S 7 KR 119/04 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KR 119/04 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtschutzes die Ausstellung einer Kündigungsbestätigung zum 30.06.2004.

Er wurde am 01.03.2003 Mitglied der früheren Taunus BKK (alt), die bis zum 31.03.2004 existierte. Der Beitragssatz der Taunus BKK (alt) betrug im März 2004 12,8 %. Zum 01.04.2004 fusionierte die Taunus BKK (alt) mit der BKK Braunschweig zu der Antragsgegnerin. Der allgemeine Beitragssatz der Antragsgegnerin beträgt seit April 2004 13,8 %.

Nachdem die Antragsgegnerin dem Antragsteller den neuen Beitragssatz mitgeteilt hatte, kündigte dieser mit Schreiben vom 19.04.2004 seine Mitgliedschaft. Dabei berief er sich auf ein ihm zustehendes Sonderkündigungsrecht wegen der Beitragssatzerhöhung.

Mit Bescheid vom 23.04.2004 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, sie könne der Kündigung zum 30.06.2004 nicht entsprechen. Da mit der Fusion eine neue Kasse entstanden sei, liege eine Beitragssatzerhöhung nicht vor. Es sei lediglich ein neuer Beitragssatz festgelegt worden. Ein Sonderkündigungsrecht bestehe deswegen nicht. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Widerspruch. Den Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2004 zurück. Darin vertrat sie weiter die Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V nicht vorlägen. Es komme daher nur eine ordentliche Kündigung im Rahmen von § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Frage. Anders lautende Gerichtsentscheidungen begründeten keine Bindungswirkung für den vorliegenden Fall.

Am 11.06.2004 erhob der Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Duisburg mit dem Begehren, die Bescheide aufzuheben, festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, etwaige aus einer Verzögerung des Kassenwechsels entstehende Schäden zu ersetzen sowie hilfsweise festzustellen, dass die Weigerung, unverzüglich eine Kündigungsbestätigung auszustellen, rechtswidrig war.

Gleichzeitig hat er die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bezüglich der Ausstellung einer Kündigungsbestätigung zum 30.06.2004 begehrt.

Nach seiner Auffassung ist die Frage, ob eine Beitragserhöhung und damit ein Sonderkündigungsrecht im Sinne von § 175 Abs. 4 Satz 5 vorliegt, aus der Sicht der Kassenmitglieder zu bestimmen. Ob gleichzeitig mit der Anhebung des Beitragssatzes eine Fusion einhergehe, sei insoweit unerheblich. Die Sichtweise der Antragsgegnerin gebe ihr die Möglichkeit, den vom Gesetzgeber erwünschten Wettbewerb zu unterlaufen. In diesem Sinne lägen bereits positive Gerichtsentscheidungen vor. Es bestehe auch ein Anspruch auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, weil ihm ein Abwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar sei. Denn das Hauptsacheverfahren werde nach Lage der Dinge mehr Zeit in Anspruch nehmen als er nach Auffassung der Antragsgegnerin noch an die dortige Mitgliedschaft gebunden sei (SG Nordhausen Beschluss vom 13.05.2004 Az. S 6 KR 761/04 ER).

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,

die Antragsgegnerin im Wege des einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm unverzüglich eine Kündigungsbestätigung zum 30.06.2004 auszustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, ein Anspruch auf Ausstellung einer Kündigungsbestätigung zum 30.06.2004 nicht gegeben, weil schon ein Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V nicht bestehe. Ein Sonderkündigungsrecht könne nur anerkannt werden, wenn es schon bei einer der beiden Vorgängerkassen bestanden habe, da die neue Kasse nur in bereits bestehende Verpflichtungen der Vorgängerkassen eintrete. Der Gesetzgeber habe absichtlich kein Sonderkündigungsrecht bei Fusionen vorgesehen, weil Fusionen politisch erwünscht seien. Eine gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung, die die Auffassung des Antragstellers stütze, existiere nicht. Es bestehe zudem auch kein Anordnungsgrund. Ein solcher liege nur dann vor, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz wesentliche irreparable Nachteile entstünden. Solche Nachteile seien hier nicht ersichtlich. Die Beeinträchtigung gehe nicht über Randbereiche hinaus. Wegen des einheitlichen Leistungskatalogs beschränke sich der Nachteil auf den Beitragsunterschied zu anderen Kassen, die niedrigere Beitragssätze anbieten für den Zeitraum bis zur Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Dieser finanzielle Verlust könne auch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens gegebenenfalls wieder ausgeglichen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und des Verwaltungsverfahrens im Übrigen wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Der Inhalt war Gegenstand der Entscheidung.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Fassung des insoweit am 02.01.2002 in Kraft getretenen sechsten Gesetzes zur Änderung des SGG vom 07.08.2001 kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis einstweilige Anordnungen treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei sind die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und das Bestehen des zu sichernden Rechtes (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen, § 86 b SGG in Verbindung mit § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Auszugehen ist dabei von dem Grundsatz, dass eine einstweilige Anordnung nach § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG lediglich der Sicherung, nicht aber bereits der Befriedigung von (glaubhaft gemachten) Rechten dient. Sie darf eine Entscheidung in der Hauptsache (den Widerspruchsbescheid bzw. anschließenden Klageverfahren) grundsätzlich nicht vorwegnehmen. Deshalb dient sie nicht dazu, einem Hilfesuchenden schneller, als in dem Hauptsacheverfahren möglich ist, zu seinem vermeintlichen Recht zu verhelfen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz der Unzulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache gilt nur dann, wenn es zur Vermeidung unzumutbarer Folgen und eines nicht wieder gut zu machenden Schadens für den Antragsteller notwendig ist, dass seinem Begehren sofort entsprochen wird.

Ein Anordnungsgrund in diesem Sinne ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht worden.

Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Ausstellung einer Kündigungsbestätigung gemäß § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V zum 30.06.2004 würde eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten. Denn hierdurch würde dem Antragsteller der Kassenwechsel faktisch im Rahmen eines Sonderkündigungsrechtes ermöglicht.

Dem gegenüber hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die Nachteile, die ihn ohne eine vorläufige Regelung erwarten, die Grenze des zumutbaren überschreiten. Die Nachteile des Antragstellers bestehen in der Differenz der Beiträge zur Krankenversicherung, die sich aus einem Beitragssatz von 13,8 % im Verhältnis zu einem möglicherweise geringeren Beitragssatz bei einer anderen Krankenkasse ergeben. Welche andere Kasse mit welchem Beitragssatz der Antragssteller zu wählen beabsichtigt, hat er nicht mitgeteilt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass er eine Kasse wählen will, die einen 1-2 % niedrigeren Beitragssatz hat, ergeben sich daraus keine derart schweren Nachteile, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden könnte. Der Nachteil als solcher ist finanzieller Natur und kann nach Abschluss des Klageverfahrens ohne Weiteres ausgeglichen werden. Außerdem ist die finanzielle Größenordnung überschaubar, weil der Zeitraum, in dem der Antragsteller gezwungen ist, die höheren Beiträge in Kauf zu nehmen auf wenige Monate nämlich bis zur Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, begrenzt ist. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass die eigenen Mittel nicht ausreichen, die Differenz bis zur Entscheidung in der Hauptsache tragen können.

Der von dem Antragsteller vorgetragenen Ansicht des Sozialgerichts Nordhausen folgt das Gericht nicht. Es reicht für einen Anordnungsgrund nicht aus, wenn eine ordentliche Kündigung möglicherweise noch während des Klageverfahrens wirksam wird, da wie oben bereits dargestellt die zwischenzeitlich auftretenden Nachteile nur finanzieller Natur sind und später wieder ausgeglichen werden können.

Die Prüfung der materiellen Rechtslage ist grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, solange nicht offensichtliche Rechtswidrigkeit anzunehmen ist. Da es sich um eine Rechtsfrage handelt, zu der unterschiedliche Ansichten vertreten werden hat das Gericht dafür keine Anhaltspunkte gesehen.
Rechtskraft
Aus
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