L 1 R 171/17

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 R 1008/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 171/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. April 2017 und der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 4. September 2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2013 werden aufgehoben, soweit die Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 9. August 1999 bis 30. Juni 2000 aufgehoben hat.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung der Witwerrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) für die Zeit vom 1. Juli 1999 bis 31. Juli 2013 und die Rückforderung überzahlter Leistungen i.H.v. 11.101,06 EUR im Streit.

Der am ... 1950 geborene Kläger bezog nach dem Tod seiner bei der Beklagten versicherten Ehefrau ab 1. August 1996 Witwerrente (Bescheid vom 28. November 1996). Er war seinerzeit als Kraftfahrer tätig. Die Beklagte ermittelte das auf die Rente anzurechnende Erwerbseinkommen und wies darauf hin, dass Änderungen beim Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen seien.

Der Kläger bezog ab dem 2. Dezember 1996 zunächst Arbeitslosengeld und ab 1. März 1998 Arbeitslosenhilfe, die bis zum 28. Februar 1999 bewilligt wurde (Bescheide des Arbeitsamts M. vom 25. Februar und 6. März 1998). Auf die Anforderung von Einkommensnachweisen vom 12. August 1998 legte der Kläger unter dem 18. August 1998 Kopien der o.g. Bescheide des Arbeitsamts M. vor. Diese hatte er jeweils handschriftlich unterschrieben und eigenhändig die Versicherungsnummer seiner Ehefrau darauf notiert. Das Arbeitsamt M. teilte der Beklagten unter dem 7. September 1998 die Höhe des bis 31. Dezember 1997 bezogenen Arbeitslosengelds mit.

Der Kläger nahm zum 1. September 1998 eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Kraftfahrer auf, die er mit kurzzeitigen Unterbrechungen bis zur Altersrente ausübte. Eine Mitteilung der Arbeitsaufnahme oder eine Vorlage von Verdienstnachweisen an die Beklagte ist in den Verwaltungsakten nicht dokumentiert.

Mit Änderungsbescheid vom 7. Oktober 1998 berechnete die Beklagte die Witwerrente ab 2. Dezember 1996 neu. Ab 1. März 1998 treffe die Rente nicht mehr mit Einkommen zusammen. Die Beklagte wies darauf hin, dass Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen seien.

Das Arbeitsamt M. machte am 6. November 1998 einen Erstattungsanspruch für bewilligte Arbeitslosenhilfe vom 1. März bis 31. August 1998 geltend.

Im Zusammenhang mit der Kontenklärung für die Altersrente des Klägers im Jahr 2002 wurden u.a. ab 1. September 1998 Pflichtbeiträge vorgemerkt.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger Altersrente ab 1. Juni 2013 mit einem laufenden Leistungsbezug ab 1. Juli 2013 (Bescheid vom 17. Mai 2013). Die Nachzahlung für Juni 2013 i.H.v. 753,72 EUR behielt sie vorläufig ein. Für Juli 2013 ergab sich ein Zahlbetrag von 778,51 EUR.

Im Zusammenhang mit der Anfrage nach Erstattungsansprüchen auf die Altersrente übermittelte das Dezernat 4918 (Altersrente) dem Dezernat 4901 (Witwerrente) am 27. Mai 2013 das Versicherungskonto des Klägers. Mit Bescheid vom 4. Juni 2013 berechnete die Beklagte die große Witwerrente ab 1. März 1998 neu. Für die Zeit vom 1. März 1998 bis 31. Juli 2013 ergebe sich eine Überzahlung i.H.v. 11.101,06 EUR. Nach der Anlage 8 zum Bescheid ergab sich keine Änderung in der Rentenhöhe für die Zeit vom 1. September 1998 bis zum 30. Juni 1999 und vom 9. August 1999 bis zum 30. Juni 2000. Bei der Einkommensanrechnung legte die Beklagte das Erwerbseinkommen des vorangegangenen Kalenderjahres zu Grunde, soweit nicht das zuletzt zuvor festgestellte, wenigstens um 10% geringere Einkommen zu berücksichtigen war. Ab 1. Juli 2000 bis Mai 2013 erfolgte eine Anrechnung von Erwerbseinkommen, danach die Anrechnung der Altersrente (Juni: 724,24 EUR, Juli: 748,07 EUR). In der Anlage 10 zum Bescheid ist ausgeführt, der ""Rentenbescheid vom 07.10.1998 in Gestalt etwaiger Folgebescheide"" werde mit Wirkung ab dem 1. September 1998 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) aufgehoben. Das auf die Witwerrente gemäß § 97 SGB VI anzurechnende Einkommen habe sich geändert und wirke sich rentenmindernd aus. Die rückwirkende Aufhebung des Bescheids sei nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zulässig, weil das nach dessen Erlass erzielte Einkommen zur Minderung des Anspruchs geführt habe. Der Kläger sei aber auch seinen Mitteilungspflichten nicht nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I)). Die Arbeitsaufnahme und den Bezug von Arbeitsentgelt ab 1. September 1998 habe er nicht mitgeteilt. Der überzahlte Betrag sei gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.

In seinem dagegen gerichteten Widerspruch wendete der Kläger ein, die Forderungen bis zum 31. Dezember 2009 seien verjährt. Außerdem habe er 1989 (gemeint: 1998) die Arbeitsaufnahme angezeigt.

Mit Ergänzungsbescheid vom 4. September 2013 hob die Beklagte den Rentenbescheid vom 7. Oktober 1998 erst mit Wirkung ab 1. Juli 1999 auf, weil die Einkommensanrechnung sich erst dann rentenmindernd auswirke.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2013 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für die Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB X seien erfüllt, weil das Einkommen ab dem 1. Juli 1999 zur Rentenminderung geführt habe. Der Kläger sei außerdem den Mitteilungspflichten zur Meldung der Beschäftigungsaufnahme nicht nachgekommen. Die Aufhebung nach Ablauf von zehn Jahren nach Bekanntgabe des Bescheids sei zulässig. Auch die Jahresfrist sei eingehalten. Eine Verjährung gemäß § 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften (SGB IV) scheide aus. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Falls seien nicht ersichtlich; eine Ermessensentscheidung sei daher nicht zu treffen gewesen. Die Forderung sei gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.

Dagegen hat der Kläger am 17. Dezember 2013 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Seine anfängliche Behauptung, am 20. August 1998 eine Verdienstbescheinigung vorgelegt zu haben, hat er im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 7. April 2017 revidiert. Er meine aber, sich an die Mitteilung der Tätigkeitsaufnahme erinnern zu können. Nach seiner Erinnerung habe eine Meldepflicht nur bei einem Einkommen von mehr als 1.000 DM/Monat bestanden.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 27. April 2017 abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten seien gemäß den §§ 48, 50 SGB X rechtmäßig. Insbesondere bestehe kein Vertrauensschutz. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass sich Einkommen auf die Witwerrente auswirken könne und er jede Veränderung unverzüglich zu melden habe. Dem sei er weder mit Schreiben vom 18. August 1998 noch im Rahmen des Kontenklärungsverfahrens nachgekommen. Es sei ihm auch bekannt gewesen, dass sein Rentenkonto unter einem anderen Aktenzeichen als die Witwerrente bearbeitet werde. Er habe nicht darauf vertrauen können, dass das Einkommen auch ohne Meldung bei der Witwerrente Beachtung finden würde.

Dagegen hat der Kläger am 16. Mai 2017 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung führt er aus, der ursprüngliche Witwerrentenbescheid sei nicht aufgehoben worden. Es sei ihm auch nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Er habe davon ausgehen können, dass seine Einzahlungen von der Beklagten ordnungsgemäß erfasst würden und diese alle Daten zur Verfügung habe. Er sei von einer dauernden Überprüfung der beiden Rentenkonten ausgegangen. Er habe auch nicht wissen können, dass seine Altersrente unter einem anderen Aktenzeichen als seine Witwerrente bearbeitet werde. Weil die Beklagte all die Jahre nicht reagiert habe, habe er davon ausgehen dürfen, dass seine Daten nicht zur Anspruchsreduzierung führten. Die Beklagte habe länger als ein Jahr Kenntnis von allen für die Geltendmachung der Rückforderung wesentlichen Umständen gehabt. Er sei nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. April 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2013 in der Fassung des Bescheids vom 4. September 2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht ergänzend geltend, eine Anhörung sei bei der Aufhebung und Erstattung von Leistungen wegen Einkommenszuflusses gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X nicht erforderlich. Im Übrigen wäre ein Anhörungsmangel durch den Bescheid vom 4. Juni 2013 geheilt worden. Dem Kläger seien die zwei Versicherungsnummern bekannt gewesen. Dieser habe keinen Anhaltspunkt für eine von ihr durchgeführte Datenverknüpfung gehabt. Falls doch, hätte ihn dies nicht von seinen Mitwirkungspflichten befreit. Es bestehe auch keine Pflicht zur Datenverknüpfung.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.1.

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt worden gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie ist auch statthaft nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt.

2.

Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2013 in der Fassung des Bescheids vom 4. September 2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2013 nur, soweit darin die teilweise Aufhebung der bewilligten Witwerrente und die Erstattung überzahlter Leistungen bis 31. Juli 2013 geregelt wurde. Soweit die Beklagte für die Zeit ab 1. August 2013 die Altersrente anrechnete, wendete sich der Kläger dagegen nicht und ist diese Entscheidung bestandskräftig geworden.

II.

Die Berufung ist zu einem geringen Teil begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2013 in der Fassung des Bescheids vom 4. September 2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2013 ist hinsichtlich der Aufhebung des maßgebenden Bewilligungsbescheids für die Zeit vom 9. August 1999 bis 30. Juni 2000 rechtswidrig. Denn nach der Anlage 1 zum Bescheid vom 4. Juni 2013 wirkte sich das monatlich anzurechnende Einkommen für diesen Zeitraum nicht auf die Rentenhöhe aus. Eine Veränderung fand nur für den Zeitraum vom 1. Juli bis 8. August 1999 statt. Insoweit war also hinsichtlich der Rentenbewilligung keine wesentliche Änderung eingetreten. Die Bescheide der Beklagten hinsichtlich der Aufhebung der Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum verletzen den Kläger daher in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Dies hat aber keine Auswirkungen auf die Erstattungsforderung gemäß § 50 SGB X, da die Beklagte für diesen Zeitraum keine Leistungen zurückgefordert hat.

III.

Im Übrigen ist die Berufung des Klägers unbegründet.

1.

Die Beklagte hat die Leistungsbewilligung der anrechnungsfreien Witwerrente wirksam aufgehoben. Es ist unschädlich, dass sie in den streitigen Bescheiden lediglich den Rentenbescheid vom 7. Oktober 1998 und ""etwaige Folgebescheide"" aufgehoben hat.

Die Auffassung des Klägers, der ursprüngliche Rentenbescheid sei nicht aufgehoben worden, überzeugt nicht. Der ursprüngliche Rentenbescheid vom 28. November 1996 war für die Zeit ab 1. März 1998 durch den Bescheid vom 7. Oktober 1998 gemäß § 48 Abs. 1 SGB X aufgehoben worden. Die Beklagte hatte im Rahmen eines neuen Verwaltungsakts über die dem Kläger ab dem 1. März 1998 zu bewilligende Witwerrente entschieden und aufgrund des Bezugs von Arbeitslosenhilfe ab 1. März 1998 keine Einkommensanrechnung mehr vorgenommen. Den ursprünglichen Rentenbescheid hat sie ab dem 1. März 1998 konkludent aufgehoben.

Die im Verlauf der streitigen Zeit ergangenen Rentenanpassungsmitteilungen enthielten keine eigenständigen Regelungen über das Unterbleiben einer Einkommensanrechnung. Sie waren in Bezug auf eine Anrechnung von Einkommen auf die Witwerrente keine Verwaltungsakte und bedurften daher keiner gesonderten Aufhebung.

2.

Die Beklagte hat zu Recht die Aufhebungsentscheidung auf § 48 Abs. 1 SGB X gestützt. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung der Witwerrente war nicht § 45 Abs. 1 SGB X. Denn der Rentenbescheid vom 7. Oktober 1998 war nicht im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X von Anfang an teilweise rechtswidrig. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, im Falle seiner Rechtswidrigkeit nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden.

a.

Der Bescheid vom 7. Oktober 1998, mit welchem dem Kläger ab 1. März 1998 Witwerrente ohne Einkommensanrechnung bewilligt worden ist, ist ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.

b.

Dieser Bescheid ist bei seinem Erlass, also gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit der Bekanntgabe im Oktober 1998 rechtmäßig gewesen. Zu diesem Zeitpunkt stand dem Kläger die laufende Witwerrente in unveränderter Höhe zu. Er erzielte im Oktober 1998 noch keinen gemäß § 97 SGB VI rentenrelevanten Hinzuverdienst.

Allein der Umstand der Arbeitsaufnahme am 1. September 1998 begründet keine anfängliche Rechtswidrigkeit des Rentenbescheids vom 7. Oktober 1998. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 97 Abs. 1 SGB VI im Hinblick auf das Zusammentreffen von Einkommen mit Renten (vgl. Urteil vom 23. März 1995, 13 RJ 39/94 (38), juris) kommt es für die Anrechnung von Einkommen grundsätzlich nicht auf den Zeitpunkt der Aufnahme einer Beschäftigung an. Vielmehr ist auf den Wegfall oder die Minderung des materiellen Rentenanspruchs abzustellen. Solange also das ab September 1998 erzielte Einkommen nicht zu einer Anrechnung bei der Witwerrente geführt hatte, war keine wesentliche Änderung eingetreten.

Der Rentenbescheid vom 7. Oktober 1998 wurde nach seinem Erlass erstmals zum 1. Juli 1999 rechtswidrig. Denn ab diesem Zeitpunkt überschritt das anzurechnende Einkommen aus Erwerbstätigkeit erstmals die Hinzuverdienstgrenze mit der Folge der Minderung der Witwerrente ab dem 1. Juli 1999 und später dauerhaft ab dem 1. Juli 2000.

3.

Die Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung der bewilligten Witwerrente für die Zeit vom 1. Juli bis 8. August 1999 und vom 1. Juli 2000 bis 31. Juli 2013 haben vorgelegen.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse u.a. aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2) oder nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3).

a.

Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegt darin, dass das bei der Einkommensanrechnung maßgebliche Einkommen des Klägers die für die ungekürzte Witwerrente zulässige Hinzuverdienstgrenze überschritt.

Abzustellen ist dabei auf das tatsächlich erzielte und gemäß § 97 SGB VI anzurechnende Einkommen sowie für Juni und Juli 2013 auf die bezogene Altersrente. Die Anrechnung von Einkommen auf die Witwerrente folgt aus § 97 SGB VI. Sie ist von der Beklagten in einem maschinellen Verfahren durchgeführt worden und begegnet keinen Bedenken. Auch der Kläger hat insoweit keine Einwände erhoben.

Die jeweiligen Zahlbeträge ergeben sich aus dem Altersrentenbescheid vom 17. Mai 2013 und sind von dem Kläger weder im Kontenklärungsverfahren noch im Rahmen der teilweisen Leistungsaufhebung der Witwerrente beanstandet worden. Der Senat hat auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte bei der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens im streitigen Zeitraum von unrichtigen Daten ausgegangen ist.

b.

Die Beklagte war berechtigt, die im Zeitraum vom 1. Juli bis 8. August 1999 und vom 1. Juli 2000 bis zum 31. Juli 2013 bewilligte Witwerrente gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB X teilweise aufzuheben. Der Kläger ist einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderung der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen.

Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der gesetzlichen Definition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Das ist u.a. dann der Fall, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Bei der Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit zu bejahen ist oder nicht, sind insbesondere die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit sowie das Einsichtsvermögen des Versicherten und die besonderen Umstände des Falles zu berücksichtigen (z.B. BSG, Urteil vom 8. Februar 2001, B 11 AL 21/00 R (23)).

aa.

Der Kläger war zur Überzeugung des Senats in dem streitigen Zeitraum seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Er war als Bezieher von Sozialleistungen gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB I verpflichtet, alle Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Dazu gehörte die Mitteilung von Einkommen während der bezogenen Witwerrente.

Soweit er zunächst behauptet hatte, mit dem Anschreiben vom 18. August 1998 auch eine Lohnbescheinigung vorgelegt zu haben, hat er diese Behauptung im Erörterungstermin am 7. April 2017 ausdrücklich revidiert. Dass er nur die Bescheide des Arbeitsamts M. vorgelegt hatte, ergibt sich im Übrigen aus seinen handschriftlichen Bemerkungen zu dem Schreiben der Beklagten vom 12. August 1998 (""ALG 97+98"").

Seine Darstellung im Erörterungstermin am 7. April 2017, er meine sich an eine (spätere) Mitteilung der Tätigkeitsaufnahme erinnern zu können, wird durch die Verwaltungsakten nicht bestätigt. Dort findet sich kein entsprechendes Schreiben des Klägers. Im Übrigen ist seine Darstellung auch nicht glaubhaft, weil er im gleichen Kontext behauptet hat, er hätte geglaubt, das Einkommen nur bei einem Verdienst von mehr als 1.000 DM/Monat angeben zu müssen. Diese Einlassung kann nur als Versuch der Rechtfertigung einer unterbliebenen Mitteilung gesehen werden.

bb.

Der Senat ist unter Würdigung der Gesamtumstände sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits zu der Überzeugung gekommen, dass dieser seine Mitwirkungspflichten zur unverzüglichen Mitteilung von Einkommensänderungen grob fahrlässig nicht erfüllt hat.

Die Beklagte hatte den Kläger mehrfach und ausdrücklich auf die Mitwirkungspflichten hingewiesen, so etwa in den Bescheiden vom 29. November 1996 und 7. Oktober 1998. Tatsächlich erfolgte auch zunächst eine Einkommensanrechnung im Bescheid vom 29. November 1996 und deren Wegfall ab 1. März 1998 (Bescheid vom 7. Oktober 1998). Auch das Anforderungsschreiben der Beklagten vom 12. August 1998 - kurz vor der Arbeitsaufnahme - hinsichtlich der aktuellen Einkommensverhältnisse enthält einen Hinweis auf eine mögliche Rentenkürzung nach § 97 SGB VI. Dem Kläger war also das Zusammenspiel von Einkommen und Rentenhöhe bekannt und er war seinen Mitwirkungspflichten zuvor auch nachgekommen.

Der Einwand des Klägers, nach einer ihm vorliegenden Information habe er nur ein Nettoeinkommen von mehr als 1.000 DM/Monat mitteilen müssen, führt ebenfalls nicht zur Verneinung von grober Fahrlässigkeit. Eine rechtliche Subsumtion hinsichtlich der Frage, ab welcher Höhe ein Einkommenszufluss anzugeben ist, war von dem Kläger nicht gefordert. Vielmehr war ihm im Rahmen der Mitwirkungspflichten ausdrücklich aufgegeben, sämtliche Änderungen in den Einkommensverhältnissen mitzuteilen. Dies war erforderlich, um der Beklagten eine rechtliche Bewertung zu ermöglichen (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007, B 7/7 AL 10/06 R (13)).

Darüber hinaus hätte der Kläger aber auch schon nach seinem behaupteten Wissensstand das Einkommen aus Erwerbstätigkeit mitteilen müssen. Denn er hatte ausweislich seines Altersrentenbescheids z.B. im Jahr 2000 ein durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt i.H.v. 2.293,17 DM und im Jahr 2001 i.H.v. 2.736,75 DM erzielt. Der Senat schließt aus, dass in diesen Jahren die Einkommensteuer und die Sozialversicherungsbeiträge zu einem Abschmelzen des Bruttolohns um weit mehr als 50% auf unter 1.000 EUR netto geführt haben könnten.

Der Kläger durfte aber auch nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte sich die benötigten Informationen zu dem Erwerbseinkommen aus anderen Rentenvorgängen selbst ""zusammensuchen"" würde. Die ihm auferlegten Mitwirkungspflichten waren ihm - ohne Einschränkung seitens der Beklagten - genannt worden. Der Kläger hatte keinen Anlass, von einer weggefallenen Mitwirkungspflicht auszugehen.

Der Einwand, wegen der jahrelang ausbleibenden Reaktion der Beklagten habe er davon ausgehen dürfen, dass sein Einkommen nicht anzurechnen sei, geht ebenfalls fehl. Allein der lange Zeitraum des rechtswidrigen Bezugs von Leistungen kann ohne ein weiteres, aktives Zutun der Beklagten (vgl. unten) keinen Vertrauensschutz begründen (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R (60)).

Der Senat ist auch überzeugt, dass der Kläger nach seinen handschriftlichen Aufzeichnungen auf verschiedenen Dokumenten auch die verschiedenen Versicherungsnummern der beiden Renten kannte. So hat er etwa auf einem Schreiben der Beklagten die eigene Versicherungsnummer umkringelt. Auf die der Beklagten vorgelegten Bescheinigungen des Arbeitsamts M. hat er die Versicherungsnummer der verstorbenen Ehefrau geschrieben. Daher musste er auch davon ausgehen, dass die beiden Versicherungskonten von unterschiedlichen Sachbearbeitern bearbeitet werden.

Der Senat hat sich auch in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits davon überzeugt, dass der Kläger von seiner schulischen und beruflichen Bildung und seinen geistigen Fähigkeiten her in der Lage war, die ihm beim Bezug von Witwerrente aufgegebene Mitteilungspflicht zu erkennen und zu erfüllen. Er hat einen Schulabschluss der 8. Schulklasse, hat den Ausbildungsberuf des Kraftfahrers erlernt und war bis zur Altersrente in diesem Beruf tätig. Diese Tätigkeit verlangt neben einer hohen Konzentration für den Straßenverkehr auch eine gewisse Aufnahmefähigkeit für Informationen, wie etwa das Lesen von Frachtbriefen oder die Suche nach Adressen. Bei zumutbarer Anstrengung seiner Willenskräfte hätte der Kläger erkennen müssen, dass er auch nach der erfolgten Mitteilung des Bezugs von Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe weiterhin Mitwirkungspflichten zu erfüllen hatte. Der Kläger hat im Rechtsgespräch auch uneingeschränkt die Problematik der Mitteilungspflichten während des Rentenbezugs erfasst. Der Umstand, dass er sich an Einzelheiten aus dem Jahr 1998 nicht erinnert hat, ist allein dem langen zeitlichen Ablauf geschuldet.

c.

Der streitige Aufhebungsbescheid ist auch nicht im Hinblick auf eine notwendige Ermessensentscheidung fehlerhaft.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt rückwirkend vom Zeitpunkt der Verhältnisse aufgehoben werden. "Soll" bedeutet, dass dies in aller Regel zu geschehen hat. Nur in Ausnahmefällen - in sogenannten atypischen Fällen - kann er allein für die Zukunft aufgehoben werden. Jedoch ist der Verwaltung in diesen Fällen - und auch nur dann - ein von ihr auszuübendes Ermessen eingeräumt, auch dann noch für die Vergangenheit aufzuheben (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X, 8. Auflage, 2014, § 48 Rdnr. 20; BSG, Urteil vom 6. November 1985, 10 RKg 3/84, SozR 1300 § 48 Nr. 19). Nach der Rechtsprechung des BSG lassen sich keine allgemeinen Regeln aufstellen, wann ein atypischer Fall vorliegt, in dem eine Ermessensentscheidung zu treffen ist. Vielmehr ist dies stets nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zu bestimmen und hängt maßgebend von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BSG, Urteil vom 11. Februar 1988, 7 RAr 55/86, SozR 1300 § 48 Nr. 44, Urteil vom 29. November 1989, 7 Rar76/88, SozR 4100 § 138 Nr. 27; Urteil vom 26. August 1994, 13 RJ 29/93, juris). In Betracht kommen Fälle eines besonderen Vertrauenstatbestands etwa durch missverständliche Hinweise oder etwa durch ein mitwirkendes Fehlverhalten bei grobem Mitverschulden der Behörde (Schütze in von Wulffen, SGB X, 8. Auflage, 2014, § 48 Rdnr. 21). Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist von den Gerichten uneingeschränkt zu überprüfen (BSG, Urteil vom 6. November 1985, a.a.O.; Urteil vom 11. Februar 1988, a.a.O.).

Der Senat kann das Vorliegen eines atypischen Falls nicht feststellen.

a.a.

Die Beklagte hatte durch ihr Verhalten während des Bezugs von Witwerrente kein schutzwürdiges Vertrauen bei dem Kläger gesetzt, er müsse Einkommen nicht mitteilen. Die eingetretene Überzahlung beruhte gerade nicht auf einem wesentlichen mitwirkenden Fehlverhalten auf der Seite der Beklagten (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 1986, 7 RAr 126/84; Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R (60)). Vielmehr fällt die Überzahlung ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Klägers und beruht auf der Verletzung seiner Mitteilungspflichten. Der Bezug von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen und dessen Höhe waren meldepflichtige Tatsachen. Dies konnte der Kläger den Hinweisen aus den Rentenbescheiden vom 28. November 1996 und vom 7. Oktober 1998 sowie der Aufforderung zur Einkommensmitteilung vom 12. August 1998 eindeutig entnehmen.

Die Kenntnis von einem rentenschädlichen Einkommensbezug musste sich der Beklagten auch nicht aus anderen Umständen als einer Mitteilung des Klägers aufdrängen. Insbesondere konnte die Beklagte anhand der Mitteilung des Arbeitsamts M. vom 7. September 1998 nur erkennen, dass dieser bis zum 31. Dezember 1997 Arbeitslosengeld bezogen hatte. Auch aus dem Erstattungsanspruch des Arbeitsamts M. vom 5. November 1998 ergab sich lediglich, dass Arbeitslosenhilfe vom 1. März bis zum 31. August 1998 gezahlt wurde. Gründe für die Beendigung des Bezugs von Arbeitslosenhilfe waren nicht genannt. Die Beklagte hätte daraus nicht den sicheren Schluss ziehen können, dass der Anspruch wegen der Aufnahme einer Beschäftigung mit rentenschädlichem Verdienst entfallen war. Denn es gibt eine Vielzahl von Gründen, weshalb der Bezug von Arbeitslosenhilfe eingestellt wird.

b.b.

Die für die Altersrente des Klägers zuständige Rentenabteilung der Beklagten hatte auch nicht die Verpflichtung, das für die Witwerrente zuständige Dezernat über erzieltes Einkommen in Kenntnis zu setzen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 16. Februar 2017, L 1 R 101/16). Dies folgt schon daraus, dass das Einkommen für die beiden Rentenarten vollständig unterschiedliche Funktionen hat. Bei der Altersrente ist das Einkommen maßgeblich für die Ermittlung der Entgeltpunkte, bei der Witwerrente geht es um die Anrechnung von Einkommen zur Vermeidung einer Überversorgung. Die Einkommensberücksichtigung erfolgt in den jeweiligen Rentenarten gesondert und nach verschiedenen gesetzlichen Vorschriften.

Deshalb hat der Gesetzgeber bei versicherungspflichtig erwerbstätigen Versicherten keine Ausnahme von der Obliegenheit der Mitteilungspflichten gemacht. Die im Rahmen der elektronischen Datenübertragung von dem Arbeitgeber an den Rentenversicherungsträger übermittelten Daten hinsichtlich des Verdienstes ersetzen die Mitteilungspflichten nach § 60 SGB I nicht.

Selbst wenn im Rahmen der Kontenklärung 2002 bekannt geworden wäre, dass die Erwerbseinkünfte bei der für die Witwerrente zuständigen Abteilung nicht bekannt waren, ergäbe sich daraus kein atypischer Fall. Nach der Rechtsprechung des BSG können nur grobe Fehler der Verwaltung zu berücksichtigen sein. Diese müssten das durch eine Fehleinschätzung entstandene Vertrauen des Begünstigten nachhaltig und zusätzlich gestärkt haben. Andernfalls fehlt es an einer Ermessensrelevanz des Verwaltungsfehlers im Rahmen der Betätigung eines Rücknahmeermessens (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, B 12 R 14/11 R (32 f.), juris, mit einer Übersicht zur Rechtsprechung des BSG zum nach § 45 SGB X auszuübenden Ermessen).

Für einen solchen groben Fehler der Beklagten fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Im Rahmen der Kontenklärung nach § 149 SGB VI wird allein das Versicherungskonto des Versicherten bearbeitet. Der Bezug einer anderen Rentenleistung ist insoweit nicht von Relevanz, da diese für die Höhe der Rentenanwartschaft nicht erheblich ist.

Die Bearbeiter des Kontenklärungsverfahrens des Klägers hätten aber auch nicht feststellen können, ob das bezogene Einkommen rentenschädlich gewesen war. Die insoweit maßgeblichen Datensätze waren auf einem anderen Versicherungskonto, nämlich dem der Ehefrau des Klägers, gespeichert. Deshalb ist für jede Rentenleistung ein gesonderter Antrag zu stellen und es sind jeweils unverzüglich vollständige und wahrheitsgemäße Angaben über relevante Änderungen zu machen.

c.c.

Zudem stellt die mit der rückwirkenden Aufhebung verbundene Erstattungspflicht des Klägers keine besondere Härte dar. Diese verlangt, dass die Rückerstattung nach Lage des Falles den Leistungsbezieher in untypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen.

Ein bloßer Verbrauch der erhaltenen Überzahlung, aus der der Empfänger sonst die Erstattungsforderung beglichen hätte, ist noch kein Umstand, der eine besondere Härte im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X begründet.

Allerdings hat das BSG einen atypischen Fall auch dann angenommen, wenn der Betroffene aufgrund besonderer Umstände nicht damit zu rechnen brauchte, erstattungspflichtig zu werden. Er muss zudem im Vertrauen darauf das nachträglich erzielte Einkommen, aus dem er sonst die Erstattungsforderung beglichen hätte, gutgläubig ausgegeben haben (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 1994, 1 RK 45/93, SozR 3-3000 § 48 Nr. 33). Für das Vorliegen von solchen besonderen Umständen bestehen hier - wie bereits ausgeführt - keine Anhaltspunkte. Sollte der Kläger zu einer Rückzahlung nicht in der Lage sein, besteht für ihn die Möglichkeit, einen Antrag auf Ratenzahlung, Stundung oder Niederschlagung bei der Beklagten zu stellen.

Ein atypischer Fall liegt auch vor, wenn der Betroffene infolge des Wegfalls jener Sozialleistung, deren Bewilligung rückwirkend aufgehoben wurde, im Nachhinein unter den Sozialhilfesatz sinken oder vermehrt sozialhilfebedürftig würde. Die unbillige Härte liegt in diesen Fällen darin, dass der Betroffene die Sozialhilfeansprüche, die ihm bei rechtzeitiger Erklärung zugestanden hätten, für die Vergangenheit nicht mehr geltend machen kann (BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995, 10 RKg 9/95; Urteil vom 23. März 1995, 13 RJ 39/ 94).

Dafür finden sich jedoch keinerlei Hinweise. Ein Eintreten von Sozialhilfebedürftigkeit bei Zahlung der Witwerrente in der dem Kläger zustehenden Höhe ist weder erkennbar noch von ihm vorgetragen worden. Der Kläger bezog ein weit über dem Sozialhilfe- bzw. Grundsicherungsniveau liegendes sozialversicherungspflichtiges Erwerbseinkommen. Dazu kam der - tatsächlich zustehende - Anspruch auf Witwerrente.

4.a.

Die Beklagte hat die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X für die Aufhebung des Verwaltungsaktes seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Aufhebung des Dauerverwaltungsaktes bei Änderung der Verhältnisse für die Vergangenheit rechtfertigt, eingehalten. Die Frist beginnt mit Kenntnis des Aufhebungsgrundes bei der für die Sachbearbeitung zuständigen Stelle, also hier dem Dezernat Witwerrente. Dazu gehören alle Umstände, deren Kenntnis es der Behörde objektiv ermöglicht, ohne weitere Sachaufklärung über die Rücknahme zu entscheiden. Das maßgebende Wissen des Sachbearbeiters bei der Behörde muss sich auf sämtliche Tatsachen und Umstände für die wesentliche Änderung beziehen (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2008, B 13 R 23/07 R (24)).

Der Bezug und die Höhe des Erwerbseinkommens im streitigen Zeitraum waren dem für die Witwerrente zuständigen Dezernat der Beklagten erst im Mai 2013 bekannt geworden. Der Aufhebungsbescheid vom 4. Juni 2013 erging daher innerhalb der Jahresfrist.

b.

Der Aufhebungsentscheidung der Beklagten steht auch nicht die Zehnjahresfrist nach § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X entgegen. Nach § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung grundsätzlich nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Er kann auch noch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn laufende Geldleistungen mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurden. Erforderlich ist jeweils, dass u.a. die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 SGB X gegeben sind.

aa.

Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 4. Juni 2013 war der Zeitraum von zehn Jahren bereits abgelaufen. Fristbeginn ist der 1. Juli 1999, da zu diesem Zeitpunkt - erstmals - eine rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten war (BSG, Urteil vom 2. November 2015, B 13 R 27/14 R (25)).

Die Beklagte durfte auch über den Zeitraum von zehn Jahren hinaus die Leistungsbewilligung aufheben.

bb.

Der Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Leistungsaufhebung ist der 31. Mai 2013, da ausweislich der Verwaltungsakte dort die Entscheidung über eine durchzuführende Neufeststellung erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt wurde dem Kläger die Witwerrente noch laufend bezahlt.

cc.

Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X lagen hier vor. Denn die Voraussetzungen des Aufhebungstatbestands von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X waren erfüllt (siehe oben). Einer nochmaligen Prüfung bedarf es insoweit an dieser Stelle nicht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010, B 13 R 77/09 R (47).

c.

Schließlich hat die Beklagte den Kläger ordnungsgemäß nach § 24 Abs. 1 SGB X zur beabsichtigten Aufhebung der Leistungen und Rückforderung der überzahlten Beträge angehört.

aa.

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X von einer Anhörung absehen konnte, weil einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnisse angepasst werden sollten. Eine dafür erforderliche Ermessensentscheidung findet sich insoweit in den Verwaltungsakten nicht.

In der Rechtsprechung des BSG wird es auch unterschiedlich gesehen, ob § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X auch bei einer mit der Einkommensanpassung verbundenen Aufhebung und Rückforderung von überzahlten Leistungen gilt (so etwa: BSG, Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 AS 153/10 R (19); Darstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 15. Februar 2018).

bb.

Jedenfalls ist eine unterbliebene, möglicherweise erforderliche Anhörung geheilt worden. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 SGB X kann die erforderliche Anhörung bis zur letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz nachgeholt werden. Wird noch im Widerspruchsverfahren hinreichend Gelegenheit zur Äußerung zu allen aus der Sicht der Behörde maßgeblichen Tatsachen gegeben, ist der Verfahrensmangel einer fehlenden Anhörung geheilt (BSG, Urteil vom 9. November 2010, B 4 AS 37/09 R (17)).

Im Bescheid vom 4. Juni 2013 hat die Beklagte in der Anlage 10 auf die Einkommenserzielung und die Zulässigkeit der rückwirkenden Aufhebung verwiesen. Darüber hinaus hat sie darauf abgestellt, dass der Kläger seiner gesetzlichen Mitteilungspflicht nicht nachgekommen sei. Sie hat ferner erläutert, an welcher Stelle sie eindeutige und unmissverständliche Hinweise zu den Mitteilungspflichten gemacht, der Kläger sie aber nicht in Kenntnis gesetzt habe.

Dieser Hinweis auf eine verursachte Überzahlung infolge der unterbliebenen Anzeige einer Änderung genügt insoweit den Anforderungen an die Darlegung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 89/12 R(14)).

Dem Kläger waren somit im Bescheid vom 4. Juni 2013 alle relevanten Tatsachen - Einkommenszufluss und subjektiver Verschuldensvorwurf - aufgezeigt worden. Er hatte Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten und die Beklagte hat sich mit seinem Vorbringen im Widerspruchsbescheid auseinandergesetzt.

5.

Hinsichtlich des Monats Juli 2013 war die Leistungsbewilligung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft teilweise aufzuheben. Die Anrechnung der Altersrente als Einkommen erfolgte für den Monat nach dem Änderungsbescheid vom 4. Juni 2013. Der Prüfung von Vertrauensschutz oder des Vorliegens eines atypischen Falls bedurfte es insoweit nicht.

6.

Soweit die Beklagte berechtigt war, die Bewilligung von Witwerrente rückwirkend aufzuheben, ist der Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X zur Rückzahlung verpflichtet.

Die Berufung ist auch unbegründet, soweit die Rückforderung i.H.v. 11.101,06 EUR den überzahlten Betrag von 23,75 EUR für Juni 2013 enthält. Zwar hat die Beklagte ausweislich der Verwaltungsakte unter dem 7. Juni 2013 den Betrag in Erfüllung des Erstattungsanspruchs nach §§ 103,104 SGB X mit der einbehaltenen Nachzahlung für Juni 2013 i.H.v. 753,72 EUR verrechnet. Allerdings hat die Beklagte im Bescheid über die teilweise Aufhebung der Witwerrente vom 4. Juni 2013 als monatliches Einkommen für Juni 2013 nur eine zu berücksichtigende Altersrente i.H.v. 724,24 EUR zu Grunde gelegt. Dieser Wert liegt um 5,65 EUR unter dem tatsächlichen Zahlbetrag der Altersrente i.H.v. 753,72 EUR abzüglich der überzahlten Leistung i.H.v. 23,75 EUR. Der Kläger ist insoweit also nicht beschwert.

Gegen die Berechnung des Erstattungsbetrages bestehen im Übrigen keine Bedenken. Der Kläger hat hierzu auch keine Einwände vorgetragen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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