L 10 BA 537/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3453/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 BA 537/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Betriebsinhaberin einer Spedition haftet auch dann für Beitragsforderungen, wenn das operative Geschäft allein durch den Ehemann geführt wird.
2. Maßgeblich für eine Eingliederung in den Betrieb der Spedition und damit für Beschäftigung spricht, wenn dem als Subunternehmer geführten Fahrer sämtliche, für die (Fahrer)Tätigkeit erforderlichen Betriebsmittel (Lkw einschließlichTreibstoff, Versicherungen, Reparaturen etc.) zur Verfügung gestellt werden; die Tatsache, dass der als Subunternehmer geführte Fahrer im streitigen Zeitraum ein Gewerbe (u.a. Transporte) angemeldet hatte und teilweise betrieb, ändert hieran nichts, weil eine selbstständige gewerbliche Tätigkeit und eine Beschäftigung auch zeitlich parallel bei verschiedenen Auftraggebern möglich ist.
3. Wird die den Fahrer als Subunternehmer einsetzende Spedition ihrerseits für eine Spedition tätig und hat der Fahrer nach der Vereinbarung mit der ihn einsetzenden Spedition bezüglich des Transportgutes (nach Art, Zeit und Ort) die Vorgaben des Dritten umzusetzen, bleibt der Fahrer weiterhin durch die ihn einsetzende Spedition fremdbestimmt.
4. Wird innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist eine Kontrolle nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz im Hinblick auf den als Subunternehmer eingesetzten Fahrer mit persönlicher Beteiligung der Betriebsinhaberin durchgeführt, die Betriebsinhaberin hierzu als Beschuldigte im Ermittlungsverfahren vorgeladen und erhält sie im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Kenntnis von einer Beurteilung der Tätigkeit des von ihr als Subunternehmer geführten Fahrers als Arbeitnehmer, ist von Vorsatz in Bezug auf die unterlassene Beitragsabführung auszugehen. Die vierjährige Verjährungsfrist wandelt sich nun in die dreißigjährige Verjährungsfrist um.
5. Im Rahmen der Netto-brutto-Hochrechnung ist bei bei unbeschränkter Einkommenssteuerpflicht (§ 1 EStG) gemäß § 39c Abs. 1 Satz 1 EStG (in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung) die Lohnsteuerklasse VI zu Grunde zu legen, weil das hierfür erforderliche Verschulden des Arbeitgebers bereits im Rahmen der Prüfung einer Zulässigkeit der Netto-brutto-Hochrechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bejaht worden sein muss.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.12.2017 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung, zur gesetzlichen Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung und von Umlagen in Bezug auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 bei der Klägerin in der Zeit vom 14.09.2009 bis 29.04.2011 (streitiger Zeitraum) sowie Säumniszuschläge.

Die 1966 geborene Klägerin absolvierte nach eigenen Angaben eine Ausbildung zur Erzieherin sowie ein Studium zur Diplomsozialarbeiterin, das sie im Jahre 2008 abschloss (Bl. 645 der Akten des Amtsgerichts S. W 11 Cs 320 Js 4946/13 - Strafakte -). Im September 2004 meldete sie ein Gewerbe "Spedition und Warenhandel" an und firmierte unter der Bezeichnung H. Transporte, Inhaberin B. H ... Die operative Tätigkeit des Betriebes leitete ihr 1970 geborener Ehemann, nach eigenen Angaben Speditionskaufmann und selbst Inhaber des Geschäftes bis zu seiner Insolvenz vor der Gewerbeanmeldung der Klägerin. Im streitigen Zeitraum verfügte die Klägerin über drei Fahrzeuge (zwei Lkw, ein MB Sprinter) und über eine Lizenz für diese Fahrzeuge zum gewerblichen Güterkraftverkehr, wobei ihr Ehemann für die erlaubnispflichtigen Transporte verantwortlich war (Bl. 303 VA). Die Firma der Klägerin war bis zu Beginn des streitigen Zeitraumes überwiegend als Subunternehmer für die Firma W. GmbH, einer internationalen Spedition mit Sitz in S. , tätig; die entsprechenden Touren fuhr der Ehemann der Klägerin. Die Geschäftsräume der Klägerin befanden sich im Eigenheim der Familie. Im streitigen Zeitraum erzog die Klägerin - so ihre Angaben (Bl. 645, Bl. 669 f. Strafakte) - die beiden gemeinsamen Kinder und war in Teilzeit erwerbstätig.

Der im Oktober 1970 geborene Beigeladene zu 1 war jahrelang als Fahrer versicherungspflichtig beschäftigt, u.a. auch - lange vor dem streitigen Zeitraum - beim Ehemann der Klägerin (Bl. 647 Strafakte). Aus der Situation der Arbeitslosigkeit heraus (Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch) meldete er im Mai 2008 ein Gewerbe "Dienstleistungen aller Art (Kurierfahrten, Webdesign etc.)" an, für das er im Internet warb (vgl. Bl. 313 ff. VA). Zu Beginn dieser selbstständigen Tätigkeit erhielt er einen Gründungszuschuss der Bundesagentur für Arbeit. Er verfügte über einen Pkw Opel Astra und war anfangs für verschiedene Auftraggeber tätig, u.a. als Kurierfahrer mit seinem Pkw bzw. als Dienstleister für Informationstechnologie (z.B. Erstellen von Websites). Eine Lizenz zum gewerblichen Güterkraftverkehr hatte er nicht. Ab dem 01.04.2011 beschäftigte er seine Ehefrau in Zusammenhang mit einem von ihm übernommenen Auftrag zur Montage von Kunststoffteilen in Heimarbeit sowie für Büro- und Schreibarbeiten (Bl. 311 VA).

Vor dem streitigen Zeitraum hatte der Beigeladene zu 1 die Urlaubsvertretung für den Ehemann der Klägerin als Fahrer übernommen (Bl. 64 SG-Akte). Kurz darauf ergab sich für die Klägerin die Möglichkeit, einen zusätzlichen größeren Auftrag von der Firma W. GmbH zu übernehmen (Transport von 100 Überseecontainern, vgl. Bl. 64 SG-Akte). Der Ehemann der Klägerin setzte sich mit dem Beigeladenen zu 1 in Verbindung, damit dieser fortan die bisher vom Ehemann der Klägerin mit einem Lkw der Klägerin gefahrenen Touren für die Firma W. übernahm, während er selbst den Transport der Überseecontainer versah. Hierzu wurde vereinbart (vgl. Bl. 455 ff. VA, 647 f. Strafakte), dass der Beigeladene zu 1 mit einem Lkw (7,5 Tonnen) der Klägerin fuhr und Tagespauschalen erhielt (110 EUR für den Fernverkehr, 70 EUR für den Nahverkehr). Die Kosten für den Lkw (Treibstoff, Versicherungen, Reparaturen etc.) trug die Klägerin. Der Beigeladene zu 1 erhielt hierzu eine Tankkarte der Klägerin und er fuhr auf der der Klägerin erteilten Lizenz nach dem Güterkraftverkehrsgesetz. Ihre Vergütung von der Firma W. GmbH für die vom Beigeladenen zu 1 durchgeführten Transporte erhielt die Klägerin durch Gutschriften der Firma W. GmbH, deren Höhe sich nach dem Frachtgut richtete (vgl. beispielhaft Bl. 323 ff. VA).

Der Beigeladene zu 1 fuhr (auch) im streitigen Zeitraum nahezu arbeitstäglich mit seinem Pkw zum Standort der Firma W. GmbH, übernahm dort den von der Firma W. GmbH beladenen Lkw der Klägerin und arbeitete die ihm durch die Beladung vorgegebene Kundenliste ab, bevor er den Lkw am Abend wiederum bei der Firma W. abstellte (Strafakte a.a.O.). Die vereinbarten Pauschalen stellte der Beigeladene zu 1 der Klägerin in Rechnung; zur Feststellung der Einzelheiten wird auf Bl. 111 ff. VA Bezug genommen. Sofern der Beigeladene zu 1 freie Tage wollte und damit für die Aufträge nicht zur Verfügung stand, informierte er den Ehemann der Klägerin zwei bis drei Tage zuvor (Bl. 647 Strafakte), der die Tour dann meist selbst übernahm oder an einen von ihm ausgewählten Dritten abgab (Bl. 645 Strafakte). Eigene Aufträge führte der Beigeladene zu 1 mit dem ihm von der Klägerin zur Verfügung gestellten Lkw nicht durch (Bl. 649 Srafakte). Später, lange nach dem streitigen Zeitraum meldete er sein Gewerbe wieder ab und wurde als Fahrer versicherungspflichtig beschäftigt, von Mai 2013 bis August 2014 auch von der Klägerin (Bl. 647 Strafakte).

Im Rahmen von Verkehrskontrollen fiel der Zollverwaltung der Beigeladene zu 1 in Bezug auf mögliche Schwarzarbeit auf. Am 28.04.2011 suchten Beamte des Hauptzollamtes Karlsruhe die Klägerin unter der Firmenanschrift auf und trafen sie dort an (vgl. Bl. 69 Strafakte). Die Klägerin gab an, sie habe mit der Sache nichts zu tun, die steuerlichen Dinge würden von ihrem Mann erledigt. Arbeitnehmer habe die Firma nicht, sondern nur einen freien Mitarbeiter. Am 13.05.2011 fand dann im Beisein der Klägerin, ihres Ehemannes und des Buchhalters der Klägerin eine Prüfung der Geschäftsunterlagen nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, BGBl. I 2004, 1842) statt (Bl. 73 f. VA). Der Klägerin und ihrem Ehemann wurde dabei auch die weitere Verfahrensweise erläutert. Im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erhielt die Klägerin im März 2013 eine Vorladung zur Vernehmung als Beschuldigte einer Straftat nach § 266a Strafgesetzbuch (StGB; Vorenthalten von Beiträgen, Bl. 319 Strafakte). Der Beigeladene zu 1 wurde, ebenso wie im nachfolgenden Strafverfahren, als Zeuge vernommen (Bl. 453 ff. VA; Bl. 647 f. Strafakte). Ausgehend davon, dass die Klägerin über die Verhältnisse in der Firma nicht Bescheid gewusst habe, wurde das Strafverfahren gegen sie eingestellt. Der Ehemann der Klägerin wurde mit Urteil des Amtsgerichts S. vom 27.11.2014 nach § 266a StGB zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 EUR verurteilt, weil Sozialversicherungsbeiträge auf das Entgelt des Beigeladenen zu 1 nicht abgeführt worden waren.

Mit Bescheid vom 21.03.2016 setzte die Beklagte auf der Grundlage dieser Ermittlungsergebnisse und der vom Beigeladenen zu 1 an die Klägerin gestellten Honorarforderungen, getrennt nach den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung, dem Recht der Arbeitslosenversicherung und den jeweiligen Umlagen Beitragsnachforderungen für die Zeit vom 14.09.2009 bis 29.04.2011 nebst Säumniszuschlägen (23.340 EUR), insgesamt eine Forderung in Höhe von 60.213,45 EUR fest. Dabei rechnete sie von dem vom Beigeladenen zu 1 in Rechnung gestellten Honorar auf ein Bruttoarbeitsentgelt hoch und legte dabei die Lohnsteuerklasse VI zu Grunde. Hinsichtlich der Berechnungen im Einzelnen wird auf den Bescheid Bezug genommen. Die Eingliederung des Beigeladenen zu 1 in den Betrieb der Klägerin ergebe sich aus den ihm zur Verfügung gestellten Betriebsmitteln, eigenes Kapital habe er nicht eingesetzt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2016 und der weiteren Begründung zurückgewiesen, zwar habe der Beigeladene zu 1 seine Ehefrau beschäftigt, dies habe jedoch eine andere Tätigkeit betroffen. Ein wesentliches Unternehmerrisiko habe er nicht getragen und ohne die ihm von der Klägerin zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel habe er seine Tätigkeit nicht ausüben können, so dass er insoweit in den Betrieb eingegliedert gewesen sei.

Das hiergegen am 16.11.2016 angerufene Sozialgericht Mannheim hat die Klage mit Urteil vom 21.12.2017 abgewiesen, auf die Begründung in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen und darüber hinaus dargelegt, maßgebend für die versicherungsrechtliche Beurteilung von Fahrertätigkeiten sei, ob der Fahrer ein eigenes Fahrzeug für die Transporte einsetze, was hier nicht der Fall gewesen sei. Es habe auch - entgegen der Darlegung der Klägerin - kein mittelbares Arbeitsverhältnis vorgelegen, weil dann die Klägerin bzw. ihr Ehemann Arbeitnehmer der Spedition W. GmbH hätten sein müssen. Dies behaupte die Klägerin selbst nicht.

Gegen das ihr am 09.01.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.02.2018 Berufung eingelegt. Sie erhebt nun die Einrede der Verjährung, bestreitet das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Netto-Brutto-Hochrechnung und für die Verhängung von Säumniszuschlägen. Es liege, kein Vorsatz vor, weil sie nicht in den Geschäftsbetrieb eingebunden gewesen sei und von nichts gewusst habe. Insoweit dürften keine Unterschiede zwischen der strafrechtlichen Beurteilung und der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung bestehen. Schließlich bestreitet sie die Rechtmäßigkeit der Berechnung anhand der Lohnsteuerklasse VI, weil der Beigeladene zu 1 nach der Lohnsteuerklasse I versteuert habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21.12.2017 sowie den Bescheid vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung und insbesondere ihre Bescheide für rechtmäßig und weist darauf hin, dass Arbeitgeber der Betriebsinhaber und damit die Klägerin sei und sie daher für die Beitragsschulden hafte. Sie müsse sich die Handlungen ihres Ehemannes zurechnen lassen. Im Rahmen der Hochrechnung sei grundsätzlich die Steuerklasse VI zu berücksichtigen, weil im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge keine individuellen Steuermerkmale des Beigeladenen zu 1 nachgewiesen gewesen seien.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 21.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2016, mit dem die Beklagte für die Zeit vom 14.09.2009 bis 29.04.2011 in Bezug auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 bei der Klägerin Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung feststellte, entsprechende Beiträge und Umlagen nachforderte sowie Säumniszuschläge erhob. Dem entsprechend ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart.

Das Sozialgericht hat diese Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 28p Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Die Träger der Rentenversicherung erlassen nach Satz 5 dieser Vorschrift im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte (verkörpert im sog. Prüfbescheid, BSG, Urteil vom 16.12.2015, B 12 R 11/14 R in SozR 4-2400 § 28p Nr. 6) zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs. 5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Mit dem letzten Halbsatz ist klargestellt, dass die Zuständigkeit der Träger der Rentenversicherung unabhängig von den eigentlich nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV für solche Feststellungen zuständigen Einzugsstellen besteht.

Die Beklagte war als Rentenversicherungsträgerin auch zur Überwachung des Umlageverfahrens (sog. U1- und U2-Umlage) nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG -) und zum Erlass eines entsprechenden Umlagebescheids befugt. Denn § 10 AAG stellt die Beiträge zum Ausgleichsverfahren insoweit den Beiträgen zur GKV gleich, die ihrerseits Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28d S 1 SGB IV) sind, der von der Beklagten im Rahmen einer Betriebsprüfung (§ 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV) geltend zu machen ist (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 26.09.2017, B 1 KR 31/16 R, in SozR 4-7862 § 7 Nr. 1). Gleiches gilt seit dem 01.01.2009 in Bezug auf die Insolvenzgeldumlage. Nach § 359 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab dem 01.01.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung vom 30.10.2008 (BGBl I S. 2130) ist die Umlage zusammen mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen. Nach Satz 2 finden die für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag geltenden Vorschriften des SGB IV entsprechende Anwendung und damit wiederum § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV mit seiner die Zuständigkeit der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung begründenden Wirkung.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV sind in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige unter anderem Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Entsprechende Regelungen (Versicherungspflicht von Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind) finden sich für die Arbeitslosenversicherung in § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung - (SGB III), für die gesetzliche Rentenversicherung in § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI), für die Krankenversicherung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) sowie in § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) als akzessorische Regelung zur gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Dabei liegt der Beitragsbemessung für den vom Arbeitgeber zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß den §§ 28d, 28e SGB IV das Arbeitsentgelt zu Grunde (§ 342 SGB III, § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, auf die Regelung im SGB V verweisend § 57 Abs. 1 SGB XI, § 162 Nr. 1 SGB VI). Dies gilt auch in Bezug auf die Umlagen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 AAG bzw. § 358 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Arbeitsentgelt sind gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

Zu Recht legte die Beklagte die entsprechend der vom Beigeladenen zu 1 gestellten Rechnungen erfolgten Zahlungen der Klägerin an den Beigeladenen zu 1 der Beitragsbemessung zu Grunde. Denn es handelte sich hierbei um Arbeitsentgelt, weil der Beigeladene zu 1 im streitigen Zeitraum Beschäftigter der Klägerin und damit Versicherter war.

§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV definiert den Begriff der Beschäftigung als nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach Satz 2 der Regelung sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (u.a. Urteil vom 11.11.2015, B 12 R 2/14 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 27, auch zum Nachfolgenden; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.05.1996, 1 BvR 21/96 in SozR 3-2400 § 7 Nr. 11) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich, ausgehend von den genannten Umständen, nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist somit regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen (BSG, Urteil vom 18.11.2015, B 12 RK 16/13 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, auch zum Nachfolgenden). Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist (BSG, Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.). Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, a.a.O.).

Unter Abwägung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände gelangt der Senat in Übereinstimmung mit der Beklagten und dem Sozialgericht zu dem Ergebnis, dass der Beigeladene zu 1 im streitigen Zeitraum bei der Klägerin beschäftigt war.

Die im Tatbestand getroffenen Feststellungen zur Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 bei der Klägerin stehen zur Überzeugung des Senats insbesondere auf Grund der Angaben des Beigeladenen zu 1 im Ermittlungs- und Strafverfahren fest und sie sind vom Ehemann der Klägerin im Strafverfahren bestätigt worden (vgl. z.B. Bl. 645 Strafakte: "Was der Kann sagte stimmt").

Zugunsten der Klägerin geht der Senat davon aus, dass die Parteien des Vertragsverhältnisses (die Klägerin und der Beigeladene zu 1) eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 vereinbarten. Die entsprechenden Erklärungen ihres Ehemannes, der die Verhandlungen mit dem Beigeladenen zu 1 führte, muss sich die Klägerin nach den Regeln über rechtsgeschäftliches Handeln durch Stellvertreter zurechnen lassen (§ 164 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).

Indessen liegen tatsächlich Umstände vor, die gegen diesen Willen und überwiegend für eine Beschäftigung sprechen. Diesbezüglich hat das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zu Recht auf die im Tatbestand zusammengefassten Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden verwiesen und insbesondere dem Umstand, dass der Beigeladene zu 1 über kein eigenes Fahrzeug verfügte, sondern ausschließlich die Betriebsmittel der Klägerin (Lkw einschließlich sämtlicher Nebenkosten wie Treibstoff, Versicherungen, Reparaturen etc.) zur Durchführung der Transportfahrten einsetzte und damit in den Betrieb der Klägerin eingegliedert war, maßgebende Bedeutung beigemessen. Auch der Senat hält diesen inhaltlichen Aspekt gegenüber den eher formalen Gesichtspunkten, dass der Beigeladene zu 1 selbst Rechnungen stellte, nach Pauschalen bezahlt wurde und ein eigenes Gewerbe angemeldet hatte, für gewichtiger. Der Senat weist daher die Berufung insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung ab.

In Bezug auf die Gewerbeanmeldung des Beigeladenen zu 1 und seine in diesem Zusammenhang ausgeführten anderen Aufträge (überwiegend vor bzw. nach dem streitigen Zeitraum) weist der Senat darauf hin, dass eine selbstständige gewerbliche Tätigkeit und eine (abhängige) Beschäftigung grundsätzlich auch zeitlich parallel bei verschiedenen Auftraggebern möglich sind und dass die Beklagte zu Recht davon ausging, dass die vom Beigeladenen zu 1 beschäftigte Ehefrau zur Erfüllung eines Auftrages über die Montage von Kunststoffteilen bei einem anderen Auftraggeber und damit unabhängig vom hier streitigen Rechtsverhältnis eingesetzt war.

Die Eingliederung des Beigeladenen zu 1 in den Betrieb der Klägerin zeigt sich auch darin, dass der Beigeladene zu 1, wollte er freie Tage haben, also nicht arbeiten, nicht etwa einfach Aufträge gegenüber der Firma W. GmbH ablehnte oder einen Ersatzfahrer besorgte, sondern den Ehemann der Klägerin zwei bis drei Tage zuvor informierte. Der Ehemann der Klägerin und nicht etwa der verhinderte Beigeladene zu 1 sorgte dann für die Ausführung des Auftrages. Damit ordnete die Klägerin den Beigeladenen zu 1 nicht nur im sächlichen Bereich (Zurverfügungstellung des Lkw nebst Betriebskosten) sondern auch personell ihrem Betrieb zu.

Darüber hinaus geht der Senat davon aus, dass der Beigeladene zu 1 gegenüber der Klägerin auch weisungsunterworfen war. Nach der zwischen der Klägerin (über ihren Ehemann, § 164 BGB) und dem Beigeladenen zu 1 getroffenen Vereinbarung hatte der Beigeladene zu 1 jene Aufträge auszuführen, die von der Firma W. GmbH mit der Beladung des Lkw vorgegeben wurden. Entsprechend holte der Beigeladene zu 1 den von der Firma W. GmbH beladenen Lkw ab und führte die so - durch die Beladung - vorgegebenen Transporte zu den einzelnen Empfängern durch. Damit war insoweit - was die Zuweisung der einzelnen Aufträge anbelangt - das Weisungsrecht von der Klägerin dahingehend ausgeübt, dass der Beigeladene zu 1 die von der Firma W. GmbH gemachten Vorgaben umzusetzen hatte. Die Firma W. GmbH konkretisierte somit die Aufgaben, die der Beigeladene zu 1 gegenüber der Klägerin zu erfüllen hatte. Durch diese faktische Verlagerung der Aufgabenzuweisung von der Klägerin auf die Firma W. GmbH blieb die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 weiterhin durch die Klägerin fremdbestimmt (vgl. BSG, Urteil vom 14.03.2018, B 12 KR 12/17 R, in juris). Entgegen der Auffassung der Klägerin wird dadurch somit die Firma W. GmbH gerade nicht Arbeitgeber des Beigeladenen zu 1, weil gerade keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem Beigeladenen zu 1 und der Firma W. GmbH bestehen. Auch ein von der Klägerin zur Sprache gebrachtes mittelbares Arbeitsverhältnis scheidet aus, was das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat und worauf der Senat ebenfalls Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Vor diesem Hintergrund kommt auch der Tatsache, dass die Vertragsparteien weder Entgeltfortzahlung noch einen Urlaubsanspruch vorsahen, keine maßgebliche Bedeutung zu. Denn der Umstand, dass jemand von seinem Vertragspartner keinen für Beschäftigte typischen sozialen Schutz zur Verfügung gestellt erhält, führt noch nicht zur Annahme eines unternehmerischen Risikos; einem solchen Risiko müssen vielmehr - um sozialversicherungsrechtliche Folgen auslösen zu können - auch größere Freiheiten in der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 24.03.2016, B 12 KR 20/14 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 29). Dies war bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin gerade nicht der Fall. Er erhielt - ohne selbst irgendwelche Entscheidungen treffen zu können - die Aufträge (Art des Transportgutes, Bestimmungsort und damit Entfernung) täglich vorgegeben und eigene Aufträge führte er mit dem Lkw der Klägerin nicht durch.

Im Grunde bestreitet die Klägerin auch nicht mehr, dass der Beigeladene zu 1 Beschäftigter war. Indessen greifen die im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwände der Klägerin nicht durch.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie als Arbeitgeberin Schuldnerin der Beitragsforderung (§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Sie meldete ein Transportgewerbe an und si firmierte als dessen Inhaberin. Dies stellt sie auch nicht in Abrede. Soweit sie ihre fehlende Arbeitgebereigenschaft damit begründet, sie sei nicht in den Geschäftsbetrieb integriert gewesen, habe von nichts gewusst, folgt ihr der Senat schon im Tatsächlichen nicht. So wurde die Klägerin von den Beamten des Hauptzollamtes am 28.04.2011 an der gemeldeten Betriebsstätte angetroffen und sie erteilte damals Auskunft über Angestellte bzw. freie Mitarbeiter (nämlich dahingehend, dass man keine Beschäftigten habe, sondern nur einen freien Mitarbeiter). Es kann somit keine Rede davon sein, die Klägerin habe nichts über die Vorgänge in ihrer Firma gewusst, insbesondere mit welchen personellen Mitteln die Firma arbeitete. Als der Beigeladene zu 1 gegenüber dem Ehemann der Klägerin sein Interesse an einer Festanstellung bekundete, lehnte dies der Ehemann der Klägerin unter Hinweis darauf ab, dass die Klägerin dies nicht wünsche (Bl. 457 VA und Bl. 645 Strafakte). Auch dies zeigt, dass die Klägerin durchaus Einfluss auf die Geschäfte der Spedition nahm. Der Umstand, dass der Ehemann der Klägerin das operative Geschäft führte und er für die gewerblichen Transporte im Sinne der Erlaubnis nach dem Güterkraftverkehrsgesetz verantwortlich war (Bl. 303 VA), rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin Inhaberin des Betriebes und damit Inhaberin der entsprechenden Rechte und Pflichten blieb, auch wenn sie sich für das operative Geschäft eines Dritten, ihres Ehemannes, gleichsam als Betriebsleiter bediente. Seine rechtsgeschäftlichen Handlungen wirkten für und gegen sie (§§ 164 ff. BGB) und seine Tätigkeiten wurden ihr zugerechnet (§ 278 BGB). Auf die Einstellung des Strafverfahrens gegen sie durch das Amtsgericht S. kann sich die Klägerin nicht berufen. Denn der Senat ist an diese Entscheidung nicht gebunden, sondern beurteilt die Sach- und Rechtslage eigenständig. Lediglich am Rande weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin selbst als sog. "Strohfrau" nach den Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung (vgl. BSG, Urteil vom 12.11.1986, 9 b RU 8/84, in juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2012, L 4 R 5379/11) einstehen müsste.

Auf Grund der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 sind somit gegenüber der Klägerin Beitragsforderungen in allen Zweigen der Versicherung und die Umlagebeiträge entstanden. Die Beitragsforderungen sind auch nicht verjährt. Dem entsprechend greift die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung nicht durch.

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind (Abs. 1 Satz 2). Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IV werden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, spätestens am Fünfzehnten des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Beiträge sind abweichend hiervon spätestens am Fünfundzwanzigsten des Monats fällig, in dem die Beschäftigung, mit der das Arbeitsentgelt erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt, wenn das Arbeitsentgelt bis zum Fünfzehnten dieses Monats fällig ist; fällt der Fünfundzwanzigste eines Monats nicht auf einen Arbeitstag, werden die Beiträge am letzten banküblichen Arbeitstag davor fällig.

Zwar wurde der streitige Beitragsbescheid erst am 21.03.2016 erlassen, so dass die für die Zeit bis April 2011 festgesetzten Beiträge rein datumsmäßig außerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist liegen. Indessen war diese Verjährung für die Dauer der Prüfung bei der Klägerin gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 bis 5 SGB IV durch die am 13.05.2011 bei der Klägerin begonnene Geschäftsunterlagenprüfung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz gehemmt. Diese Hemmung dauerte bis zum Erlass des streitigen Beitragsbescheides. Die lange Zeitdauer ist dem Umstand geschuldet, dass die Beklagte den Abschluss des Strafverfahrens abwartete, um so die dortigen Beweisergebnisse berücksichtigen zu können.

Unabhängig davon geht der Senat in Übereinstimmung mit der Beklagten davon aus, dass im vorliegenden Fall die dreißigjährige Verjährungsfrist zur Anwendung kommt.

Hat der Beitragsschuldner bei Eintritt der Fälligkeit keinen Vorsatz zur Vorenthaltung, läuft zwar zunächst von Beginn des folgenden Kalenderjahres an eine vierjährige Verjährungsfrist. Diese verlängert sich jedoch durch eine rückwirkende Umwandlung in die dreißigjährige Verjährungsfrist, wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird (BSG, Urteil vom 18.11.2015, B 12 R 7/14 R, in juris, auch zum Nachfolgenden). Bösgläubigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht erst bei einer absichtlichen bzw. bewusst vorsätzlichen Beitragsvorenthaltung - z.B. bei klassischer Schwarzarbeit - anzunehmen, es reicht vielmehr aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthält, er also seine Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf nimmt.

Die vierjährige Verjährungsfrist für die (frühesten) Beiträge des Jahres 2009 wäre - ohne Hemmung, s.o. - zum Ende des Jahres 2013 abgelaufen. Allerdings war die Klägerin bereits mit der Geschäftsunterlagenprüfung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, über diesen Zweck wurde sie bei dieser Prüfung unterrichtet, am 13.05.2011 darüber informiert, dass die bisherige Beurteilung einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 (von der sie Kenntnis hatte, s. ihre Angaben gegenüber den Beamten der Zollverwaltung beim ersten Kontakt am 28.04.2011: keine Angestellten, nur einen freien Mitarbeiter), von dem mit der Prüfung befassten und insoweit sachkundigen Hauptzollamt nicht geteilt wurde. Weitere Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Beurteilung mussten bei ihr dann mit der Vorladung zur Vernehmung als Beschuldigte im März 2013 (Bl. 319 AA) aufkommen. Auf Grund dieser Vorgänge musste die Klägerin erkennen, dass die bisherige Wertung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1, die die bloße Vereinbarung von Selbstständigkeit, die Vergütung nach Tagespauschalen und dessen Rechnungsstellungen in den Vordergrund stellte und die Tatsache, dass sämtliche Betriebsmittel von der Klägerin zur Verfügung gestellt wurden, nicht berücksichtigte, nicht überzeugten. Damit musste die Klägerin im Jahre 2013 die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 zumindest für möglich halten. Die Klägerin hätte nunmehr Anlass gehabt, im Einzelnen - auf Grund der ihr bekannten tatsächlichen Umstände - die bisherige Einschätzung zu überprüfen und dabei z.B. die ihr spätestens im Mai 2013 über ihren Strafverteidiger bekannte (vgl. Bl. 417 Strafakte) Beurteilung der hierzu berufenen Beklagten (Bl. 279 ff. Strafakte) zu Grunde zu legen (und dann die Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen, vgl. § 28e SGB IV). Indem die Klägerin keinerlei Aktivitäten unternahm, nahm sie die Nichtabführung der fälligen Beiträge billigend in Kauf. Da all dies innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist geschah, wandelte sich diese Frist in die dreißigjährige Verjährungsfrist um.

Die von der Beklagten festgesetzten Beiträge und Umlagen sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Insbesondere nahm die Beklagte zu Recht eine Hochrechnung von netto auf brutto vor.

Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Daraus folgt, dass als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten i.S. von § 14 Abs. 1 SGB IV zuzüglich der auf sie entfallenden (direkten) Steuern und des gesetzlichen Arbeitnehmeranteils an den Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung gelten (BSG, Urteil vom 09.11.2011, B 12 R 18/09 R, in SozR 4-2400 § 14 Nr. 13). Ein Beschäftigungsverhältnis ist illegal in diesem Sinn, wenn objektiv zentrale arbeitgeberbezogenen Pflichten des Sozialversicherungsrechts (Zahlungs-, Melde-, Aufzeichnungs-, Nachweispflichten) verletzt werden (BSG, a.a.O.). Dies ist hier schon deshalb zu bejahen, weil zu Recht Beiträge nacherhoben wurden (vgl. BSG, a.a.O., dort z.B. Rdnr. 15). Allerdings ist für die Anwendung dieser Regelung - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zum Ausschluss dieser Sanktion z.B. bei reinen Berechnungsfehlern oder einfachen Fehlbeurteilungen - (mindestens) bedingter Vorsatz in Bezug auf die verletzten Pflichten erforderlich (BSG, a.a.O.). Dabei liegt die Annahme von bedingtem Vorsatz nahe, wenn der Arbeitgeber bei Unklarheiten auf deren Klärung im Einzugsstellen- (§ 28h SGB IV) oder Anfrageverfahren (Statusfeststellung, § 7a SGB IV) verzichtet (vgl. BSG, a.a.O., dort Rdnr. 33). So liegt der Fall hier. Die Klägerin, die sich die Handlungen ihres Ehemannes, wie ausgeführt, zurechnen lassen muss, stellte zur Beurteilung ihrer Verpflichtungen als Arbeitgeberin allein die ihr günstigen, weil für Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1 sprechenden, eher formalen Umstände ein. Die zentrale Frage der Eingliederung in ihren Betrieb durch die Verwendung ausschließlich von ihr zur Verfügung gestellter Betriebsmittel, ohne die die Aufträge nicht hätten durchgeführt werden können, vernachlässigte sie und sie holte auch keine Auskunft der Einzugsstelle hierzu ein oder führte gar ein Statusfeststellungsverfahren durch. Vielmehr nahm sie - wie dargelegt - die Verletzung ihrer Pflichten billigend in Kauf und handelte somit vorsätzlich.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die von der Beklagten der Berechnung zu Grunde gelegte Lohnsteuerklasse VI. Denn gemäß § 39c Abs. 1 Satz 1 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) - hierauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen - in der bis zum 31.12.2011 und damit im streitigen Zeitraum geltenden Fassung ist die Lohnsteuer nach Steuerklasse VI zu ermitteln, wenn der unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte schuldhaft nicht vorlegt. Der Beigeladene zu 1 war im streitigen Zeitraum unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig, weil er im Inland einen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dabei ist Verschulden - entsprechend der zu übertragenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zur Haftung des Arbeitgebers für die Lohnsteuer (vgl. zum Ganzen BSG, a.a.O., m.w.N.) - des Arbeitgebers, der die Prüfung nach § 39c Abs. 1 Satz 1 EStG durchführt, anzunehmen und ein entschuldbarer Rechtsirrtum bei der Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs zu verneinen, wenn der Arbeitgeber die ihm offenstehende Auskunft des Betriebsstättenfinanzamtes hierzu nicht einholt. Insoweit gelten somit die gleichen Maßstäbe, wie sie oben für die Annahme von bedingtem Vorsatz dargelegt sind (Annahme bedingten Vorsatzes bei Verzicht, Unklarheiten durch die entsprechenden Stellen klären zu lassen). Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es somit auf die tatsächliche, dem Beigeladenen zu 1 zugeteilte Lohnsteuerklasse nicht an, weil zu keinem Zeitpunkt eine Lohnsteuerkarte vorgelegt wurde.

Im Übrigen sind Fehler in der Berechnung der Beiträge und Umlagen weder vorgetragen noch ersichtlich.

Schließlich sind auch die von der Beklagten gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV erhobenen Säumniszuschläge nicht zu beanstanden. Zwar wird nach Abs. 2 im Fall der Feststellung einer Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht erhoben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht steht sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten i.S. von § 276 BGB entgegen (BSG, Urteil vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R, in SozR 4-2400 § 24 Nr. 5). Mit dem bereits oben bei der Klägerin festgestellten bedingten Vorsatz sind die Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen erfüllt. Auch insoweit sind Berechnungsfehler nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung, wobei der Senat den Tenor der erstinstanzlichen Kostenentscheidung richtig und entsprechend der vom Sozialgericht gegebenen Begründung fasst.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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