L 3 R 100/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 33 R 479/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 100/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. August 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind weder für das Klage- noch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit sind die teilweise Rücknahme der Bewilligung einer Hinterbliebenenrente, die Erstattung der Überzahlung und die Neuberechnung der Rente mit Wirkung für die Zukunft.

Die Klägerin ist am xxxxx 1945 geboren, d. Staatsangehörige und Witwe des am xxxxx 1944 geborenen und am 12. Oktober 2010 verstorbenen S., der bei der Beklagten rentenversichert war. Sie war seit dem xxxxx 1966 mit dem Versicherten verheiratet. Im Jahr 2006 zog der Versicherte von D. nach Deutschland, die Klägerin im Jahr 2008.

Am 23. November 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Am gleichen Tag übersandte sie die Anlage zum Hinterbliebenenantrag und gab in dieser u.a. unter den Ziffern 5.7, 7.1 und 7.7 an, dass sie keine Rente aus eigener Versicherung oder Leistungen von einer Stelle im Ausland erhalte und nicht beantragt habe. Sie unterzeichnete die Anlage nicht, jedoch die Bestätigung der Datenübermittlung, die den Hinweis enthielt, dass sie mit ihrer Unterschrift ausdrücklich die Richtigkeit der Daten bestätige und sich verpflichtete, den Rentenversicherungsträger unverzüglich zu benachrichtigen, wenn Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen, kurzfristiges Erwerbsersatzeinkommen, dauerhaftes Erwerbsersatzeinkommen, Vermögenseinkommen oder Elterngelt gezahlt oder beantragt wird.

In der Folgezeit wurde der Klägerin mit Bescheid vom 17. Dezember 2010 vorläufig eine Hinterbliebenenrente in Höhe von 640,10 EUR monatlich für den Monat November und Dezember 2010, 637,97 EUR für Januar 2011 und 380,66 EUR für die Zeit ab Februar 2011 gewährt. Ab dem 1. Februar 2011 betrug die Rentenhöhe 382,79 EUR. Die Beklagte gewährte die Leistungen vorläufig, weil Versicherungszeiten in einem anderen EU-Mitgliedsstaat (D.) festzustellen waren. Mit Bescheid vom 17. Dezember 2010 wurde noch einmal auf die Mitteilungspflichten und Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit Einkommen hingewiesen (Seite 4). Dabei wurde u.a. erläutert, dass eine Rente wegen Alters mitteilungspflichtiges Erwerbsersatzeinkommen sei und sich die Mitteilungspflicht auch auf Erwerbsersatzeinkommen, welches im Ausland erzielt werde, erstrecke.

Auf Anfrage der Beklagten übersandte der dänische Rentenversicherungsträger ("P.") am 21. Januar 2011 das Formblatt E 210 DK, aus dem die Versicherungszeiten des verstorbenen Ehemanns der Klägerin ersichtlich sind. Beigefügt wurde auch ein an die Klägerin gerichtetes Informationsschreiben vom 13. Januar 2011, das von der Beklagten nicht übersetzt wurde. Hieraus ergab sich die Ablehnung des Antrages auf Gewährung einer Witwenrente nach dänischem Recht.

Mit Bescheid vom 15. April 2011 wurde die Rente endgültig für die Zeit ab 1. November 2010 festgestellt, ohne dass sich Änderungen oder eine Nachzahlung ergaben. Ab 1. Mai 2011 wurde (wieder) ein Rente in Höhe von 382,79 EUR gezahlt.

Am 15. Juli 2013 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten telefonisch und teilte eine geänderte Bankverbindung mit. Sie erklärte weiter, dass sie eine Rente aus D. sowie von der Deutschen Rentenversicherung Bund beziehe. Die Beklagte versuchte dann bei dem Dänischen Rentenversicherungsträger Auskünfte zu erlangen. Dieser teilte schließlich am 12. November 2013 mit, dass die Klägerin seit dem 1. November 2010 monatliche Zahlungen in Höhe von DKK 9.995, seit dem 1. Juli 2011 DKK 10.186, seit dem 1. Juli 2012 DKK 10.482, seit dem 1. Juli.2013 DKK 10.649 und ab dem 1. Januar 2014 DKK 10.840 als Leistungen aus der dänischen Volksrente erhalte.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2013 berechnete die Beklagte die bisherige Witwenrente ab dem 1. November 2010 neu. Sie bewilligte der Klägerin ab dem 1. Januar 2014 einen Betrag von monatlich 287,68 EUR und forderte für die Zeit vom 1. November 2010 bis zum 31. Dezember 2013 einen Betrag in Höhe von 3.610,21 EUR zurück. Zur Begründung verwies sie auf § 45 SGB X und nahm den bisherigen Bescheid über die Feststellung der Rentenhöhe insoweit zurück. Seit 1. November 2010 beziehe die Klägerin Altersrenten aus Dänemark und aus Deutschland, der Bescheid sei von Anfang an rechtswidrig. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen, die bekannten Umstände seien bei der Ausübung des Ermessens beachtet worden.

Am 16. Januar 2014 erhielt die Beklagte Kenntnis darüber, dass die Klägerin eine weitere Rente aus Dänemark aus dem A.-System bezieht. Diese wurde von dem Dänischen Rentenversicherungsträger mit DKK 7.884 monatlich angegeben. Mit Bescheid vom 22. Januar 2014 berechnete die Beklagte die Rentenhöhe der Klägerin neu. Ab dem 1. Februar 2014 gewährte sie 273,00 EUR monatlich und forderte für die Zeit vom 1. November 2010 bis 31. Januar 2014 529,28 EUR zurück. In der Begründung führte sie aus, der bisherige Bescheid über die Feststellung der Rentenhöhe werde zurückgenommen. Der dänische Rentenversicherungsträger habe mitgeteilt, zusätzlich zu der dänischen Altersrente würden auch Leistungen aus dem A.-System gezahlt. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen, die bekannten Umstände seien bei der Ausübung des Ermessens beachtet worden. Die Berechnung wurde in der Anlage 8 des Bescheides für die jeweiligen Zeiträume in der Vergangenheit erläutert.

Gegen den Bescheid vom 4. Dezember 2013 erhob die Klägerin am 29. Januar 2014 Widerspruch. Gegen den Bescheid vom 22. Januar 2014 legte sie am 10. Februar 2014 Widerspruch ein.

Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 17. Februar 2014 dazu an, dass der Bescheid vom 15. April 2011 mit Bescheiden vom 4. Dezember 2013 und 22. Januar 2014 hinsichtlich der Rentenhöhe zurückgenommen worden sei und überzahlte Beträge zu erstatten seien. Neben einer Rente der Deutschen Rentenversicherung Bund erhalte sie eine eigene Rente aus D., die hätte angerechnet werden müssen. Hieraus folge eine Überzahlung in Höhe von 3.610,21 EUR. Insoweit werde auf den Bescheid vom 4. Dezember 2013 verwiesen. Darüber hinaus habe sie eine sog. A.-Rente bezogen, was ebenfalls von ihr nicht mitgeteilt worden sei. Diesbezüglich sei es zu einer Überzahlung in Höhe von 529,18 EUR gekommen. Es werde insoweit auf die Erläuterungen im Bescheid vom 22. Januar 2014 verwiesen. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie im Rentenantragsformular die Fragen nach Einkommen verneint habe. Es sei dort nachzulesen, dass der Einkommensbezug Einfluss auf die Rentenhöhe haben kann. Zudem habe die Klägerin unrichtige Angaben gemacht und Einkommen auch nach Bescheiderteilung nicht gemeldet. Es seien bei der Ermessensausübung bislang keine Gründe ersichtlich, von der Rückzahlung abzusehen.

Zur Begründung der Widersprüche führte die Klägerin in der Folgezeit aus, die d. Rente sei erstmalig am 31. Januar 2011 zur Auszahlung gelangt. Sie legte den Bescheid der P. vom 13. Januar 2011 vor. Zudem sei sie davon ausgegangen, dass eine Anrechnung der dänischen Rente nicht stattfinde, da die deutsche Rente auf die dänische Rente ebenfalls nicht angerechnet werde. Außerdem werde in den Bescheiden auf die gleichen europäischen Normen Bezug genommen. Dem dänischen Träger sei die deutsche Rente bekannt gewesen, so dass sie davon ausgegangen sei, dass ein Datenaustausch zwischen den Trägern stattfinde. Zudem sei der Beklagten bekannt gewesen, dass die Klägerin Anspruch auf eine d. Altersrente habe, da dies aus einem Schreiben der P. vom 21. Januar 2011 hervorginge. Dort habe der Träger mitgeteilt, dass die Klägerin in D. keinen Anspruch auf eine Witwenrente habe, da ihr eine Altersrente zustehe.

Die Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2014 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Bescheid vom 15. April 2011 habe nicht mit der Rechtslage übereingestimmt. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie im Rentenantrag am 22. November 2010 angegeben habe, eine Rente aus eigener Versicherung sei beantragt worden, die Entscheidung stehe aber noch aus. Der Bezug von Leistungen aus dem Ausland sei ausdrücklich verneint und somit verschwiegen worden. Zweifel an der Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der gezahlten Rente hätten sich aufdrängen und eine Rückfrage bei der Beklagten erfolgen müssen. Gründe dafür, von der Erstattungsforderung abzusehen, seien nicht ersichtlich. Den Versicherungsträger treffe kein Verschulden.

Am 7. Mai 2014 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren vertieft. Die Beklagte hat auf die Begründung in den angefochtenen Bescheiden verwiesen und dargelegt, dass die Rente in dem Bescheid vom 17. Dezember 2010 vorläufig festgestellt worden sei. Die endgültige Feststellung der Rente sei erst mit Bescheid vom 15. April 2011 erfolgt.

Mit Urteil vom 29. August 2017 hat das Sozialgericht die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme gemäß § 45 Sozialgesetzbuch — Zehntes Buch (SGB X) würden nicht vorliegen. Dem Bescheid vom 22. Januar 2014 fehle es an der erforderlichen Bestimmtheit gemäß § 33 SGB X. So sei der Bescheid, der zurückgenommen werden solle, nicht benannt worden. Die Klägerin habe den Bescheid vom 22. Januar 2014 nur so verstehen können, dass der Bescheid vom 4. Dezember 2013, den sie zuletzt erhalten habe, abgeändert werden bzw. teilweise aufgehoben werden sollte, es aber trotzdem bei der Rückforderung bleibe. Im Widerspruchsbescheid sei dann zwar der Bescheid vom 15. April 2011 genannt worden, es bleibe aber unklar, ob beide Bescheide den Bescheid vom 15. April 2011 teilweise zurücknehmen oder der Bescheid vom 22. Januar 2014 den Bescheid vom 4. Dezember 2013 ersetzen sollte. Es werde nicht deutlich, in welcher Höhe die monatliche Rente zukünftig gewährt werde. Richtigerweise hätte der Bescheid vom 4. Dezember 2013 hinsichtlich der monatlich zu zahlenden Rente abgeändert und bezüglich der Rückforderung aufrechterhalten werden müssen. So widerspreche der Bescheid vom 22. Januar 2014 hinsichtlich der monatlich zu zahlenden Rente dem Bescheid vom 4. Dezember 2013. Tatsächlich sei aber nur ein Bescheid aufgehoben worden, nicht mehrere.

Der Bescheid vom 4. Dezember 2013 sei rechtswidrig, weil keine Anrechnung aus der dänischen Volksrente hätte vorgenommen werden dürfen. Die Voraussetzungen der §§ 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch — Sechstes Buch (SGB VI) und 18a Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch — Viertes Buch (SGB IV) seien nicht erfüllt. Bei der in Rede stehenden dänischen Rente handele es sich weder um Erwerbseinkommen, noch um Erwerbsersatzeinkommen. Die vom Bundessozialgericht aufgestellten Kriterien seien nicht erfüllt. So handele es sich nicht um eine Altersleistung, die mit Beendigung der Erwerbstätigkeit gezahlt würde und die Leistung habe nicht Lohnersatzcharakter. Die dänische Volksrente werde unabhängig von einer Erwerbstätigkeit gezahlt. Maßgeblich seien die Dauer des Wohnsitzes in D. und der Familienstand. Auch das Landessozialgericht Hamburg habe bei der vergleichbaren kanadischen Volksrente (Urteil vom 30.1.2008 – L 1 R 30/08) die Anrechnung auf eine Witwenrente mit überzeugender Begründung verneint.

Gegen das am 4. September 2017 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Hamburg hat die Beklagte am 20. September 2017 Berufung eingelegt. Sie argumentiert, dass ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot nicht vorliegen würde. Das Sozialgericht habe rein formal-rechtlich argumentiert und die gebotene Auslegung nicht ordnungsgemäß vorgenommen. Nach allgemeinen Grundsätzen könne nämlich bei der Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Bescheides und weitere bekannte Umstände abgestellt werden. Vorliegend ergebe sich aus der Begründung, dass die Anrechnung vorgenommen worden sei, weil neben der dänischen Volksrente auch Leistungen aus dem A.-System bezogen worden seien. Es werde deutlich, dass eine Anrechnung einer weiteren Leistung vorgenommen worden sei. Darüber hinaus sei der gesamte Erstattungsbetrag genannt und die Situation ausführlich in der im Verwaltungsverfahren vorgenommenen Anhörung erläutert worden.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die dänische Volksrente auch anzurechnen. Das Versorgungsmodell in Dänemark basiere auf vier Säulen:

- der dänischen Volksrente - der A.-Rente als Arbeitsmarkt-Zusatzrente - auf tarifvertraglichen Regelungen - und einer privaten Absicherung.

Die dänische Volksrente erfasse als Pflichtversicherung alle in D. lebenden Personen, um diese gegen Risiken des Alters und der Invalidität abzusichern. Die Zahlung erfolge in Abhängigkeit vom Familienstand und der Wohnsitzdauer. Finanziert werde die Rente durch Steuern. Auf den Grundbetrag würden alle Einkünfte außer Renten angerechnet. Der frei wählbare Wohnsitz schließe die Annahme einer Pflichtversicherung nicht aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Entscheidung vom 6.2.2008 – XII ZB 66/07) sei eine Vergleichbarkeit mit Versorgungsanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung gegeben, wenn Leistungsansprüche auf einer Pflichtmitgliedschaft basieren. Hiervon abzugrenzen seien Leistungen mit Entschädigungscharakter, die unabhängig von der Bedürftigkeit gezahlt werden. Die Finanzierung aus Steuermitteln sei ebenso unbeachtlich wie der mangelnde Bezug zu einer Erwerbstätigkeit. Auch in der gesetzlichen Rentenversicherung würden Renten aufgrund von Berücksichtigungs- oder Anrechnungszeiten, z.B. Kindererziehungszeiten gezahlt. Hinzu komme, dass die Rente auch an Grenzgänger, die nicht in D. leben, sondern dort arbeiten, gezahlt würde.

Darüber hinaus sei auf EU-Recht zu verweisen. Die dänische Volksrente sei wie die deutsche Altersrente vom Geltungsbereich der Verordnung (VO) EG Nr. 884/2004 durch deklaratorische und bindende Erklärung Dänemarks erfasst und damit als Leistungen der sozialen Sicherheit definiert. Sie sei deshalb als gleichwertig anzusehen. Abzugrenzen seien Leistungen im Bedürftigkeitsfall, die auch in Dänemark beansprucht werden können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. August 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. August 2017 zurückzuweisen.

Die Klägerin verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil. Der Bescheid vom 22. Januar 2014 sei zu unbestimmt und die von der Beklagten vorgenommene Auslegung zu weitgehend. Darüber hinaus sei die dänische Volksrente eher mit Grundsicherungsleistungen im Alter vergleichbar als mit einer Altersrente. Insoweit sei auf die Begründung des Sozialgerichts zu verweisen, welches zu Recht auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg zur kanadischen Volksrente Bezug genommen habe. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs betreffe Regelungen des BGB und des Versorgungsausgleichgesetzes, die nicht mit dem sozialrechtlichen Anrechnungsregelungen vergleichbar seien. § 2 Versorgungsausgleichgesetz sei weiter gefasst und bezwecke den Ausgleich aller hinzugewonnenen und auszugleichenden Anrechte. Eine Rente aus Kindererziehungszeiten sei die Ausnahme, ebenso erfolge die Finanzierung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum überwiegenden Anteil aus Beiträgen und nicht aus Steuermitteln. Auch insoweit sei eine Vergleichbarkeit nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht, Beratung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, insbesondere form- und fristgerechte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Die Beklagte hat zu Recht mit den Bescheiden vom 4. Dezember 2013 und vom 22. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2015 die Bewilligung der Witwenrente teilweise wegen der Anrechnung von Erwerbsersatzeinkommen mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen und für die Zukunft abgeändert. Das Urteil des Sozialgerichts vom 29. August 2017 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme gemäß § 45 SGB X lagen vor, weil eine Einkommensanrechnung im Hinblick auf die nach deutschem Recht gewährte Altersrente und die dänische Volksrente sowie die A.-Rente zu Unrecht unterblieben ist. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

1. Der Bescheid vom 15. April 2011 mit dem die Witwenrente der Klägerin nach der vorläufigen Bewilligung durch Bescheid vom 17. Dezember 2010 endgültig festgestellt worden ist, war von Anfang an rechtswidrig, weil der Klägerin bereits mit Bescheid vom 13. Januar 2011 für die Zeit ab 1. November 2010 vom dänischen Rentenversicherungsträger eine monatliche Volksrente in Höhe von (zunächst) 10.186,00 DKK sowie ab Januar 2011 auch eine A.-Rente in Höhe von 7.884 DKK gewährt wurde. Darüber hinaus erhielt die Klägerin eine Altersrente aus eigener Versicherung von der Deutschen Rentenversicherung Bund.

2. Sowohl die Altersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund als auch die dänischen Renten (Volksrente und A.-Zusatzrente) sind auf die Hinterbliebenenrente der Klägerin anzurechnen, insoweit erweist sich der Ausgangsbescheid als rechtswidrig.

a. Der Bescheid vom 22. Januar 2014 ist ausreichend bestimmt und verstößt nicht gegen § 33 SGB X. Die gebotene Auslegung ergibt, dass mit diesem Bescheid eine zusätzliche teilweise Rücknahme aufgrund der Anrechnung der A.-Rente durchgeführt wurde und auch der letzte Änderungsbescheid vom 4. Dezember 2013 entsprechend modifiziert worden ist.

Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen. Es kommt auf den wirklichen Willen der Behörde bzw. des Verwaltungsträgers an, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und die Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte. Für die Auslegung kommt es über den bloßen Wortlaut hinaus auf den objektiven Sinngehalt des Verwaltungsakts an, also darauf, wie der Empfänger dessen Inhalt (Verfügungssatz und Begründung) bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen konnte und musste. Die Auslegung geht demnach vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten aus, der alle Begleitumstände und Zusammenhänge (Vorgeschichte, Anträge, Begleitschreiben, Situation des Adressaten, genannte Rechtsnormen, auch Interesse der Behörde) berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (BSG v. 25. Oktober 2017 – B 14 AS 9/17 R –, SozR 4-1300 § 45 Nr 19; BSG v. 20. März 2013 – B 5 R 16/12 R –, Rn. 18, juris).

Unter Berücksichtigung der Begründung des Bescheides und der Anhörung ergibt sich der wirkliche Wille der Beklagten mit hinreichender Deutlichkeit. Aus der Begründung des Bescheides vom 22. Januar 2014 (Seite 3) wird deutlich, dass eine weitere, also zusätzliche, Anrechnung von Einkommen vorgenommen wurde, indem die Beklagte ausführte, dass zusätzlich zu der dänischen Altersrente auch Leistungen aus dem A.-System angerechnet werden müssen. Damit ist an sich schon klargestellt, dass der im Bescheid aufgeführte Erstattungsbetrag i.H.v. 579,28 EUR zusätzlich zu erstatten ist. Auf Seite 3 des Bescheides wird auch der Gesamtbetrag in Höhe von 4.139 EUR zurückgefordert. Darüber hinaus erfolgte im Wege der im Verwaltungsverfahren durchgeführten Anhörung eine Erläuterung der Anrechnung mit Zuordnung der jeweils angerechneten Rente zu den Bescheiden und der sich hieraus ergebenden Rückforderung. Zudem ist der Ausgangsbescheid vom 15. April 2011, der durch beide Bescheide hinsichtlich der Rentenhöhe zurückgenommen worden ist, ausdrücklich im Widerspruchsbescheid benannt worden. Sowohl aus der Anhörung als auch aus dem Widerspruchsbescheid ergibt sich die Erstattungsforderung und es werden beide Erstattungsbeträge genannt, so dass aus Sicht des Empfängers kein Zweifel bestehen konnte, dass beide Beträge zu erstatten sind. Dass der Bescheid vom 22. Januar 2014 auch den Bescheid vom 4. Dezember 2013 im Hinblick auf die zukünftige Höhe der zu zahlende Rente — ab 1. Januar 2014 — ebenfalls mit Wirkung für die Zukunft und die Vergangenheit modifiziert und zurücknimmt ist allerdings nicht ausdrücklich erklärt worden. Aus dem Verfügungssatz des Bescheides vom 22. Januar 2014 ergibt sich jedoch die zukünftige Änderung des monatlichen Zahlbetrages für die Zeit ab 1. Februar 2014 und die rückwirkende Änderung durch die Benennung des Überzahlungszeitraumes bis zum 31. Januar 2014. Ebenso wurde in der Anlage 8 die Berechnung der Überzahlung anhand der jeweiligen Zeiträume erläutert. Damit wurde auch ohne Nennung des Bescheides hinreichend deutlich, dass dieser zuletzt ergangene Bewilligungsbescheid ebenfalls teilweise zurückgenommen werden soll (s. BSG v. 25. Oktober 2017 – B 14 AS 9/17 R –, SozR 4-1300 § 45 Nr 19, Rn. 26).

b. Beide dänische Renten sind anzurechnen, weil es sich um Erwerbsersatzeinkommen i.S. v. § 18a Abs. 1 SGB IV handelt.

Nach § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI wird Einkommen (§§ 18a bis 18e SGB IV) von Berechtigten, das mit einer Witwenrente zusammentrifft, hierauf angerechnet. Bei Renten wegen Todes sind als Einkommen zu berücksichtigen 1. Erwerbseinkommen, 2. Leistungen, die erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen), 3. Vermögenseinkommen und 4. Elterngeld (§ 18a Abs. 1 S. 1 SHB IV).

Dies gilt auch für vergleichbare ausländische Einkommen (§ 18a Abs. 1 S. 3 SGB IV). Zu den hier allein in Betracht kommenden Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 18a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI zählen unter anderem Renten der Rentenversicherung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 18a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB VI). Die Vergleichbarkeit einer ausländischen Leistung mit einem deutschen Erwerbsersatzeinkommen ist gegeben, wenn die ausländische Leistung in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und typischen Merkmalen der inländischen Erwerbsersatzeinkommen entspricht, d.h. nach Motivation und Funktion gleichwertig ist. Die jeweiligen Leistungen müssen dagegen nicht in allen Einzelheiten übereinstimmen. Eine ausländische Altersrente muss also zunächst, um vergleichbar in diesem Sinn zu sein, eine Leistung aus einem System der gesetzlichen Rentenversicherung sein. Ein ausländisches System sozialer Sicherheit ist dann als gesetzliche Rentenversicherung anzusehen, wenn es auf öffentlich-rechtlicher Pflichtzugehörigkeit beruht, wiederkehrende Leistungen für den Fall der vorzeitigen Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes vorsieht und kein reines Zusatzversorgungssystem darstellt. Darüber hinaus muss es sich bei der ausländischen Altersrente um "Erwerbsersatzeinkommen" handeln, also um eine Leistung, die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht wird, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Dies sind nur solche Geldleistungen, die aus eigener Versicherung erworben wurden, bei denen ein Versicherungsfall (Alter, Erwerbsminderung) eingetreten ist und die abstrakte Lohnersatzfunktion haben, d.h. die im funktionellen Zusammenhang mit dem früheren Erwerbseinkommen stehen. Davon zu unterscheiden sind beispielsweise die Hinterbliebenenrenten, die nicht an die Stelle von weggefallenem Einkommen treten, sondern Unterhaltsersatzfunktion haben (BSG v. 06.03.1991 — 13/5 RJ 39/90 - BSGE 68, 184; BSG v. 06.02.1991 - 13/5 RJ 16/89 - SozR 3-2400 § 18a Nr. 1).

aa. Dänische Volksrente

Aufgrund der europarechtlichen Gleichstellung beider Renten ist — anders als bei der kanadischen Volksrente — von einem vergleichbaren ausländischem Einkommen bzw. Erwerbsersatzeinkommen auszugehen.

Die dänische Volksrente (F.) setzt sich aus einem Grundbetrag und der Rentenzulage zusammen. Es handelt sich um gesetzlich festgelegte Festbeträge, deren Höhe vom Familienstand und insbesondere der Wohnsitzdauer der Versicherten in D. abhängt. Die Rente wird (derzeit) ab einem Lebensalter von 65 Jahren gezahlt. Das System wird in erster Linie aus Steuermitteln finanziert. Arbeitnehmer, Selbständige und Arbeitgeber sind daher nur indirekt an der Finanzierung beteiligt. Sie sind verpflichtet, einen Pauschalbeitrag zum sogenannten Arbeitsmarktfonds zu zahlen. Aus dem Fonds wird dann ein Teil der Leistungen finanziert (s. Alterssicherung in D. –M.-Datenbankabfrage zu den im Alter gezahlten Leistungen – WD 6 -300 – vom 18. April 2016, WD 6: Arbeit und Soziales).

Es handelt sich bei der Rente zunächst um ein System der gesetzlichen Rentenversicherung mit wiederkehrenden Leistungen im Alter, welches auf öffentlich-rechtlicher Pflichtzugehörigkeit basiert und nicht um ein Zusatzversorgungssystem. Ein Leistungsanspruch wird im Wesentlichen durch die Dauer des Wohnsitzes in D. bestimmt. Der dänische Rentenversicherungsträger erfüllt — entsprechend der gesetzlichen Vorgaben — mit der Gewährung der Leistung eine öffentlich-rechtliche Aufgabe zur Alterssicherung der Bevölkerung. Die Zahlungen haben trotz der Anknüpfung an die Aufenthaltsdauer in D. zumindest abstrakte Lohnersatzfunktion, denn sie sollen grundsätzlich Erwerbseinkommen ersetzen. Sie entsprechen auch ohne konkreten Bezug zu einer Erwerbstätigkeit im Kernbereich einer deutschen Altersrente. Vergleichbarkeit mit einer deutschen Altersrente kommt insbesondere in Betracht, wenn die ausländische Leistung an das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze anknüpft und wenn sie Lohn-/Entgeltersatz nach einer den allgemeinen Lebensunterhalt sicherstellenden Gesamtkonzeption darstellt (BSG v. 30.11.2016 – B 12 KR 22/14 R in juris, Rn 40). Ebenso wie die deutsche Altersrente soll die dänische Volksrente den Lebensunterhalt der Versicherten im Alter sicherstellen. Die Parallelität und Vergleichbarkeit ergibt sich insbesondere aus dem Geltungsbereich der Verordnung (VO) EG Nr. 883/2004, in welcher die dänische Volksrente durch deklaratorische Erklärung Dänemarks als Leistung der sozialen Sicherheit (Leistungen bei Alter) definiert geworden ist (Art. 9 VO EG 883/2004). Daraus folgt eine europarechtlich im Grundsatz bindende Vergleichbarkeit mit der ebenfalls als Leistung der sozialen Sicherheit (Leistungen bei Alter) von der Bundesrepublik Deutschland deklarierten Altersrente hinsichtlich ihres Sicherungszweckes (s. BSG v. 30.11.2016 – B 12 KR 22/14 R in juris, Rn 53f). Beide Leistungen sollen im Alter das Erwerbseinkommen ersetzen und so den Lebensunterhalt der Versicherten sicherstellen. Der Anspruch auf Altersleistungen entsteht zwar nicht mit Beendigung einer konkreten Erwerbstätigkeit (vgl. BSG v. 18.12.2008 – B 11 Al 32/07 R; LSG Hamburg v. 30.01.2008 – L 1 R 30/08), sondern bei Erreichen der Altersgrenze, bei der — bei generalisierender Betrachtungsweise — eine den Lebensunterhalt sicherstellende Tätigkeit nicht mehr ausgeführt werden kann und grundsätzlich beendet wird. Dass bei der dänischen Rente der konkrete Bezug zu einer vorangegangenen Erwerbstätigkeit fehlt, ist vor dem Hintergrund der Geltung der EG VO 883/2004 jedoch unbeachtlich und wird durch die abstrakte Lohnersatzfunktion kompensiert. Die EU-rechtliche Gleichstellung gebietet insofern eine eher abstrakte und von einer konkreten Erwerbstätigkeit losgelöste Betrachtungsweise. Denn auch bei der Volksrente wird das Risiko abgedeckt, den Lebensunterhalt im Alter nicht mehr durch Erwerbstätigkeit bestreiten zu können. Zwar handelt es sich um ein abweichendes Sicherungssystem, welches sich nicht an konkret ausgeübten beitragspflichtigen Beschäftigungen orientiert wie in Deutschland, sondern im Wesentlichen auf die Dauer der Wohnsitzname abstellt und auch durch Steuern finanziert wird, jedoch ist sie ebenfalls auf eine den Lebensunterhalt sicherstellende Erwerbsersatzleistung gerichtet. Die Rente wird gewährt, wenn bei generalisierender Betrachtungsweise Erwerbstätigkeiten aufgrund des Alters nicht mehr möglich erscheinen. Deshalb handelt es sich vom Kern der Leistung wie bei der deutschen Altersrente um Erwerbsersatzeinkommen. Das dokumentiert insbesondere die deklaratorische Erklärung beider Staaten für den Anwendungsbereich der VO EG Nr. 883/2004. Hieraus ergibt sich die strukturelle Vergleichbarkeit beider Rentenleistungen als Leistungen der sozialen Sicherheit und konkret als Leistungen im Alter. So bezieht sich der Geltungsbereich gemäß Art. 3 Abs. 2 der EG VO 883/2004 ausdrücklich auf die auf Beiträgen beruhenden und beitragsfreien Systeme. Darüber hinaus bestimmt Art. 53 Abs. 1 der EG VO 883/2004 unter der Überschrift Doppelleistungsbestimmungen ausdrücklich: "Jedes Zusammentreffen von Leistungen bei Invalidität, bei Alter oder an Hinterbliebene, die auf der Grundlage der von derselben Person zurückgelegten Versicherungs- und/oder Wohnzeiten berechnet oder gewährt wurden, gilt als Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art." Eine Gleichstellung ist daher bei der Auslegung nationalen Rechts unter Berücksichtigung der europarechtlichen Verordnung geboten. Da die deutsche Altersrente in § 18a Abs. 3 SGB IV ausdrücklich als Erwerbsersatzeinkommen legal definiert wird, kann für die rechtliche Bewertung einer nach Europarecht gleichgestellten ausländischen Rente im Ergebnis nichts anderes folgen.

Die von den Mitgliedstaaten abgegebenen Erklärungen begründen auch die Vermutung, dass die nach Art. 9 der Verordnung Nr. 883/2004 erklärten nationalen Gesetze in den sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung fallen und die Mitgliedstaaten grundsätzlich binden (EUGH v. 03.03.2016 – C 12/14). Anhaltspunkte dafür, dass die Erklärung unzutreffend ist, bestehen vorliegend nicht, so dass die dänische Volksrente das Risiko, im Alter nicht mehr erwerbstätig sein zu können, gleichermaßen absichert wie die deutsche Altersrente und daher im Kern beide Renten — trotz der unterschiedlichen Systeme — als Leistungen der sozialen Sicherheit ("Leistungen bei Alter") vergleichbar sind.

Dieser Befund steht auch im Einklang mit den unter § 18a Abs. 3 SGB IV aufgeführten (nationalen) Leistungen, die nach der gesetzlichen Regelung ausdrücklich Erwerbsersatzeinkommen darstellen. Denn neben den typischen Lohnersatzleistungen wie Krankengeld, Altersrente, Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden auch das Ruhegehalt sowie vergleichbare Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis angerechnet (Nr. 5) sowie Renten wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit aus privaten Lebens- und Rentenversicherungen (Nr. 10) als Erwerbersatzeinkommen definiert. Sowohl das nach beamtenrechtlichen Vorschriften gewährte Ruhegehalt als auch private Rentenversicherungen unterscheiden sich von den sozialrechtlichen Lohnersatzleistungen und haben keinen Bezug zum sozialversicherungsrechtlichen Beitragssystem. Dennoch handelt es sich nach der Legaldefinition um Erwerbsersatzeinkommen, was – wie im vorliegenden Fall bei der dänischen Volksrente – von der Zielsetzung der Leistungen, den Lebensunterhalt anstelle von Erwerbseinkommen sicherzustellen, auch zutreffend ist.

bb. ATP-Rente

Die A.-Rente (a.) war ebenfalls auf die Hinterbliebenenrente der Klägerin anzurechnen. Sowohl der Bescheid vom 15. April 2011 als auch der letzte Bewilligungsbescheid vom 4. Dezember 2013 waren daher von Anfang an in Bezug auf die Rentenhöhe fehlerhaft und rechtswidrig Es handelt sich um eine Pflichtversicherung für Arbeitnehmer von 16 bis 66 Jahren mit einer Wochenarbeitszeit von mindestens 9 Stunden. (s. Alterssicherung in Dänemark – MISSOC-Datenbankabfrage zu den im Alter gezahlten Leistungen – WD 6 -300 – 046/16 vom 18. April 2016, WD 6: Arbeit und Soziales). Auch diese Rente ist von D. als Leistung der sozialen Sicherheit im Sinne der VO EG Nr. 883/2004 deklariert wurden. Es gelten daher dieselben Kriterien wie bei der Volksrente. Ungeachtet dessen handelt es sich bei der Arbeitsmarkt-Zusatzrente um eine Pflichtversicherung, die von Pflichtbeiträgen unter der Voraussetzung der Ausübung versicherungspflichtiger Beschäftigungen abhängt. Hier ergibt sich eine Vergleichbarkeit mit der deutschen Altersrente bereits nach allgemeinen Kriterien.

cc. Altersrente

Die Altersrente der DRV-Bund ist gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI in Verbindung mit § 18a Abs. 1 und 3 SGB IV auf die Witwenrente anzurechnen.

3. Vertrauensschutz

Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Beklagte war deshalb gemäß § 45 SGB X berechtigt, den begünstigenden Verwaltungsakt nicht nur mit Wirkung für die Zukunft, sondern auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB X liegen nicht vor, weil die Klägerin eine schuldhafte Mitteilungspflichtverletzung trifft. Nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X kann sich der Begünstigte nämlich nicht auf Vertrauen berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat

Zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung am 15. April 2011 und 4. Dezember 2013 bezog die Klägerin bereits die Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund, die dänische Volksrente und auch die A.-Zusatzrente. Sie hätte die Beklagte über die zwischen Antragstellung und endgültiger Bescheiderteilung eingetretene Veränderung informieren müssen. Die Klägerin war gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch (SGB I) verpflichtet, die Beklagte über alle leistungserheblichen Umstände – auch solche die erst nach Leistungsgewährung eintreten – zu informieren. Der Fall, dass sich maßgebliche Umstände zwischen Antragstellung und (endgültiger) Bescheiderteilung geändert haben, wird vom Anwendungsbereich des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X grundsätzlich erfasst (Schütze in v. Wulffen/Schütze, SGBX, 8. Auflage, § 45 Rn. 49). Auf die Mitteilungspflichten bei der Erzielung von Einkommen ist die Klägerin bei der Antragstellung ausdrücklich hingewiesen worden. Sie hat sich dort verpflichtet, den Rentenversicherungsträger unverzüglich zu benachrichtigen, wenn sich eine Änderung in der Höhe ihres Einkommens ergibt oder Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen, kurzfristiges Erwerbsersatzeinkommen, dauerhaftes Erwerbsersatzeinkommen, Vermögenseinkommen oder Elterngeld gezahlt oder beantragt wird. Im Antrag ist nicht nur nach dem Bezug ausländischer Leistungen gefragt worden, sondern auch ob derartige Leistungen bereits beantragt worden sind (Ziffer 7.1 und 7.7 der Anlage zum Antrag auf Hinterbliebenenrente). Insoweit waren die Angaben der Klägerin auch bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung (im Hinblick auf die dänischen Renten) unzutreffend. Denn sie hat die entsprechende Frage mit nein beantwortet, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt (23. November 2010) bereits die dänischen Renten beantragt hatte. Dies ist nach den Angaben des dänischen Rentenversicherungsträgers bereits am 18. Oktober 2010 geschehen (s. Bewilligungsbescheid vom 13. Januar 2011).

Aufgrund dieser Informationen musste der Klägerin klar sein, dass sie die Zahlung der (dänischen) Rente der Beklagten hätte mitteilen müssen. Im Hinblick auf die unrichtigen Angaben zur Antragstellung und die verschwiegenen (späteren) Rentenzahlungen ist von einer grobfahrlässigen Mitteilungspflichtverletzung auszugehen.

Grobe Fahrlässigkeit liegt bei einem besonders schweren Sorgfaltspflichtverstoß vor. Das ist der Fall, wenn einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt wurden, die im gegebenen Fall jedem hätten einleuchten müssen (Schütze in v. Wulffen/Schütze, SGBX, 8. Auflage, § 45 Rn.52). Das Verschulden bezieht sich bei derartigen Fallgestaltungen allein auf die Frage, ob eine Mitteilung erforderlich gewesen wäre oder nicht.

Soweit die Klägerin die Frage, ob sie bereits anderweitige Leistungen beantragt habe, mit nein angekreuzt hat, ist von einem besonders schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverstoß auszugehen. Die Fragestellung war eindeutig und unmissverständlich. Für die Klägerin musste klar sein, dass eine richtige Beantwortung der Frage wichtig für ihren Rentenanspruch sein muss und der Rentenversicherungsträger diese Informationen zur Prüfung benötigt. Auf Sprachschwierigkeiten kann sie sich dabei nicht berufen, denn sie hätte sich im Zweifel um Hilfestellung durch die Beklagte oder andere Personen kümmern müssen. An dieser Einschätzung ändert sich nichts unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin, die Rente in D. sei vom Bestattungsunternehmer beantragt worden und sie habe deswegen keine Kenntnis gehabt. Denn die Klägerin muss das Bestattungsunternehmen zuvor mit der Beantragung von Renten beauftragt haben. Es ist gänzlich unwahrscheinlich und nahezu ausgeschlossen, dass derartige Handlungen ohne Vollmacht und ausdrücklichen Auftrag selbständig von einem Bestattungsunternehmen nach einem Todesfall erledigt werden, zumal die erforderlichen Informationen über eine grundsätzliche Rentenberechtigung und die in Betracht kommenden Rentenversicherungsträger zuvor eingeholt werden müssen.

Auch hinsichtlich der unterlassenen Mitteilung, dass nach der Antragstellung Renten (Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die dänischen Renten) gewährt bzw. gezahlt worden sind, ist von grober Fahrlässigkeit auszugehen. Aufgrund der eindeutigen Informationen bei der Antragstellung und der Erklärung, die die Klägerin unterzeichnet hatte, musste der Klägerin bekannt sein, dass sämtliche Einkünfte, die sie auch nach Bezug der Witwenrente erhält, angegeben werden müssen. Auch der vorläufige Bewilligungsbescheid vom 17. Dezember 2010 enthält ausdrücklich den Hinweis auf die Verpflichtung, Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen (auch wenn es im Ausland erzielt wird) mitzuteilen.

Die Unterlassung ist als grob fahrlässig anzusehen, die Klägerin hat ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt, zu denen Veranlassung bestanden hatte. Aufgrund der eindeutigen Fragen im Antragsformular und den Hinweisen zu den Mitteilungspflichten war für die Klägerin klar erkennbar, dass die abgefragten Informationen für den Rentenanspruch erheblich waren. Die Frage, ob und nach welchen Gesichtspunkten eine Anrechnung erfolgt, ist vom Leistungsträger zu entscheiden. Die Überlegungen der Klägerin, wonach die Renten aufgrund der Handhabung in D. bzw. aus europarechtlichen Gründen nicht anzurechnen seien, sind daher bei der Beurteilung, ob im Rahmen einer Mitteilungspflichtverletzung von grober Fahrlässigkeit auszugehen ist, nicht von Belang. Eine Parallelwertung der Klägerin zur Frage der Anrechenbarkeit war nicht erforderlich und geboten. Die Klägerin durfte sich in Anbetracht der unmissverständlichen Hinweise bei der Antragstellung und im Bescheid vom 17. Dezember 2010 zur Notwendigkeit, Erwerbsersatzeinkünfte anzugeben, nicht auf ihre eigene Einschätzung bzw. Rechtsauffassung verlassen und hätte gegebenenfalls Rechtsrat einholen und/oder beim Rentenversicherungsträger nachfragen müssen. Der Senat konnte sich in der mündlichen Verhandlung auch davon überzeugen, dass die Klägerin grundsätzlich in der Lage gewesen ist, die erforderlichen Erwägungen anzustellen.

Der Bescheid vom 15. April 2011 und auch der Bescheid vom 4. Dezember 2013 beruhen auf den unvollständigen Angaben der Klägerin.

Die Fristen wurden von der Beklagten eingehalten. Das gilt insbesondere für die Jahresfrist (§ 45 Abs. 4 S. 2 SGB X), denn die Beklagte hat erst am 15. Juli Kenntnis 2012 von der Zahlung weiterer Renten erlangt.

4. Ermessen

Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Ermessensfehler liegen nicht vor. Ein Mitverschulden der Beklagten ist nicht ersichtlich und von der Klägerin sind nach der Anhörung im Verwaltungsverfahren keine Umstände vorgetragen worden, die Anlass gegeben hätten, von der Erstattungsforderung ganz oder teilweise abzusehen.

Ein Mitverschulden der Beklagten lag nicht vor, insbesondere war aus den vom dänischen Rentenversicherungsträger übermittelten Schreiben zu den Versicherungszeiten des verstorbenen Ehemanns nicht ersichtlich, dass der Klägerin eine Rente gewährt wird. Die Klägerin hat zwar bereits im Verwaltungsverfahren — und damit rechtzeitig (s. Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, § 45 Rn 94) — vorgetragen, dass der Beklagten vor dem Bescheid vom 15. April 2011 bekannt gewesen sei, dass sie eine Altersrente beziehe. Bei dem beigefügten Schreiben vom 13. Januar 2011 habe es sich um den dänischen Ablehnungsbescheid gehandelt, mit welchem gegenüber der Klägerin die Gewährung einer Witwenrente abgelehnt worden sei. Grund hierfür sei der Anspruch auf eine eigene dänische Altersrente gewesen. Wie sich jedoch aus der Übersetzung des Ablehnungsbescheides vom 13. Januar 2011 ergibt, ist der Antrag abgelehnt worden, weil das Gesetz über die Witwenrente am 1. Januar 1984 aufgehoben worden ist. Weiter wurde ausgeführt, dass die Klägerin sich selbst einen Anspruch auf Rente in D. erarbeitet habe. Dass grundsätzlich ein Rentenanspruch besteht, bedeutet jedoch nicht, dass die Rente auch bezogen wird. Damit hatte die Beklagte keine Kenntnis über den tatsächlichen Bezug oder die Zahlung einer Rente erlangt und konnte aufgrund der zahlreichen Hinweise bei der Antragstellung und in den Bescheiden davon ausgehen, dass die Klägerin ihrer Mitteilungsobliegenheit nachkommen und ihr die Zahlung weiterer Renten melden würde. Es bestand im Ergebnis keine Veranlassung, in den Ermessenserwägungen ein Mitverschulden zu berücksichtigen.

5. § 50 SGB X - Erstattung

Die Klägerin ist gemäß § 50 SGB X verpflichtet, einen Gesamtbetrag von 4.139,49 EUR zu erstatten. Nach dieser Norm sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Wie bereits festgestellt, ist neben den ausdrücklich benannten Bescheiden auch der Bescheid vom 4. Dezember 2013 teilweise in Bezug auf die Höhe der Rente konkludent zurückgenommen worden. Auch hier ist es unschädlich, wenn nicht alle Bescheide ausdrücklich genannt werden, sofern dem Bescheid zu entnehmen ist, dass die Aufhebung aller Bescheide im genannten Zeitraum beabsichtigt ist, was vorliegend der Fall ist (s. BSG v. 25.10.2017 – B 14 AS 9/17 R).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Klärung der Anrechenbarkeit einer skandinavischen "Wohnsitzrente" auf Hinterbliebenenrenten zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved