S 46 R 675/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
46
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 46 R 675/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 428/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Die am ... 1960 geborene Klägerin erlernte nach ihren Angaben nach Abschluss der 8. Klasse der POS von 09/67 bis 12/77 den Teil-Beruf als Zerspaner und arbeitete bis 1991 in diesem Beruf. Ihre Entlohnung erfolgte zuletzt nach der Tarifgruppe VI des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie des Landes Sachsen-Anhalt.

Am 28. September 2009 beantragte die Klägerin die Zahlung von Rente wegen Erwerbsminderung. Sie habe Rheuma, nehme starke Medikamente und könne nicht mehr arbeiten. Die Beklagte holte ein Gutachten von Dr. K. vom 17. Dezember 2009 ein, die keine wesentlichen Einschränkungen der Gelenk- und Wirbelsäulenfunktionen feststellen konnte. Eine weitere Behandlung und Untersuchung sei zu empfehlen. Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Rehabilitation. In seinem Rehabilitationsentlassungsbericht vom 17. Juni 2010 kam Herr S. zu dem Ergebnis, dass die leichte bis mittelschwere Arbeiten für sechs Stunden und mehr mit weiteren Einschränkungen verrichten könne.

Mit Bescheid vom ... lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, da sie noch mindestens sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Qualitätskontrolleur in der Metallindustrie tätig sein könne.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, der nach Beiziehung weiterer Befundberichte mit Widerspruchsbescheid vom ... zurückgewiesen wurde. Die Klägerin könne noch als Pförtnerin an der Nebenpforte tätig sein.

Die Klägerin hat am ... Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben.

Sie sei aufgrund ihrer Erkrankungen nicht mehr leistungsfähig. Zumindest sei sie berufsunfähig. Sie sei als Facharbeiterin einzustufen, da sie langjährig als Revolverdreherin vollwertig gearbeitet habe.

Die Klägerin beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen entsprechend,

den Bescheid der Beklagten vom ... in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung nach den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen entsprechend,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt auch im Gerichtsverfahren die Ansicht, die sie schon im Verwaltungsverfahren vertreten hat.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Sodann hat es Befundberichte von Dr. K. und Frau S., sowie ein Gutachten der Agentur für Arbeit vom ... eingeholt.

Schließlich hat das Gericht den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Stegemann mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat die Klägerin am 6. Mai 2015 untersucht und sein Gutachten am selben Tag erstellt. Er hat folgende Diagnosen gestellt:

Chronisches Schmerzsyndrom im Bewegungsapparat, bei u. a. degenerativen Wirbelsäulenveränderungen).

Anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren.

Depressive Episode, leicht- bis mittelgradig.

Verdacht auf klinisch und elektrophysiologisch blande Polyneuropathie bei Kollagenose.

Carpaltunnelsyndrom beidseits.

Rheumatische Erkrankung/Kollagenose mit anamnestisch Sjögren-Syndrom.

Arterieller Bluthochdruck, medikamentös eingestellt.

Anamnestisch leichte Aorten- und Mitralklappeninsuffizienz.

Anamnestisch Osteopenie (Knochendichteminderung).

Daraus ergebe sich, so Herr S., dass die Klägerin in der Lage sei täglich für sechs Stunden und mehr (vollschichtig) körperlich leichte Tätigkeiten wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen sowie überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zur bedarfsweisen Lageänderung, unter Vermeidung von Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, Arbeiten in gebückter Haltung, nicht auf unebenem Boden zu verrichten. Tätigkeiten im Akkord, am Fließband und unter Zeitdruck sowie mit Nachtschicht sollten wegen der beschriebenen depressiven Symptomatik vermieden werden. Es können Tätigkeiten mit normaler geistiger Belastung verrichtet werden, nicht auf Leitern oder Gerüsten, unter Vermeidung von Heben und Tragen schwerer Lasten (über 5 bis 10 kg) und ungünstiger Witterungsbedingungen (Nässe, Kälte, Zugluft). Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist nicht beeinträchtigt. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.

Die Klägerin hat eine Stellungnahme von Frau S. übersandt.

Mit Schreiben vom ... hat das Gericht mitgeteilt, den Rechtsstreit per Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akte und Unterlagen Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab dem 1. März 1998 als Dauerrecht fortgeltenden Gesetzesfassung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Sachverhalt durch die Einholung eines Gutachtens aufgeklärt ist und auch in rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufweist. Die Bewertung medizinischer Befunde gehört zum Normalfall des sozialgerichtlichen Verfahrens. Zudem sind die Beteiligten vor der Entscheidung des Gerichts gehört worden.

Die Klage hat keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin zu Recht abgelehnt, weil dieser ein Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht zusteht. Insoweit ist der Bescheid der Beklagten vom ... in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).

Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die Klägerin ist bei der Beklagten versichert und hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen unstreitig erfüllt.

Die Klägerin ist nicht voll erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Dabei geht die Kammer von folgendem Leistungsbild aus:

Die Klägerin kann täglich für sechs Stunden und mehr (vollschichtig) körperlich leichte Tätigkeiten wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen sowie überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zur bedarfsweisen Lageänderung, unter Vermeidung von Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, Arbeiten in gebückter Haltung, nicht auf unebenem Boden verrichten. Tätigkeiten im Akkord, am Fließband und unter Zeitdruck sowie mit Nachtschicht sollten wegen der beschriebenen depressiven Symptomatik vermieden werden. Es können Tätigkeiten mit normaler geistiger Belastung verrichtet werden, nicht auf Leitern oder Gerüsten, unter Vermeidung von Heben und Tragen schwerer Lasten (über 5 bis 10 kg) und ungünstiger Witterungsbedingungen (Nässe, Kälte, Zugluft). Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist nicht beeinträchtigt.

Bei der Klägerin bestehen im Wesentlichen ein chronisches Schmerzsyndrom im Bewegungsapparat, bei u. a. degenerativen Wirbelsäulenveränderungen), eine anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine depressive Episode, leicht- bis mittelgradig, der Verdacht auf klinisch und elektrophysiologisch blande Polyneuropathie bei Kollagenose, ein Carpaltunnelsyndrom beidseits, eine rheumatische Erkrankung/Kollagenose mit anamnestisch Sjögren-Syndrom, ein arterieller Bluthochdruck, medikamentös eingestellt, anamnestisch eine leichte Aorten- und Mitralklappeninsuffizienz und anamnestisch eine Osteopenie (Knochendichteminderung).

Hinsichtlich des Leistungsbildes legt die Kammer das Gutachten von Dr. K., den Rehabilitationsentlassungsbericht von Herrn S. und insbesondere das Gerichtsgutachten von Herrn S. zugrunde. Die Bewertungen sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die Kammer hat insoweit keinerlei Bedenken diese Leistungseinschätzungen der Entscheidung zugrunde zu legen. Die Kammer folgt daher den Bewertungen dieser drei Gutachter. Die Hausärztin Scholz hat demgegenüber keinerlei fachliche Kompetenz fachärztliche Gutachten erschüttern zu können.

Die Klägerin konnte auch psychischen und geistigen Anforderungen durchschnittlicher Art entsprechend ihrer schulischen und beruflichen Bildung genügen. Eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens durch die Erkrankungen ergab sich nicht.

Bei der Klägerin lagen auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reichte vielmehr noch für zumindest leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten, aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.). Auch liegt im Falle der Klägerin kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. Bundessozialgericht, Großer Senat, a.a.O., Seite 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als verschlossen, wenn einem Versicherten die sogenannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von mindestens 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. Dann gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße eingeschränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich. Sind Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß erreichbar, zum Beispiel mit dem eigenen Kraftfahrzeug bzw. mit einem Fahrrad, ist der Arbeitsmarkt ebenfalls nicht verschlossen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10). Die Gehfähigkeit der Klägerin ist in diesem Sinne nicht eingeschränkt. Die Kammer folgt der Einschätzung von Herrn S ... Öffentliche Verkehrsmittel kann die Klägerin uneingeschränkt benutzen.

Die Leiden erfordern auch keine über das Arbeitszeitgesetz hinausgehenden, betriebsunüblichen Pausen. Die Kammer folgt insoweit der Bewertung der Gutachter.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Gemäß § 240 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte u. a. nur dann Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind. Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeit entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit vom bisherigen Beruf der Versicherten auszugehen. Es ist zu untersuchen, ob sie diesen Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben kann. Ist sie hierzu im Wesentlichen aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten die Versicherte verwiesen werden kann (vgl. etwa Urt. des 4. Senats v. 24. Januar 1994, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41, S. 169, und des 13. Senats v. 16. November 2000, SozR 3-2600 § 43 Nr. 23, S. 78, jeweils m.w.N.). Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ Höchste im Berufsleben der Versicherten gewesen ist (vgl. Urt. des 13. Senats v. 16. November 2000, ebd., m.w.N.). Die Fähigkeit, im bisherigen Beruf noch tätig zu sein, richtet sich nach den in diesem Beruf gestellten Anforderungen und der Leistungsfähigkeit der Versicherten.

Der für den Berufsschutz der Klägerin maßgebliche bisherige Beruf ist der einer Zerspanerin im Teilberuf den sie zuletzt aufgrund eines unbefristeten Vertrages versicherungspflichtig ausgeübt hat.

Diese Tätigkeit kann die Klägerin nicht mehr verrichten. Dies ist unstreitig. Daraus folgt aber noch nicht, dass die Klägerin auch berufsunfähig ist.

Zu prüfen ist, ob die Klägerin auf eine andere Tätigkeit zumutbar verwiesen werden kann.

Dies beurteilt das Bundessozialgericht nach einem von ihm entwickelten Mehrstufenschema (vgl. Urt. v. 23. Oktober 1996 – 4 RA 1/96SozR 3-2600 § 43 Nr. 14, S. 41 f., m.w.N.), das auch die Kammer ihren Entscheidungen zugrunde legt. Die soziale Zumutbarkeit eines Verweisungsberufs richtet sich nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Arbeiter- und Angestelltenberufe in Gruppen eingeteilt, wobei der Stufenbildung im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zugrunde gelegt wurde. Sozial zumutbar sind grundsätzlich nur Tätigkeiten der im Verhältnis zum bisherigen Beruf gleichen oder nächst niederen Stufe (vgl. BSG Urt. v. 12. September 1991 – 5 RJ 34/90 –, SozR 3-2200 § 1246, Nr. 17, S. 65, m. w. N.; Urt. v. 22. Februar 1990, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 2, S. 9).

Dabei werden folgende Stufen unterschieden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3; zu diesen und den weiteren höheren Stufen: BSG, Urt. v. 29. Juli 2004, B 4 RA 5/04 R, zit. nach Juris). Die Stufe 2, auch als Gruppe der Angelernten bezeichnet, unterteilt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wegen der Vielschichtigkeit und Inhomogenität dieser Berufsgruppe in einen oberen und einen unteren Bereich (vgl. Urt. des 4. Senats v. 28. November 1985, SozR 2200 § 1246, Nr. 132, S. 425; des 13. Senats v. 29. März 1994, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45, S. 186). Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von bis zu einem Jahr gelten noch als sog. untere Angelernte. Bei Angelernten des oberen Bereichs sind im Gegensatz zu Angelernten des unteren Bereichs Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen (Niesel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI, Rn. 101).

Der Beruf der Klägerin als Zerspanerin ist in die Stufe 2 oberer Bereich einzustufen, da sie zum einen keine Facharbeiterausbildung sondern nur eine Teilausbildung durchlaufen hat und zum anderen zuletzt nach der Entgeltgruppe VI entlohnt wurde und hierfür auch nur eine zweijährige Ausbildung Voraussetzung ist. Danach kann die Klägerin nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Eine Verweisungstätigkeit ist zu benennen.

Insoweit könnte die Klägerin noch die Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte verrichten.

Der 3. Senat des LSG Sachsen-Anhalt hat in seinem Urteil vom 13. Juni 2006 Az.: L 3 KN 10/05 folgendes ausgeführt (bestätigt durch Urteil vom 27. Mai 2010, Az.: L 3 R 510/06 und Urteil vom 21. Mai 2014, Az.: L 3 R 185/12):

"Das BSG hat in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass sich hinter der Berufsbezeichnung "Pförtner" eine Vielzahl von konkreten Pförtnertätigkeiten verbirgt, die je nach Einsatz- und Aufgabenbereich unterschiedliche Anforderungen an den Versicherten stellen. Daraus soll sich die Anforderung ergeben, die in Betracht kommende Tätigkeit weiter zu spezifizieren (Urteil des BSG vom 22. Mai 2001 – B 13 RJ 13/02 R). Nach den dem Senat vorliegenden berufskundlichen Unterlagen ergeben sich die Schwierigkeiten bei der genauen Bestimmung der beruflichen Anforderungen daraus, dass die Anforderungen stark von dem vom Arbeitgeber definierten Umfang der konkreten Tätigkeit abhängen (so die Auskünfte des BDWS vom 15. Februar 1996, 3. Dezember 2002, 13. Dezember 2002 und vom 23. Dezember 2003). Dies kann nach Auffassung des Senats aber nicht dazu führen, dass jeweils nur auf einen konkreten Arbeitsplatz verwiesen werden kann. Eine ausreichende Spezifizierung ist gegeben, wenn die allgemeinen berufskundlichen Erkenntnisse ausreichen, um sich ein Bild von den Anforderungen zu machen, die ein Arbeitnehmer erfüllen muss, um nicht von vornherein – ohne Prüfung etwaiger Belastungen aufgrund im Einzelfall zu erfüllender Zusatzaufgaben – für eine wettbewerbsfähige Ausübung des Berufes auszuscheiden. Insofern lassen sich anhand der von der Beklagten vorgenommenen Konkretisierung auf die Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte die beruflichen Anforderungen feststellen und mit dem Leistungsprofil des Klägers abgleichen, ohne dass es der Einholung weiterer Auskünfte oder eines berufskundlichen Gutachtens bedarf.

Die Tätigkeit des so genannten Pförtners an der Nebenpforte besteht hauptsächlich darin, überwiegend für den Verkehr der Betriebsangehörigen bei Bedarf von der Pförtnerloge aus Einlass z. B. durch Öffnen einer Schranke oder Pforte mittels Knopfdruck zu gewähren. Der Arbeitsplatz ist in der Regel mit einem Schreibtisch und häufig mit Monitorwänden zur Videoüberwachung des Betriebsgeländes ausgestattet. Schwerpunktmäßig wird eine sitzende Tätigkeit verbunden mit stehenden und gehenden Tätigkeiten ausgeübt (Auskünfte des BDWS vom 3. Dezember 2002 und vom 23. Dezember 2003). Die Tätigkeit des Pförtners an der Nebenpforte ist nicht mit dem Heben und Tragen von Lasten verbunden. Darüber hinaus stellt die Pförtnertätigkeit an die Funktionstüchtigkeit der Arme und Beine keine besonderen Anforderungen; selbst für faktisch Einarmige gibt es insoweit Tätigkeitsbereiche (vgl. zur Pförtnertätigkeit faktisch Einarmiger und in der Schlüsselverwaltung Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 17. Oktober 1997 – L 8 J 262/97 –). Schließlich sind Pförtner an der Nebenpforte keinen besonderen Anforderungen an das Kommunikationsvermögen ausgesetzt, da sie lediglich gelegentlich Kontakt mit Mitarbeitern und nur ausnahmsweise mit Publikum haben.

Nach den vorliegenden medizinischen Gutachten kann der Kläger die Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte ausüben. Dies ergibt sich insbesondere aus den Ausführungen der Sachverständigen Dr. E. und Dr. T ... Der Kläger ist danach nicht darauf angewiesen, stets die Haltungsart wechseln zu können. Er darf nur nicht ständig oder überwiegend stehen oder sitzen. Dies schließt nicht aus, dass er situationsgebunden auch schon einmal über längere Zeit sitzen, stehen oder gehen kann. Kontrollgänge wären möglich, da die Gehfähigkeit nicht wesentlich eingeschränkt ist. Den geistigen Anforderungen für eine Geländekontrolle mit technischen Mitteln (Videoüberwachung) ist der Kläger gewachsen. Gleiches gilt für den gelegentlichen Kontakt mit Publikum. Die Tätigkeit findet überwiegend in geschlossenen Räumen statt, so dass keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Witterungseinflüsse zu erwarten sind. Der Senat hat keine durchgreifenden Zweifel, dass der Kläger eine auf dem Arbeitsmarkt grundsätzlich noch vorhandene Pförtnertätigkeit wettbewerbsfähig ausüben könnte, wenn er Zugang zu einer solchen Beschäftigung hätte und diese auch ernsthaft ausüben wollte.

Insgesamt gesehen bestehen keine durchgreifenden Zweifel, dass der Kläger eine auf dem Arbeitsmarkt grundsätzlich noch vorhandene Pförtnertätigkeit an der Nebenpforte wettbewerbsfähig ausüben könnte, wenn er Zugang zu einer solchen Beschäftigung hätte und diese auch ernsthaft ausüben wollte.

Der Kläger ist auch in der Lage, sich innerhalb von drei Monaten auf eine für seine Bildung und seine körperlichen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit umzustellen. Keiner der behandelnden oder begutachtenden Ärzte hat formale oder inhaltliche Denkstörungen beschrieben. Auch Einschränkungen hinsichtlich der Umstellungsfähigkeit oder Beeinträchtigungen hinsichtlich der Merkfähigkeit, Gedächtnis, Konzentration oder Aufmerksamkeit sind nicht ersichtlich.

Schließlich geht der Senat auch weiterhin davon aus, dass trotz nach einem aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage erfolgten Abbau der Arbeitsplätze bundesweit alleine im Bereich der Wach- und Sicherheitsunternehmen noch mehrere hundert Arbeitsplätze für Pförtner an der Nebenpforte vorhanden sind (Auskunft BDWS vom 23. Dezember 2003). Ob Arbeitsplätze als Pförtner an der Nebenpforte frei oder besetzt sind, ist nicht zu ermitteln, denn das Risiko, dass der Kläger möglicherweise keinen für ihn geeigneten Arbeitsplatz finden könnte, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 19; BSG NZS 1993, 403, 404 und Urteil vom 21. Juli 1992 – 3 RA 13/91 –).

Auch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. Mai 1996 (4 RA 60/94, SozR 3 – 2600 § 43 Nr. 13, BSGE 78, 207 f.) führt nicht zu einer anderen Bewertung. Danach sind Verweisungstätigkeiten nicht zumutbar, wenn es sie nur noch in ganz geringer Zahl gibt, also so selten angeboten, besetzt oder wiederbesetzt werden, dass sie praktisch nicht mehr vorkommen und deswegen als Vergleichsberufe ausscheiden. Der Versicherte darf keine – nicht einmal eine "wenn auch schlechte Chance" – haben, in dem Verweisungsberuf unterzukommen. In besonderen Fällen kann auch ein Beruf trotz der tarifvertraglichen Erfassung nur noch in einer ganz geringen Zahl an Arbeitsplätzen vorkommen. Eine absolute Mindestzahl von Arbeitsplätzen, ab derer eine "ganz geringe Zahl" vorliegt, existiert nach der Rechtsprechung des BSG nicht. Wenn allerdings 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet vorhanden sind, kann ihre Zahl von vornherein nicht ganz gering sein (BSG; a.a.O.).

Der erkennende Senat hält an seiner Auffassung fest, wonach nach seinen Ermittlungen eine Mindestanzahl von 300 Arbeitsplätzen im Bundesgebiet noch existiert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass alleine im öffentlichen Dienst in Sachsen-Anhalt schon 154 Arbeitsplätze in der Berufsgruppe 793 (Pförtner/Pförtnerin, Hauswart/Hauswartin) bekannt sind. Darüber hinaus ergibt sich aus den Erkenntnissen des Senats durch Nachfragen beim BDWS, dass die Zahl der von diesem mitgeteilten Stellen als Pförtner an der Nebenpforte gerade nicht im öffentlichen Dienst, sondern in den Mitgliedsunternehmen des BDWS ermittelt worden ist. Die Gesamtzahl der Pförtnerstellen in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst dürfte daher noch deutlich über den vom BDWS mitgeteilten Zahlen liegen."

Diese Ausführungen treffen auch auf die Klägerin zu. Dies hat Stegemann ausdrücklich bestätigt. Diese ist damit gesundheitlich auf die Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte zu verweisen.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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