Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
24
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 1 KA 79/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KA 28/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 41/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, für welche diese jeweils selbst aufzukommen haben. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Festsetzung eines Arzneimittelregresses wegen der wiederholten Verordnung des Arzneimittels Actiq® im Jahre 2012.
Actiq® ist ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel aus der Gruppe der Opioid-Analgetika und enthält den Wirkstoff Fentanyl. Es ist zugelassen für die Behandlung von Durchbruchschmerzen bei Patienten, deren chronische Tumorschmerzen bereits mit Opioiden als Basis behandelt werden.
Der Kläger ist als Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie in T zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verordnete dem bei der Beigeladenen zu 2) krankenversicherten Versicherten H(V) im Quartal 2012/I sieben Packungen zu je 30 Tabletten Actiq®.
Die Beigeladene zu 2) beantragte am 8. Februar 2013 bei der Prüfungsstelle Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftlichkeitsprüfung Brandenburg GbR (Prüfungsstelle) die Festsetzung eines Regresses für das Verordnen von Actiq® durch den Kläger. Die Verordnung sei zu ihren Lasten im Off-Label-Use erfolgt. Ihr sei ein Schaden in Höhe von 2.054,57 EUR entstanden, der nach § 21 Prüfvereinbarung über das Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 106 SGB V im Land Brandenburg (in der Fassung vom 18. Mai 2011, gültig ab 1. Januar 2011 - Prüfvereinbarung) geltend gemacht werde. Der angehörte Kläger führte aus, der V sei durch andere Fachärzte seit 2008 in der Schmerztherapie neben Oxycodon auf eine Actiq® 800 mg 2x1 Anwendung eingestellt worden. Es bestand und bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom aller großen Gelenke und der Wirbelsäule. Eine Tumorerkrankung habe auch damals nicht vorgelegen. Der V habe erklärt, mit Actiq® "gut zu recht zu kommen", so dass er - der Kläger - das Arzneimittel verordnet habe. Da er mit etwaigen Nebenwirkungen oder Entzugsproblemen keine Erfahrungen habe, habe er sich "nicht getraut", die Dosierung zu verändern oder das Arzneimittel abzusetzen.
Die Beigeladene zu 2) beantragte später auch für die Quartale 2012/II bis 2012/IV jeweils die Festsetzung weiterer Regresse wegen der Verordnung von Actiq® in Höhe von 1.761,06 EUR, 1.467,55 EUR und 2.054,57 EUR.
Mit Bescheid vom 20. August 2014 verband die Prüfungsstelle die Verfahren und setzte einen Regress in Höhe von 7.337,75 EUR fest.
Hiergegen legte der Kläger am 16. September 2014 Widerspruch ein: Den Patienten kenne er seit 2002. Das Medikament sei zunächst von dessen Schmerztherapeutin verordnet worden. Er selbst habe zunächst nur die Kollegin im Urlaub vertreten. Der V habe ihn um Weiterverordnung gebeten. Er finde es nicht in Ordnung, dass er jetzt erstmals darüber informiert werde, obwohl er das Medikament erstmalig im Januar 2012 verordnet habe. Der Wirkstoff des Medikamentes Fentanyl sei nicht ausschließlich für Tumorpatienten zugelassen. Es sei ein hochpotentes Schmerzmittel, welches für viele chronische Schmerzen eingesetzt werde. Der Hersteller von Actiq® habe 2012 einen Antrag auf Ausweitung der Zulassung auf chronische Schmerzen auch bei Nicht-Tumor-Patienten gestellt.
Der Beklagte, der Beschwerdeausschuss vertragsärztliche Versorgung Brandenburg, wies den Widerspruch in der Sitzung am 11. März 2015, ausgefertigt am 30. Juni 2015, zurück und bestätigte den Regress (Zustellung am 8. Juli 2015). Zur Begründung führte er ergänzend aus, die Voraussetzungen eines Off-Label-Use seien beim V nicht erfüllt, weil es sich bei der Diagnose chronisches Schmerzsyndrom nicht zwingend um eine Erkrankung handele, die mit einer lebensbedrohlichen Krankheit gleichgesetzt werden könne oder welche die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtige. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass keine anderen Behandlungsmethoden bestanden hätten. Dies habe der Kläger nicht dargelegt. Für die Behandlung stärkster Schmerzen stünden unretardierte und somit schnell wirksame Opiate der Stufe III zur Verfügung.
Hiergegen hat der Kläger am 4. August 2015 Klage beim Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er sein Vorbringen wiederholt und vertiefend ausgeführt, die Voraussetzungen eines Off-Label-Use seien erfüllt. Dem 1947 geborenen V seien seit 2003 auch durch andere Ärzte ohne Regressfolgen Actiq verordnet worden. Der Leidensweg des V habe bereits 1966 begonnen. Dieser habe das leitliniengerechte Schmerzschema durchlaufen. Erst als der Therapieansatz mit Opiaten der Stufe III nicht der Schmerzlinderung entsprochen habe, sei Actiq® verschrieben worden. Im Rahmen der Schmerzanalyse sei festgestellt worden, dass sich der Morbus Scheuermann über die Jahre zu einem Schmerzzentrum entwickelt habe, das permanent in kurzer Zeit bei allen Bewegungen vorhanden sei. Nur durch die Gabe von Actiq® sei eine Linderung eingetreten. Sofort nach dem Absetzen seien die Schmerzen immer schlimmer geworden und nicht mehr kontrollierbar. Dem V werde seit 2003 Actiq® verordnet. Zu keinem Zeitpunkt sei seitens der Krankenkasse ein Regress geltend gemacht worden, so dass er selbst davon habe ausgehen können, die Verordnung sei rechtmäßig und zulässig. Die Entscheidung verstoße gegen den Vertrauensgrundsatz. Der V reagiere nur auf Actiq®, so dass kein sonstiger Schaden vorliegen könne. Jedenfalls wären die Kosten durch die Medikamentation etwaiger Alternativen höher als die jetzt durch den Regress entstandenen Forderungen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29. März 2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe zu Recht einen Regress auf Grundlage des § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V i. V. m. § 21 der Prüfvereinbarung festgestellt. Nach § 21 Prüfvereinbarung sei auf Antrag einer Krankenkasse auch die Wirtschaftlichkeit im Einzelfall bei der Verordnung von Arzneimitteln zu prüfen. Unstreitig sei hier, dass der Kläger das Arzneimittel Actiq® außerhalb von dessen zugelassener Indikation beim V verordnet habe. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen. Bei der Festsetzung eines Regresses nach § 106 Abs. 2 SGB V komme es auf Verschulden nicht an. Der Beklagte habe auch zutreffend darauf hingewiesen, dass Vertrauenstatbestände nicht vorlägen. Auf den Grundsatz des Vorteilsausgleiches könne sich der Kläger nicht berufen. Es handele sich um unzulässige Verordnungen, es komme deshalb nicht darauf an, ob als deren Folge der Krankenkasse des V ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 1. Mai 2017 (Montag). Zu deren Begründung führt er ergänzend aus, vor Festsetzung des Regresses sei ein Beratungsgespräch nicht durchgeführt, obwohl seit dem 1. Januar 2012 der Grundsatz "Beratung vor Regress" gelte. Er sei davon ausgegangen, dass er das Medikament Actiq® ordnungsgemäß verordnet habe. Im Zusammenhang mit einem Beratungsgespräch 2013 oder 2014 habe er ausdrücklich nach der Verordnung von Actiq® gefragt. Als Antwort habe er lediglich erhalten, dass dies nicht Inhalt des Beratungsgespräches sei. Auch habe die Beigeladene zu 2) früher reagieren müssen und hätte ihn nicht ins Unglück laufen lassen dürfen. Den Schaden für das II. bis IV. Quartal 2012 habe diese zu verantworten bzw. mit zu verantworten. Zwei weitere Ärzte, die dem V Actiq® verordnet hätten, seien nicht in Regress genommen worden. Das Regressverfahren hätte auch bei ihm anders beendet werden müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. März 2017 und den Bescheid vom 11. März 2015, ausgefertigt am 30. Juni 2015, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er weist darauf hin, dass der Kläger in seiner Stellungnahme vor der Prüfungsstelle selbst angegeben habe, dass ihm die Unterlagen für die Schmerztherapie des V nicht vorgelegen hätten. In der mündlichen Sitzung habe er vorgetragen, ihm sei das Arzneimittel Actiq® nicht bekannt und ein Off-Label-Use nicht bewusst gewesen. Der Kläger könne sich auf Vertrauensschutz nicht berufen, weil er seiner Pflicht, sich über ein Arzneimittel zu informieren nicht nachgekommen sei. Auf einen besonderen Vertrauenstatbestand, den etwa ein Prüfgremium oder eine Krankenkasse setzen könnte, bestehe ebenfalls nicht. Der Kläger habe weder die Möglichkeit einer Vorab-Prüfung durch die zuständige Krankenkasse gewählt noch ein Privatrezept ausgestellt und es dem V überlassen, eine Kostenerstattung prüfen lassen. Der Kläger könne sich auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Eine Vielzahl von Verfahren aufgrund der Verordnung von Actiq® sei mit der Festsetzung eines Regresses beendet worden. Regressverfahren seien auch gegen die vom Kläger benannten Ärztinnen angestrengt worden. Lediglich die Rechtsfolgen hätten sich unterschieden. Beim Kläger habe es sich nicht um einen Erstverstoß im Sinne des § 20 Abs. 5 Prüfvereinbarung gehandelt.
Entscheidungsgründe:
Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben.
Gegenstand der Anfechtungsklage ist allein der vom Beklagten erlassene Widerspruchsbescheid. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG wird der Beschwerdeausschuss mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig. Der von ihm erlassene Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses bzw. der Prüfungsstelle (vgl. BSG, Urteil von 29. Juni 2011 - Az.: B 6 KA 16/10 R-juris-Rdnr. 10 m. w. N.).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 11. März 2015/30. Juni 2015 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat rechtmäßig einen Arzneikostenregress in Höhe von insgesamt 7.337,75 EUR festgesetzt.
Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs. 2 SGB V in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten geltenden Fassung vom 19. Oktober 2012 (=SGB V. a. F.). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (a. a. O. Satz 1 Nr. 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (a. a. O. Satz 1 Nr. 2) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren (vgl. zusammenfassend BSG, Urt. v. 27. Juni 2007 -B 6 KA 44/06 R-SozR 4-2500 § 106 Nr. 17 juris-Rdnr. 12 m. w. N.). § 21 Prüfvereinbarung (Feststellung eines sonstigen Schadens wegen rechtswidriger Verordnung von Leistungen) regelt auf dieser Grundlage unter anderem die Prüfung aufgrund der Verordnung von Arzneimitteln als Leistungen, die durch Gesetz oder Richtlinien ausgeschlossen sind.
Die im vorliegenden Fall aufgrund vorgenannter Rechtsgrundlagen durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Annahme der Unwirtschaftlichkeit einschließlich der Regressfestsetzungen ist nicht zu beanstanden.
Auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil kann zunächst nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen werden.
Die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen des Arzneimittels Actiq® in den Quartalen 2012/I - IV waren nicht zulässig. Denn dieses Arzneimittel durfte nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden. Insoweit bestand weder eine Leistungspflicht der Beigeladenen zu 2) als Krankenkasse noch ein Versorgungsanspruch des V: Ein Anspruch auf Versorgung besteht im Rahmen der GKV nur nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 SGB V. Diese Bestimmungen ergeben im Kontext mit den allgemeinen Regelungen der § 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten. Im Arzneimittelbereich ist dies der Fall, wenn das Fertigarzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz zum Verkehr zugelassen ist (vgl. ausführlich Urteil des Senats vom 25. Januar 2013 L 24 KA 88/09 WA- juris-Rdnr. 19f mit Herleitung der BSG-Rechtsprechung). Grundsätzlich sind umgekehrt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG Fertigarzneimittel nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn ihnen die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 - B 1 KR 1/16 R - Rdnr. 11 mit Nachweisen der ständigen Rechtsprechung).
Hier lag allerdings jeweils ein Off-Label-Use vor, also Verordnungen außerhalb des Zulassungsbereichs. Der V litt und leidet nicht unter tumorbedingten Durchbruchschmerzen.
Ein Off-Label-Use ist nur ausnahmsweise zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten, weil es im Einzelfall um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung geht, keine andere Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage zum Zeitpunkt der Behandlung Gründe für die Aussicht bestanden haben und bestehen, dass mit dem Wirkstoff ein Behandlungserfolg erzielt werden kann (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. April 2018 - L 1 KR 350/15 -, juris-Rdnr. 31 unter Bezugnahme auf BSG, a.a.O. Rdnr. 15). Von hinreichenden Behandlungserfolgsaussichten ist dabei nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden kann. Es müssen also Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sein und einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sein (BSG, a. a. O. Rdnr. 16). Im vorliegenden Fall steht außer Streit, dass es zur Behandlung des V Alternativen gegeben hätte. Auch gibt es - worauf der Beklagte unbestritten hingewiesen hat - keine einschlägigen Phase III-Studien hinsichtlich der Wirksamkeit von Actiq® bei Patienten, die nicht unter tumorbedingten Durchbruchschmerzen leiden.
Das SG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass es auf Verschulden des Klägers nicht ankommt und Vertrauensgesichtspunkte zu seinen Gunsten den Regressfestsetzungen nicht entgegenstehen.
Vertrauensschutz setzt voraus, dass das entsprechende Gremium bzw. die Kasse die vom betroffenen Arzt praktizierte oder beabsichtigte Verordnungsweise gebilligt hat und der Arzt in Kenntnis dieser Auskunft seine Verordnungsweise aufnimmt bzw. fortsetzt. Erforderlich ist eine verbindliche behördliche Äußerung (BSG, Beschluss vom 14. Dezember 2011 - B 6 KA 57/11 B mit Bezugnahme auf Urteil vom 6. Mai 2009 - B 6 KA 2/08 R). Solche Äußerungen gibt es hier nicht. Der Kläger hält der Beigeladenen zu 2) speziell in seinem Fall nur vor, zunächst untätig geblieben zu sein. Auch hinsichtlich der vorangegangenen Verordnungen durch die Schmerztherapeutinnen des V beruft er sich auf Untätigkeit.
Ganz allgemein kann ein Vertragsarzt, der Medikamente außerhalb ihrer zugelassenen Indikationen verordnet, weder sich noch der Krankenkasse Gewissheit darüber verschaffen, dass die Verordnung den Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebotes genügt, also notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Bei Off-Label-Verordnungen findet - wie dargestellt - gerade keine Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des jeweiligen Arzneimittels statt, die seinen Einsatz (auch) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigt. Eine solche Prüfung ist im Arzneimittelgesetz nur indikationsbezogen vorgeschrieben und durchführbar; die von der arzneimittelrechtlichen Zulassung ausgehende Schutzwirkung und Qualitäts- wie Wirksamkeitserwartung greift bei einem Einsatz des Medikaments außerhalb der Zulassung gerade nicht ein. Soweit danach ein Vertragsarzt Verordnungen ohne gesicherten Nachweis von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels ausstellt, muss zwingend nachträglich geprüft werden dürfen, ob die jeweilige Verordnung den Regeln des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Wenn der Vertragsarzt davon absieht, in Fällen eines Off-Label-Use die Krankenkasse vor Ausstellung der Verordnung einzuschalten, muss er hinnehmen, dass die Einhaltung der Vorgaben der vertragsärztlichen Versorgung im Nachhinein geprüft wird. (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 6 KA 6/09 R -, BSGE 106, 110-126, SozR 4-2500 § 106 Nr. 27, Rdnr. 43)
Ein Absehen von einem Regress nach §§ 21 S. 2 i. V. m. 20 Abs. 5 Prüfvereinbarung hat der Beklagte zu Recht abgelehnt. Aufgrund § 21 S. 2 Prüfvereinbarung findet für diese Prüfverfahren unter anderem § 20 Abs. 5 Prüfvereinbarung entsprechende Anwendung. Nach § 20 Abs. 5 Prüfvereinbarung soll von der Festsetzung eines Regresses abgesehen werden, wenn der entsprechende Verstoß bei dem betreffenden Vertragsarzt erstmalig Gegenstand eines Prüfverfahrens ist und dieser nach Information darüber schriftliche bestätigt, die Beanstandung inhaltlich zu akzeptieren und im künftigen Verordnungsverhalten zu berücksichtigen. Hier allerdings handelte es sich nicht um einen Erstverstoß des Klägers.
Der vom Kläger allgemein bemühte Grundsatz "Beratung vor Regress" findet sich in § 106 Abs. 5e SGB V a. F. und bezieht sich speziell auf die Richtgrößenprüfung. Für die gezielte Beratung nach § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V a. F. hat das BSG entschieden, dass es sich nur um eine Soll-Vorschrift handele, die nicht für den Fall unzweifelhafter Unwirtschaftlichkeit gelte. Unzweifelhafte Unwirtschaftlichkeit ist insbesondere gegeben, wenn sich der Regress – wie hier - auf nichtverordnungsfähige Arzneimittel bezieht (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2015 - B 6 KA 45/14 R - Rdnr. 29 mit Bezugnahme auf BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 26 Rdnr. 23; SozR 4-2500 § 106 Nr. 21 Rdnr. 27). Dementsprechend wäre für die Prüfung eines Absehens von der Festsetzung eines Regresses im Sinne des § 21 Satz 2 i. V. m. § 20 Abs. 5 Prüfvereinbarung auch bei einem Erstverstoß von einer Ausnahme von der Soll-Rechtsfolge eines Absehens auszugehen gewesen.
Soweit das BSG in der vorgenannten Entscheidung ausgeführt hat, dass die zum 1. Januar 2012 eingefügte Verpflichtung zur "Beratung vor Regress" in § 106 Abs. 5e SGB V a. F. deutlich mache, dass der Gesetzgeber insoweit eine von der bisherigen Rechtsprechung des BSG abweichende Bewertung der Beratung auch in Fällen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit vorgenommen habe, hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Grundsatz nur für die erstmalige Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25% bestanden hat. Nach der Norm handelt es sich um eine Ausnahme von § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V a. F., wonach der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25% nach Feststellung durch die Prüfungsstelle den sich daraus ergebenden Mehraufwand der Krankenkassen zu erstatten hat, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist (BSG, a. a. O. Rdnr. 30).
Das SG hat schließlich zu Recht darauf hingewiesen, dass es bei einem Arzneimittelregress nicht darauf ankommt, ob als Folge der Verordnungen des Arztes der Krankenkasse des Versicherten ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG wird der durch eine unrechtmäßige ärztliche Verordnung eingetretene Schaden nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Krankenkasse des Versicherten bei einer rechtmäßigen Verordnung dieselben oder gar höhere Kosten entstanden wären (vgl. BSG, Urteil vom 13. August 2014 - B 6 KA 38/13 R - Rdnr. 36 mit umfangreichen Nachweisen).
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Im Streit ist die Festsetzung eines Arzneimittelregresses wegen der wiederholten Verordnung des Arzneimittels Actiq® im Jahre 2012.
Actiq® ist ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel aus der Gruppe der Opioid-Analgetika und enthält den Wirkstoff Fentanyl. Es ist zugelassen für die Behandlung von Durchbruchschmerzen bei Patienten, deren chronische Tumorschmerzen bereits mit Opioiden als Basis behandelt werden.
Der Kläger ist als Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie in T zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verordnete dem bei der Beigeladenen zu 2) krankenversicherten Versicherten H(V) im Quartal 2012/I sieben Packungen zu je 30 Tabletten Actiq®.
Die Beigeladene zu 2) beantragte am 8. Februar 2013 bei der Prüfungsstelle Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftlichkeitsprüfung Brandenburg GbR (Prüfungsstelle) die Festsetzung eines Regresses für das Verordnen von Actiq® durch den Kläger. Die Verordnung sei zu ihren Lasten im Off-Label-Use erfolgt. Ihr sei ein Schaden in Höhe von 2.054,57 EUR entstanden, der nach § 21 Prüfvereinbarung über das Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 106 SGB V im Land Brandenburg (in der Fassung vom 18. Mai 2011, gültig ab 1. Januar 2011 - Prüfvereinbarung) geltend gemacht werde. Der angehörte Kläger führte aus, der V sei durch andere Fachärzte seit 2008 in der Schmerztherapie neben Oxycodon auf eine Actiq® 800 mg 2x1 Anwendung eingestellt worden. Es bestand und bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom aller großen Gelenke und der Wirbelsäule. Eine Tumorerkrankung habe auch damals nicht vorgelegen. Der V habe erklärt, mit Actiq® "gut zu recht zu kommen", so dass er - der Kläger - das Arzneimittel verordnet habe. Da er mit etwaigen Nebenwirkungen oder Entzugsproblemen keine Erfahrungen habe, habe er sich "nicht getraut", die Dosierung zu verändern oder das Arzneimittel abzusetzen.
Die Beigeladene zu 2) beantragte später auch für die Quartale 2012/II bis 2012/IV jeweils die Festsetzung weiterer Regresse wegen der Verordnung von Actiq® in Höhe von 1.761,06 EUR, 1.467,55 EUR und 2.054,57 EUR.
Mit Bescheid vom 20. August 2014 verband die Prüfungsstelle die Verfahren und setzte einen Regress in Höhe von 7.337,75 EUR fest.
Hiergegen legte der Kläger am 16. September 2014 Widerspruch ein: Den Patienten kenne er seit 2002. Das Medikament sei zunächst von dessen Schmerztherapeutin verordnet worden. Er selbst habe zunächst nur die Kollegin im Urlaub vertreten. Der V habe ihn um Weiterverordnung gebeten. Er finde es nicht in Ordnung, dass er jetzt erstmals darüber informiert werde, obwohl er das Medikament erstmalig im Januar 2012 verordnet habe. Der Wirkstoff des Medikamentes Fentanyl sei nicht ausschließlich für Tumorpatienten zugelassen. Es sei ein hochpotentes Schmerzmittel, welches für viele chronische Schmerzen eingesetzt werde. Der Hersteller von Actiq® habe 2012 einen Antrag auf Ausweitung der Zulassung auf chronische Schmerzen auch bei Nicht-Tumor-Patienten gestellt.
Der Beklagte, der Beschwerdeausschuss vertragsärztliche Versorgung Brandenburg, wies den Widerspruch in der Sitzung am 11. März 2015, ausgefertigt am 30. Juni 2015, zurück und bestätigte den Regress (Zustellung am 8. Juli 2015). Zur Begründung führte er ergänzend aus, die Voraussetzungen eines Off-Label-Use seien beim V nicht erfüllt, weil es sich bei der Diagnose chronisches Schmerzsyndrom nicht zwingend um eine Erkrankung handele, die mit einer lebensbedrohlichen Krankheit gleichgesetzt werden könne oder welche die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtige. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass keine anderen Behandlungsmethoden bestanden hätten. Dies habe der Kläger nicht dargelegt. Für die Behandlung stärkster Schmerzen stünden unretardierte und somit schnell wirksame Opiate der Stufe III zur Verfügung.
Hiergegen hat der Kläger am 4. August 2015 Klage beim Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er sein Vorbringen wiederholt und vertiefend ausgeführt, die Voraussetzungen eines Off-Label-Use seien erfüllt. Dem 1947 geborenen V seien seit 2003 auch durch andere Ärzte ohne Regressfolgen Actiq verordnet worden. Der Leidensweg des V habe bereits 1966 begonnen. Dieser habe das leitliniengerechte Schmerzschema durchlaufen. Erst als der Therapieansatz mit Opiaten der Stufe III nicht der Schmerzlinderung entsprochen habe, sei Actiq® verschrieben worden. Im Rahmen der Schmerzanalyse sei festgestellt worden, dass sich der Morbus Scheuermann über die Jahre zu einem Schmerzzentrum entwickelt habe, das permanent in kurzer Zeit bei allen Bewegungen vorhanden sei. Nur durch die Gabe von Actiq® sei eine Linderung eingetreten. Sofort nach dem Absetzen seien die Schmerzen immer schlimmer geworden und nicht mehr kontrollierbar. Dem V werde seit 2003 Actiq® verordnet. Zu keinem Zeitpunkt sei seitens der Krankenkasse ein Regress geltend gemacht worden, so dass er selbst davon habe ausgehen können, die Verordnung sei rechtmäßig und zulässig. Die Entscheidung verstoße gegen den Vertrauensgrundsatz. Der V reagiere nur auf Actiq®, so dass kein sonstiger Schaden vorliegen könne. Jedenfalls wären die Kosten durch die Medikamentation etwaiger Alternativen höher als die jetzt durch den Regress entstandenen Forderungen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29. März 2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe zu Recht einen Regress auf Grundlage des § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V i. V. m. § 21 der Prüfvereinbarung festgestellt. Nach § 21 Prüfvereinbarung sei auf Antrag einer Krankenkasse auch die Wirtschaftlichkeit im Einzelfall bei der Verordnung von Arzneimitteln zu prüfen. Unstreitig sei hier, dass der Kläger das Arzneimittel Actiq® außerhalb von dessen zugelassener Indikation beim V verordnet habe. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use hätten nicht vorgelegen. Bei der Festsetzung eines Regresses nach § 106 Abs. 2 SGB V komme es auf Verschulden nicht an. Der Beklagte habe auch zutreffend darauf hingewiesen, dass Vertrauenstatbestände nicht vorlägen. Auf den Grundsatz des Vorteilsausgleiches könne sich der Kläger nicht berufen. Es handele sich um unzulässige Verordnungen, es komme deshalb nicht darauf an, ob als deren Folge der Krankenkasse des V ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 1. Mai 2017 (Montag). Zu deren Begründung führt er ergänzend aus, vor Festsetzung des Regresses sei ein Beratungsgespräch nicht durchgeführt, obwohl seit dem 1. Januar 2012 der Grundsatz "Beratung vor Regress" gelte. Er sei davon ausgegangen, dass er das Medikament Actiq® ordnungsgemäß verordnet habe. Im Zusammenhang mit einem Beratungsgespräch 2013 oder 2014 habe er ausdrücklich nach der Verordnung von Actiq® gefragt. Als Antwort habe er lediglich erhalten, dass dies nicht Inhalt des Beratungsgespräches sei. Auch habe die Beigeladene zu 2) früher reagieren müssen und hätte ihn nicht ins Unglück laufen lassen dürfen. Den Schaden für das II. bis IV. Quartal 2012 habe diese zu verantworten bzw. mit zu verantworten. Zwei weitere Ärzte, die dem V Actiq® verordnet hätten, seien nicht in Regress genommen worden. Das Regressverfahren hätte auch bei ihm anders beendet werden müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. März 2017 und den Bescheid vom 11. März 2015, ausgefertigt am 30. Juni 2015, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er weist darauf hin, dass der Kläger in seiner Stellungnahme vor der Prüfungsstelle selbst angegeben habe, dass ihm die Unterlagen für die Schmerztherapie des V nicht vorgelegen hätten. In der mündlichen Sitzung habe er vorgetragen, ihm sei das Arzneimittel Actiq® nicht bekannt und ein Off-Label-Use nicht bewusst gewesen. Der Kläger könne sich auf Vertrauensschutz nicht berufen, weil er seiner Pflicht, sich über ein Arzneimittel zu informieren nicht nachgekommen sei. Auf einen besonderen Vertrauenstatbestand, den etwa ein Prüfgremium oder eine Krankenkasse setzen könnte, bestehe ebenfalls nicht. Der Kläger habe weder die Möglichkeit einer Vorab-Prüfung durch die zuständige Krankenkasse gewählt noch ein Privatrezept ausgestellt und es dem V überlassen, eine Kostenerstattung prüfen lassen. Der Kläger könne sich auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Eine Vielzahl von Verfahren aufgrund der Verordnung von Actiq® sei mit der Festsetzung eines Regresses beendet worden. Regressverfahren seien auch gegen die vom Kläger benannten Ärztinnen angestrengt worden. Lediglich die Rechtsfolgen hätten sich unterschieden. Beim Kläger habe es sich nicht um einen Erstverstoß im Sinne des § 20 Abs. 5 Prüfvereinbarung gehandelt.
Entscheidungsgründe:
Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben.
Gegenstand der Anfechtungsklage ist allein der vom Beklagten erlassene Widerspruchsbescheid. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG wird der Beschwerdeausschuss mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig. Der von ihm erlassene Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses bzw. der Prüfungsstelle (vgl. BSG, Urteil von 29. Juni 2011 - Az.: B 6 KA 16/10 R-juris-Rdnr. 10 m. w. N.).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 11. März 2015/30. Juni 2015 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat rechtmäßig einen Arzneikostenregress in Höhe von insgesamt 7.337,75 EUR festgesetzt.
Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs. 2 SGB V in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten geltenden Fassung vom 19. Oktober 2012 (=SGB V. a. F.). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (a. a. O. Satz 1 Nr. 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (a. a. O. Satz 1 Nr. 2) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren (vgl. zusammenfassend BSG, Urt. v. 27. Juni 2007 -B 6 KA 44/06 R-SozR 4-2500 § 106 Nr. 17 juris-Rdnr. 12 m. w. N.). § 21 Prüfvereinbarung (Feststellung eines sonstigen Schadens wegen rechtswidriger Verordnung von Leistungen) regelt auf dieser Grundlage unter anderem die Prüfung aufgrund der Verordnung von Arzneimitteln als Leistungen, die durch Gesetz oder Richtlinien ausgeschlossen sind.
Die im vorliegenden Fall aufgrund vorgenannter Rechtsgrundlagen durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Annahme der Unwirtschaftlichkeit einschließlich der Regressfestsetzungen ist nicht zu beanstanden.
Auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil kann zunächst nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen werden.
Die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen des Arzneimittels Actiq® in den Quartalen 2012/I - IV waren nicht zulässig. Denn dieses Arzneimittel durfte nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden. Insoweit bestand weder eine Leistungspflicht der Beigeladenen zu 2) als Krankenkasse noch ein Versorgungsanspruch des V: Ein Anspruch auf Versorgung besteht im Rahmen der GKV nur nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 SGB V. Diese Bestimmungen ergeben im Kontext mit den allgemeinen Regelungen der § 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten. Im Arzneimittelbereich ist dies der Fall, wenn das Fertigarzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz zum Verkehr zugelassen ist (vgl. ausführlich Urteil des Senats vom 25. Januar 2013 L 24 KA 88/09 WA- juris-Rdnr. 19f mit Herleitung der BSG-Rechtsprechung). Grundsätzlich sind umgekehrt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG Fertigarzneimittel nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn ihnen die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 - B 1 KR 1/16 R - Rdnr. 11 mit Nachweisen der ständigen Rechtsprechung).
Hier lag allerdings jeweils ein Off-Label-Use vor, also Verordnungen außerhalb des Zulassungsbereichs. Der V litt und leidet nicht unter tumorbedingten Durchbruchschmerzen.
Ein Off-Label-Use ist nur ausnahmsweise zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten, weil es im Einzelfall um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung geht, keine andere Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage zum Zeitpunkt der Behandlung Gründe für die Aussicht bestanden haben und bestehen, dass mit dem Wirkstoff ein Behandlungserfolg erzielt werden kann (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. April 2018 - L 1 KR 350/15 -, juris-Rdnr. 31 unter Bezugnahme auf BSG, a.a.O. Rdnr. 15). Von hinreichenden Behandlungserfolgsaussichten ist dabei nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden kann. Es müssen also Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sein und einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sein (BSG, a. a. O. Rdnr. 16). Im vorliegenden Fall steht außer Streit, dass es zur Behandlung des V Alternativen gegeben hätte. Auch gibt es - worauf der Beklagte unbestritten hingewiesen hat - keine einschlägigen Phase III-Studien hinsichtlich der Wirksamkeit von Actiq® bei Patienten, die nicht unter tumorbedingten Durchbruchschmerzen leiden.
Das SG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass es auf Verschulden des Klägers nicht ankommt und Vertrauensgesichtspunkte zu seinen Gunsten den Regressfestsetzungen nicht entgegenstehen.
Vertrauensschutz setzt voraus, dass das entsprechende Gremium bzw. die Kasse die vom betroffenen Arzt praktizierte oder beabsichtigte Verordnungsweise gebilligt hat und der Arzt in Kenntnis dieser Auskunft seine Verordnungsweise aufnimmt bzw. fortsetzt. Erforderlich ist eine verbindliche behördliche Äußerung (BSG, Beschluss vom 14. Dezember 2011 - B 6 KA 57/11 B mit Bezugnahme auf Urteil vom 6. Mai 2009 - B 6 KA 2/08 R). Solche Äußerungen gibt es hier nicht. Der Kläger hält der Beigeladenen zu 2) speziell in seinem Fall nur vor, zunächst untätig geblieben zu sein. Auch hinsichtlich der vorangegangenen Verordnungen durch die Schmerztherapeutinnen des V beruft er sich auf Untätigkeit.
Ganz allgemein kann ein Vertragsarzt, der Medikamente außerhalb ihrer zugelassenen Indikationen verordnet, weder sich noch der Krankenkasse Gewissheit darüber verschaffen, dass die Verordnung den Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebotes genügt, also notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Bei Off-Label-Verordnungen findet - wie dargestellt - gerade keine Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des jeweiligen Arzneimittels statt, die seinen Einsatz (auch) im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigt. Eine solche Prüfung ist im Arzneimittelgesetz nur indikationsbezogen vorgeschrieben und durchführbar; die von der arzneimittelrechtlichen Zulassung ausgehende Schutzwirkung und Qualitäts- wie Wirksamkeitserwartung greift bei einem Einsatz des Medikaments außerhalb der Zulassung gerade nicht ein. Soweit danach ein Vertragsarzt Verordnungen ohne gesicherten Nachweis von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels ausstellt, muss zwingend nachträglich geprüft werden dürfen, ob die jeweilige Verordnung den Regeln des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Wenn der Vertragsarzt davon absieht, in Fällen eines Off-Label-Use die Krankenkasse vor Ausstellung der Verordnung einzuschalten, muss er hinnehmen, dass die Einhaltung der Vorgaben der vertragsärztlichen Versorgung im Nachhinein geprüft wird. (BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 6 KA 6/09 R -, BSGE 106, 110-126, SozR 4-2500 § 106 Nr. 27, Rdnr. 43)
Ein Absehen von einem Regress nach §§ 21 S. 2 i. V. m. 20 Abs. 5 Prüfvereinbarung hat der Beklagte zu Recht abgelehnt. Aufgrund § 21 S. 2 Prüfvereinbarung findet für diese Prüfverfahren unter anderem § 20 Abs. 5 Prüfvereinbarung entsprechende Anwendung. Nach § 20 Abs. 5 Prüfvereinbarung soll von der Festsetzung eines Regresses abgesehen werden, wenn der entsprechende Verstoß bei dem betreffenden Vertragsarzt erstmalig Gegenstand eines Prüfverfahrens ist und dieser nach Information darüber schriftliche bestätigt, die Beanstandung inhaltlich zu akzeptieren und im künftigen Verordnungsverhalten zu berücksichtigen. Hier allerdings handelte es sich nicht um einen Erstverstoß des Klägers.
Der vom Kläger allgemein bemühte Grundsatz "Beratung vor Regress" findet sich in § 106 Abs. 5e SGB V a. F. und bezieht sich speziell auf die Richtgrößenprüfung. Für die gezielte Beratung nach § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V a. F. hat das BSG entschieden, dass es sich nur um eine Soll-Vorschrift handele, die nicht für den Fall unzweifelhafter Unwirtschaftlichkeit gelte. Unzweifelhafte Unwirtschaftlichkeit ist insbesondere gegeben, wenn sich der Regress – wie hier - auf nichtverordnungsfähige Arzneimittel bezieht (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2015 - B 6 KA 45/14 R - Rdnr. 29 mit Bezugnahme auf BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 26 Rdnr. 23; SozR 4-2500 § 106 Nr. 21 Rdnr. 27). Dementsprechend wäre für die Prüfung eines Absehens von der Festsetzung eines Regresses im Sinne des § 21 Satz 2 i. V. m. § 20 Abs. 5 Prüfvereinbarung auch bei einem Erstverstoß von einer Ausnahme von der Soll-Rechtsfolge eines Absehens auszugehen gewesen.
Soweit das BSG in der vorgenannten Entscheidung ausgeführt hat, dass die zum 1. Januar 2012 eingefügte Verpflichtung zur "Beratung vor Regress" in § 106 Abs. 5e SGB V a. F. deutlich mache, dass der Gesetzgeber insoweit eine von der bisherigen Rechtsprechung des BSG abweichende Bewertung der Beratung auch in Fällen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit vorgenommen habe, hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Grundsatz nur für die erstmalige Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25% bestanden hat. Nach der Norm handelt es sich um eine Ausnahme von § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V a. F., wonach der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25% nach Feststellung durch die Prüfungsstelle den sich daraus ergebenden Mehraufwand der Krankenkassen zu erstatten hat, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist (BSG, a. a. O. Rdnr. 30).
Das SG hat schließlich zu Recht darauf hingewiesen, dass es bei einem Arzneimittelregress nicht darauf ankommt, ob als Folge der Verordnungen des Arztes der Krankenkasse des Versicherten ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG wird der durch eine unrechtmäßige ärztliche Verordnung eingetretene Schaden nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Krankenkasse des Versicherten bei einer rechtmäßigen Verordnung dieselben oder gar höhere Kosten entstanden wären (vgl. BSG, Urteil vom 13. August 2014 - B 6 KA 38/13 R - Rdnr. 36 mit umfangreichen Nachweisen).
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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