auf. Da die Klägerin den Meldeaufforderungen ohne wichtigen Grund nicht nachgekommen sei, stünde sie den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung. Sie habe deshalb keinen Anspruch auf Alg.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, sie stehe objektiv den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung. Sie sei auch arbeitsbereit und damit subjektiv für Vermittlungsversuche verfügbar. Denn ihre unvergütete Tätigkeit zeige, dass sie arbeitswillig sei. Diese Tätigkeit habe ihre intensiven Bemühungen gezeigt, ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Dies sei in ihrem Berufsfeld notwendig, um von potentiellen Arbeitgebern wahrgenommen zu werden. Sie habe keine Meldeversäumnisse verletzt, denn die Meldeaufforderungen hätten nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen, insbesondere sei darin ein konkreter Zweck nicht genannt worden. Jedenfalls könne aus Meldeversäumnissen nicht auf die fehlende Verfügbarkeit der Klägerin geschlossen werden.
Durch Urteil vom 4. November 2016 hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 6. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 aufgehoben. Die Klägerin habe dem Arbeitsmarkt zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung gestanden, weshalb die Bewilligung durch Bescheid vom 5. Mai 2014 nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 45 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) nach vorheriger Anhörung der Klägerin hätte aufgehoben werden können. Die von der Beklagten verlautbarte Aufhebung der Bewilligung nach § 48 SGB X sei deshalb fehlerhaft und könne auch nicht nach § 43 SGB X in eine Aufhebung nach § 45 SGB X umgedeutet werden. Um eine sachgerechte Vermittlungsarbeit zu leisten, seien Gespräche zwischen dem Arbeitslosen und einem Vermittler der Beklagten unerlässlich. Auch könnten intensive Eigenbemühungen die gesetzlich geschuldete Vermittlungsarbeit nicht ersetzen. Vor einem derartigen Gespräch könne schon denklogisch kein spezifischer Meldezweck genannt werden. Der Klägerin hätte zumindest aus dem Merkblatt für Arbeitslose ihre Verpflichtung zur Teilnahme an einem Vermittlungsgespräch entnehmen können. Auch sei die Einladungsdichte nicht zu beanstanden. Da mithin feststehe, dass die Klägerin mit den entschiedenen Zurückweisungen der Meldetermine zweifelsfrei erklärt habe, sich im Rahmen des § 138 SGB III nicht zur Verfügung zu stellen, sei die Bewilligung von Alg zwar rechtswidrig, aber fehlerhaft nach § 48 SGB X aufgehoben worden.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei das dreimalige Nichterscheinen zu einem Meldetermin nach Meldeaufforderungen iSd § 309 SGB III ein gewichtiges Indiz dafür, dass es an der subjektiven Verfügbarkeit des Arbeitslosen fehle. Da bereits kein Erstgespräch stattgefunden habe, habe die Klägerin bei ihrer Arbeitsuche nicht unterstützt werden können. Denn die persönlichen Daten der Klägerin hätten nicht erfasst werden können. Es sei deshalb davon auszugehen gewesen, das die Klägerin nicht arbeitsbereit sei. Entgegen der Ansicht des SG sei die Bewilligung von Alg auch zunächst rechtmäßig erfolgt, weil die Klägerin bei Antragstellung noch erklärt habe, sie würde alle Möglichkeiten nutzen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. § 45 SGB X komme deshalb nicht zur Anwendung, eine Ermessensentscheidung über die Rücknahme sei nicht erforderlich. Dass die Klägerin der Arbeitsvermittlung nicht weiter zur Verfügung stehen würde, sei erst nach den drei Meldeaufforderungen im April 2014 und nach ihren schriftlichen Zurückweisungen der Aufforderungen offenkundig geworden, weshalb eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, nämlich der Wegfall der Verfügbarkeit, eingetreten sei und mithin die Bewilligung von Alg mit Wirkung für die Zukunft ab dem 8. Mai 2014 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufgehoben werden konnte. Soweit davon ausgegangen würde, dass die Bewilligung von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, weil die Klägerin zu keinem Zeitpunkt verfügbar gewesen sei, lägen zudem die Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligung auch für die Vergangenheit nach § 45 SGB X vor, wobei ebenfalls kein Ermessen auszuüben gewesen wäre.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei seit der Arbeitslosmeldung am 28. September 2013 keine Änderung eingetreten. Denn sie habe bereits bei ihrer Arbeitslosmeldung erklärt, dass sie dabei sei, eine wissenschaftliche Anschlussstelle in der Forschung zu organisieren und die Hilfe der Beklagten dabei nicht benötige. Vielmehr benötige sie ihre gesamte Energie, um Forschungsprojekte als anschließende Arbeitsstelle vorzubereiten und Hilfe hierbei komme nur von Personen in Betracht, die ebenfalls in der Wissenschaft tätig seien. Die Meldetermine seien für sie deshalb von Anfang an zwecklos gewesen, eine Vermittlung durch die Beklagte nicht möglich. Sie habe sich auch seit ihrer Meldung als Arbeit suchend konsistent verhalten, weshalb eine Änderung im Sinne des § 48 SGB X nicht eingetreten sei. Sie sei vielmehr ihrer Verpflichtung nachgekommen, alle Möglichkeiten zu nutzen, um ihre Arbeitslosigkeit zu beenden. Sie sei deshalb nicht verpflichtet gewesen, den Meldeaufforderungen der Beklagten Folge zu leisten. Sie hätte jedenfalls eine etwaige Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Alg nicht erkennen können. Der Beklagten sei von Anfang an bekannt gewesen, dass die Klägerin bereits über eine selbst ausgearbeitete Strategie zur Beendigung ihrer Beschäftigungslosigkeit verfügt habe. Die Einladungen zu Gesprächen seien deshalb zwecklos und willkürlich gewesen.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2017 hörte Beklagte die Klägerin nachträglich zur Aufhebung der Bewilligung von Alg wegen fehlender Verfügbarkeit an.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung geworden sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der vorliegend allein streitgegenständliche Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 5. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 ist rechtmäßig. Die Beklagte durfte ihre Entscheidung über die Bewilligung von Alg für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 8. Mai 2014 bis 28. September 2014 (Ende der Bewilligung) aufheben. Das Urteil des SG vom 4. November 2016 ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hatte ab dem 8. Mai 2014 (wie auch bereits ab 28. September 2013) keinen Anspruch auf Alg. Nach § 136 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 137 Abs. 1 SGB III (idF des Gesetzes vom 20. Dezember 2011, BGBl. I. S 2854) hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Zwar hatte sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und auch die Anwartschaftszeit erfüllt (vgl § 137 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB III), was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht gemäß § 138 Abs. 5 SGB III aber nur zur Verfügung, wer ua eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (Nr. 1 – objektive Verfügbarkeit), Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann (Nr. 2) und bereit ist, jede Beschäftigung im vorstehenden Sinne anzunehmen und auszuüben (Nr. 3 – subjektive Verfügbarkeit). Dies war bei der Klägerin bereits seit dem Zeitpunkt des Vorliegens der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen am 28. September 2013 nicht der Fall (vgl § 137 Abs. 2 SGB III). Denn ihren im Rahmen des Antragsverfahrens und im gerichtlichen Verfahren gemachten Angaben ist zu entnehmen, dass sie selbst den Kreis der für sie potentiell in Betracht kommenden Tätigkeiten von vornherein auf solche in Lehre und Forschung an einer Universität bzw wissenschaftlichen Einrichtung verengt hat, ohne die Vermittlungstätigkeit bzw –fähigkeit der Beklagten in ihrem konkreten Einzelfall mangels Mitwirkung überhaupt aussagekräftig beurteilen zu können, und zu keiner Zeit bereit war, Vermittlungsbemühungen der Beklagten auch nur im Ansatz in Anspruch zu nehmen bzw sich dem gesetzlichen Vermittlungsauftrag der Beklagten folgend solchen Bemühungen überhaupt zur Verfügung zu stellen. Ihre Erklärung, sie müsse ihre gesamte verfügbare Arbeitszeit zur Vorbereitung wissenschaftlicher Arbeiten als Grundlage einer erneuten Anstellung im wissenschaftlichen Bereich aufwenden, weshalb sie keine Zeit für persönliche Beratungsgespräche bei der Beklagten habe, lässt nur den Schluss zu, dass für sie nur eine derartige Beschäftigung in Betracht kam und sie nicht wünschte, mit ihr nicht genehmen Vermittlungsbemühungen der Beklagten behelligt zu werden, ja nicht einmal bereit war, die für eine erfolgversprechende Vermittlungstätigkeit der Beklagten, die ein gemeinschaftliches Vorgehen von Arbeitslosem und Behörde voraussetzt, erforderlichen persönlichen Angaben zu machen. Beispielhaft wird auf ihre insoweit deutliche Einlassung bereits anlässlich ihrer Meldung als Arbeit suchend im Juni 2013 verwiesen. Damit einher gehen die wiederholten Einlassungen der Klägerin, durch ihre wissenschaftliche Tätigkeit im Umfang von 60 bis 70 Wochenstunden ohnehin zeitlich gebunden zu sein und die Tatsache, dass sie den bezeichneten Meldeaufforderungen nicht nachkam, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Ob dadurch auch die objektive Verfügbarkeit bereits bei der Alg-Antragstellung ebenfalls nicht vorgelegen hatte, kann dahinstehen.
Ob die Klägerin selbst eine Beratung durch die Beklagte für sinnlos hielt, da sie, ohne dies nur ansatzweise plausibel machen zu können, davon ausging, dass die Beklagte sie bei der Bewerbung um eine wissenschaftliche Stelle ohnehin nicht fachkundig unterstützen könne, ist ohne Belang, und zwar schon deshalb, weil der in Betracht kommende Arbeitsmarkt sich fachlich auf alle Arbeitsplätze bezieht, die für den Arbeitslosen nach seinen beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten und seiner körperlichen Eignung in Betracht kommen. Welche Beschäftigungen zumutbar sind, hat der Gesetzgeber in § 140 SGB III in der ab dem 1. April 2012 geltenden Fassung normiert. Danach sind dem Arbeitslosen alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe nicht entgegenstehen (Abs. 1). Solche allgemeine Gründe können insbesondere Verstöße gegen gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen sein (Abs. 2). Nach § 140 Abs. 5 SGB III ist eine Beschäftigung auch nicht deshalb unzumutbar, weil sie nicht zum Kreis der Beschäftigten gehört, für die der Arbeitslose ausgebildet ist oder die er bisher ausgeübt hat. Bei Leistungsbezieherin hat die Beklagte dabei nicht nur den Vermittlungswunsch, sondern auch Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und die Interessen der Gesamtheit der Beitragszahler zu berücksichtigen (vgl BSG, Urteil vom 25. Juli 1985 – 7 Rar 33/84 = BSGE 58, 291-302 – Rn 34).
Als Musikwissenschaftlerin waren der Klägerin zudem ohne weiteres auch Berufe außerhalb des Wissenschaftsbetriebs zumutbar:
"Berufsperspektiven für Musikwissenschaftler Das Studium der Musikwissenschaft bildet nicht gezielt auf einen bestimmten Beruf hin aus, sondern vermittelt vielfältige Kompetenzen, die in verschiedenen professionellen Bereichen zur Anwendung kommen können. Generell arbeiten Musikwissenschaftlerinnen und Musikwissenschaftler überall dort, wo es gilt, Musik zu erklären und angemessen zu kontextualisieren: als Dramaturgen in Opernhäusern, als Redakteure bei Rundfunk, Fernsehen und in den Printmedien, als Konzertkritiker, in der Organisation von Musikfestivals oder in den Presseabteilungen der Konzerthäuser. Überdies besorgen Musikwissenschaftler in Verlagen und freien Forschungsinstituten die Edition der vorliegenden Quellen, auf deren Basis ein verlässlicher Notentext entstehen kann. Die im Studium erworbenen Fertigkeiten können jedoch auch in breiteren beruflichen Kontexten eingebracht werden - Musikwissenschaftler lassen sich in so unterschiedlichen Sparten wie der Musikindustrie, der Werbebranche oder der Unternehmensberatung antreffen." (Quelle: Institut für Musikwissenschaft der Goethe Universität Frankfurt am Main)
Es steht damit fest, dass die Klägerin zu keiner Zeit bereit war, jede ihr zumutbare Beschäftigung anzunehmen und auch auszuüben; sie war bereits bei Bekanntgabe des Alg-Bewilligungsbescheides jedenfalls nicht subjektiv verfügbar. Ihre dem entgegen stehenden Erklärungen sind angesichts des von ihr gezeigten Verhaltens im Übrigen nicht ansatzweise glaubhaft.
Ausgehend hiervon war die Beklagte berechtigt und verpflichtet, die Bewilligung von Alg jedenfalls auch für den streitgegenständlichen Zeitraum aufzuheben. Rechtsgrundlage hierfür ist § 330 Abs. 2 SGB III iVm § 45 SGB X.
Nach § 45 SGB X iVm § 330 Abs. 2 SGB III ist ohne Ausübung von Ermessen ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, (auch) für die Vergangenheit ua dann zurückzunehmen, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Verlangt wird damit eine Sorgfaltspflichtverletzung in einem besonders hohen Maße, dh eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Subjektiv unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn also nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl etwa BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 42). Dabei ist grundsätzlich ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen, dh es kommt wesentlich darauf an, ob der Arbeitslose unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit hätte erkennen müssen, dass die betreffenden Angaben zu machen waren (vgl etwa BSGE 35, 108, 112).
Die subjektiven Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin hat bei ihrer Antragstellung mit ihrer Unterschrift bestätigt, dass sie das Merkblatt 1 für Arbeitslose ("Ihre Rechte - Ihre Pflichten") in der seinerzeit gültigen Fassung erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen hat. Das Merkblatt weist eindeutig darauf hin, dass Arbeitslosigkeit nur dann besteht, wenn der Betreffende den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht und bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen (S 18 unter Nr 4). Weiter heißt es dort: "Bei der Zumutbarkeit ist zu bedenken, dass die neue Beschäftigung nicht unbedingt ihrer Ausbildung und ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit entsprechen muss ..." Dem Merkblatt ist somit zwanglos zu entnehmen, dass eine Beschränkung der Arbeitsbereitschaft auf bestimmte Arten von Tätigkeiten (hier auf die einer Musikwissenschaftlerin in Forschung und Lehre) für die Verfügbarkeit und damit auch für den Leistungsbezug schädlich ist. Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit in der Lage gewesen ist, diesen Hinweis zu verstehen. Mehr noch: Aufgrund des Inhalts ihrer umfangreichen und durchaus pointierten Schriftsätze und des persönlichen Eindrucks, den das Gericht von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, steht fest, dass sie über eine beträchtliche Intelligenz und Kenntnisse des Arbeitsförderungsrechts verfügte und verfügt, die über die eines durchschnittlichen Leistungsbeziehers weit hinausgehen. Ihr waren und sind sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen wie auch die Begrifflichkeit der subjektiven Verfügbarkeit bekannt, wie sie eindrucksvoll während ihres umfangreichen Vortrags unter Beweis gestellt hat. Dennoch war sie nur bereit, weiter im wissenschaftlichen Bereich als Dozentin tätig zu werden und hat aufgrund dessen - mit Ausnahme der beantragten Alg-Gewährung - bereits jeden Versuch der Beklagten "abgeblockt", eine dem gesetzlichen Auftrag zumindest nahekommende Beratungs- und Vermittlungstätigkeit zu entfalten. Die Klägerin hat damit nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste.
Ermessen war bei der Entscheidung der Beklagten über die Rücknahme der Bewilligung nach § 330 Abs. 2 SGB III nicht auszuüben. Dass die Beklagte die Aufhebung auf § 48 SGB X gestützt hat, ist unschädlich, da gemäß § 330 Abs. 3 SGB III auch im Rahmen des § 45 SGB X kein Ermessen der Beklagten besteht. Der Austausch der Bescheidbegründung ist in einem solchen Fall zulässig, denn die beiden Rechtsgrundlagen, §§ 45 und 48 SGB X, sind auf dasselbe Ziel, nämlich die (gebundene) Aufhebung eines Verwaltungsakts gerichtet (vgl BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 48/07 R – juris- Rn 17,18).
Der Bescheid ist auch formell rechtmäßig. Zwar war die Klägerin vor dessen Erlass anzuhören, weil ein Ausnahmefall, in dem von einer Anhörung abgesehen werden kann, nicht vorlag. Dieser Anhörungsmangel wurde jedoch im Gerichtsverfahren geheilt. Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Anhörung war nach der allein in Betracht kommenden Ausnahmeregelung des § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X nicht entbehrlich. Im Rahmen einer Anhörung muss demjenigen, der von dem beabsichtigten Erlass des belastenden Verwaltungsaktes betroffen ist, Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Entscheidungserheblich sind dabei alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dass heißt auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (vgl BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 37/09 R - juris). Für die Frage, ob ein Anhörungsfehler vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Rechtsansicht der handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen, mag sie auch falsch sein (vgl BSG, Urteil vom 26. September 1991, 4 RK 4/91 - juris; Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 6/12 R - juris).
Eine unterbliebene Anhörung kann im Widerspruchsverfahren (vgl hierzu BSG, Urteil vom 27. März 1984 - 5a RKn 2/83 = SozR 1200 § 34 Nr 18) und nach § 41 Abs. 2 SGB X noch während des Gerichtsverfahrens in einem formalisierten Verfahren nachgeholt werden (vgl hierzu und zu den Anforderungen an ein formalisiertes Verfahren nur BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 - B 4 AS 47/15 R = BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2 - Rn 19). Der Anhörungsmangel ist zwar nicht durch eine Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt worden. Denn die bloße Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung allein bewirkt nicht die Heilung des Mangels. Vielmehr wird ein Anhörungsmangel im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nur dann geheilt, wenn der Bescheid selbst alle wesentlichen Tatsachen enthält (vgl BSG, Urteil vom 17. Juli 1994 - 7 RAr 104/93 - juris). Der Anhörungsmangel ist vorliegend jedoch im gerichtlichen Verfahren geheilt worden. Eine Nachholung der Anhörung parallel zum gerichtlichen Verfahren, welche gemäß § 41 Abs. 2 SGB X grundsätzlich bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist, setzt nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG ein eigenständiges, nicht notwendigerweise formelles Verwaltungsverfahren voraus, in dessen Rahmen die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gegeben hat und an dessen Ende sie zu erkennen gibt, ob sie nach erneuter Prüfung am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält (vgl zB BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 37/09 R - juris). Ein solches Anhörungsverfahren ist durch das gesonderte Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 1. Juni 2017 im Berufungsverfahren erfolgt, das eine angemessene Äußerungsfrist (14 Tage, vgl zur "Regelanhörungszeit" von 2 Wochen BSG, Urteil vom 23. Au-gust 2005 - B 4 RA 29/04 R = SozR 4-2600 § 313 Nr 4 - Rn 18) vorgibt. Die abschließende Äußerung der Beklagten zum Ergebnis der Überprüfung erging mit Schreiben vom 23. August 2017. Unschädlich ist weiterhin, dass die Beklagte im Anhörungsschreiben vom 1. Juni 2017 als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung § 48 SGB X genannt hat. Denn nach § 24 Abs. 1 SGB X ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die erheblichen Tatsachen in diesem Sinne sind alle Umstände, auf die es nach der materiell-rechtlichen Ansicht der Behörde ankommt. Hierbei ist es unerheblich, ob die Rechtsansicht der Behörde zutrifft, ob also die Rechtsgrundlage, auf die sie sich stützen will, tatsächlich eingreift. Hieraus folgt zum einen, dass die Behörde nicht mitteilen muss, welche Rechtsgrundlage bzw Rechtsnorm sie heranziehen will. Aus § 24 Abs. 1 SGB X folgt deutlich, dass die Anhörungspflicht nur Tatsachen betrifft, nicht aber Rechtsansichten. Zum anderen liegt eine ordnungsgemäße Anhörung auch vor, wenn sich zwar die spätere Entscheidung der Behörde tatsächlich auf eine andere als die zunächst angenommene Rechtsgrundlage stützt, die Anhörung aber auch alle Tatsachen umfasst hat, die für jene Rechtsgrundlage relevant sind. Wie detailliert die Anhörung des Betroffenen ausgestaltet sein muss, kann nur individuell nach den konkreten Umständen und der damit verbundenen wechselseitigen Darlegungslast entschieden werden. Geht es um äußere, objektiv feststellbare Tatsachen, muss die Behörde womöglich auch diese konkret benennen, damit der Betroffene sachgerecht Stellung nehmen kann. Geht es dagegen um subjektive Umstände aus der Sphäre des Betroffenen oder stärker noch um innere Umstände auf seiner Seite, reicht ein Hinweis auf die Natur dieser Umstände aus.
Da die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Alg-Bewilligung bereits mWv 28. September 2013 mittels einer gebundenen Entscheidung vorgelegen haben, ist auch die von der Beklagten verlautbarte Aufhebungsentscheidung (erst) mWv 8. Mai 2014 rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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